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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: OVG 3 N 197.06
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
AsylVfG § 73 Abs. 1
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 2
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 101 Abs. 2
VwGO § 138 Nr. 3
Die Gehörsrüge, die darauf gestützt wird, dass das Verwaltungsgericht nach Verzicht der Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung neue Erkenntnismittel in das Verfahren eingeführt und ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden hat, ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert darlegt, was er bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwieweit dieser Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
OVG 3 N 197.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und Dr. Peters sowie die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg am 7. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das ihm am 25. August 2006 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. August 2006 zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Die Zulassung der Berufung kommt nicht wegen der vom Kläger behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) in Betracht.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht dazu, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und - soweit entscheidungserheblich - in Erwägung zu ziehen (BVerfG, st. Rspr., u.a. Beschluss vom 30. Oktober 1990, BVerfGE 83, 24, 35). Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der Außerachtlassung von wesentlichem Vorbringen der Beteiligten haben (BVerfG, u.a. Beschluss vom 30. Januar 1985, BVerfGE 69, 141, 143; Beschluss vom 22. Januar 2001, NJW-RR 2001, 1006, 1007).

a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, aufgrund von zwei (näher genannten) Weisungen der Berliner Ausländerbehörde und der diesen folgenden Verwaltungspraxis stehe irakischen Staatsangehörigen ein der verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gleichwertiger Abschiebungsschutz zu (Urteilsabdruck S. 20). Der Kläger macht insoweit zur Begründung seiner Gehörsrüge geltend, die Weisungen seien nicht veröffentlicht und das Verwaltungsgericht wäre deshalb verpflichtet gewesen, sie in das Verfahren einzuführen oder in anderer Weise auf sie und eine entsprechende Verwaltungspraxis hinzuweisen. Damit dringt er nicht durch. Er übersieht bereits, dass u.a. die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Weisungen im Internet auf der Homepage des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin (www.berlin.de/ labo) veröffentlicht sind. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht, wie der Kläger im Folgenden selbst ausführt, unter dem 10. August 2006 (u.a.) die im Urteil verwerteten Weisungen sowie eine Auskunft der Berliner Ausländerbehörde zur aktuellen Weisungslage betreffend irakische Staatsangehörige vom 4. August 2006 in das Verfahren eingeführt.

b) Im Ergebnis ohne Erfolg macht der Kläger im Hinblick auf die Einführung dieser Erkenntnismittel geltend, das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

aa) Allerdings hat das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft gehandelt und damit den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Es hat über die Klage am 21. August 2006 ohne weitere mündliche Verhandlung "im Wege einer schriftlichen Entscheidung" gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entschieden, obwohl die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2006 für den Fall des Misslingens einer "ausländerrechtlichen Lösung" für seine Familie und ihn abgegebene Verzichtserklärung nicht mehr wirksam war. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO bezieht sich seinem Inhalt nach lediglich auf die nächste Entscheidung des Gerichts und wird, wenn diese kein abschließendes Urteil ist, dadurch verbraucht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. März 2006 - 7 B 90.05 -, juris, Rz. 16, m.w.N.) ist der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO deshalb dann nicht mehr wirksam, wenn nach diesem Verzicht ein Beweisbeschluss ergeht, den Beteiligten durch einen Auflagenbeschluss eine Stellungnahme abgefordert wird, Akten zu Beweiszwecken beigezogen oder sonst neue Erkenntnismittel in den Prozess eingeführt werden. Mithin hätte das Verwaltungsgericht, nachdem es unter dem 10. August 2006 die in Rede stehenden Erkenntnismittel in das Verfahren eingeführt hatte, erneut in die mündliche Verhandlung eintreten oder eine neuerliche Verzichtserklärung des Klägers einholen müssen. Dies ist nicht geschehen, sodass die ohne weitere mündliche Verhandlung und ohne wirksame Verzichtserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO ergangene Entscheidung im schriftlichen Verfahren dem Gehörsanspruch des Klägers nicht gerecht wird.

bb) Der Kläger hat jedoch die Gehörsrüge nicht ordnungsgemäß erhoben, so dass die Berufungszulassung trotz des festgestellten Verfahrensmangels ausscheidet.

Der Kläger hat nicht dargelegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwieweit dieser Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruches geeignet gewesen wäre. Dies ist aber regelmäßig für eine schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erforderlich (BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005, Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 81; Beschluss vom 28. Januar 2003, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53; OVG Berlin, Beschluss vom 7. Juni 2005 - OVG 3 N 280.02 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2004, NVwZ 2005, 605).

Dieser Grundsatz erleidet jedoch dann eine Ausnahme, wenn dem Beteiligten eine mündliche Verhandlung - etwa infolge unterbliebener oder fehlerhafter Ladung oder der fehlerhaften Ablehnung eines Vertagungsantrages - vorenthalten worden ist (BVerwG, Beschluss vom 16. August 2000, Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 27; Beschluss vom 19. Januar 1999, Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 26; Urteil vom 3. Juli 1992, NJW 1992, 3185, 3186; Urteil vom 18. Oktober 1983, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 140). Die mündliche Verhandlung dient dazu, allen Beteiligten gleichermaßen Gelegenheit zu geben, daran teilzunehmen, um ihre Auffassung darzulegen und sich zu dem aufgrund der Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu äußern. Die Prozessparteien müssen die Möglichkeit erhalten, den Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten, die Hinweise und Fragen des Gerichts bei der anschließenden Erörterung der Sache sowie die Ausführungen der Gegenseite zu hören und dazu Stellung zu nehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligten zuvor die Möglichkeit der schriftsätzlichen Vorbereitung genutzt haben. Was eine Partei vorzutragen hat, ob der entscheidungserhebliche Sachverhalt zutreffend festgestellt und hinreichend geklärt ist und ob die Anwesenheit der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten sachdienlich oder gar notwendig ist, wird sich in der Regel erst aufgrund des Verlaufes und des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung herausstellen (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1992, a.a.O.). In derartigen Fällen erfasst die Verletzung des rechtlichen Gehörs den gesamten Prozessstoff. Dies rechtfertigt es, von dem Beteiligten ausnahmsweise keine Ausführungen darüber zu fordern, was er ohne den Gehörsverstoß zusätzlich noch hätte vortragen wollen und dass dies zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1999, a.a.O.; Beschluss vom 28. August 1992, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 252; Urteil vom 18. Oktober 1983, a.a.O.; Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, Rz. 223 zu § 124; vgl. auch zum Fall eines offenbar erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrages BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1984 - 9 CB 191.83 -, insoweit nur bei juris, Rz. 11 f.). Den ungewissen Verlauf einer mündlichen Verhandlung vorzutragen, ist dem Beteiligten, der um die Zulassung eines Rechtsmittels nachsucht, objektiv unmöglich (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983, a.a.O.; Seibert, a.a.O.); dahingehende Darlegungsanforderungen würden den Zugang zu dem Rechtsmittel in unzumutbarer Weise erschweren und wären damit im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unzulässig.

Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt im Falle des Klägers indes nicht vor. Vielmehr hatte er, wovon regelmäßig und mangels gegenteiligen Zulassungsvorbringens auch hier auszugehen ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 14. März 2006 ausreichend Gelegenheit, sich zu dem gesamten Streitstoff zu äußern. Nachdem die dort von ihm abgegebene Erklärung, auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zu verzichten, infolge der Einführung der neuen Erkenntnismittel durch das Verwaltungsgericht verbraucht und unwirksam geworden war, hätte sich die aus diesem Grunde anzuberaumende mündliche Verhandlung jedenfalls zunächst nur noch auf einen Teilaspekt des gesamten Streitstoffs - nämlich die Frage, ob die Weisungslage und Praxis der Berliner Ausländerbehörde die Annahme eines der verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gleichwertigen Abschiebungsschutzes rechtfertigt - konzentriert; hierauf hätten sich die Erörterungen nach Lage der Dinge beschränkt. Die vorliegende Konstellation ist daher derjenigen vergleichbar, in der das Verwaltungsgericht sein Urteil entscheidungstragend auf zuvor nicht in das Verfahren eingeführte Erkenntnismittel stützt. In einem solchen Fall ist die dagegen gerichtete Gehörsrüge nur dann nach dem oben dargestellten allgemeinen Grundsatz ordnungsgemäß erhoben, wenn der weitere Vortrag und dessen Eignung zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs substantiiert dargelegt werden, wobei es dem Rechtsmittelführer zusätzlich obliegt, sich hierfür im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens Kenntnis vom Inhalt des nicht eingeführten Erkenntnismittels zu verschaffen (BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005, a.a.O.; Beschluss vom 13. Januar 1999, Buchholz 310 § 133 [n.F.] VwGO Nr. 36). Aus diesem Grunde und weil hier nicht der gesamte Prozessstoff von dem Verfahrensmangel erfasst ist, ist der Kläger nicht von den in Rede stehenden Darlegungsanforderungen befreit, wobei er freilich darüberhinaus den Verlauf der unterbliebenen mündlichen Verhandlung nicht vorzutragen hat.

Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2000 (- 7 B 66.00 - , a.a.O.) ergibt sich nichts anderes. In jenem Verfahren hatte das Verwaltungsgericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung bereits den Tenor des nicht im Termin verkündeten Urteils bei der Geschäftsstelle niedergelegt; im Anschluss daran kam es zu einem Antrag der Kläger auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sowie zu weiteren Sachverhaltsermittlungen. Diese betrafen, wie die vergleichende Bezugnahme in dem Beschluss vom 16. August 2000 auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 1992 (a.a.O.) deutlich macht, den zur Prüfung gestellten Anspruch der Kläger und damit anders als hier den Prozessstoff insgesamt.

c) Aus den vorstehenden Gründen fehlt es auch an einer ordnungsgemäßen Gehörsrüge, soweit der Kläger bemängelt, die in Rede stehenden Erkenntnismittel seien so kurzfristig in das Verfahren eingeführt worden, dass ihm effektiv keine Gelegenheit geblieben sei, sich zu der behaupteten Verwaltungspraxis der Berliner Ausländerbehörde zu äußern.

d) Das Urteil stellt sich auch nicht als gehörswidrige Überraschungsentscheidung dar. Der Kläger wirft dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vor, auf seine Mitteilung vom 11. Juli 2006, er halte eine Entscheidung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll, nicht reagiert und auch anlässlich der Einführung weiterer Erkenntnisquellen unter dem 10. August 2006 nicht darauf hingewiesen zu haben, dass eine Entscheidung (im schriftlichen Verfahren) unmittelbar bevorstehe. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht seiner Entscheidung ohne vorherigen Hinweis Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte zugrunde legt, mit denen auch ein gewissenhafter und sachkundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991, BVerfGE 84, 188, 190; Beschluss vom 13. Oktober 1994, InfAuslR 1995, 69, 70; BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2001, Buchholz 310 § 108 Abs. 2 Nr. 34). Demgegenüber zielt das Vorbringen des Klägers allein auf einen aus zeitlichen, nicht aber aus inhaltlichen Gründen überraschenden Charakter der angefochtenen Entscheidung ab.

Im Übrigen bestand nach dem Verfahrensverlauf kein Anlass für den vom Kläger offenbar für erforderlich gehaltenen gerichtlichen Hinweis auf eine in Kürze bevorstehende Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung. Ebenso wenig war das Verwaltungsgericht gehalten, auf die schriftsätzliche Äußerung des Klägers vom 11. Juli 2006 ausdrücklich zu reagieren. Aus der Sicht des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten konnte eine umgehende Entscheidung über die Klage nicht fernliegend erscheinen, nachdem er - der Kläger - in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2006 angekündigt hatte, bis zum 30. Juni 2006 mitteilen zu wollen, ob die (gemeinsam verhandelten) Klagen (des Klägers, seiner Ehefrau und einer Tochter) zurückgenommen werden sollten, das Verwaltungsgericht nach Ablauf dieser Frist in dem die Ehefrau des Klägers betreffenden Verfahren (VG 38 X 95.05) dem für alle Familienmitglieder bestellten Bevollmächtigten mitgeteilt hatte, es gehe davon aus, dass die Klagen nicht zurückgenommen würden, es werde nunmehr im schriftlichen Wege entschieden werden, und es schließlich weitere Erkenntnismittel in das Verfahren eingeführt hatte.

Unergiebig ist insoweit auch der Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 (InfAuslR 2003, 244). Das Bundesverfassungsgericht hat hierin ausgeführt, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt werde, wenn das Gericht zur Hauptsache entscheide, ohne zuvor einen bei ihm gestellten Antrag auf Verlängerung einer Frist zur Stellungnahme beschieden zu haben. Der Kläger behauptet nicht, dass er einen solchen Antrag im Hinblick auf die neu in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel gestellt hat. Dass selbst hierfür keine Zeit geblieben wäre, macht er nicht geltend.

e) Eine Gehörsverletzung ergibt sich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht seine Feststellung, "die Konferenz der Innenminister und - senatoren der Länder hat wiederholt die Einschätzung des Bundes geteilt, dass ein Beginn von zwangsweisen Rückführungen in den Irak nicht möglich ist" (UA S. 20) mit dem offensichtlich unzutreffenden Beleghinweis "vgl. Asylmagazin 2005/1 S. 5" versehen hat. Da es sich, wie der Kläger selbst vorbringt, um ein Fehlzitat handelt, ist unerheblich, dass die genannte Fundstelle nicht zuvor in das Verfahren eingeführt worden ist. Im Übrigen kommt der genannten Feststellung entscheidungstragende Bedeutung nicht zu. Das Urteil beruht im hier interessierenden Zusammenhang auf der Erwägung, dass der Kläger infolge der in Berlin geltenden Weisungslage vor einer Abschiebung in den Irak ausreichend geschützt sei. Damit kann die beanstandete Feststellung hinweggedacht werden, ohne dass zugleich der Bestand des Urteils entfiele. Dies schließt die Zulassung der Berufung wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels aus.

f) Soweit der Kläger ferner bemängelt, das Verwaltungsgericht habe seine weiteren Ausführungen, eine neue Beschlusslage existiere nicht und der faktische Abschiebestopp werde weiter praktiziert, nicht belegt "- irgendwo her müssten die entsprechenden Informationen stammen und er müsse die Möglichkeit haben, die Behauptungen nachzuvollziehen -", lässt sich ebenfalls ein Gehörsverstoß nicht feststellen. Dass das Verwaltungsgericht die beanstandeten Feststellungen auf der Grundlage nicht in das Verfahren eingeführter Erkenntnismittel getroffen hätte, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Vielmehr handelt es sich nach dem Zusammenhang der in Rede stehenden Urteilspassage um eine rechtliche Würdigung, die das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Weisungen der Berliner Ausländerbehörde und der Auskunft zur aktuellen Weisungslage vom 4. August 2006, die in das Verfahren eingeführt worden waren, vorgenommen hat. Damit betrifft die Rüge des Klägers das materielle Recht und führt mithin nicht auf einen Verfahrensfehler (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995, NVwZ-RR 1996, 359).

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) ist nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG entsprechend dargetan. Der Kläger meint, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche hinsichtlich der Frage gleichwertigen Abschiebungsschutzes von zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001 (NVwZ 2001, 1420; NVwZ 2002, 101) ab. Er zeigt jedoch nicht, wie für die Darlegung einer Divergenz erforderlich, einander widersprechende abstrakte Rechtssätze der angefochtenen Entscheidung einerseits und der höchstrichterlichen Entscheidungen andererseits zu jeweils derselben Frage auf. Der Sache nach zielt seine Rüge lediglich auf eine aus seiner Sicht unrichtige Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze durch das Verwaltungsgericht; dies rechtfertigt die Zulassung der Divergenzberufung jedoch nicht.

3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen. Der Kläger hat auch diesen Zulassungsgrund nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG entsprechend dargetan. Danach ist zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (Beschluss des Senats vom 25. Januar 2007 - OVG 3 N 32.06 -; Hailbronner/Schenk, Ausländerrecht, Stand: Dezember 2006, § 78 AsylVfG Rz. 140; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 10 Rzn. 40 ff.). Dem wird der Zulassungsantrag nicht gerecht.

Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob und unter welchen Voraussetzungen der Flüchtlingsstatus von Personen aus dem Irak widerrufen werden dürfe.

Diese Frage ist völlig konturenlos und schon aus diesem Grunde einer allgemeinverbindlichen Klärung nicht zugänglich. Abgesehen davon erschöpft sich das Zulassungsvorbringen im Wesentlichen in der Bezugnahme auf die Ausführungen in der Klageschrift sowie die mehrseitige Wiedergabe eines Urteils des Verwaltungsgerichts Köln. Dies genügt den vorstehend dargelegten Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht. Grundsätzlicher Klärungsbedarf lässt sich auch nicht aufgrund des unspezifizierten Hinweises auf eine Vielzahl anhängiger Verfahren sowie die uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte annehmen. Vielmehr ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen - unter anderem im Hinblick auf die in der Klageschrift erörterte Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004) - der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung auch für irakische Staatsangehörige zulässig ist (vgl. zu allem: BVerwG, Urteile vom 1. November 2005 und vom 18. Juli 2006, NVwZ 2006, 707 und 1420, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 1 B 136.05 -, juris). Gesichtspunkte, die demgegenüber weiteren Klärungsbedarf begründen könnten, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG, § 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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