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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 13.09.2007
Aktenzeichen: OVG 4 B 12.06
Rechtsgebiete: GG, BBesG, APOgDPol


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
BBesG § 42
BBesG Anlage I Vorb. Nr. 9
BBesG Anlage IX
APOgDPol § 35
Die einjährige weitere Ausbildung für den Laufbahnwechsel in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ist bei der Gewährung der Polizeizulage nach Übernahme des Beamten in den Polizeivollzugsdienst als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX des Bundesbesoldungsgesetzes zu berücksichtigen.
OVG 4 B 12.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl, den Richter am Verwaltungsgericht Maresch, den ehrenamtlichen Richter Hauck und die ehrenamtliche Richterin Koch-Abdelgader für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die vor einem Laufbahnwechsel in den Polizeivollzugsdienst absolvierte einjährige Ausbildung zum Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei/Schutzpolizei als Dienstzeit für die Gewährung der Zulage für Polizeivollzugsbeamte (Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) anzurechnen ist.

Der Kläger war seit 1996, zunächst als Polizeiinspektor z.A., Beamter des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Geschäftsbereich des Polizeipräsidenten in Berlin. Am 29. November 2000 wurde er zum Polizeiinspektor ernannt. Mit Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 30. November 2000 wurde er zum Laufbahnwechsel in die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Kriminalpolizei zugelassen und nahm ab dem 1. Dezember 2000 an einer einjährigen weiteren Ausbildung für den Laufbahnwechsel gemäß § 35 der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst - APOgDPol - teil. Während dieser Ausbildungszeit verblieb er in der bisherigen Laufbahn, nahm allerdings in seiner praktischen Tätigkeit polizeivollzugliche Aufgaben wahr. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung teilte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2002, ausgehändigt am 20. Februar 2002, mit, dass die Senatsverwaltung für Inneres die bisherige Laufbahnbefähigung des Klägers als Befähigung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Kriminalpolizei anerkannt habe. Da eine weitere Bewährungszeit nicht abgeleistet werden müsse, könne der Kläger unmittelbar in die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Kriminalpolizei übernommen werden. Er führe ab sofort die Amtsbezeichnung Kriminalkommissar. Ab dem 20. Februar 2002 habe er Anspruch auf die Gewährung einer Zulage nach der Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B des Bundesbesoldungsgesetzes (sog. Polizeizulage). Mit weiterem Bescheid vom 28. Februar 2002 wies der Beklagte zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass die faktische Zahlung der Zulage erst nach vollzogenem Laufbahnwechsel und Ableistung einer Dienstzeit von einem Jahr im Status eines Polizeivollzugsbeamten, also frühestens ab dem 20. Februar 2003 erfolgen könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 3. April 2003 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz erst zusammen mit der Vorbemerkung Nr. 9 den vollständigen anspruchsbegründenden Tatbestand ergebe. Nach dieser Vorschrift entstehe der Anspruch auf die Stellenzulage für Polizeivollzugsbeamte nach einer Dienstzeit von einem Jahr und erhöhe sich nach einer Dienstzeit von zwei Jahren. Als Dienstzeit könnten nur Zeiten angerechnet werden, die der Beamte als Beamter im Polizeivollzugsdienst verbracht habe. Eine Berücksichtigung der vor dem 20. Februar 2002 absolvierten Zeit in einer anderen Laufbahn komme nicht in Betracht. Die Besonderheit im Falle des Klägers, nämlich die Ausbildung für die Polizeivollzugslaufbahn bei unverändertem Status als Verwaltungsbeamter, werde von der Regelung nicht erfasst. Aus der Aufzählung der zulagenberechtigenden Vollzugslaufbahnen in der Vorbemerkung Nr. 9 lasse sich aber ableiten, dass es nicht allein auf die Ausübung einer vollzugsspezifischen Tätigkeit ankomme, sondern auf die Laufbahnzugehörigkeit.

Mit der am 13. Mai 2003 erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass er die Voraussetzungen der Zulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen bereits mit Zuerkennung der Laufbahnbefähigung erfülle und die in der Anlage IX vorausgesetzte einjährige Dienstzeit abgeleistet habe. Aus der Anlage IX ergebe sich nicht, dass die Dienstzeit in der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes abgeleistet werden müsse. Es sei nicht gerechtfertigt, Beamten im Vorbereitungsdienst des Polizeivollzugsdienstes gemäß Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Vorbemerkungen bereits nach einem Jahr die Polizeizulage zu gewähren, während die einjährige Ausbildungszeit für die Laufbahnwechsler nicht als Dienstzeit angerechnet werde.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 6. Juli 2006 stattgegeben. Der Kläger habe ab dem 20. Februar 2002 Anspruch auf Zahlung der Polizeizulage nach einjähriger Dienstzeit. Aufgrund der Zuerkennung der Laufbahnbefähigung und der Übernahme in den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei gehöre der Kläger ab diesem Zeitpunkt der zulagenberechtigenden Laufbahn an und sei dem Grunde nach zulagenberechtigt. Die Höhe der Zulage werde in der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz bestimmt, wonach die Zulage nach einer Dienstzeit von einem Jahr in bestimmter Höhe gewährt werde. Der Begriff der Dienstzeit sei dort nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätten zeitliche Staffelungen, die sich aus der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz ergäben, Einfluss auf die Höhe der Zulage, besagten aber nichts über die normativen Erfordernisse einer zulagenberechtigenden Verwendung. Der Aufschub des Zahlungsanspruches um eine Dienstzeit von einem Jahr schließe es nicht aus, dass der Beamte auch während dieser "Wartezeit" zulagenberechtigend verwendet werden könne. Der Begriff der Dienstzeit verlange eine solche Verwendung aber nicht. Deshalb sei jedenfalls eine Dienstzeit, die die Ausbildungszeit entsprechend verkürze und in der bereits vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen worden seien, als Dienstzeit anzurechnen. Die von dem Kläger absolvierte einjährige Ausbildung für den Laufbahnwechsel in den gehobenen Polizeivollzugsdienst sei deshalb anrechenbar. Auf die Zugehörigkeit zur Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes während der Wartezeit komme es hingegen nach dem Sinn und Zweck nicht an. Andernfalls hätte der Gesetzgeber das Erfordernis einer Dienstzeit in der Laufbahn ausdrücklich bei den anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgenommen. Dies werde durch einen Vergleich zu Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Vorbemerkungen bestätigt.

Gegen das Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er im Wesentlichen vor, dass die Entscheidung im Widerspruch zur Systematik des Bundesbesoldungsgesetzes stehe. Als Wartezeit gemäß Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz könne die Zeit einer einjährigen Umschulung, die nicht in der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes absolviert werde, nicht angerechnet werden. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes besage insoweit nichts anderes. Dort werde vielmehr zutreffend festgestellt, dass nach der Systematik des Besoldungsrechts Rechtsgrund und Höhe einer Stellenzulage getrennt voneinander geregelt seien und dass zeitliche Staffelungen, die sich aus der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz ergäben, nur Einfluss auf die Höhe der Zulage hätten und nichts über die normativen Erfordernisse einer zulagenberechtigenden Verwendung besagten. Da ein Anspruch immer erst dem Grunde nach bestehen müsse, bevor sich die Frage der Höhe stelle, sei diese Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass die Regelung der Höhe in Anlage IX die Regelung der Zulagenberechtigung dem Grunde nach unberührt lasse, somit zunächst die Voraussetzungen der Nr. 9 der Vorbemerkungen, u.a. also die Laufbahnzugehörigkeit, gegeben sein müssten, bevor die Wartezeit beginne. Die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Be-griff der Dienstzeit keine spezifische Verwendung verlange, beziehe sich lediglich auf den Umstand, dass die Polizeizulage bei Polizeivollzugsbeamten keinen individuellen, sondern nur einen summarischen Funktionsbezug durch Bezeichnung einer bestimmten Beamtengruppe erfordere. Demzufolge sei bezogen auf die Polizeivollzugsbeamten der Personenkreis durch eine Statusbenennung gekennzeichnet. Als Dienstzeiten könnten deshalb nur einschlägige Dienstzeiten im Sinne der Nr. 9 der Vorbemerkungen berücksichtigt werden. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts führe demgegenüber zu Abgrenzungsproblemen und Rechtsunsicherheit.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Juli 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er stützt sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und führt ergänzend aus, dass nach Abs. 1 Satz 2 der Zulageregelung die Zulage unter den gleichen Voraussetzungen auch Beamten auf Widerruf, die Vorbereitungsdienst leisteten, gewährt werde. Hiernach erhielten sogar Widerrufsbeamte während der Ausbildung nach einer Dienstzeit von einem Jahr die Polizeizulage, soweit sie auch tatsächlich zulagenberechtigend verwendet würden, während Beamte wie der Kläger, die bereits nach einem Jahr Ausbildung die Laufbahn wechselten, ohne sachlichen Grund in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt würden, wenn der Anspruch auf Zulage allein wegen der fehlenden Zugehörigkeit zur Laufbahn um ein weiteres Jahr Wartezeit hinausgeschoben würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger kann verlangen, dass ihm ab seiner Übernahme in den Polizeivollzugsdienst (20. Februar 2002) die Zulage für Polizeivollzugsbeamte unter Berücksichtigung einer einjährigen Dienstzeit gezahlt wird. Die von ihm zuvor absolvierte einjährige weitere Ausbildung für den Laufbahnwechsel ist als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) anzurechnen.

Nach § 42 BBesG i.V.m. Nr. 9 Abs. 1 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B erhalten unter anderem Polizeivollzugsbeamte der Länder (Satz 1 der Regelung) und unter den gleichen Voraussetzungen Beamte auf Widerruf, die Vorbereitungsdienst leisten (Satz 2 der Regelung), eine Stellenzulage nach Anlage IX, soweit ihnen Dienstbezüge nach der Bundesbesoldungsordnung A zustehen. Die Höhe der Zulage beträgt gemäß Anlage IX nach einer Dienstzeit von einem Jahr einen bestimmten Betrag (sog. kleine Polizeizulage) und verdoppelt sich nach einer Dienstzeit von zwei Jahren.

Der Kläger ist seit der Übernahme in die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Kriminalpolizei (20. Februar 2002) Polizeivollzugsbeamter des Landes (zur Be-griffsbestimmung § 102 LBG) und deshalb dem Grunde nach zulagenberechtigt im Sinne der Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen. Er erfüllt ab diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzung der Anlage IX, also die Ableistung einer Dienstzeit von einem Jahr. Der Begriff der Dienstzeit ist in Anlage IX nicht näher beschrieben. Der systematische Zusammenhang mit der Zulageregelung in Nr. 9 der Vorbemerkungen sowie Sinn und Zweck der Regelung legen es nahe, dass im Regelfall nur eine zulagenberechtigende Dienstzeit, hier also eine Dienstzeit als Beamter in einer Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes oder als Beamter auf Widerruf im entsprechenden Vorbereitungsdienst, angerechnet werden kann (dazu 1.). Im Falle eines Laufbahnwechslers, der die (weitere) Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst noch als Beamter seiner bisherigen Laufbahn absolviert, entspricht es allerdings der Systematik der Vorschrift und ihrem Sinn und Zweck, diese Ausbildungszeit ebenfalls als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX anzurechnen (dazu 2.).

1. Als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz kann nicht jede (beliebige) Dienstzeit in einem Beamtenverhältnis angerechnet werden, sondern regelmäßig nur eine zulagenberechtigende Dienstzeit. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Zulageregelung in Nr. 9 der Vorbemerkungen und der Regelung ihrer Höhe in der Anlage IX. Die Zulageregelung in Nr. 9 der Vorbemerkungen bildet den Rechtsgrund der Zulagegewährung und regelt die materiellen Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung. Die Anlage IX knüpft hieran an und regelt die Höhe der Zulage, und zwar dahin, dass erst nach einer Dienstzeit von einem Jahr ein Anspruch auf Zahlung der Zulage in bestimmter Höhe ausgelöst wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 2 C 26.01 -, juris). Die Regelung über die Höhe der Zulage kann insoweit nicht losgelöst von der Regelung über den Rechtsgrund betrachtet werden. Als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX kommen deshalb grundsätzlich nur Zeiten in Betracht, in denen der Beamte zulagenberechtigend eingesetzt worden ist (vgl. Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Vbm. Nr. 9 zu BBesO A/B Rn. 4b; s. zu den verschiedenen Verfahrensbestimmungen etwa die VV des BMVg zur Gewährung der Zulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben, Ziffer 5, abgedruckt bei Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, Anh. VII/1, sowie Ziffer 2.2 der VV-BMF-PolZul, abgedruckt bei Schwegmann/ Summer, a.a.O., V/12).

Die Genese der Zulageregelung bestätigt den systematischen Zusammenhang zwischen der Regelung des Anspruchsgrundes und der Anspruchshöhe. Der Bundesgesetzgeber hatte infolge der ihm durch Art. 74a GG im Jahr 1971 zugewiesenen konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung und Versorgung mit dem Ersten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern vom 18. März 1971 (BGBl. I 208) in den Übergangsvorschriften zur Vereinheitlichung der Besoldungsstruktur in Bund und Ländern erstmals eine einheitliche Zulage für Polizeivollzugsbeamte der Länder geregelt (Art. II § 16 des vg. Gesetzes, s. dazu Clemens/Lantermann, ZBR 1971, 137, 141). Mit dem Zweiten Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern vom 23. Mai 1975 (BGBl. I 1173) wurde die Zulage für Polizeivollzugsbeamte des Bundes und der Länder als Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B geregelt und - im Text der Vorbemerkung - zeitlich gestaffelt. Danach erhielten u.a. Polizeivollzugsbeamte der Länder und unter den gleichen Voraussetzungen auch Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nach einer Dienstzeit von einem Jahr eine Stellenzulage in bestimmter Höhe, die sich nach einer Dienstzeit von zwei Jahren verdoppelte. Der textliche Zusammenhang verdeutlichte, dass die als Wartezeit abzuleistende Dienstzeit grundsätzlich als Polizeivollzugsbeamter bzw. entsprechender Widerrufsbeamter zurückgelegt werden musste. Der Zusammenhang zwischen Anspruchsgrund und -höhe ist durch die mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungserhöhungsgesetz 1979 vom 30. Juni 1979 (BGBl. I 1285) allein aus gesetzestechnischen Gründen erfolgte Trennung der Regelung über die Höhe von der Regelung des Anspruchsgrundes und die Zusammenfassung aller Zulagenbeträge in einer gesonderten Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz nicht aufgelöst worden. Der Begriff der Dienstzeit in der Anlage IX zum Bundesbesoldungsgesetz bezieht sich weiterhin auf die zulagenberechtigende Verwendung im Sinne der Nr. 9 der Vorbemerkungen.

Dieser Zusammenhang ergibt sich ferner aus dem Zweck der zeitlichen Staffelung der Höhe der Zulage. Der Bundesgesetzgeber beabsichtigte eine Vereinheitlichung der bis dahin in Bund und Ländern und in den einzelnen Ländern nach jeweils unterschiedlichen Dienstzeiten gewährten Polizeizulage. Die Polizeizulage sollte unabhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen Abschlusses der Ausbildung nach einer Dienstzeit von zwei Jahren auch für Polizeivollzugsbeamte der Länder eingeführt werden. Die Zahlung der halben Polizeizulage bereits nach einer Dienstzeit von einem Jahr erfolgte, weil zu diesem Zeitpunkt im Allgemeinen die Grundausbildung abgeschlossen ist (BT-Drs. 7/1906, S. 94). Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, dass in den ersten Dienstjahren die Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten im Vordergrund steht, während derer der Grund für die Gewährung der Zulage, also die tatsächliche Wahrnehmung herausgehobener Funktionen (im Vollzugsdienst) und die damit verbundenen Belastungen, noch nicht oder noch nicht vollständig zum Tragen kommt. Diesen Umstand hat er pauschalierend durch die zeitliche Staffelung berücksichtigt.

2. Der sich aus der Systematik und dem dargestellten Sinn und Zweck ergebende Zusammenhang zwischen der Regelung des Anspruchsgrundes und der Anspruchshöhe schließt es allerdings nicht in jedem Fall aus, für die Wartezeit im Sinne der Anlage IX auf Dienstzeiten vor dem Beginn einer zulagenberechtigenden Verwendung zurückzugreifen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Begriff der Dienstzeit im Sinne der Anlage IX keine spezifische Verwendung entsprechend einer Zulageregelung nach der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz verlangt (Urteil vom 14. März 2002 - 2 C 26.01 -, juris Rn. 16). Daraus lässt sich zwar nicht folgern, dass jede (beliebige) frühere Dienstzeit als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX anzusehen wäre. Andererseits lässt sich der Gehalt der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts - wie der Beklagte allerdings meint - auch nicht darauf reduzieren, dass für die Anrechnung des ersten Dienstjahres lediglich auf die tatsächliche Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben verzichtet werden könne (nicht aber auf die Laufbahnzugehörigkeit oder den entsprechenden Vorbereitungsdienst). Eine spezifische Verwendung entsprechend einer Zulageregelung nach der Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz setzt bei der hier in Rede stehenden Zulage (jedenfalls) die Laufbahnzugehörigkeit oder einen entsprechenden Vorbereitungsdienst als Widerrufsbeamter voraus. Dass diese Voraussetzung nach der genannten Rechtsprechung für den Begriff der Dienstzeit im Sinne der Anlage IX nicht verlangt wird, lässt sich nur dahin verstehen, dass Zeiten außerhalb des Polizeivollzugsdienstes oder eines entsprechenden Vorbereitungsdienstes im Einzelfall berücksichtigt werden können, dass der Begriff der Dienstzeit also einer Auslegung unter Berücksichtigung insbesondere des Zwecks der zeitlichen Staffelung der Zulage zugänglich ist.

Eine Berücksichtigung der von dem Kläger als Verwaltungsbeamter absolvierten einjährigen weiteren Ausbildung zum Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei nach § 35 APOgDPol als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX entspricht dem Zweck der zeitlichen Staffelung der Polizeizulage. Die gesetzgeberische Erwägung, dass die Polizeizulage wegen der in den ersten Dienstjahren im Vordergrund stehenden Ausbildung der Beamten nach dem ersten Dienstjahr zunächst zur Hälfte und erst nach dem zweiten Dienstjahr in voller Höhe gezahlt wird, weil erst dann im Allgemeinen die herausgehobene Funktion in vollem Umfang wahrgenommen wird, trifft auch auf die weitere Ausbildung des Klägers zu. Die von ihm als Laufbahnwechsler absolvierte einjährige Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst unterscheidet sich insoweit von ihrer Zielrichtung (Erreichen der Laufbahnbefähigung) nicht von dem regelmäßig dreijährigen Vorbereitungsdienst der Kommissaranwärter. Auch die Wahrnehmung von Polizeivollzugsaufgaben erfolgte während der einjährigen Ausbildung in jedenfalls nicht geringerem Umfang als bei Kommissaranwärtern. Der Kläger wurde im praktischen Teil der Ausbildung im Polizeivollzug eingesetzt, nahm an Vollzugsmaßnahmen teil und trug eine Schusswaffe. Nach Abschluss der einjährigen Ausbildung und Übernahme in eine Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes im Amt eines Kriminalkommissars hatte der Kläger einen Ausbildungsstand und Einsatzwert für den Vollzugsdienst erreicht, der mindestens demjenigen eines Kommissaranwärters nach einjährigem Vorbereitungsdienst entspricht. Der Dienstherr konnte ab diesem Zeitpunkt eine Verwendbarkeit des Klägers für die Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes erwarten, wie er sie bei Laufbahnbeamten regelmäßig erst nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung, also nach Abschluss des regulären Vorbereitungsdienstes und Bestehen der Laufbahnprüfung erwarten kann. Diese Beamten erhalten wegen der Anrechnung ihrer nach Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Vorbemerkungen zulagenberechtigenden Ausbildungszeit als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX regelmäßig bereits vor ihrer Anstellung die volle Polizeizulage, während der Kläger nach der Rechtsansicht des Beklagten die volle Polizeizulage erst ab dem dritten Dienstjahr als Kriminalkommissar beanspruchen könnte, obwohl er bereits ab seiner Übernahme in den Polizeivollzugsdienst die herausgehobene Funktion uneingeschränkt ausübt und schon während seiner einjährigen weiteren Ausbildung Polizeivollzugsaufgaben wahrgenommen hat. Der bloße Umstand, dass ein Laufbahnwechsler die für die Laufbahnbefähigung erforderliche weitere Ausbildung noch in seiner bisherigen Laufbahn und deshalb nicht zulagenberechtigend absolviert, während Laufbahnbewerber wegen der Regelung in Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Vorbemerkungen schon während des Vorbereitungsdienstes als Widerrufsbeamte dem Grunde nach zulagenberechtigt sind, vermag eine in dieser Weise unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen; sie würde in Konflikt mit Art. 3 Abs. 1 GG geraten und dem Zweck der zeitlichen Staffelung der Polizeizulage zuwider laufen.

Es ist deshalb sachgerecht und geboten, die einjährige weitere Ausbildung eines Laufbahnwechslers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst nach § 35 APOgDPol ebenso als Dienstzeit im Sinne der Anlage IX zu berücksichtigen wie den Vorbereitungsdienst der Kommissaranwärter (vgl. auch Schwegmann/Summer, BBesG, Vbm. Nr. 9 zu BBesO A7B II/1 Rn. 4 b; vgl. ferner VGH Mannheim, Urteil vom 14. März 1994 - 4 S 1988/92 -, juris, Rn. 18, zu einer entsprechenden Anwendung der Nr. 9 Abs. 1 Satz 2 der Vorb.). Abgrenzungsschwierigkeiten oder Rechtsunsicherheit, wie vom Beklagten befürchtet, ergeben sich durch dieses Verständnis des Begriffes der Dienstzeit im Sinne der Anlage IX nicht. Die Zeit der Ausbildung nach § 35 APOgDPol ist ohne weiteres bestimmbar und von sonstigen, nicht einschlägigen Dienstzeiten außerhalb des Polizeivollzugsdienstes eindeutig abgrenzbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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