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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 20.10.2006
Aktenzeichen: OVG 2 N 205.05
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, VwVfGBbg


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7
BauGB § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
BauGB § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
VwVfGBbg § 51 Abs. 1 Nr. 1
1. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthält auch für das Gebiet der neuen Bundesländer eine abschließende gesetzliche Regelung derjenigen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Neuerrichtung eines Wochenendhauses im Außenbereich ungeachtet der in der Vorschrift genannten öffentlichen Belange in Betracht kommt.

2. Asbestverseuchung ist kein Fall eines "anderen außergewöhnlichen Ereignisses" i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB, so dass bei einem vollständigen Austausch der Bausubstanz der Bestandsschutz für ein Wochenendhaus auch dann entfällt.


OVG 2 N 205.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht , die Richterin am Oberverwaltungsgericht und den Richter am Oberverwaltungsgericht am 20. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. Mai 2005 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 3.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), ist auf der Grundlage der Ausführungen des Klägers, die wegen des Darlegungserfordernisses (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblich sind, nicht gegeben.

1. Die Berufung darf nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen werden. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004, BVerfGE 110, 77, 83 = NJW 2004, 2510) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Beseitigungsanordnung des Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Errichtung des Holzgebäudes im Außenbereich beeinträchtige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB), weil sie zumindest die Erweiterung einer Splittersiedlung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten lasse. Entgegen der Auffassung des Klägers lassen sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht damit begründen, dass in absehbarer Zeit möglicherweise mit dem Eintritt bauplanungsrechtlicher materieller Legalität seines Gebäudes zu rechnen ist. Zwar hat der Kläger hierzu innerhalb der Antragsfrist vorgetragen, dass die Gemeindevertretung der Gemeinde Roskow, auf deren Gebiet das Vorhabengrundstück liegt, in ihrer Sitzung vom 5. Juli 2005 gemäß § 1 Abs. 3 BauGB die Aufstellung eines Textbebauungsplans "Wochenendhausgebiet am Erdeloch" beschlossen hat, in dem die bestehende Bungalowsiedlung, zu der auch das Grundstück des Klägers gehört, als Wochenendhausgebiet ausgewiesen werden soll. Dieser Umstand ist im vorliegenden Verfahren indes nicht zu berücksichtigen, da es sich bei der Beseitigungsverfügung um einen belastenden Verwaltungsakt handelt und es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach allgemeinen Grundsätzen daher nur auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt. Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage, wie sie vom Kläger geltend gemacht werden, sind gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen; je nach Lage des Falles kommt auch die Möglichkeit eines ermessensgebundenen Zweitbescheides in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992, NVwZ 1993, 476, 477).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils lassen sich auch nicht darauf stützen, das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass das Gebäude des Klägers Bestandsschutz genieße. Nach den nicht bestrittenen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils hat der Kläger im Jahre 1993 den auf dem Grundstück vorhandenen Bungalow entfernt und das Holzgebäude errichtet, welches Gegenstand der Beseitigungsverfügung des Beklagten ist. Da der Kläger die Bausubstanz vollständig ausgetauscht hat, ist von einer Änderung der Identität des ursprünglichen Gebäudes auszugehen mit der Folge, dass sich der Kläger nicht mehr auf Bestandsschutz berufen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2001, NVwZ 2002, 92 = BRS 64 Nr. 90). Entgegen seiner Auffassung spielt es dabei keine Rolle, aus welchem Grund der Austausch der Bausubstanz erfolgt ist. Dass das alte Gebäude wegen einer Verseuchung durch Asbest unbewohnbar geworden sein mag, ist nicht dem in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB geregelten Fall einer Zerstörung durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse gleichzusetzen. Voraussetzung der Anwendung dieser Vorschrift ist, dass die Zerstörung weder vom Eigentümer bewirkt worden ist (vgl. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 35 Rn. 104; Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Dezember 2005, § 35 Rn. 114) noch ihre Ursache in dem baulichen Zustand des Gebäudes findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1981, BVerwGE 62, 32, 35). Auf die vom Kläger hervorgehobene Zwangswirkung im Hinblick auf mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen, die einen Abriss und Neubau nicht in sein Belieben stellen, kommt es demgegenüber nicht entscheidend an. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13. März 1981, a.a.O.) nicht die subjektive Erkenntnis über den Zustand des Hauses als "Ereignis", sondern die Außergewöhnlichkeit, die zur Zerstörung des Hauses geführt hat. Dies ist bei einer Unbewohnbarkeit, die auf der Verwendung ungeeigneter Baumaterialien beruht, nicht gegeben.

Ein Bestandsschutz für das Gebäude des Klägers folgt auch nicht aus der im Zulassungsantrag geltend gemachten Berücksichtigung besonderer Belange der Eigentümer von Grundstücken mit Wochenendhausbebauung in den neuen Bundesländern. Der Senat hat schon Zweifel, ob die Annahme des Klägers, dass eine effektive Erhaltung des Bestandes für einen durchschnittlichen Wochenendhausbesitzer in den neuen Bundesländern aufgrund der knappen Ressourcen nahezu unmöglich gewesen sei, in dieser Allgemeinheit zutrifft. Dies kann jedoch dahinstehen, da die bereits erwähnte Vorschrift des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine abschließende gesetzliche Regelung derjenigen Voraussetzungen enthält, unter denen ausnahmsweise die Ersetzung eines im Außenbereich gelegenen Gebäudes, das keiner privilegierten Nutzung nach § 35 Abs. 1 BauGB dient, durch ein anderes selbst dann in Betracht kommt, wenn das Vorhaben - wie nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall - die Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Lediglich bei Wohngebäuden, nicht jedoch bei sonstigen Gebäuden wie Wochenendhäusern, kann nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b BauGB - allerdings unter weiteren Voraussetzungen - eine Neuerrichtung bereits dann zulässig sein, wenn das vorhandene Gebäude Missstände oder Mängel aufweist. Über diese Wertung des Gesetzgebers kann sich der Senat auch nicht unter Berücksichtigung angeblicher Besonderheiten in den neuen Bundesländern hinwegsetzen. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, dass er das auf seinem Grundstück vorhandene Wochenendhaus im Jahr 1993 wegen eines - durch die Unmöglichkeit zeitnaher Reparaturmaßnahmen verursachten - schlechten Erhaltungszustandes beseitigt hat; ausschlaggebender Grund für die Neuerrichtung war nach seinen Angaben vielmehr der Umstand, dass das vorhandene Gebäude mit asbesthaltigen und damit gesundheitsgefährdenden Baumaterialien errichtet worden war.

2. Der Kläger hat auch nicht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, "ob und wie die dargestellten Besonderheiten in den neuen Bundesländern im Rahmen des Bestandsschutzes zu berücksichtigen sind", ist nicht in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig, da sich ihre Beantwortung - wie dargelegt - unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Im Übrigen ist sie auch nicht entscheidungserheblich, da der Kläger selbst die Ersetzung des vorhandenen Gebäudes mit der Asbestverseuchung begründet, nicht hingegen dargelegt hat, dass er bzw. der frühere Eigentümer wegen der in der DDR bestehenden Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baumaterialien und Werkzeugen an einer effektiven Erhaltung des Bestandes gehindert war. Die weitere Frage, "ob unter Bestandsschutzgesichtspunkten eine Neuerrichtung von Gebäuden über die bisher anerkannten Fälle hinaus ausnahmsweise in Betracht kommt", entzieht sich in dieser Allgemeinheit von vornherein einer grundsätzlichen Klärung.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG; der Senat folgt insoweit der Bewertung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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