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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: OVG 3 S 81.07
Rechtsgebiete: GOSTV, Verwaltungsvorschriften, VwGO


Vorschriften:

GOSTV § 3 Abs. 2 Satz 1
Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 Nr. 1 Abs. 5
Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 Nr. 4 Abs. 2
Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 Nr. 8 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
Das Verfehlen der Mindestzahl von 60 Anmeldungen am letzten Schultag vor den Ferien nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften des brandenburgischen Ministers für Bildung, Jugend und Sport über die Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 schließt die Einrichtung einer 11. Jahrgangsstufe regelmäßig aus (Anschluss an die Beschlüsse des OVG Berlin-Brandenburg vom 12. August 2005 - OVG 8 S 77.05 u. OVG 8 S 78.05 -).
OVG 3 S 81.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und Dr. Peters sowie den Richter am Finanzgericht Dr. Beck am 28. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die - entgegen der Auffassung des Antragsgegners zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.

Das Beschwerdevorbringen, das Inhalt und Umfang der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt nicht dessen begehrte Änderung.

Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens hat der Antragsteller nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen eines im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernden Anspruchs auf Einrichtung einer Jahrgangsstufe 11 mit zwei Klassen an der Gesamtschule "Pestalozzi" glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Damit kann die Frage offen bleiben, ob - wie der Antragsgegner meint - außerdem kein Anordnungsgrund vorliegt.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einrichtung von Klassen in der Jahrgangsstufe 11 - jedenfalls bei einer Anmeldungsfrequenz von weniger als 60 Schülern am letzten Schultag vor den großen Ferien - von einer (Ausnahme-)Genehmigung abhängig ist. Dies folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung in der gymnasialen Oberstufe vom 1. März 2002 (GOSTV) sowie Nr. 4 Abs. 2 und Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 vom 20. Dezember 2006 (VV-U). Der Antragsteller hat auch mit der Beschwerde nicht glaubhaft zu machen vermocht, dass der Antragsgegner zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet ist.

Soweit der Antragsteller geltend macht, es fehle schon am Genehmigungserfordernis, weil die Zahl der Anmeldungen am letzten Schultag vor den großen Ferien 64 Schüler betragen habe, so trifft dies nicht zu. Maßgeblich für die Erreichung der Grenze von 60 Anmeldungen und damit entscheidungserheblich sind die sieben Schüler, die am Gymnasium Templin in die 11. Jahrgangsstufe aufgenommen worden sind und als Zweitwunsch die Aufnahme an der Gesamtschule "Pestalozzi" angegeben hatten. Ungeachtet der Frage, ob im Rahmen der Bestimmung der Mindestschülerzahl nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VV-U die Zweitwünsche von Schülern überhaupt zu berücksichtigen sind, können jedenfalls vorliegend diese sieben Schüler keine Berücksichtigung finden. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers war diesen Schülern bereits mit (bestandskräftigen) Bescheiden vom 19. März 2007 die Aufnahme am Gymnasium Templin zugesagt worden. Infolgedessen stand zum maßgeblichen Zeitpunkt des letzten Schultages vor den großen Ferien fest, dass sie das Gymnasium Templin besuchen werden und für die Einrichtung der Jahrgangsstufe 11 an der Gesamtschule "Pestalozzi" definitiv nicht zur Verfügung stehen. Bei der Zahl der Anmeldungen waren diese Schüler deshalb nicht zu berücksichtigen. Infolgedessen lagen zum Stichtag höchstens 57 berücksichtigungsfähige Anmeldungen vor und war die Mindestzahl der Anmeldungen nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VV-U nicht erreicht.

Soweit der Antragsteller weiter geltend macht, maßgeblich für die Frage der Einrichtung einer Jahrgangsstufe 11 sei allein die Erreichung der Mindestschülerzahl von 50 in der Vorbereitungswoche des Schuljahres nach Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VV-U, so greift auch dies nicht durch. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Erfordernis der Mindestzahl von 60 Anmeldungen am letzten Schultag vor den großen Ferien und das Erfordernis der Mindestschülerzahl von 50 in der Vorbereitungswoche des Schuljahres kumulativ vorliegen müsse. Dies steht mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Einklang, wonach bereits das Verfehlen der Mindestzahl von Anmeldungen am letzten Schultag vor den Ferien die Einrichtung einer 11. Jahrgangsstufe ausschließt (vgl. Beschlüsse des 8. Senats vom 12. August 2005 - OVG 8 S 77.05 u. OVG 8 S 78.05 -, jeweils S. 5 des Beschlussabdrucks). Zutreffend weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, schon zum Beginn der großen Ferien den Schulen, den Schülern und deren Eltern Planungssicherheit zu geben (S. 4/5 des Beschlussabdrucks). Der dagegen vom Antragsteller erhobene Einwand, das Aufnahmeverfahren für die Schüler der künftigen Jahrgangsstufe 11 sei am letzten Schultag vor den großen Ferien noch nicht abgeschlossen und es sei deshalb allein auf die Schülerzahl in der Vorbereitungswoche des Schuljahres abzustellen, trägt nicht. Das Abwarten der Schülerzahl unmittelbar vor Beginn des neuen Schuljahres, um allein hieraus die Entscheidungsgrundlage für die Einrichtung oder Nichteinrichtung einer Jahrgangsstufe 11 zu gewinnen, wäre zu kurzfristig und verwaltungspraktisch kaum handhabbar. Wird mit dem Ende des vorangegangenen Schuljahres die Mindestzahl von 60 Anmeldungen erreicht, so wird nur im Ausnahmefall von der Einrichtung einer Jahrgangsstufe 11 abgesehen werden müssen, weil ein Absinken der Schülerzahl auf 50 durch Nr. 8 Abs. 2 S. 3 VV-U ausdrücklich zugelassen ist. Wird dagegen die Mindestzahl der Anmeldungen verfehlt, so ist die Genehmigung zur Einrichtung der Jahrgangsstufe 11 regelmäßig schon am Beginn der großen Ferien zu versagen.

Auf den vom Antragsgegner behaupteten Umstand, dass die Mindestzahl von 50 Schülern bei der Klassenbildung gar nicht mehr erreicht worden sei, kommt es deshalb vorliegend nicht an.

Auch eine von den Vorgaben der Nr. 8 Abs. 2 VV-U abweichende Verwaltungspraxis des Antragsgegners und ein daraus erwachsender sicherungsfähiger Genehmigungsanspruch sind vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden. Die vom Antragsteller angeführte Pressemitteilung vom 7. März 2007 stellt keine Abänderung von Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VV-U dar, sondern eine - zutreffende - Wiedergabe des Inhalts von Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VV-U und sagt im Übrigen über die konkrete Verwaltungspraxis des Antragsgegners nichts aus.

Ebenso wenig ist aus dem - unstreitigen - Umstand, dass der Antragsgegner zum Schuljahr 2006/2007 eine unterfrequentierte Jahrgangsstufe 11 an der Gesamtschule "Pestalozzi" genehmigt hat, eine abweichende Verwaltungspraxis zu entnehmen. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 7. September 2007 überzeugend dargetan, dass es sich hierbei um eine Ausnahmeentscheidung gehandelt habe, mit der keine neue Verwaltungspraxis begründet worden sei. Auf diese Ausführungen, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, nimmt der Senat Bezug.

Schließlich ist auch aus der vom Antragsteller behaupteten Genehmigung einer unterfrequentierten Jahrgangsstufe 11 an der Theodor-Fontane-Gesamtschule in Burg/Spreewald keine Änderung einer Verwaltungspraxis zu entnehmen, schon gar nicht der Verwaltungspraxis des Antragsgegners, der für diese Gesamtschule nicht zuständig ist.

Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung die derzeit noch gültige 1. Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung für den Landkreis Uckermark ausreichend berücksichtigt habe. Der Schulentwicklungsplan prognostiziere zwar erst für das Schuljahr 2008/2009, dass keine 11. Jahrgangsstufe mehr an der Gesamtschule "Pestalozzi" eingerichtet werden könne. Daraus folge jedoch für das gegenwärtige Schuljahr 2007/2008 kein Genehmigungsanspruch auf Einrichtung einer - unterfrequenten - Jahrgangsstufe 11, weil die planerische Vorgabe unter dem Vorhalt stehe, dass tatsächlich ein geordneter Schulbetrieb durchführbar sei (S. 6 des Entscheidungsabdrucks). Der dagegen gerichtete Einwand der Aufrechterhaltung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der Gewährung von Chancengleichheit beim Zugang zu Bildungsgängen geht an der Sache vorbei. Der Landesgesetzgeber hat mit der vom Antragsteller referierten unterschiedlichen Länge der Sekundarstufe II an Gymnasien einerseits (2 Jahre) und an gymnasialen Oberstufen von Gesamtschulen andererseits (3 Jahre) eine allgemeine Strukturentscheidung getroffen, die keinen Bezug zu der Frage aufweist, ob an einer bestimmten gymnasialen Oberstufe ein einzelner Jahrgang einzurichten ist oder nicht. Dass für die Schüler, die sich für das Schuljahr 2007/2008 für die Jahrgangsstufe 11 an der Gesamtschule "Pestalozzi" angemeldet hatten, keine zumutbare schulische Alternative offen stehe und damit ihre Bildungschancen geschmälert seien, ist im Übrigen vom Antragsteller nicht substantiiert dargetan worden, wobei der Antragsteller sich hierauf wohl auch nicht berufen könnte (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).

Weiterhin hat das Verwaltungsgericht festgestellt, die Genehmigungsversagung des Antragsgegners greife nicht in die anstehende Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung ein, weil über den Fortbestand der gymnasialen Oberstufe an der Gesamtschule "Pestalozzi" damit keine Entscheidung getroffen sei (S. 6 des Beschlussabdrucks). Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, die Entscheidung des Antragsgegners bezwecke eine "faktische Abschaffung des gymnasialen Oberstufe an der Gesamtschule Lychen", so verkennt er die Einzelfallbezogenheit der Genehmigungsversagung. Die Fortexistenz der gymnasialen Oberstufe ist trotz des Fehlens eines Jahrgangs möglich. Die Nichteinrichtung einer einzelnen Jahrgangsstufe 11 ist nicht gleichzusetzen mit einer Entscheidung über die Schließung der gymnasialen Oberstufe an der Schule.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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