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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: OVG 2 S 3.06
Rechtsgebiete: VwGO, BbgWG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
BbgWG § 37 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 3.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Hahn am 8. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 12. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 75.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller übernahm im Jahr 1993 die Betriebsführung des zuvor von der NVA und seit 1990 vom Bundesvermögensamt betriebenen Wasserwerkes Gosda, auf dessen Gelände in den 60er Jahren zwei Tiefbrunnen (Brunnen 1 und 2) zur Entnahme von Grundwasser abgeteuft worden waren. Im Jahr 2001 erwarb der Antragsteller das Eigentum an einer Teilfläche, auf der sich das Wasserwerk und der Brunnen 2 befinden. Die übrige Fläche des innerhalb des Naturschutz- und FFH-Gebietes "Calauer Schweiz" liegenden Geländes einschließlich des Brunnens 1 veräußerte das Bundesvermögensamt an den Landkreis Oberspreewald-Lausitz, der das Gelände inzwischen an einen privaten Investor weiter veräußert hat. Unter dem 16. September 2003 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller eine bis zum 31. Oktober 2003 befristete wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme (Zutageförden) von Grundwasser aus dem Brunnen 1. Im Juli 2004 stellte der Antragsteller die bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen weiter betriebene Wasserförderung aus dem Brunnen 1 ein. Mit Ordnungsverfügung vom 19. August 2004 (Ziffer 1) gab der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den fachgerechten Rückbau des Brunnens 1 bis zum 30. April 2005 für den Fall auf, dass bis zum 31. Dezember 2004 keine Sanierung erfolgte. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2005 zurück. Der Antragsteller hat gegen die Bescheide Anfechtungsklage erhoben. Seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen, hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Beschluss vom 12. Januar 2006 abgelehnt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 19. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 aufgrund der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zu Recht abgelehnt, weil sich die angefochtene Verfügung nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist und deshalb das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers überwiegt, von der Vollziehung verschont zu bleiben.

Die angefochtene Verfügung hat ihre Rechtsgrundlage in § 37 Abs. 2 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG). Danach sind Anlagen zur Benutzung eines Gewässers nach Wegfall der Benutzungszulassung zu beseitigen, sobald die zuständige Wasserbehörde dies anordnet (Satz 1). Dabei kann verlangt werden, dass der frühere Zustand wiederhergestellt wird (Satz 2). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift hier erfüllt. Der Brunnen 1, dessen Rückbau der Antragsgegner angeordnet hat, ist eine Anlage zur Benutzung eines Gewässers, da er der Entnahme von Grundwasser (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG) dient. Die Benutzungszulassung in Gestalt der dem Antragsteller unter dem 16. September 2003 erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis zur Entnahme (Zutageförden) von Grundwasser, ist am 31. Oktober 2003 erloschen. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen sind § 37 Abs. 2 BbgWG nicht zu entnehmen.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Ordnungsverfügung frei von Ermessensfehlern ist. Entgegen der Annahme des Antragstellers ist die Anordnung zum Rückbau insbesondere nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil bislang der Nachweis fehlt, dass ohne den Rückbau Beeinträchtigungen des Grundwassers konkret zu befürchten sind. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 5 des Entscheidungsabdrucks), ist der Nachweis einer konkreten Gefahr im Einzelfall gerade entbehrlich, da sich § 37 Abs. 2 BbgWG auf der Tatbestandsseite mit der unwiderleglichen Vermutung begnügt, dass auch ehemals für die Gewässerbenutzung gebrauchte Anlagen in die dynamischen Prozesse des Wasserhaushalts eingreifen und von ihnen dadurch eine abstrakte Gefahr ausgeht. Ein Ermessensfehler könnte in diesem Zusammenhang allenfalls dann vorliegen, wenn auch ohne den Rückbau des Brunnens nachweislich keine Gefahr für das Grundwasser bestehen würde. Dies ist indes nicht der Fall.

Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller insofern auf das Schreiben des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe vom 11. April 2005 an den Antragsgegner, aus dem sich ergebe, dass es sich bei dem aus dem Brunnen 2 im März 2005 aus tertiären Schichten geförderten Wasser nicht um so genanntes "junges Grundwasser", sondern um solches aus "alter Neubildung" handele. Die den angefochtenen Bescheid tragende Annahme, dass bei der Niederbringung der Brunnen 1 und 2 mehrere Grundwasserstockwerke durchteuft und der bei der Bohrung entstandene Ringraum zwischen dem Gestein und der Brunnenverrohrung nicht mit Materialien verfüllt worden ist, die geeignet sind, einen geohydraulichen Kurzschluss zwischen den durchschnittenen Grundwasserleitern zu verhindern, so dass Grundwasser aus den oberen Grundwasserstockwerken in die darunter liegenden eindringen kann, wird hierdurch schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil dem Schreiben des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe nach eigenen Angaben lediglich eine "orientierende Einzelbewertung" zugrunde lag und es als erforderlich angesehen wurde, "die Ergebnisse der vorgesehenen halbjährlichen Beprobungen unter Förderbedingungen weiterhin zur genetischen Interpretation einzureichen". Dass die vom Antragsgegner - gestützt auf § 37 Abs. 2 BbgWG - geforderte "dauerhafte" Wiederherstellung der hydraulisch wirksamen Trennschichten entbehrlich sein könnte, lässt sich dem genannten Schreiben nicht entnehmen. Zudem hat der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass die vom Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe durchgeführte Analyse des aus tertiären Schichten geförderten Wassers nichts darüber aussagt, ob in den oberen Grundwasserleitern eine Wasserwegsamkeit besteht, die vor dem nunmehr genutzten Grundwasserleiter 400 endet. Hinzu kommt, dass sich die Untersuchung lediglich auf den Brunnen 2 bezog, der ohnehin aus einem anderen Grundwasserleiter fördert als der Brunnen 1. Zudem dürfte eine Übertragung der Ergebnisse der Untersuchung des aus - dem Brunnen 2 geförderten Wassers auf den Brunnen 1 schon wegen der nach den Angaben in der Ordnungsverfügung als äußerst schwierig einzustufenden hydrogeologischen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet nicht ohne weiteres möglich sein. Dass der Brunnen 1 "in seinem ursprünglichen Ausbau fast kongruent mit dem Brunnen 2" sein und im Gegensatz zu diesem sogar mit Lehmpackungen statt mit Filterasche abgedichtet worden sein mag, ändert nichts daran, dass sich die geohydraulischen Verhältnisse an beiden Brunnen unterschiedlich darstellen können.

Ein Ermessensfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass der Antragsgegner davon abgesehen hat, wie beim Brunnen 2 zunächst ein so genanntes "Monitoring" durchzuführen. Da die Ringraumabdichtung des stillgelegten Brunnens unstreitig zu keinem Zeitpunkt dem Stand der Technik entsprochen hat und ferner durch die in der Antragserwiderung genannten hydrogeologischen Untersuchungen ein Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Quellschüttungen im Naturschutzgebiet 'Calauer Schweiz' und der Wasserfassung Gosda nicht ausgeschlossen werden konnte, verstieß es im Hinblick auf möglicherweise irreparable Schäden für den Wasserhaushalt sowie für die Flora und Fauna im Naturschutzgebiet nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auf zeitaufwändige Untersuchungsmaßnahmen vor Erlass der Rückbauverfügung zu verzichten. Die hinsichtlich beider Brunnen unterschiedliche Verfahrensweise hat der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid hinreichend nachvollziehbar mit den im Brunnen 2 bereits durchgeführten Abdichtungsmaßnahmen und dem Bestreben erklärt, den Antragsteller nicht im Übermaß wirtschaftlich in Anspruch zu nehmen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch die "Störerauswahl" in der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht zu beanstanden. Ein anderer Adressat der Rückbauverpflichtung als der Antragsteller kam nicht in Betracht, da die Pflicht zur Beseitigung nach § 37 Abs. 2 BbgWG ausschließlich an den Wegfall der "Benutzungszulassung" anknüpft. Dies kann aus systematischen Gründen nur dahin verstanden werden, dass derjenige zur Beseitigung der Anlage in Anspruch zu nehmen ist, dem zuletzt eine behördliche Erlaubnis oder Bewilligung zur Benutzung des Gewässers und damit zum Betrieb der Anlage erteilt worden war. Dies ist hier der Antragsteller, dem der Antragsgegner unter dem 16. September 2003 eine bis zum 31. Oktober 2003 befristete wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme (Zutageförden) von Grundwasser aus dem Brunnen 1 erteilt hatte. Ob auch schon die vorangegangene bloße Duldung der vom Antragsteller seit 1993 durchgeführten Wasserentnahme als Benutzungszulassung i.S. des § 37 Abs. 2 BbgWG anzusehen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. Die alleinige Verantwortlichkeit desjenigen, der das Gewässer tatsächlich aufgrund einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung benutzt hat, entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Dies geht aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung hervor, wonach Anlagen zur Benutzung eines Gewässers grundsätzlich "vom Unternehmer" zu beseitigen sein sollen (vgl. Landtags-Drs.1/2769, S. 147). Als Unternehmer wird im Wasserrecht derjenige verstanden, in dessen Herrschaft und Verfügungsmacht die Handlung liegt, die einen Benutzungstatbestand verwirklicht, wobei der Unternehmer regelmäßig zugleich der Antragsteller und Inhaber der Befugnis oder des Rechts ist, das die Gewässerbenutzung gestattet (vgl. Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, Stand 1.12.2004, § 3 Rn. 3c). Erforderlich ist lediglich die tatsächliche Sachherrschaft des Unternehmers über vorhandene Anlagen zur Gewässerbenutzung, nicht jedoch das Eigentum an einer Anlage (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 16. August 1995, ZfW 1996, 537, 538; Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 3 Rn. 9 f.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 190). Darauf, dass der Antragsteller die streitgegenständliche Anlage weder errichtet noch das Eigentum an ihr erlangt hat, kommt es mithin nicht an.

Soweit der Antragsteller unter Hinweis darauf, dass die Störung des Wasserhaushalts bereits seit etwa 40 Jahren bestehe, die Eilbedürftigkeit der Ordnungsverfügung bezweifelt, ist dem schon deshalb nicht zu folgen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen für eine auf § 37 Abs. 2 BbgWG gestützte Rückbauverfügung erst vorlagen, nachdem die wasserrechtliche Erlaubnis zur Grundwasserentnahme aus dem Brunnen 1 erloschen war. Im Übrigen sind an die Eilbedürftigkeit hier keine hohen Anforderungen zu stellen, da sich der Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, dass nach dem Ergebnis einer hydrogeologischen Untersuchung ein Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Quellschüttungen im Naturschutzgebiet "Calauer Schweiz" und der Wasserfassung Gosda mit den Brunnenanlagen 1 und 2 nicht ausgeschlossen werden kann. Im Hinblick auf den damit zumindest nicht ganz unwahrscheinlichen Eintritt irreparabler Folgen für den Grundwasserhaushalt sowie für die Flora und Fauna im Naturschutzgebiet teilt der Senat die Auffassung, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung hier das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Hinsichtlich der Höhe des Streitwerts folgt der Senat der Begründung des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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