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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 18.01.2008
Aktenzeichen: OVG 12 S 6.08
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 72 Abs. 2
AufenthG § 104 a
AufenthG § 104 a Abs. 3 Satz 2
AufenthG § 104 b
AsylVfG § 14 a
AsylVfG § 42 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 S 6.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp sowie die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Merz und Plückelmann am 18. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses. Zu den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht den auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag als unzulässig angesehen hat, verhält sich die Beschwerde nicht. Die Antragsteller wenden sich lediglich gegen die Ablehnung des - vom Verwaltungsgericht im Wege der Umdeutung als beantragt erachteten - Erlasses einer einstweiligen Anordnung. In diesem Rahmen hat das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG lägen nicht vor, da sich die Antragsteller die Straffälligkeit des mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partners der Antragstellerin zu 1. und Vaters der Antragsteller zu 2. und 3. entgegenhalten lassen müssten (§ 104 a Abs. 3 AufenthG). Soweit die Antragsteller diese Regelung als "Kollektivhaftung" für verfassungswidrig halten, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Mit der nunmehr direkt in das Aufenthaltsgesetz übernommenen Altfall- oder Bleiberechtsregelung wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen. Es handelt sich um eine dem betroffenen Personenkreis - unabhängig von den sonstigen im Gesetz geregelten Aufenthaltszwecken - aus humanitären Gründen eingeräumte Vergünstigung, bei deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Es steht ihm frei, die Bleiberechtsregelung nur denjenigen zu Gute kommen zu lassen, die faktisch und wirtschaftlich im Bundesgebiet integriert sind und sich rechtstreu verhalten haben (vgl. Bundestags-Drucksache 16/5065, S. 202). Ebenso liegt es in seinem gesetzgeberischen Ermessen, die Begünstigung nur auf den gesamten Familienverband oder ggf. auch auf einzelne Mitglieder zu erstrecken. Für minderjährige Kinder, deren Eltern straffällig geworden sind, entspricht dies dem Grundsatz, dass das minderjährige Kind das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teilt (vgl. Bundestags-Drucksache 16/ 5065, a.a.O.), der auch die sonstigen für das Aufenthaltsrecht von Kindern einschlägigen Vorschriften prägt. Im Übrigen enthalten §§ 104 a Abs. 3 Satz 2, 104 b AufenthG Ausnahmeregelungen für Ehegatten und Kinder, die am 1. Juli 2007 das 14. Lebensjahr vollendet haben. Die Regelung begegnet danach bei summarischer Prüfung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar auch nicht mit Blick auf Art. 6 GG, da die Antragsteller wie auch ihr Vater bzw. Lebenspartner ausländische Staatsangehörige und vollziehbar ausreisepflichtig sind, sodass eine Trennung der Familie selbst bei einer erzwungenen Rückkehr in den Kosovo nicht bevorsteht (vgl. zu einer landesrechtlichen Altfallregelung auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 21. Februar 2006, NordÖR 2006, 320).

Entgegen der Ansicht der Antragsteller liegen in der Person der Antragstellerin zu 2. auch nicht die Voraussetzungen der §§ 25 Abs. 5, 60 Abs. 7 AufenthG vor. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2. begründe nach den ausführlichen Darlegungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - BAMF - in der Stellungnahme vom 12. Dezember 2005 und den anzulegenden rechtlichen Maßstäben kein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Das BAMF hat sich auf der Grundlage der ärztlichen Bescheinigung vom 28. April 2005 mit dem Krankheitsbild der Antragstellerin zu 2. auseinandergesetzt, zu dessen medizinischer Behandelbarkeit sowie zur Verfügbarkeit entsprechender Therapien im Kosovo konkret Stellung genommen und ausgeführt, dass dort krankengymnastische, ergotherapeutische wie auch logopädische Behandlungen durchgeführt werden können. Insbesondere zu Letzterem verhält sich die Beschwerde nicht. Unabhängig hiervon erfüllen die für den Fall einer Rückkehr der Antragstellerin zu 2. behaupteten Beeinträchtigungen nicht die Voraussetzungen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006, BVerwGE 127, 33).

Soweit die Antragsteller schließlich den angegriffenen Beschluss aus formellen Gründen für rechtsfehlerhaft halten, verhilft ihr Vorbringen der Beschwerde gleichfalls nicht zum Erfolg. Auf den Antrag des früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vom 29. April 2005, hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, hat der Antragsgegner im Juni 2005 das BAMF gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG beteiligt und anschließend auf der Grundlage der o.a. Stellungnahme vom 12. Dezember 2005 mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entschieden. Selbst wenn die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 21. November 2006 - 1 C 10/06 -, BVerwG 127, 161, - 1 C 5, 8 und 20/06, juris) auch für sog. Altfälle geltenden Regelungen des § 14 a AsylVfG mit Blick auf das im August 2000 bestandskräftig abgeschlossene Asylverfahren des Vaters der Antragstellerin zu 2. vorliegend einschlägig sein sollten, zeigt die Beschwerde nicht auf, inwieweit die reklamierte, ggf. zu Unrecht unterlassene Einleitung eines Asylverfahrens im Jahre 2005 den angefochtenen Bescheid des Antragsgegners rechtlich angreifbar macht. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das BAMF das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses zu diesem Zeitpunkt anders als in der o.a. Stellungnahme beurteilt hätte. Auch wäre der Antragsgegner gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an einen entsprechenden Bescheid des BAMF gebunden gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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