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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: OVG 2 B 10.06
Rechtsgebiete: VwGO, VwVG


Vorschriften:

VwGO § 92 Abs. 3
VwGO § 161 Abs. 2
VwVG § 9 Abs. 2
VwVG § 11 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 B 10.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Broy-Bülow, den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn, den ehrenamtlichen Richter Barwig und die ehrenamtliche Richterin Bauer am 30. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Das Berufungsverfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Gründe:

Das Berufungsverfahren ist durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt und daher entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Über die Kosten des Berufungsverfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahren dem Beklagten aufzuerlegen, da die Berufung der Kläger voraussichtlich Erfolg gehabt hätte und der Beklagte aus diesem Grund die in dem Bescheid des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 8. September 2003 enthaltene Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 300 Euro, die nach dem Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2006 - OVG 2 N 215.05 - allein noch den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet, in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat.

Dass die Androhung des Zwangsgeldes entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts rechtswidrig gewesen ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), folgt daraus, dass ein Zwangsgeld bei vertretbaren Handlungen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) vom 27. April 1953, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 157), das in der jeweiligen Fassung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. Dezember 1976 (GVBl. S. 2735, ber. S. 2898) für das Vollstreckungsverfahren der Behörden Berlins gilt, nur dann verhängt werden kann, wenn die Ersatzvornahme untunlich ist, besonders, wenn der Pflichtige außerstande ist, die Kosten zu tragen, die aus der Ausführung durch einen anderen entstehen. Dieser Wortlaut lässt - bei allen begrifflichen Unschärfen, die der veraltende (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Aufl. 2006) Ausdruck "untunlich" aufweist - jedenfalls erkennen, dass Ersatzvornahme und Zwangsgeld im Anwendungsbereich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gleichrangig sind, sondern dass - anders als nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (vgl. §§ 17, 20, 23) und verschiedenen anderen Landesvollstreckungsgesetzen - ein gesetzlicher Vorrang des Zwangsmittels der Ersatzvornahme vor dem des Zwangsgeldes besteht und die Vollstreckungsbehörde kein Auswahlermessen hat (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 4. Dezember 2003, BRS 66 Nr. 202; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2001 - 1 O 3654/00 -, Juris; App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 196, 199; Engelhardt/App, VwVG-VwZG, 6. Aufl. 2004, Rn. 7 zu § 11 VwVG; Sadler, VwVG-VwZG, 6. Aufl. 2006, Rn. 4 zu § 11 VwVG). Die ausnahmsweise Verhängung eines Zwangsgeldes statt der Ersatzvornahme kommt entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht schon dann in Betracht, wenn sie "effektiv und vernünftig" ist, denn mit einer solchen extensiven Auslegung des Begriffs "untunlich" als bloßem Zweckmäßigkeitsvorbehalt würde das durch den Gesetzgeber erkennbar gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgehebelt. "Untunlich" ist eine Ersatzvornahme vielmehr nur dann, wenn sie in einem besonders hohem Maße unangemessen oder unzweckmäßig ist und sich deshalb geradezu aufdrängt (vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 19. April 1989, NVwZ 1990, 481; OVG Lüneburg, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Argumentation des Beklagten, es müsse den Klägern überlassen bleiben, über den Verbleib der noch verwertbaren Baumaterialien zu befinden, ist eine reine Zweckmäßigkeitsüberlegung, die bei praktisch allen Beseitigungsanordnungen zutrifft und daher das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis aushöhlen würde. Auch § 9 Abs. 2 VwVG und der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Denn Ersatzvornahme und Zwangsgeld stehen hinsichtlich der Schwere des Eingriffs im allgemeinen etwa auf gleicher Stufe (vgl. App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 196). Auch im vorliegenden Einzelfall kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Ersatzvornahme die Kläger stärker belasten würde als das Zwangsgeld. Denn die Verhängung des Zwangsgeldes schließt nicht aus, dass bei Erfolglosigkeit eine Ersatzvornahme angedroht und festgesetzt werden könnte.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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