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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: OVG 2 A 1.07
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, AGBauGB, VvB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 21
BauGB § 9 Abs. 8
BauGB § 214 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 214 Abs. 1 Nr. 4
BauGB § 241 Abs. 3
BauNVO § 23
AGBauGB § 6 Abs. 3
AGBauGB § 6 Abs. 4
AGBauGB § 8 Abs. 1
AGBauGB § 8 Abs. 3
AGBauGB § 9
AGBauGB § 32
VvB Art. 64 Abs. 3
1. Die bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung von der zuständigen Senatsverwaltung vorzunehmende Abwägung muss abschließend vor der erforderlichen Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin erfolgen.

2. Vorhandene Versorgungsleitungen können die Festsetzung nicht überbaubarer Grundstücksflächen rechtfertigen.


OVG 2 A 1.07 In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Günther und Bauer für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bebauungsplan I - 202 a vom 16. Februar 2006 im Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, verkündet am 4. März 2006 (GVBl. S. 209), ist unwirksam.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen den Bebauungsplan I-202 a vom 16. Februar 2006 in Berlin-Mitte, Ortsteil Mitte, verkündet am 4. März 2006 (GVBl. S. 209). Das Plangebiet ist 4,5 ha groß und liegt im Bereich der ehemaligen Ministergärten innerhalb der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme "Hauptstadt Berlin - Parlaments- und Regierungsviertel". Im westlichen Teil des Plangebietes befindet sich das Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Plangebiet liegenden 10 790 m² großen Grundstücks W_____ 73-81, für das der Bebauungsplan ein in zwei Teilgebiete (WA 1 und WA 2) gegliedertes allgemeines Wohngebiet als Art der baulichen Nutzung ausweist. Das Grundstück der Antragstellerin im Plangebiet sowie die weiteren Grundstücke der Antragstellerin an der W_____ wurden in den Jahren 1987 bis 1992 mit sieben- bis achtgeschossigen Wohngebäuden bebaut. Abweichend von der historischen Bebauung wurden die Gebäude an der W_____ um etwa 20 m von der alten Straßenfluchtlinie zurückversetzt errichtet.

Der angegriffene Bebauungsplan weist die überbaubaren Grundstücksflächen durch Baugrenzen aus. Auf dem Grundstück der Antragstellerin orientiert er sich an dem vorhandenen Baubestand. Die Baugrenze an der W_____ ist daher ebenfalls um 20 m zurückversetzt. Die Fläche zwischen der Straßenbegrenzungslinie der W_____ (Fläche A) und der Baugrenze ist durch das entsprechende Planzeichen und durch die textliche Festsetzung 5.1 als Fläche, die mit einem Leitungsrecht zu Gunsten der zuständigen Unternehmensträger zu belasten ist, ausgewiesen. An der im Plangebiet liegenden Cora-Berliner-Straße wird im WA 2 durch Baugrenzenfestsetzungen und Festsetzungen über das zulässige Maß der Nutzung eine weitere Bebauung in Form einer an den vorhandenen Bestand anschließenden Blockrandbebauung zugelassen.

Anlass der Planung war das Erfordernis, nach der Vereinigung Berlins für den Bereich zwischen den früheren Ministergärten und dem Spreeufer wieder eine der historischen und stadträumlichen Bedeutung angemessene Bebauung und Nutzung einschließlich der hierfür erforderlichen Verkehrsverbindungen zu ermöglichen. Am 8. Dezember 1993 beschloss die damalige Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen die Aufstellung eines Bebauungsplans I-202 für das Gelände zwischen Behrenstraße, Wilhelmstraße, Voßstraße und Ebertstraße. Durch den Bebauungsplan "Ministergärten" sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, für die Errichtung von Ländervertretungen, Wohnungen sowie Sporteinrichtungen geschaffen werden.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 1995 entschied die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen den räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans I-202 zu teilen und für diesen Bereich zwei Bebauungspläne I-202 a und I-202 b aufzustellen. Mit der Teilung werde dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen kontrovers diskutierter Wettbewerbsergebnisse nicht absehbar sei, welche Gestalt das vorgesehene Denkmal für die ermordeten Juden Europas haben werde. Zur Ansiedlung der Vertretungen der Länder beim Bund sei jedoch die zügige Schaffung von Planungsrecht auf dem dafür vorgesehenen Areal zwingend erforderlich.

In der ersten Sitzung des Ausschusses "Berlin 2000" wurde am 7. Mai 1996 eine weitere Änderung der Planbereiche der Bebauungspläne I-202 a und I-202 b und die Aufstellung eines eigenständigen Bebauungsplans zur Realisierung der Verlängerung der Französischen Straße beschlossen und ein entsprechender Beschluss am 3. Juli 1996 durch die Senatsverwaltung gefasst. Hierdurch sollte das Planungsrecht für den Bau einer Straße durch die Ministergärten in Höhe der Französischen Straße gemäß der Beschlusslage des Senats und des gemeinsamen Ausschusses Bund/Berlin geschaffen werden.

Im Februar 2001 legte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Entwurf für den Bebauungsplan I-202 a vor. Vom 7. August 2001 bis 7. September 2001 wurde auf dieser Grundlage eine erneute Trägerbeteiligung durchgeführt. Im Rahmen dieser Trägerbeteiligung machte die BEWAG geltend, dass sich im Plangebiet Fernwärmeleitungen befänden, darunter auch eine Haupttrasse parallel zur W_____ in der Fläche A des Bebauungsplans, die das Stadtzentrum mit Wärme versorge. Die Berliner Wasserbetriebe bestätigten, dass für die vorhandene Trinkwasserleitung das vorgesehene Leitungsrecht in der Fläche A in Anspruch genommen werden müsse. Sie widersprachen ausdrücklich der textlichen Festsetzung, wonach auf der Fläche A auch Garagen zulässig sein sollten. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass sie die bisher im "Hinterland" des Wohnblocks W_____ 73 bis 81 verlaufende Trinkwasserleitung im Zuge des Straßenbaues in die geplante Cora-Berliner-Straße umlegen werde. Die GASAG teilte in einer Stellungnahme ebenfalls mit, dass unter der Fläche A Gasversorgungsleitungen liegen.

Im Februar 2002 wurden die Voraussetzungen für eine Planreifeerklärung für die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas im Geltungsbereich des Bebauungsplans I-202 a seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für gegeben angesehen.

Am 20. Januar 2004 hat der Senat dem Bebauungsplan I-202 a zugestimmt. In seiner Sitzung vom 1. April 2004 stimmte das Abgeordnetenhaus dem Bebauungsplan zu.

Im nachfolgenden Festsetzungsverfahren ist der Bebauungsplanentwurf von der zuständigen Senatsverwaltung unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass eine Rechtsprüfung und eine Prüfung der Unterlagen bzw. des Abwägungsergebnisses vor der Vorlage des Entwurfs an das Abgeordnetenhaus nicht stattgefunden habe, umfangreich überarbeitet worden. Die Begründung des Bebauungsplans wurde um die Wiedergabe der Anregungen und ihrer Berücksichtigung in der Abwägung "über das Auslegungsergebnis in den Akten hinaus" erheblich erweitert. Ausführungen zu den Auswirkungen der Hannah-Arendt-Staße sowie der Behrenstraße einschließlich der Schallschutzmaßnahmen, insbesondere bezogen auf den Wohngebäudebestand, wurden aus dem Bebauungsplanverfahren I-202 c übernommen. Wegen der Einzelheiten der Änderungen wird auf den Vermerk vom 28. November 2005 (VV Band 7, Bl. 1463) sowie die sämtliche Änderungen kenntlich machende Fassung der Begründung des Bebauungsplans vom 16. Februar 2006 (VV Band 7, Bl. 1580- 1630) verwiesen.

Mit dem am 29. Dezember 2006 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag macht die Antragstellerin als Eigentümerin des Grundstücks W_____ 73 bis 81 im Wesentlichen Folgendes geltend: Die Nutzung des Grundstücks werde durch die Baugrenzen erheblich beeinträchtigt. Die Baugrenzen seien städtebaulich nicht zu rechtfertigen. Im Falle einer Neubebauung wäre sie als Grundstückseigentümerin gehindert, die sowohl städtebaulich als auch historisch nahe liegende Blockrandbebauung anhand der historischen Baufluchtlinien vorzunehmen. Aus der Begründung des Bebauungsplans werde nicht ersichtlich, wofür diese Baugrenze gut sein solle. Sinn dieser Festlegung sei offensichtlich, eine Neubebauung auf dem Grundstück zu verhindern. Dies ergebe sich auch aus dem Abwägungsprotokoll vom 5. November 2001, in dem ausgeführt werde, dass die Baugrenzenausweisungen für die dort lebenden Menschen verdeutlichen sollen, dass ihre Plattenneubausiedlung erhalten bleiben soll. Es handele sich um einen Fall eines "politischen Denkmalschutzes". Die Baukörperausweisungen seien weder zur Bestandssicherung noch zur Sicherung der erforderlichen Freiflächen und der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen erforderlich gewesen. Dass mit der Baukörperfestsetzung das planungsrechtlich unzulässige Ziel verfolgt werden solle, einen Abriss sowie eine Neubebauung zu erschweren, gehe auch aus einem die entwicklungsrechtliche Genehmigung versagenden Bescheid der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 8. Juni 2007 hervor. In diesem werde ausgeführt, dass der Bebauungsplan der Sicherung des Bestandes sowohl hinsichtlich der Nutzungsart Wohnen als auch hinsichtlich des Bestandsgebäudes bezwecke.

Fehlerhaft sei auch die Teilung der Geltungsbereiche der Bebauungspläne. Die vorgenommene Aufteilung, die dazu führe, dass der konfliktträchtige Straßenbau gleichsam aus dem übrigen Planwerk "herausoperiert" wurde, sei städtebaulich widersinnig und damit rechtswidrig. Auffällig sei, dass sich die Planungsinhalte der neu geschaffenen Bebauungspläne I-202 a bis c vom Inhalt des ursprünglichen Plans I-202 kaum unterschieden. Es sei daher keineswegs so, dass die aufgeteilten Bebauungspläne jeweils noch in erheblichem Umfang weiterentwickelt worden wären. Die rechtswidrige Aufteilung der Bebauungspläne führe materiellrechtlich dazu, dass die Abwägungsdefizite hinsichtlich des Straßenneubaus im Rahmen des Bebauungsplans I-202 c auch auf den vorliegenden Bebauungsplan durchschlagen würden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan I-202 a im Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, vom 16. Februar 2006, bekannt gemacht am 4. März 2006, für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner erwidert im Wesentlichen Folgendes:

Für das Grundstück der Antragstellerin wie auch für die benachbarten, ebenfalls unbebauten Flurstücke 193 und 195/2 habe sich der Plangeber an der Nachbarbebauung orientiert. Die konkrete Grundstückssituation auf dem Grundstück der Antragstellerin sei sogar in besonderer Weise und ausdrücklich in der Planbegründung erwähnt und berücksichtigt worden. Die Teilung der Bebauungspläne sei ausschließlich aus zeitlichen Gründen erfolgt. Der erforderliche Zusammenhang der Bebauungspläne werde durch die Entwicklungsmaßnahme und die parallelen Aufstellungsverfahren sichergestellt. Die Belange der vorhandenen Wohnbebauung seien berücksichtigt worden. Die Sicherung der Wohnnutzung sei eine wichtige Forderung der Bürger im Vorfeld der Planaufstellung gewesen und erforderlich, um eine unerwünschte Verödung des Regierungsviertels zu verhindern. Die Stärkung der Innenstadt als Wohngebiet sei von Anfang an ein wichtiges Ziel der Stadtplanung für den innerstädtischen Bereich gewesen.

Für das gesamte Gebiet der ehemaligen Ministergärten sei auf allen Seiten der Wohnblöcke eine unbebaubare Vorgartenzone vorgesehen. Ausgenommen sei nur die Fläche A zur W_____ hin, auf der Stellplätze zulässig seien. Die Breite der Fläche sei erforderlich, um die unterirdischen Leitungen dort zu sichern. Für die Abwägung sei der Zeitpunkt der Festsetzung maßgeblich. Entscheidend seien daher nicht die Abwägungsprotokolle, sondern die Bebauungsplanbegründung vom 16. Februar 2006. Vorherige Entscheidungen seien abstimmungs- und verfahrensbedingt und würden nur die letzte Abwägungsentscheidung vorbereiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.

I. Der Antrag ist zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie macht als Eigentümerin eines Grundstücks, das innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans an der W_____ liegt, in einer den Anforderungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügenden Weise geltend, durch die planerischen Festsetzungen in subjektiven Rechten verletzt zu sein.

Der Normenkontrollantrag wurde auch fristgemäß gestellt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung i.V.m. § 195 Abs. 7 VwGO). Inwieweit die Zulässigkeitsanforderungen des § 47 Abs. 2 a VwGO erfüllt sind, bedarf keiner abschließenden Klärung, da auf die Rechtsfolgen der durch Änderungsgesetz vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) in die VwGO eingefügten und am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Vorschrift nicht - wie darin gefordert - schon im Rahmen des Beteiligungsverfahrens hingewiesen worden ist, weil noch nicht darauf hingewiesen werden konnte.

II. Der Antrag ist begründet.

1. Da das Bebauungsplanverfahren vor dem 14. März 1999 förmlich eingeleitet worden ist, findet nicht § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB, sondern die allgemeine Regelung des § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB und demnach das im Zeitpunkt der förmlichen Einleitung des Verfahrens im Jahr 1995 durch amtliche Bekanntmachung des Teilungs- und Aufstellungsbeschlusses vom 30. Oktober 1995 (Amtsblatt vom 17. November 1995, S. 4551) geltende BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253) - BauGB a.F. -, mit den jeweiligen Gesetzesänderungen, Anwendung, sofern der Antragsgegner nicht begonnene gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensschritte wahlweise nach diesen Vorschriften durchgeführt hat (§ 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Die Frage der möglichen Planerhaltung beurteilt sich dagegen gemäß § 233 Abs. 2 BauGB nach den §§ 214, 215 BauGB in der jeweils neuesten Fassung.

Für das landesrechtliche Verfahrensrecht ist das Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch vom 11. Dezember 1987 (GVBl. S. 2731) in der Fassung des Gesetzes vom 7. November 1999 (GVBl. S 578), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2004 (GVBl. S. 524) - AGBauGB -, maßgeblich.

2. Der Bebauungsplan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler.

Die nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F. in Verbindung mit den Vorschriften des Berliner Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578) von der zuständigen Senatsverwaltung vorzunehmende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange ist nicht abschließend vor der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin erfolgt. Wie in dem gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren verhandelten und unter dem selben Datum entschiedenen Normenkontrollverfahren OVG 2 A 7.06 hat auch im vorliegenden Planungsverfahren die zuständige Senatsverwaltung nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses nicht nur die Begründung des Bebauungsplans in redaktioneller Hinsicht überarbeitet, sondern im so genannten Festsetzungsverfahren im Rahmen einer umfassenden Rechtsprüfung die abschließende Abwägungsentscheidung vorgenommen und begründet. Eine solche Verfahrensweise, die mit der Schlusszeichnung der zuständigen Senatorin zu der überarbeiteten Begründung des Bebauungsplans am 16. Februar 2006 ihren förmlichen Abschluss fand, steht mit der im Zeitpunkt der Festsetzung des Bebauungsplans geltenden Gesetzesfassung des AGBauGB nicht in Übereinstimmung.

Der Verfahrensfehler führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn die seit der Änderung durch das Gesetz vom 3. November 2005 (GVBl. S. 692) geltende zweijährige Frist des § 32 Abs. 2 AGBauGB, nach deren Ablauf Verfahrensfehler unbeachtlich werden, ist noch nicht abgelaufen, so dass der Fehler im gerichtlichen Verfahren auch ohne entsprechende Rüge durch die Antragstellerin zu beachten ist. Im Einzelnen:

2.1. Gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestimmen die Länder Berlin und Hamburg, welche Form der Rechtsetzug an die Stelle der im BauGB vorgesehenen Satzungen tritt. Zielsetzung des § 246 Abs. 2 BauGB ist es, den Stadtstaaten aus Gründen föderativer Selbständigkeit einen möglichst großen Gestaltungsspielraum zu verschaffen, der nur inhaltlich durch die besonderen bauplanungsrechtlichen Erfordernisse begrenzt ist (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 1990, NVwZ 1991,1074). Berlin hat von dieser Ermächtigung durch die entsprechenden Vorschriften des Ausführungsgesetzes zum Baugesetzbuch Gebrauch gemacht. Danach war hier die Zustimmung des Abgeordnetenhauses nach der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange durch die zuständige Senatsverwaltung einzuholen, was eine nachträgliche erneute Abwägung durch die Senatsverwaltung ausschließt.

Bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung nach § 9 AGBauGB (§ 4 c AGBauGB 1994) ist gemäß dem entsprechend anwendbaren § 8 Abs. 1 2. Halbsatz AGBauGB i.V.m. § 9 Abs. 3 AGBauGB die Zustimmung des Abgeordnetenhauses erforderlich. Diese Zustimmung muss sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners auf den abschließend abgewogenen Bebauungsplanentwurf beziehen. Die Auffassung des Antragsgegners, dass nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses ohne erneute Befassung des Parlaments Änderungen oder eine erneute (ergänzende) Abwägung durch die zuständige Senatsverwaltung vorgenommen werden könnten, weil die Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. § 6 Abs. 5 AGBauGB i.V.m. § 8 und § 9 AGBauGB) kein rein formaler Akt sei, sondern kurz vor der Festsetzung die letzte entscheidende Abwägung stattfinde, der dann noch ein Mitzeichnungsverfahren innerhalb der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung folge, findet im AGBauGB keine Stütze.

§ 6 Abs. 3 AGBauGB bestimmt für Bebauungspläne der Bezirke, dass die Abwägung vom Bezirksamt vorgenommen wird und dass das Bezirksamt den sich aus der Abwägung ergebenden Entwurf des Bebauungsplans der Bezirksverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorlegt. Nach der Beschlussfassung durch das Bezirksamt ist der Bebauungsplan der zuständigen Senatsverwaltung zur Durchführung eines auf eine Rechtskontrolle beschränkten Beanstandungsverfahrens anzuzeigen (vgl. § 6 Abs. 4 AGBauGB). Es handelt sich bei dieser Prüfung durch die Hauptverwaltung um eine Sonderform der Bezirksaufsicht (vgl. Musil/Kirchner, Das Recht der Berliner Verwaltung, 2. Auflage, 2007, Rn. 171). Nach Abschluss der Rechtsprüfung durch die zuständige Senatsverwaltung ist gemäß § 6 Abs. 5 AGBauGB der Bebauungsplan als Rechtsverordnung durch das Bezirksamt festzusetzen. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass nach der Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung eine weitere inhaltliche Prüfung, Abwägung oder sonstige Entscheidungsfindung auf der Bezirksebene nicht mehr stattfindet. Daraus folgt zugleich, dass die Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung die Letztentscheidung im Bebauungsplanverfahren darstellt (so auch Musil/Kirchner, Das Recht der Berliner Verwaltung, a.a.O.). Die Beschlussfassung ist damit auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Abwägung im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB. Wird nach der Beschlussfassung der Bebauungsplan aus Rechtsgründen von der zuständigen Senatsverwaltung beanstandet oder nur mit Maßgaben oder unter Auflagen genehmigt, bedarf es wiederum einer Befassung der Bezirksverordnetenversammlung, die - entsprechend der Rechtslage und Übung bei den Gemeinden in den Flächenstaaten - auch im Wege eines so genannten Beitrittsbeschlusses erfolgen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 1986, NJW 1987, 1340 = BauR 1987, 166; ausführlich auch: Birk, Bauplanungsrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2007, Rn. 245).

Wird ein Bebauungsplan von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung aufgestellt, werden die Aufgaben des Bezirksamts nach § 6 AGBauGB von der zuständigen Senatsverwaltung wahrgenommen (§ 9 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 AGBauGB). Diese entwirft den Bebauungsplan, führt die Behörden- und Trägebeteiligung durch, legt den Entwurf des Bebauungsplans öffentlich aus und wägt ab. Danach legt sie den sich aus der Abwägung ergebenden Entwurf des Bebauungsplans dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vor, § 6 Abs. 2 und 3 AGBauGB.

Ebenso wie die Beschlussfassung durch die Bezirksverordnetenversammlung für die bezirklichen Bebauungspläne ist die Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus, das insoweit nicht in seiner Funktion als Landesparlament, sondern als kommunale Vertretungskörperschaft tätig wird (Musil/Kirchner, a.a.O. Rn. 172), Voraussetzung für das Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsverordnung. Dass der unterschiedlichen Formulierung "Beschlussfassung" bei der Bezirksverordnetenversammlung einerseits und "Zustimmung" beim Abgeordnetenhaus andererseits eine abweichende Verfahrensweise rechtfertigende Bedeutung zukommt, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht ersichtlich. Hiergegen spricht im Übrigen auch, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin seine Zustimmung in Form eines Beschlusses ausspricht und umgekehrt der Beschluss des Bezirksamtes die Zustimmung zu dem Bebauungsplanentwurf darstellt. In beiden Fällen wird von dem jeweiligen Beschlussorgan dem Ergebnis einer Planungsentscheidung, die von einer anderen Stelle erarbeitet wurde, zugestimmt.

Ein Anhaltspunkt dafür, dass nach der Zustimmung des Abgeordnetenhauses noch eine weitere interne Rechtsprüfung und eine abschließende Abwägung innerhalb der zuständigen Senatsverwaltung durchzuführen ist und durchgeführt werden darf, ist dem AGBauGB nicht zu entnehmen. Dies kann insbesondere nicht aus § 6 Abs. 4 und 5 Satz 1 AGBauGB hergeleitet werden. Denn diese Vorschriften sind - wie dargestellt - Ausprägungen der allgemeinen Bezirksaufsicht durch die übergeordnete Hauptverwaltung. Angesichts der Tatsache, dass bei Bebauungsplänen von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung die Hauptverwaltung selbst durch die Erstellung des Bebauungsplanentwurfs und die Vorlage dieses Entwurfs an das Abgeordnetenhaus tätig geworden ist, ist kein Raum für ein solches aufsichtliches Verfahren. Ein Grund, warum die vom Antragsgegner angeführte "Selbstkontrolle" innerhalb der Senatsverwaltung nicht vor der Vorlage des Bebauungsplansentwurfs an den Senat und das Abgeordnetenhaus erfolgen kann, ist nicht ersichtlich und konnte auch nicht durch die ergänzenden Ausführungen verschiedener Mitarbeiter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung dargetan werden. Dass die rechtliche Problematik der Vorgehensweise innerhalb der zuständigen Senatsverwaltung gesehen wurde, zeigt der Vermerk des Abteilungsleiters des Generalreferates vom 23. Juli 2005 zu dem Bebauungsplanverfahren I-202 c, in dem bemängelt wird, dass die durchgeführte Prüfung nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses eine "verfahrensrechtliche Unsinnigkeit" darstelle, die zum Ausdruck bringe, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Abgeordnetenhauses offensichtlich noch nicht einmal festgestanden habe, "dass der Träger der Bauleitplanung seinen eigenen Plan jedenfalls für rechtmäßig hält".

2.2. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lässt sich eine Letztabwägungsbefugnis der zuständigen Senatsverwaltung auch nicht aus Art. 64 Abs. 3 der VvB, wonach Rechtsverordnungen nach Art. 64 Abs. 1 VvB unverzüglich dem Abgeordnetenhaus vorzulegen sind, herleiten. Auch wenn man diese Vorlagepflicht trotz des zumindest für die bezirklichen Bebauungspläne nicht eindeutigen Wortlauts auf alle Rechtsverordnungen über Bebauungspläne ausdehnt (Michaelis-Merzbach, in: Driehaus, Verfassung von Berlin, 2. Aufl. 2005, Art. 64 Rn. 13; Pfennig/Neumann, Verfassung von Berlin, 3. Aufl. 2000, Art. 64 Rn. 50), so lässt sich diesem allgemeinen Informationsrecht des Parlaments, das erkennbar auf den "Normalfall" einer vom Senat oder einem Senatsmitglied ohne vorherige Befassung des Parlaments zu erlassenden Rechtsverordnung zugeschnitten ist, nicht entnehmen, dass es die Exekutive berechtigte, nach der Zustimmung des Parlaments zu der erfolgten Abwägung zu einem Bebauungsplanentwurf eine ergänzende Letztabwägung vorzunehmen. Bei einem solchen Verständnis der Norm würde das Zustimmungserfordernis des Parlaments ausgehöhlt werden, zumal da die erneute Vorlage zur Kenntnisnahme erst nach der Veröffentlichung der Rechtsverordnung und damit nach dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplans erfolgt. Da das Abgeordnetenhaus im Bereich der Bauleitplanung auch nicht selbst rechtsetzend tätig wird und werden kann, würde ihm auch keine Möglichkeit zustehen, nachträglich korrigierend einzugreifen (zu dieser Möglichkeit bei Rechtsverordnungen im Allgemeinen: Pfennig/Neumann, a.a.O., Rn. 17).

2.3. Soweit der Antragsgegner zur Rechtfertigung seiner Verfahrensweise auf die Rechtsprechung des früheren 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin verweist, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Richtig ist insoweit lediglich, dass der 2. Senat des OVG Berlin in einer Entscheidung vom 14. Januar 1994 (OVG 2 A 9.91 - OVGE 21, 104, 110) den Zeitpunkt der Festsetzung des Bebauungsplans als den für die Abwägung maßgeblichen im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB angesehen hat. Dieses Urteil ist jedoch zu der Fassung des AGBauGB vom 11. Dezember 1987 (GVBl. S. 2731) und nicht zu derjenigen, die das AGBauGB erstmals durch das Gesetz vom 28. Juli 1994 (GVBl. S. 244) erhalten hat, ergangen. Nach der Fassung des AGBauGB 1987 hatte das zuständige Mitglied des Senats gemäß § 4 Abs. 6 AGBauGB nach der Zustimmung durch die Bezirksverordnetenversammlung "unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bezirksamtes zu den nicht berücksichtigten Anregungen und Bedenken" zu entscheiden "ob dieser Bebauungsplan festgesetzt werden soll". Damit kam dem zuständigen Mitglied des Senats das Letztentscheidungsrecht über die Festsetzung des Bebauungsplans zu. Es war nicht lediglich auf die Durchführung eines förmlichen Festsetzungsverfahrens beschränkt, sondern ihm stand die abschließende Abwägungsentscheidung zu. Folgerichtig konnte nicht nur bei rechtlichen, sondern auch bei "schwerwiegenden inhaltlichen Bedenken" von der Festsetzung des Bebauungsplans abgesehen werden. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit des für die Bauleitplanung zuständigen Senatsmitglieds war, wie der 2. Senat des OVG Berlin in einem Urteil vom 16. Mai 2003 (OVG 2 B 23.98) dargelegt hat, nach der damaligen Verfassungslage erforderlich, um der parlamentarischen Ministerverantwortung gerecht werden zu können. Dies hat sich erst durch die Übertragung legislativer Befugnisse auf die Bezirke durch die Verfassungsreform im Jahre 1994 (Gesetz vom 6. Juli 1994, GVBl. S. 217) und die entsprechende Novellierung des AGBauGB geändert (OVG Berlin, Beschluss vom 16. Mai 2003, a.a.O.). In der weiteren vom Antragsgegner zitierten, in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung vom 22. Oktober 1996 (OVG 2 A 7.96) hat der 2. Senat des OVG Berlin es dann auch ausdrücklich offen gelassen, ob für Bebauungspläne von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung an der bisherigen Auffassung über den maßgeblichen Zeitpunkt festzuhalten ist.

2.4. Dafür, dass die Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu einem von der Hauptverwaltung aufgestellten Bebauungsplan einschließlich der Planbegründung und der vorgenommenen Abwägung die Letztentscheidung und damit auch den maßgeblichen Zeitpunkt im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB darstellt, spricht schließlich auch ein Vergleich mit der Rechtslage in den Flächenstaaten nach dem BauGB. Fehlt die Beschlussfassung der Gemeinde zu einem Bebauungsplan stellt dies gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einen stets beachtlichen und der Rügefrist des § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht unterliegenden Verfahrensfehler dar. Ferner ist anerkannt, dass es einen beachtlichen Verfahrensmangel bedeutet, der zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans führt, wenn feststeht, dass die Planbegründung nicht von dem zuständigen Gemeindeorgan gebilligt wurde, es also an einer wirksamen Begründung für den Bebauungsplan fehlt (BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2002, NVwZ-RR 2002, 172). Eine nachträgliche Änderung der Begründung eines Bebauungsplans ist verfahrensfehlerhaft und kann dem völligen Fehlen einer Begründung im Sinne des § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gleichstehen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Mai 2001, NVwZ-RR 2002, 98)

2.5. Der Verfahrensfehler ist beachtlich und führt zur Unwirksamkeit des am 4. März 2006 verkündeten Bebauungsplans insgesamt. Durch Art. I Nr. 9 des Gesetzes vom 3. November 2005 (GVBl. S. 692) ist die Frist für die Geltendmachung von Verfahrensfehlern in § 32 Abs. 2 Satz 1 AGBauGB auf zwei Jahre verlängert worden. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Unerheblich ist, ob die Antragstellerin den hier vorliegenden Verfahrensfehler in der von § 32 Abs. 2 Satz 3 AGBauGB geforderten substantiierten Form geltend gemacht hat (verneinend: Urteil vom heutigen Tag im Verfahren OVG 2 A 1.07). Denn aus der Formulierung in § 32 Abs. 2 Satz 1 AGBauGB, dass die Verletzung eines Verfahrensfehlers "unbeachtlich wird", ergibt sich, dass entsprechende Verfahrens- und Formfehler innerhalb der Frist von den Gerichten von Amts wegen zu beachten sind (vgl. zu § 215 BauGB Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 215 Rn. 7).

3. Steht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans wegen des formellen Fehlers fest, ist schon mit Blick auf die vom Antragsgegner zu prüfende Möglichkeit einer Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB gleichwohl auf die von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren in erster Linie geltend gemachte materielle Rüge unzulässiger Baugrenzenfestsetzungen einzugehen und unter Zugrundlegung der Begründung des Bebauungsplans vom 16. Februar 2006 zu prüfen (vgl. auch Urteil vom heutigen Tag in dem Verfahren OVG 2 A 2.07). Wegen der weiteren, von der Antragstellerin durch Verweisung auf ihr Vorbringen in dem Verfahren OVG 2 A 7.06 gerügten Mängel, verweist der Senat auf die Begründung des Urteils in diesem Verfahren.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Festsetzung von Baugrenzen, insbesondere im Bereich der W_____, nicht abwägungsfehlerhaft.

3.1. Zutreffend ist allerdings, dass die Begründung für die Baugrenzenfestsetzung in dem Abwägungsprotokoll vom 5. November 2001, wonach durch die Baugrenzen den Bewohnern der Bestandsgebäude verdeutlicht werden sollte, dass ihre Plattenneubauten erhalten bleiben sollen, nicht geeignet ist, die Festsetzung städtebaulich zu rechtfertigen.

Die Festsetzung von Baugrenzen nach § 23 Abs. 1 und 3 BauNVO zur Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen bedarf als die Bebaubarkeit einschränkende planungsrechtliche Regelung einer städtebaulichen Zielsetzung. Die Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksflächen in einem Bebauungsplan müssen - wie jede bauplanerische Entscheidung - städtebaulich motiviert sein (BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2002 - BRS 65 Nr. 44). Von den in § 1 Abs. 6 BauGB (früher: § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB) angesprochenen Belangen können durch die Festlegung von Freiflächen insbesondere die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Nr. 1), die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (Nr. 2), die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes (Nr. 4) sowie die in Nr. 5 genannten denkmalpflegerischen und geschichtlichen Belange beeinflusst werden (Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 6, § 23 BauNVO Rn. 39; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2002, a.a.O.). Bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete bedarf es gewichtiger städtebaulicher Belange für Baugrenzenfestsetzungen, die die bebaubaren Grundstücksflächen verengend festschreiben. Ob, z.B. unter dem Gesichtspunkt der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bevölkerungsstrukturen (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB), eine solche Festsetzung überhaupt planerisch zu rechtfertigen sein kann, oder ob insoweit nicht nur - unter den dort geregelten Voraussetzungen - eine Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Betracht kommt, bedarf keiner Vertiefung, da es vorliegend erkennbar an den Voraussetzungen hierfür fehlt. Eine Planung, die sich ohne weitere städtebauliche Rechtfertigung darin erschöpft, die vorhandene Bebauung vor Änderungen durch eine Festschreibung des Bestandes zu bewahren, ist abwägungsfehlerhaft (OVG Lüneburg, Urteil vom 24. April 1969, BRS 22 Nr. 6).

3.2 In der Begründung der Vorlage an das Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 2004 wie auch in der überarbeiteten Begründung vom 16. Februar 2006 wird zur Rechtfertigung der Baugrenzenfestsetzungen zwar auch die Bestandssicherung erwähnt und davon gesprochen, dass die am Bestand orientierten Baugrenzen keinen ökonomischen Anreiz für strukturelle Veränderungen bieten sollen (Begründung S. 22). Als weiteres städtebauliches Ziel der im gesamten Planbereich zurückversetzten Baugrenzen wird jedoch die Erhaltung von Vorgartenfreiflächen im Bereich der ehemaligen Ministergärten angegeben (S. 23). Damit wird ein städtebauliches Gestaltungskonzept angesprochen, das die Festsetzung von überbaubaren Grundstücksflächen und das Zurückspringen gegenüber der Straßenbegrenzungslinie; zu rechtfertigen vermag. Dieses Konzept findet sich auch in dem südlich anschließenden Bebauungsplan I-202 b wieder. Ob diese städtebauliche Zielsetzung und Konzeption auch das Ausmaß des am Bestand orientierten Rücksprungs der Baugrenze an der W_____ zu rechtfertigen vermag, ist allerdings zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn ein möglicher Fehler im Abwägungsvorgang wäre zwar offensichtlich im Sinne des § 214 Abs. 3 BauGB, aber nicht kausal für das Abwägungsergebnis. Die Kausalität zwischen Abwägungsfehler und Abwägungsergebnis ist dann zu bejahen, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann. Hat sich der Planungsträger von einem unzutreffend angenommenen Belang leiten lassen und sind andere Belange, die das Abwägungsergebnis rechtfertigen können, weder im Bauleitplanverfahren angesprochen noch sonst ersichtlich, so ist die unzutreffende Erwägung auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen (BVerwGE, Urteil vom 21. August 1981, BVerwGE 64, 33, 40). Vorliegend sind gewichtige öffentliche Belange, die die vom Antragsgegner vorgenommene Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen rechtfertigen, im Planungsverfahren geltend gemacht und ausweislich der Planbegründung auch bei der Abwägungsentscheidung berücksichtigt worden.

Die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens durchgeführte Trägerbeteiligung hat ergeben, dass die gegenwärtig vor allem für Stellplätze genutzte Fläche A zwischen der an der W_____ vorhandenen Bebauung und der Straßenbegrenzungslinie wegen zahlreicher örtlicher und überörtlicher Versorgungsleitungen nicht überbaut werden darf. Folgerichtig hat der Antragsgegner insoweit textliche und zeichnerische Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB zur öffentlich rechtlichen Sicherung der vorhandenen Leitungen getroffen. Hätte der Plangeber unter Verzicht auf die Festsetzung von Leitungsrechten die Baugrenze bis zur historischen Bauflucht hinausgeschoben, wäre es bei einer Neubebauung in diesem Bereich notwendigerweise zu einem Konflikt mit den Versorgungsunternehmen gekommen. Eine nach den planerischen Ausweisungen mögliche Neubebauung wäre ohne eine Verlegung der Leitungen nicht umsetzbar. Damit würde der Bebauungsplan einen Konflikt schaffen zwischen dem privaten Interesse der Antragstellerin an einer plangemäßen Ausnutzung des Grundstücks und den Interessen der Unternehmensträger und der Öffentlichkeit an einer Sicherung der vorhandenen Leitungen, ohne für ihn eine Lösung aufzuzeigen. Eine Festsetzung aber, die zu keiner Konfliktbewältigung führt, und einen nicht vollzugsfähigen Inhalt festsetzt, ist abwägungsfehlerhaft (vgl. BVerwG, U.v. 12. August 1999, BVerwGE 109, 246).

Hieran ändert auch nichts die in der mündlichen Verhandlung erörterte Möglichkeit, dass die Antragstellerin im Rahmen von Neubauüberlegungen mit den Versorgern - unter Übernahme der entstehenden Kosten - Vereinbarungen über Verlegungen der Leitungen treffen könnte und somit das Problem außerhalb des Bebauungsplans lösbar wäre. Es ist zwar anerkannt, dass eine Gemeinde die mit der Durchführung eines Bebauungsplans absehbar verbundenen Folgeprobleme nicht bereits im Bebauungsplan selbst oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem verbindlich und abschließend regeln muss, sondern Maßnahmen zur Milderung oder zum Ausgleich einem späteren Verfahren überlassen kann, wenn sie im Rahmen der Abwägung realistischerweise davon ausgehen kann, dass die Probleme in diesem Zusammenhang gelöst werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1997, BRS 57 Nr. 7). Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Dass im Zeitpunkt der Planaufstellung konkrete Absprachen über Leitungsverlegungen getroffen wurden, ist nicht geltend gemacht worden und nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass entsprechende Absprachen möglich sind, und die Antragstellerin im eigenen Interesse solche einleiten könnte, genügt nicht, um von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Problemlösung, die nur in einer Verlegung der Leitungen bestehen kann, auszugehen. Angesichts der Zahl und des Umfangs der zu verlegenden Leitungen, der Vielzahl der Beteiligten - neben den Unternehmensträgern auch der Träger der Straßenbaulast - und der erheblichen Kosten, konnte der Antragsgegner nicht davon ausgehen, dass sich mit hinreichender Sicherheit bei einer konfliktträchtigen Festsetzung der Baugrenze auf die Fläche A eine Lösung außerhalb des Bebauungsplanverfahrens finden würde.

Die Abwägungsentscheidung ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil der Antragsgegner nicht die Möglichkeit einer zeitliche Beschränkung der Geltungsdauer der Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB oder einer aufschiebenden Bedingung der Baugrenzenfestsetzung geprüft hat. Eine solche Möglichkeit ist erst durch die Änderung des § 9 Abs. 2 BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) eingeführt worden und musste daher vom Antragsgegner gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht berücksichtigt werden.

3.3. Der Antragsgegner hat bei der Festsetzung der Baugrenzen an der W_____ auch nicht die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt und den Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen, die zur Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Insbesondere werden die privaten Belange der Antragstellerin nicht fehlgewichtet. Dass durch die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen in der durch den Bebauungsplan vorgenommen Weise eine Neubebauung wesentlich erschwert würde, hat die Antragstellerin nicht darzutun vermocht. Anders als in dem den Bebauungsplan I-202 c betreffenden Verfahren OVG 2 A 7.06, zeichnen die Baugrenzen hier nicht den Grundriss der vorhandenen Plattenbauten nach und schränken dadurch die Neubebauungsmöglichkeit ein. Dass die vorhandenen Baugrenzen keine sinnvolle Bebauung unter Ausnutzung der zulässigen Nutzungsmaßfestsetzungen zulassen, wird von der Antragstellerin auch nicht behauptet. Durch die Ausweisung des weiteren allgemeinen Wohngebietes WA 2 mit einer zulässigen GFZ von 3,5 und einer GRZ von 0,57 hat der Antragsgegner darüber hinaus dem Interesse der Antragstellerin an einer zusätzlichen baulichen Ausnutzung ihres Grundstücks in substantieller Weise Rechnung getragen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit dem hier entsprechend anwendbaren § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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