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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: OVG 2 S 120.05
Rechtsgebiete: BbgBauVorlV, BbgBO


Vorschriften:

BbgBauVorlV § 10
BbgBauVorlV § 11
BbgBauVorlV § 12
BbgBO § 6 Abs. 4
BbgBO § 62 Abs. 2
BbgBO § 66
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG Beschluss

OVG 2 S 120.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 29. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 000 € festgesetzt

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Baueinstellungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Februar 2005.

Der Antragsteller ist Eigentümer eines im Außenbereich des Ortes Bork-Lellichow gelegenen Grundstücks, das in den 1970iger Jahren mit einem knapp 40 m² großen Bungalow bebaut wurde. Im Juli 2002 beantragte der Antragsteller eine Baugenehmigung zur "Sanierung des Wellasbestdaches des Bungalows". Ausweislich der eingereichten Unterlagen sollte die Dachsanierung durch Errichtung eines Spitzdaches bei gleichzeitiger Verbreiterung der Grundfläche des Bungalows um 1 m erfolgen. Das Spitzdach sollte auf eine Fachwerkkonstruktion aufgesetzt und die zu versetzende Rückwand an der Fachwerkkonstruktion befestigt werden. Dem Antrag waren Zeichnungen, die den Zustand des Bungalows vor und nach den Umbauarbeiten darstellten, beigefügt. Mit Baugenehmigung vom 29. November 2002 wurde dem Antragsteller die Ausführung der Bauarbeiten und mit Nachtragsgenehmigung vom 23. März 2004 eine geänderte Ausführung der Dachkonstruktion genehmigt. Unter dem 1. Dezember 2004 erteilte der Antragsgegner eine weitere Nachtragsgenehmigung (als dritte Nachtragsgenehmigung bezeichnet) zur Erweiterung des Bungalows an dessen Vorderseite statt an der Rückseite. Im Wege der Auflage zur Baugenehmigung wurde eine feuerbeständige Ausführung der von der Erweiterung des Bungalows betroffenen, zum angrenzenden Wald ausgerichteten Giebelwand verlangt.

Nach Vorlage eines Prüfberichts des Prüfingenieurs für Baustatik Dipl. Ing. Sch. vom 24. Januar 2005, der als Prüfungsgegenstand "Umbau und Erweiterung eines Bungalows" nennt, wurde dem Antragsteller am 26. Januar 2005 der Baufreigabeschein erteilt.

Bei einer Baustellenbesichtigung im Februar 2005 stellte der Antragsgegner fest, dass der Bungalow bis auf die Bodenplatte komplett abgerissen wurde. Daraufhin erließ er am 25. Februar 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Baueinstellungsverfügung. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Baueinstellungsverfügung wiederherzustellen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das Inhalt und Umfang der oberverwaltungsgerichtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Mit seinem Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der Bauvorlagen für die Bestimmung des Inhalts der Baugenehmigung verkannt, kann der Antragsteller keinen Erfolg haben. Richtig ist zwar, dass die mit einem Bauantrag eingereichten Bauvorlagen für die Beurteilung des Vorhabens von Bedeutung sind, insbesondere Inhalt und Umfang der Baugenehmigung mitbestimmen können und auf Grund des entsprechenden Zugehörigkeitsvermerks der Bauaufsichtsbehörde Bestandteil der Baugenehmigung werden (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 26. Januar 1995, NVwZ 1995, 1009, 1010; OVG Münster, Beschluss vom 29. Juli 2002 - 7 B 831.02 - zitiert nach Juris). Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall führt aber entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht dazu, dass sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als falsch erweisen würde. Der Antragsteller hat lediglich die Sanierung des Wellasbestdaches des Bungalows und die Ersetzung des Daches durch ein Spitzdach sowie die Erweiterung des Bungalows um 1 m beantragt und mit der Baugenehmigung vom 29. November 2002 genehmigt bekommen. Der Nachtrag zum Genehmigungsbescheid vom 23. März 2004 hatte die Änderung der Dachkonstruktion zum Inhalt. Mit dem dritten Nachtrag zum Genehmigungsbescheid vom 1. Dezember 2004 wurde ausdrücklich lediglich eine Änderung der Ausführung der Gebäudeerweiterung unter Abweichung von den Abstandsvorschriften genehmigt. Dass bei der Baubeschreibung zum Antrag vom 27. Juli 2002 und beim bautechnischen Erläuterungsbericht sowie bei den Ansichtszeichnungen zum Bauantrag und zum Nachtragsbauantrag davon die Rede ist, dass eine Fachwerkkonstruktion zur Durchführung der Umbaumaßnahmen erforderlich werde, führt nicht dazu, dass damit die Neuerrichtung aller Seitenwände des Bungalows nach vorangegangenem Abriss genehmigt worden wäre. Wie der Antragsteller selbst einräumt, ist er bis Ende Oktober 2004 noch davon ausgegangen, dass die Rück- und Seitenwände des alten Bungalows bestehen bleiben und an dem Fachwerk von innen befestigt werden. Des Weiteren sollte die Vorderfront demontiert und nach vorne an der Fachwerkkonstruktion befestigt werde. Die Stützung des neuen Daches mittels einer die vorhandenen Bauteile ergänzenden Fachwerkkonstruktion steht auch in Übereinstimmung mit den zur Baugenehmigung eingereichten Grundriss- und Ansichtszeichnungen, die den Zustand vor und nach den Umbauarbeiten wiedergeben sollen. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass ein Abriss der vorhandenen Wände geplant gewesen wäre: Dies wird besonders bei den Grundrisszeichnungen zur Baugenehmigung und zum dritten Nachtrag, in der die neu zu errichtenden Bauteile mit rot gekennzeichnet sind, deutlich. Die übrigen Wände sind danach von einer Änderung nicht betroffen.

Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Baufreigabeschein vom 26. Januar 2005, der den Prüfbericht des Prüfingenieurs für Baustatik Dipl. Ing. Sch. vom 24. Januar 2005 zur Auflage macht, berufen. Den Zeichnungen, die dem Prüfbericht zugrunde lagen, lässt sich zwar entnehmen, dass der Prüfbericht von einer Fachwerkkonstruktion ausgeht, die wohl einen vollständigen Abriss des Bungalows und einen Neuaufbau der Außenwände auf dem vorhandenen Fundament voraussetzt. Diesen Zeichnungen kommt jedoch aus mehreren Gründen keine Bedeutung für die Bestimmung des Inhalts der Baugenehmigung zu.

Nach § 10 bis § 12 der Brandenburgischen Bauvorlagenverordnung vom 1. September 2003 (GVBl. Bbg. II S. 518) - BbgBauVorlV - sind im Baugenehmigungsverfahren, im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren und im Bauanzeigeverfahren bautechnische Nachweise dem Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht beizufügen. Dies hat seine Ursache darin, dass die bautechnischen Nachweise im Sinne des § 66 BbgBO nicht mehr zum Prüfprogramm des mit der Erteilung der Baugenehmigung endenden Baugenehmigungsverfahrens gehören, § 62 Abs. 2 BbgBO. Der Gesetzgeber hat diesen Kernbereich bauaufsichtlicher Tätigkeit aus dem Baugenehmigungsverfahren mit der neuen Bauordnung und Bauvorlagenverordnung im Jahre 2003 ausgelagert (vgl. Reimus/Semtner/Langer, Die Neue Brandenburgische Bauordnung, 2. Auflage 2004, § 66 Rdnr. 1, 5). Die lediglich der technischen Prüfung des rechtlich Genehmigten dienenden bautechnischen Nachweise können daher den Genehmigungsinhalt nicht näher konkretisieren, geschweige denn modifizieren. Sie waren daher auch dem an die Bauaufsichtsbehörde eingereichten Prüfbericht nicht beigefügt. Im Übrigen hätten die bautechnischen Nachweise auch unter Geltung des früheren Rechts nicht zur Bestimmung von Inhalt und Umfang der Baugenehmigung herangezogen werden können. Denn der bautechnische Nachweis und die ihm zugrunde liegenden Zeichnungen stehen ersichtlich im Widerspruch zu der bis dahin genehmigten Dacherneuerung und der Erweiterung des vorhandenen Bungalows. Besteht aber ein Widerspruch zwischen der Baugenehmigung und den eingereichten Bauvorlagen, ist die in der Baugenehmigung getroffene Regelung maßgeblich (OVG Berlin, a.a.O., m.w.N.).

An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Bauaufsichtsbehörde im vorliegenden Fall keine aussagekräftigen Bauzeichnungen und Baubeschreibungen (§ 4 und 5 BauVorlV 1998 bzw. §§ 6 und 7 BbgBauVorlV 2003) vom Antragsteller gefordert und damit dazu beigetragen hat, dass Unklarheiten über den Inhalt der Baugenehmigung entstehen konnten. Dies gilt auch, soweit in der dritten Nachtragsgenehmigung ohne nähere Begründung und Konkretisierung eine Abweichung von Abstandsflächenvorschriften gestattet wird. Bei einer Gesamtbetrachtung aller erteilten Genehmigungen kann jedoch von einer konkludenten Genehmigung eines Neubaus nicht gesprochen werden. Zwar ist ein Umbauvolumen genehmigt worden, das einem Neubau nahe kommt. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, es sei damit eine Genehmigung zur Neuerrichtung eines Vorhabens erteilt worden. Eine Änderungsgenehmigung, die erkennbar dem Gedanken des Bestandsschutzes Rechnung trägt und daher nur geringfügige Erweiterungen zulässt, ist grundsätzlich etwas anderes als eine Neubaugenehmigung, die angesichts der Außenbereichslage des Vorhabens insbesondere in planungsrechtlicher Hinsicht andere und weitergehende rechtlichen Prüfungen voraussetzt. Auch die Baubeschreibungen stehen einem solchem Verständnis der Baugenehmigungen entgegen. In ihnen hat der Antragsteller stets den Umbaucharakter der Baumaßnahme betont. Von einem Umbau kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn das gesamte Haus abgerissen wird. Dies wäre eine Umgehung des den Umbau des vorhandenen Gebäudes im Außenbereich allein tragenden Bestandsschutzes. Letztlich ist es Sache des Bauherrn, bei Zweifeln, ob eine bestimmte Ausführung von der Baugenehmigung gedeckt ist, bei der Bauaufsichtsbehörde nachzufragen und gegebenenfalls eine Klarstellung durch eine (weitere) Baugenehmigung zu erwirken (vgl. auch Beschluss des 10. Senats des OVG Berlin-Brandenburg vom 20. September 2005 - OVG 10 N 33.05).

Der Einwand des Antragstellers, aus der Auflage in der dritten Nachtragsgenehmigung vom 1. Dezember 2004, wonach die neu errichtete Wand zum Nachbargrundstück "feuerbeständig" auszuführen ist, ergebe sich, dass die Neuerrichtung der Außenwände genehmigt worden sei, vermag ebenfalls nicht überzeugen. Die Anforderung nach einer feuerbeständigen Ausführung bezieht sich ausschließlich auf die von der genehmigten Erweiterung des Bungalows betroffene Außenwand zu dem Waldgrundstück. Ob die Forderung nach einer solchen Bauausführung berechtigt ist oder nicht, bedarf keiner Klärung. Hierauf kommt es nicht an, denn jedenfalls ergibt sich auch hieraus keine konkludente Genehmigung zum Abriss aller Wände des vorhandenen Bestandes und zur Neuerrichtung eines Hauses. Sofern der Kläger die Anforderungen an den Brandschutz für "überzogen" hält, hätte er sich hiergegen wehren müssen und können. Auch das vom Antragsteller angeführte mündliche Verbot der Wiederverwendung der alten Asbestplatten vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Ein die Baugenehmigung modifizierendes Verbot, die vorhandenen Bauteile in unveränderter Form weiter zu verwenden, etwa indem vor sie eine Fachwerkkonstruktion zur Aufnahme der Dachlasten gesetzt wird, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Angesichts der Bedeutung der schriftlich zu erteilenden Baugenehmigung hätte es insoweit eines im Einzelnen substanziierten Vortrages bedurft.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der fehlenden Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen und damit zur schon bauordnungsrechtlich fehlenden Genehmigungsfähigkeit sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einem Anbau, also einer baulichen Erweiterung, sich die Abstandsflächenfrage neu stellt. Die Notwendigkeit einer Neubestimmung der Abstandsflächen in Fällen der baulichen Änderung ergibt sich daraus, dass gemäß § 6 Abs. 4 BbgBO die Abstandsflächenbreite und -tiefe durch die Außenwandabmessungen, und zwar unter Einbeziehung des Daches, bestimmt wird. Bei einer baulichen Veränderung, die eine Außenwand in ihrer Höhe und Tiefe oder auch in ihrer Positionierung auf dem Baugrundstück verändert, ist daher stets eine Neubestimmung der einzuhaltenden Abstandsfläche der gesamten neuen Wand erforderlich, und zwar auch dann, wenn der neue Teil für sich genommen - wie hier - die erforderliche Abstandsfläche einhält (OVG Berlin, Urteil des 2. Senats vom 21. August 1992, BSR 54 Nr. 93). Dass die Abstandsfläche gegenüber dem Nachbargrundstück nicht eingehalten wird, hat das Verwaltungsgericht dargelegt. Dies wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird mit der Beschwerde dargetan, aus welchen Gründen eine Abweichung gerechtfertigt wäre. Solche Gründe sind auch nicht offensichtlich erkennbar.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte sein Ermessen, zumal da es sich um ein so genanntes intendiertes Ermessen handelt (OVG Berlin, Beschluss vom 27.November 2001, BRS 64 Nr. 121 = LKV 2002, 184) ermessensfehlerfrei ausgeübt hat. Hiergegen wird mit der Berufung nichts geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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