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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: OVG 12 S 60.07
Rechtsgebiete: VwGO, BS, KrW-/AbfG, AES, EigV, LKrO, BbgAbfG, GewAbfV


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5
BS § 1 Abs. 2
BS § 2 Satz 1
BS § 5 Abs. 1
BS § 5 Abs. 3
BS § 5 Abs. 3 Satz 2
BS § 5 Abs. 3 Satz 3
KrW-/AbfG § 13
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG § 15
AES § 1 Abs. 2
AES § 5 Abs. 1 Satz 2
AES § 5 Abs. 2
AES § 6 Abs. 5
AES § 6 Abs. 5 Satz 1
EigV § 1 Satz 2
EigV § 5 Abs. 1 Satz 1
LKrO § 52
BbgAbfG § 2 Abs. 1
GewAbfV § 1 Abs. 1 Nr. 1
GewAbfV § 2 Nr. 1
GewAbfV § 7 Abs. 4
GewAbfV § 7 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 S 60.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 6. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Februar 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. März 2007 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird insgesamt abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung des angegriffenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 VwGO). Es spricht bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein gebotenen summarischen Prüfung alles für die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2006, mit der der Antragsgegner den Antragsteller an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossen (Ziffer 1. der Anordnung) sowie die Übernahme und Aufstellung eines Restabfallbehälters mit einem Volumen von 120 Litern (Ziffer 3. der Anordnung) verfügt hat.

1. Die angegriffenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Der Werkleiter des Kommunalen Wirtschaftsunternehmens Entsorgung, das der Landkreis Oder-Spree als Eigenbetrieb führt, ist für den Erlass der allein streitigen Ziffern 1. und 3. der Anschlussverfügung vom 17. Juli 2006 gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 3 der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb des Landkreises Oder-Spree, Kommunales Wirtschaftsunternehmen Entsorgung, in der Fassung der 1. Änderung vom 5. Februar 2002 (Amtsblatt Nr. 2 vom 22. Februar 2002) - BS - sachlich zuständig. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts beziehen sich die dem Werkleiter obliegenden, in § 5 Abs. 3 BS genannten Geschäfte der laufenden Betriebsführung nicht allein auf Maßnahmen, die der kaufmännischen und wirtschaftlichen Führung des Eigenbetriebs dienen. Die insoweit als Beleg angeführte Rechtsprechung (OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 576; OVG Weimar, LKV 1999, 148) ist hier nicht einschlägig, weil der dem Werkleiter satzungsgemäß zugewiesene Aufgabenkreis über die Angelegenheiten des Eigenbetriebs hinausgeht.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BS gehören zu den Geschäften der laufenden Betriebsführung unter anderem alle im täglichen Betrieb regelmäßig wiederkehrenden Maßnahmen, die zur Durchführung der Aufgaben, zur Aufrechterhaltung des Betriebes und zum reibungslosen Geschäftsablauf notwendig sind. Eine beispielhafte Konkretisierung dieses Aufgabenkreises findet sich in § 5 Abs. 3 Satz 3 BS, wonach der Werkleiter unter Anderem die Aufgaben der Unteren Abfallwirtschaftsbehörde (9. Spiegelstrich) und die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (10. Spiegelstrich) wahrnimmt. Der letztgenannte Aufgabenkreis ist auch in § 2 Satz 1 BS genannt. Danach übernimmt der Eigenbetrieb die Pflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach dem Brandenburgischen Abfallgesetz mit Ausnahme der Errichtung und Betreibung einer Abfallbehandlungsanlage. Zu den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers im Sinne von §§ 13, 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zählt insbesondere die Entsorgungspflicht (§ 3 Abs. 1 BbgAbfG). Schließlich folgt die Übertragung von Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den Antragsgegner auch aus § 1 Abs. 2 der Satzung des Landkreises Oder-Spree über die Abfallentsorgung - Abfallentsorgungssatzung - vom 29. November 2005 (Amtsblatt Nr. 11 vom 22. Dezember 2005) in der Fassung der 1. Änderung vom 22. November 2006 (Amtsblatt Nr. 12 vom 15. Dezember 2006). Danach werden die Pflichten des Landkreises Oder-Spree als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (§ 2 Abs. 1 BbgAbfG) von seinem Eigenbetrieb - Kommunales Wirtschaftsunternehmen Entsorgung - wahrgenommen, soweit nicht anderen Körperschaften Teile dieser Aufgaben übertragen worden sind. Das ist hinsichtlich des Anschluss- und Benutzungszwanges ersichtlich nicht der Fall.

Darf der Werkleiter mithin zur Durchführung der betrieblichen Aufgaben Maßnahmen treffen, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegen, so kann er den Anschluss- und Benutzugszwang in Bezug auf die öffentliche Abfallentsorgung (§ 5 der Abfallentsorgungssatzung - AES -, § 14 LKrO) verbindlich regeln. Wie der Antragsgegner glaubhaft dargelegt hat, handelt es sich hierbei auch nicht um gelegentliche Einzelfälle, sondern - schon im Hinblick auf die angeführte Anzahl nicht angeschlossener oder anzuschließender Pflichtiger - um regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BS. Dies betrifft sowohl den Anschluss privater Haushalte als auch den Anschluss von Gewerbetreibenden. Für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, dessen Aufgaben der Antragsgegner insoweit wahrnimmt, handelt es sich bei der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges um Maßnahmen, die zu den laufenden Geschäften der Verwaltung zählen. Nichts anderes kann daher für den Antragsgegner gelten.

Die durch § 1 Abs. 2 AES und § 2 Satz 1 BS ausdrücklich erfolgte Übertragung von Aufgaben bzw. Pflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf das Kommunale Wirtschaftsunternehmen Entsorgung ist in kommunalverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Es ist nicht erkennbar, dass diese Übertragung, die eine Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges beinhaltet, kraft Gesetzes ausgeschlossen wäre. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Eigenbetriebe der Gemeinden (Eigenbetriebsverordnung - EigV), die nach § 1 Satz 2 EigV - ebenso wie die Vorschriften der Gemeindeordnung - auch für die Eigenbetriebe der Landkreise entsprechend gilt, leitet die Werkleitung den Eigenbetrieb selbständig und ist für seine wirtschaftliche Führung verantwortlich, soweit ihr in der Betriebssatzung (§ 103 Abs. 2 GO) - wie hier - nicht weitergehende Vertretungsbefugnisse eingeräumt werden.

Auch aus § 52 LKrO ergibt sich nicht, dass die dem Landkreis obliegende Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, die nach § 2 Abs. 1 BbgAbfG eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe darstellt, nicht auf den Eigenbetrieb des Landkreises übertragen werden dürfte. Da dem Landrat schließlich ein Weisungs- und Eingriffsrecht zusteht (§ 8 BS), bestehen auch keine Zweifel an der Sicherung einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung.

2. Ferner spricht bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein gebotenen summarischen Prüfung alles dafür, dass die Ziffern 1. und 3. des angegriffenen Bescheides vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2006, mit denen der Antragsgegner das Grundstück des Antragstellers in N. an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossen und die Übernahme und Aufstellung eines Restabfallbehälters mit einem Volumen von 120 Litern angeordnet hat, auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen Zweifeln begegnen.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung sind § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und § 6 Abs. 5 der Abfallentsorgungssatzung (AES) des Antragsgegners. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AES ist der Antragsteller verpflichtet, dem Antragsgegner gewerbliche Abfälle zur Beseitigung zu überlassen, in deren Besitz er sich befindet. Da das Grundstück des Antragstellers sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken genutzt wird, ist es in Bezug auf die gewerbliche Nutzung als Gewerbegrundstück anzusehen und neben dem Wohngrundstück gesondert anzumelden (§ 5 Abs. 11 Satz 4 AES). Hinsichtlich der gewerblichen Nutzung unterliegt das Grundstück, das bislang nur in Bezug auf die Wohnnutzung an die Abfallentsorgung angeschlossen ist, ebenfalls gemäß § 5 Abs. 2 AES dem Anschlusszwang, wenn aufgrund des dort betriebenen Gewerbes überlassungspflichtige Abfälle anfallen. Der Antragsteller muss insoweit nach § 6 Abs. 5 AES entsprechend § 7 Abs. 4 der Gewerbeabfallverordnung mindestens einen landkreiseigenen 120-Liter-Restabfallbehälter vorhalten. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Das Grundstück des Antragstellers unterliegt hinsichtlich der gewerblichen Nutzung gemäß § 5 Abs. 2 AES dem Anschlusszwang, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass bei dem von ihm geführten Gewerbebetrieb für Elektroanlagenbau und -reparatur keine überlassungspflichtigen Abfälle zur Beseitigung anfallen. Derartige Abfälle stellen grundsätzlich gewerbliche Siedlungsabfälle im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1 GewAbfV dar, die nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nur dann nicht überlassungspflichtig sind, wenn sie verwertet oder in eigenen Anlagen des Erzeugers oder Besitzers beseitigt werden (vgl. dazu Weidemann, in: Jarass/Ruchay/Weidemann, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Kommentar, Stand: 1. Sept. 2006, § 13 KrW-/AbfG, Rn. 71 ff.). Soweit der Antragsteller sich dahingehend eingelassen hat, dass auf dem Gewerbegrundstück lediglich Kartonagen anfielen, ist dies im Hinblick auf die im Auftrag des Antragsgegners durchgeführte Hausmüllanalyse der SHC GmbH vom 11. August 2006 nicht glaubhaft. Danach befanden sich in sechs untersuchten 120-Liter-Restabfalltonnen, die am 2. August 2006 vor dem Grundstück des Antragstellers zur Entsorgung bereitstanden, unter Anderem erhebliche Mengen Elektroinstallationsmaterial (Elektrokabel, Installationsrohre, Steckdosen, Schalter). Diese Art der Abfälle spricht - wie auch der Bericht der SHC GmbH nachvollziehbar darlegt - dafür, dass aufgrund der gewerblichen Tätigkeit des Antragstellers Abfälle zur Beseitigung anfallen. Hinzu kommt, dass das Volumen der dem Antragsgegner von dem Antragsteller überlassenen Abfallbehälter des an die Abfallentsorgung angeschlossenen Wohngrundstücks von Januar bis Juli 2006 das Vierfache dessen überstieg, was in vergleichbaren Haushaltungen im ländlichen Bereich anfällt. Soweit der Antragsteller behauptet, dass die am 2. August 2006 vorgefundenen Abfälle aus dem Abbruch eines auf dem Grundstück befindlichen Hühnerstalls herrührten, kann dies allenfalls den in den Restabfallbehältern vorgefundenen Bauschutt betreffen, nicht jedoch die erhebliche Menge an Elektroinstallationsmaterial wie Kabel, Röhren, Schalter und Steckdosen.

Fallen somit Abfälle zur Beseitigung auf dem Grundstück des Antragstellers aus seinem Gewerbebetrieb an, ist er nach § 6 Abs. 5 Satz 1 AES entsprechend § 7 Satz 4 GewAbfV verpflichtet, mindestens einen 120-Liter-Restabfallbehälter zur Nutzung vorzuhalten. Hierbei kann - angesichts des Ergebnisses der Hausmüllanalyse - offen bleiben, ob § 6 Abs. 5 AES nur dann greift, wenn die Abfälle zur Beseitigung tatsächlich anfallen, oder ob die Vorschrift in Übereinstimmung mit der bundesrechtlichen Regelung in § 7 Satz 4 GewAbfV dahingehend verstanden werden muss, dass grundsätzlich alle Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen ohne Rücksicht auf deren Verwertung oder Beseitigung einen Restabfallbehälter vorhalten müssen, sofern sie nicht im Einzelfall nachweisen, dass bei ihnen keine Beseitigungsabfälle anfallen (vgl. dazu BVerwG, NVwZ 2005, 693 ff.).

3. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht zu beanstanden. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 17. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2006 ergibt sich bereits daraus, dass eine ordnungsgemäße und gefahrlose Abfallentsorgung wegen des nicht unerheblichen Abfallaufkommens auf dem Grundstück des Antragstellers und wegen eines möglichen Nachahmungseffektes sichergestellt werden muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG. Der Senat geht bei einem Streit um den Anschluss- und Benutzungszwang, der - wie hier - nicht leitungsgebundene Einrichtungen betrifft, pauschalierend von dem Auffangwert aus, der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren halbiert wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. April 2006 - OVG 12 S 1.06 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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