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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: OVG 2 N 143.05
Rechtsgebiete: VwGO, BRAO, BGB, BbgBO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 155 Abs. 4
VwGO § 158 Abs. 1
BRAO § 43 a Abs. 2 Satz 1
BRAO § 43 a Abs. 2 Satz 3
BGB § 179
BbgBO § 52 Abs. 5 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 143.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 8. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. März 2003 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.686,87 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, an dessen Zulässigkeit mangels Benen-nung eines Zulassungsgrundes i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO schon gewisse Zweifel bestehen, ist jedenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 20.686,87 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 5. November 1999 zu zahlen und die Klage hinsichtlich des darüber hinaus geltend gemachten Stellplatzablösebetrages abgewiesen. Der hiergegen allenfalls sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen des Beklagten nicht gegeben. Schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachen-feststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164), werden in der Begründung des Zulassungsantrages nicht dargelegt.

1. Erfolglos beanstandet der Beklagte den Ausgangspunkt des Verwaltungsge-richts, dass er als Vertreter der Bauherrengesellschaft, die die streitigen Stell-platzablöseverträge abgeschlossen hat, hafte. Zur Begründung ihrer Ansicht hat die Kammer ausgeführt, dass der Beklagte ohne rechtfertigenden Grund die Auskunft über die Gesellschafter verweigert habe; insbesondere könne er sich nicht auf die geltend gemachte Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) berufen. Ob die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass es sich bei den gesell-schaftsrechtlichen Verhältnissen vorliegend um offenkundige Tatsachen im Sinne des § 43 a Abs. 2 Satz 3 BRAO handelt, die nicht der Verschwiegen-heitspflicht unterliegen, kann letztlich dahinstehen, da der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis richtig ist. Denn der Bekagte kann sich auf § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO schon deshalb nicht berufen, weil er bei Vertragsschluss nicht als Rechtsanwalt der Bauherrengesellschaft aufgetreten ist, sondern als deren zivilrechtlicher Vertreter, und auch nur als solcher von der Klägerin in Anspruch genommen wird. Es liegt auf der Hand, dass sich der Beklagte von seiner persönlichen Haftung als Vertreter beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts und den damit verbundenen Nebenpflichten nicht dadurch befreien kann, dass er sich zugleich auf seine Stellung als Rechtsanwalt des Vertretenen beruft. Dem Beklagten kann ferner auch nicht darin gefolgt werden, dass die Klägerin gerade wegen der vom Verwaltungsgericht mit Blick auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in das Grundbuch angenommenen "Offenkun-digkeit" der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse daran gehindert gewesen sei, ihn als Vertreter zu verklagen. Denn der Vertreter ist grundsätzlich verpflichtet, den Vertretenen zu benennen, wenn der Vertragspartner ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 164 Rn. 57). Unterlässt er dies, hat er in entsprechender Anwendung des § 179 BGB wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht für die vertraglichen Ver-pflichtungen einzustehen (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. März 1987, NJW-RR 1987, 914; OLG Köln, Urteil vom 16. November 1990, NJW-RR 1991, 918). Ein schutzwürdiges Interesse des Vertragspartners besteht zweifellos dann, wenn - wie hier - der vertragliche Erfüllungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden soll. In einem derartigen Fall kann der Vertragspartner - unge-achtet der Möglichkeit, sich die zur Identifizierung des Vertretenen erforderlichen Kenntnisse aus anderen Quellen beschaffen zu können - entgegen der Auffas-sung des Beklagten nicht darauf verwiesen werden, zunächst eine Auskunfts-klage zu erheben. Weshalb dies anders sein soll, weil es sich vorliegend um ein verwaltungsrechtliches Streitverhältnis handelt, dem ein baurechtliches Verwal-tungsverfahren vorausgegangen ist, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

2. Auch soweit der Beklagte geltend macht, das Verwaltungsgericht habe den Zahlungsanspruch in Höhe von 40.680,00 DM (= 20.686,87 Euro) rechtsfehler-haft für begründet gehalten, bestehen nach dem im Zulassungsverfahren Dar-gelegten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Entgegen der Auffassung des Beklagten geht aus dem Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 1998 nicht (eindeutig) hervor, dass er insgesamt nur 15 Stellplätze nachzuweisen hat. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich das Schreiben nur auf die ursprünglich zur Genehmigung gestellte Baumaßnahme und deren Schlussabnahme beziehe, die Nachtragsbaugenehmigung jedoch nicht berücksichtige. Zu diesem Schluss zwinge bereits die Angabe des Akten-zeichens des Schreibens, welches dasjenige des ursprünglichen Baugenehmi-gungsverfahrens und nicht dasjenige des Nachtrags sei. Überdies sei in dem Schreiben von "Laden 1, 2, 3" bzw. "3 Läden" die Rede; auf eine Nutzung durch zwei Gaststätten werde nicht abgestellt. Aus dem Schreiben angesichts dessen auf Erfüllung schlussfolgern zu wollen, sei deshalb verfehlt, zumal nach den Bekundungen der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Schlussabnahme in Bezug auf die mit Nachtrag genehmigte Umnutzung in Gaststätten zumindest teilweise noch nicht stattgefunden habe. Soweit der Beklagte diesen Ausführungen mit der Begründung entgegentritt, dass das Schreiben vom 6. Juli 1998 "nach Abnahme der gesamten Baumaßnahme und weit nach den vorangegangenen Schreiben und Festlegungen" gefertigt worden und daher als "endgültiger Verwaltungsakt" anzusehen sei, kann dies angesichts der vom Verwaltungsgericht erwähnten, gegen eine endgültige Regelung spre-chenden Anhaltspunkte nicht überzeugen; insbesondere wird der Widerspruch zu der Feststellung der Kammer, dass eine Schlussabnahme in Bezug auf die mit Nachtrag genehmigte Umnutzung in Gaststätten zumindest teilweise noch nicht stattgefunden habe, nicht näher erläutert.

Soweit der Beklagte geltend macht, dass die Stellplätze auf dem später ange-legten Grundstück Gertrud-Piter-Platz 3 zur Erfüllung der vertraglichen Ver-pflichtungen der Bauherrengesellschaft herangezogen werden könnten, ruft dies ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils hervor. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass für die Neu-baumaßnahme Kurstraße 26/27 keine Stellplätze auf dem Grundstück Gertrud-Piter-Platz 3 im Sinne von § 52 Abs. 5 Satz 1 der Brandenburgischen Bauord-nung in der hier noch anwendbaren Fassung (BbgBO a.F.) nachgewiesen werden könnten, weil sich dieses Grundstück nicht in "zumutbarer Entfernung" befinde. Der Gertrud-Piter-Platz liege weit ab vom Stadtzentrum. Bei Benutzung öffentlicher Wege und Straßen betrage die Distanz wenigstens 1.200 m. Zudem verlaufe die Verkehrsführung zwischen beiden Grundstücken nicht in gerader Linie und erscheine deshalb nicht von vornherein einsichtig, zumal die Entfer-nung über die im fraglichen Bereich nur an zwei Stellen vorhandenen Havel-brücken überwunden werden müsse. Soweit der Beklagte im Zulassungsver-fahren behauptet, dass die Entfernung "nahezu direkt fußläufig zu begehen" sei, so dass allenfalls ein Fußweg von 1.000 m zurückzulegen sei, dürfte dies ohne nähere Erläuterung schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen genügen. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da auch eine Entfernung von 1.000 m nicht mehr als "zumutbar" im Sinne des § 52 Abs. 5 Satz 1 BbgBO a.F. anzusehen wäre. Jedenfalls in einer Stadt der Größe von Brandenburg an der Havel erscheint es als ausgeschlossen, dass ein Fußweg von 1.000 m zwischen dem angestrebten Ort und dem angebotenen Stellplatz auf die Akzeptanz der Kraftfahrer stößt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass derjenige, der im Zentrum seinen Verrichtungen nachgeht, nicht erwarten werde, dass ihm am Gertrud-Piter-Platz ein Parkplatz zur Verfügung steht, und deshalb den öffent-lichen Verkehrs- und Parkraum belasten werde, ist daher unabhängig davon gerechtfertigt, ob die Entfernung im konkreten Fall 1.200 oder nur 1.000 m beträgt.

Ohne Erfolg kritisiert der Beklagte ferner, dass das Verwaltungsgericht die auf dem Grundstück Wollenweberstraße 33 errichteten Stellplätze nicht als Nach-weis anerkannt hat. Die Kammer hat insoweit darauf abgestellt, dass diese Stellplätze bis zum 23. Juli 1997 als dem von den Vertragsparteien vorausge-setzten Zeitpunkt, bis zu welchem Stellplätze anderenorts nachgewiesen werde mussten, weder hergestellt noch rechtlich gesichert gewesen seien. Darüber hinaus wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die Geschäftsgrundlage des Stellplatzablösevertrages auch dann nicht entfallen, wenn zwischenzeitlich der Stellplatznachweis gelungen wäre. Soweit der Beklagte demgegenüber lediglich auf "nachvertragliche Absprachen zwischen der Klägerin und der Bauherrenge-sellschaft" verweist, aufgrund derer eine Stellplatzablöse durch den zwischen-zeitlichen Stellplatznachweis entfallen wäre, fehlt es an jeglichen Angaben zu Ort, Zeitpunkt, Beteiligten und konkretem Inhalt der angeblichen Absprachen. Ein derartig unsubstantiierter Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung.

Ernstliche Zeifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung legt der Beklagte auch nicht dar, soweit er vorträgt, einem Stellplatzablösebetrag in Höhe von 10.170,00 DM (pro Stellplatz) komme eine enteignende Wirkung zu, weil er in seiner Kumulierung zu einem faktischen Bauverbot in Innenstadtlagen führe. Auch mit diesem Gesichtspunkt hat sich bereits das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt und dabei u.a. darauf hingewiesen, dass die Stellplatzherstellungsverpflichtung, als deren Surrogat sich die Ablösung darstelle, nach der Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung sei und es dem Bau-herrn unbenommen bleibe, seine Investition auf solche Nutzungen zu beschränken, die sich als weniger stellplatzintensiv erweisen. Zudem hat die Kammer im Einzelnen ausgeführt, dass der mit 10.170,- DM pro Stellplatz vereinbarte Ablösebetrag den jeweiligen durchschnittlichen Herstellungskosten von Parkeinrichtungen entspreche. Hiermit setzt sich der Beklagte nicht in einer den Darlegungsanforderungen (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) entsprechenden Weise auseinander. Der bloße Hinweis auf die Höhe des Stellplatzablösebetrages reicht nicht aus, um die Erwägungen des Verwal-tungsgerichts zu diesem Gesichtspunkt schlüssig in Frage zu stellen. Auch der Umstand, dass die Klägerin den Betrag gegenüber anderen Bauherren inzwischen halbiert haben mag, ist für sich genommen nicht geeignet, die Annahme eines faktischen Bauverbots in Innenstadtlagen aufgrund der ursprünglich zu zahlenden Stellplatzablösebeträge zu rechtfertigen.

3. Schließlich ist die Berufung auch nicht insoweit wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen, als das Verwaltungsgericht dem Beklagten die Kosten des Verfahrens insgesamt auferlegt hat. Dabei kann dahin-stehen, ob die Kammer im Rahmen des von ihr herangezogenen § 155 Abs. 4 VwGO zu Recht darauf abgestellt hat, dass der Beklagte auf die Berechtigung, den Laden 3 in eine Schankwirtschaft umzunutzen, erst im Termin vom 7. März 2003 rechtswirksam verzichtet habe, oder ob es - wie der Beklagte meint - hierauf nicht ankommen kann, weil eine Umnutzung niemals vorgenommen worden sei. Denn jedenfalls kommt eine auf die Kostenentscheidung beschränkte Zulassung der Berufung schon in entspre-chender Anwendung des § 158 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, das Rechtsmittelgericht von der Pflicht freizustellen, ohne Entscheidung zur Hauptsache allein die Kostenentscheidung isoliert überprüfen zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 1999, NVwZ-RR 1999, 692, 693). Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn eine Überprüfung der Entscheidung in der Hauptsache deshalb nicht erfolgt, weil die Berufung insoweit mangels ausreichender Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht zugelassen werden kann.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (i.F.: GKG a.F.), das hier noch in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kosten-rechts vom 5. Mai 2004. BGBl. I S. 718).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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