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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.11.2005
Aktenzeichen: OVG 3 N 71.05
Rechtsgebiete: AuslG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 66 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 124 a Abs. 1
VwGO § 124 a Abs. 4
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO können nicht mit der Begründung geltend gemacht werden, das Verwaltungsgericht habe keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO getroffen.
OVG 3 N 71.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und Dr. Peters am 21. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt die begehrte Zulassung nicht. Bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ist das Oberverwaltungsgericht auf die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt. Dies entspricht dem fristgebundenen Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Der Kläger rügt zum einen, das Verwaltungsgericht habe keine Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung der Berufung in seinem Urteil getroffen. Diese Rüge geht schon deshalb fehl, weil die Entscheidung über das Rechtsmittel nicht die Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO betrifft. Die Norm öffnet den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit Blick auf das prognostizierte Ergebnis des angestrebten Rechtsmittels. Sie soll gewährleisten, dass die Rechtssache richtig entschieden worden ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 28. Juni 2005 - OVG 3 N 248.03 -). Das gilt für die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und die darauf bezogene Rechtsanwendung. Entscheidend ist die im Ergebnis richtige Entscheidung über den Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 2002 - 7 AV 4/02 -, juris). Das hat mit der Entscheidung über das Rechtsmittel nichts zu tun.

Unabhängig davon verkennt der Kläger auch die Systematik der Regelung des § 124 a Abs. 1 VwGO. Eine Entscheidung zur Rechtsmittelzulassung hat das Verwaltungsgericht nur zu treffen, wenn es die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zulässt. Eine Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 3 VwGO demgegenüber ausdrücklich untersagt. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht keine Veranlassung gesehen, die Berufung gegen sein Urteil zuzulassen. Hierüber bedurfte es in den Entscheidungsgründen entsprechend § 124 a Abs. 1 Satz 3 VwGO keinerlei Ausführungen (vgl. Beschluss des Senats vom 25. August 2005 - OVG 3 N 303.04 -). Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht mit seiner Rechtsmittelbelehrung zutreffend auf die Möglichkeit hingewiesen, beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung zu beantragen.

Das weitere Vorbringen des Klägers rechtfertigt gleichfalls keine Zulassung der Berufung. Der Kläger räumt in seinem Zulassungsantrag selbst ein, dass er keinen (gebundenen) Anspruch auf die begehrte Visumserteilung hat. Die Rügen des Klägers beschränken sich infolgedessen auf die Geltendmachung von fehlerhaften Ermessenserwägungen der Beklagten. Eine gerichtliche Überprüfung ist insofern allerdings nur eingeschränkt möglich, weil die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung vom 21. Juni 2004 zulässigerweise mit keiner Begründung versehen hat (§ 66 Abs. 2 AuslG). Der Kläger muss diesen Umstand auch deshalb gegen sich gelten lassen, weil er es unterlassen hat, bei der Beklagten vor der Klageerhebung gegen den Ablehnungsbescheid zu remonstrieren. Die Beklagte hätte daraufhin einen mit einer Begründung versehenen Remonstrationsbescheid erlassen, dem Angaben über die Ermessenerwägungen zu entnehmen gewesen wären (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 31. Januar 2003, InfAuslR 2003, 275).

Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe ignoriert, dass er minderjährig sei, noch zur Schule gehe und bei seinen Eltern lebe, greift nicht durch. Für das Vorliegen ernstlicher Richtigkeitszweifel kommt es nicht darauf an, ob die vom Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen angestellten Erwägungen zutreffend sind. Der Zulassungsantrag muss vielmehr gewichtige Gesichtspunkte aufzeigen, die für einen Erfolg der Berufung sprechen. Er muss also - wie schon oben ausgeführt - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufzeigen (vgl. auch OVG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 15. Oktober 2004 - 4 A 10/04.Z - und Beschluss vom 1. Dezember 1999, ZFSH/SGB 2000, 164 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Maßgeblich für die Ermessenserwägungen der Beklagten bei der Ablehnung des Visumsantrages war - ausweislich der Bearbeitungshinweise im Verwaltungsvorgang - die nicht erkennbare Verwurzelung des Klägers im Libanon und daraus erwachsene Zweifel an seiner Rückkehrbereitschaft. Der Kläger gab bei der Antragstellung u. a. an, die Schule abgeschlossen zu haben und noch nicht zu wissen, was er danach beruflich machen wolle. Dass der Beklagten auf dieser Grundlage die Rückkehr des Klägers in den Libanon nicht sicher zu sein schien und sie infolgedessen eine negative Ermessensentscheidung traf, begegnet keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln. Der Kläger hat zwar erstinstanzlich bestritten, die Schule schon abgeschlossen zu haben, er hat hierfür jedoch keinerlei Belege beigebracht. Durch die von ihm vorgelegte "Fortsetzungsbescheinigung" wird nur für das im vorgesehenen Reisezeitraum schon abgelaufene Schuljahr 2003/2004 der Schulbesuch bestätigt. Für das nach dem Vorbringen des Klägers Ende September 2004 begonnene neue Schuljahr fehlt dagegen jeder Beleg für einen Schulbesuch. Auch mit seinem Zulassungsantrag hat der Kläger eine diesbezügliche Schulbescheinigung nicht vorgelegt. Infolgedessen ist auch die weitere Behauptung des Klägers nicht belegt, dass seine Reise in seine schulische Sommerferienzeit fallen sollte.

Der Umstand, dass der Kläger im vorgesehenen Reisezeitpunkt sechzehn Jahre alt gewesen wäre, unverheiratet war und noch bei seinen Eltern lebte, musste von der Beklagten nicht notwendig als Beleg für besondere Bindungen an den Libanon gewertet werden. Es erscheint nicht als fern liegend, dass ein Jugendlicher im Alter des Klägers die Absicht hat, auf Dauer statt bei seinen Eltern bei anderen Verwandten, hier bei seinem Onkel in Deutschland, zu leben.

Die berufliche Stellung und das Ansehen des Vaters des Klägers im Libanon haben - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - als solche keine maßgebliche Bedeutung für die Frage der Rückkehrbereitschaft des Klägers. Jedenfalls erscheinen diese Gesichtspunkte nicht als geeignet, die Zweifel an der Rückkehrbereitschaft auszuräumen.

Soweit der Kläger sich durch die vom Verwaltungsgericht gegebene Entscheidungsbegründung außerdem in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sieht, kann er damit aus den vorstehenden Gründen die Zulassung der Berufung nicht erreichen.

Ein Verfahrensmangel in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) folgt schließlich nicht daraus, dass es für den Kläger nicht bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung erkennbar war, inwieweit das Verwaltungsgericht der Argumentation der Beklagten folgen werde. Das Gericht ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, seine die Entscheidung tragende Tatsachenwürdigung und Rechtsauffassung schon in der mündlichen Verhandlung festzulegen und mit den Beteiligten dort zu erörtern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2001, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; Beschluss des Senats vom 7. September 2005 - OVG 3 N 223.05 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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