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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 07.08.2006
Aktenzeichen: OVG 12 S 41.06
Rechtsgebiete: VwGO, BGB, AO, KAG Bbg, GebG Bbg


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4
BGB § 195 a.F.
BGB § 196 Abs. 1 a.F.
AO § 12
AO § 169
KAG Bbg § 12
KAG Bbg § 12 Abs. 1 Nr. 4 b)
GebG Bbg § 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 S 41.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe und Dr. Riese am 7. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. März 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3468,68 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt, weil die von dem Antragsgegner geltend gemachte Forderung in Höhe von 13.874,73 Euro bei Erlass des Bescheides vom 29. März 2004 nicht verjährt war.

Auf die zwischen Verwaltungsgericht und Beschwerde strittige Frage, ob sich die Festsetzungsverjährung nach § 195 BGB a.F. (dreißig Jahre) oder nach § 196 Abs. 1 BGB a.F. (zwei Jahre) richtet, kommt es im Ergebnis nicht an. Eine analoge Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften ist hier - worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - ausgeschlossen. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke, die im Wege der Analogie ergänzt werden könnte. Insoweit liegt der Fall anders als beim Vergütungsanspruch des Prüfingenieurs für Baustatik. Die Rechtsprechung hat dort u.a. nur deshalb die Verjährungsregelungen des BGB angewandt, weil es sich bei dem Vergütungsanspruch des Prüfingenieurs nicht um Kosten im Sinne des Gebührengesetzes und bei dessen Tätigkeit nicht um eine Amtshandlung handele (vgl. z.B. OVG Münster, BauR 2000, 1322). Angesichts dessen kann hier auch offen bleiben, ob - bei Bejahung einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke - überhaupt auf Bürgerliches Recht oder aber auf andere abgabenrechtliche Vorschriften zurückzugreifen wäre (vgl. dazu BVerwGE 97, 1, 7 ff.).

Dem Brandenburgischen Landesgesetzgeber war bei Inkrafttreten des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg vom 18. Oktober 1991 (GVBl. S. 452) die Unterscheidung zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung bekannt. So hat er zum Beispiel beide Verjährungsarten in dem mit dem Gebührengesetz hinsichtlich der Regelungsmaterie vergleichbaren Kommunalabgabengesetz ausdrücklich geregelt. Die ursprüngliche Fassung des Kommunalabgabengesetzes (Art. 1 des Gesetzes über Kommunalabgaben, Vergnügungssteuer und zur Übertragung der Verwaltung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden vom 27. Juni 1991, GVBl. S. 200) erklärte in § 12 die Vorschriften der Abgabenordnung - und damit auch die Regelungen über die Festsetzungsverjährung in § 169 AO - für entsprechend anwendbar. § 12 KAG wurde durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen kommunaler Daseinsvorsorge im Land Brandenburg vom 7. April 1999 (GVBl. I S. 90) modifiziert. Der dadurch in Kraft getretene § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG Bbg verweist nunmehr ausdrücklich auf § 169 der Abgabenordnung und bestimmt eine vierjährige Festsetzungsfrist.

Demgegenüber bezog sich § 20 Abs. 1 GebG Bbg von Beginn an allein auf eine Zahlungsverjährung. Dies ergibt sich - trotz des insoweit möglicherweise nicht eindeutigen § 20 Abs. 1 Satz 1 GebG - jedenfalls unmissverständlich aus § 20 Abs. 1 Satz 2 GebG. Danach beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden, d.h. in dem dem Kostenschuldner eine Kostenentscheidung bekannt gegeben worden ist (vgl. § 17 GbG Bbg). Vorschriften über die Festsetzungsverjährung finden sich hingegen nicht. Auch bei späteren Änderungen des Gebührengesetzes hat der Landesgesetzgeber die von ihm im KAG vorgenommene Differenzierung unberücksichtigt gelassen, obwohl er sogar § 20 GebG - wenn auch in einem anderen Zusammenhang - geändert hat (Art. 4 des Gesetzes zur Ausführung der Insolvenzordnung und zur Anpassung von Rechtsvorschriften an die Insolvenzordnung vom 26. November 1998 (GVBl I S. 218). Die Kommentarliteratur nimmt ebenfalls an, dass eine Verjährung von Kosten nach dem Brandenburgischen Gebührengesetz nicht möglich sei, solange die Behörde keinen Kostenbescheid erlassen habe. Es müsse allerdings das Rechtsinstitut der Verwirkung beachtet werden (Benedens, Gebührengesetz für das Land Brandenburg, Kommentar, § 20, Nr. 4 zu Absatz 1).

Dieses Ergebnis stimmt schließlich auch mit der Rechtsprechung der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte zur Verjährung der von dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur erhobenen Gebühren überein. Sie haben aus der fehlenden Festsetzungsverjährung im Gebührengesetz und namentlich in § 20 Abs. 1 GebG NW, der bis zu einer Änderung durch Gesetz vom 18. Dezember 2002 (GVBl. NRW 2003 S. 24) mit § 20 Abs. 1 GebG Bbg identisch war, abgeleitet, dass lediglich eine Verwirkung in Betracht komme (OVG Münster, Beschluss vom 4. Februar 2003 - 9 B 2231/02 -, Rn. 29, zitiert nach juris; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 11. Juli 1991 - 2 A 1950/89 -, Leitsatz Nr. 5, zitiert nach juris; zum Vorrang des Landesrechts vor den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts vgl. auch OVG Münster, OVGE 35, 203). Aus alledem lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Brandenburgische Landesgesetzgeber die Festsetzungsverjährung im Gebührengesetz bewusst nicht geregelt hat und § 20 GebG Bbg in Bezug auf die Verjährung abschließend ist.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber aufgrund höherrangigen Rechts verpflichtet gewesen wäre, die Festsetzungsverjährung gesetzlich zu regeln. Zum einen kommt dem Gesetzgeber bei der Bemessung der Verjährungsfrist ebenfalls ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, sodass insoweit lange Verjährungsfristen denkbar sind. Zum anderen werden der Kostenfestsetzung durch das Rechtsinstitut der Verwirkung zeitliche Grenzen gesetzt. Unabhängig davon ist es dem Kostenschuldner, der Klarheit hinsichtlich etwaiger offener Forderungen begehrt, unbenommen, bei dem Kostengläubiger nachzufragen und damit ggf. zugleich den für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Anhaltspunkte für eine Verwirkung sind hier aus den von dem Verwaltungsgericht angeführten Gründen nicht ersichtlich. Der bloße Zeitablauf reicht insoweit grundsätzlich nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Wert des Verfahrensgegenstandes beträgt 1/4 des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes, § 47 Abs. 1, §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges 2004.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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