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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: OVG 4 B 8.04
Rechtsgebiete: BBG, BGB


Vorschriften:

BBG § 78
BGB § 852
§ 852 Satz 1 BGB n.F. (entspricht § 852 Abs. 3 BGB a.F.) ist auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch des Dienstherrn aus § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG entsprechend anwendbar.
OVG 4 B 8.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat im Wege schriftlicher Entscheidung am 7. September 2006 durch

den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts ------, den Richter am Oberverwaltungsgericht --------, den Richter am Verwaltungsgericht -------- sowie die ehrenamtlichen Richter ------------ und -------------

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Schadensersatzforderung seines früheren Dienstherrn.

Der 1938 geborene Kläger war von 1984 bis 1990 bei der Bundeswehrverwaltung in den USA als Beihilfesachbearbeiter - zuletzt als Amtsinspektor - tätig. Von November 1987 bis April 1990 beantragte er bei der Beihilfestelle mehrmals die Gewährung von Beihilfe für Zahnarztrechnungen, auf die er bereits zuvor Beihilfe bezogen hatte. Auf diese Weise erhielt er zu Unrecht insgesamt 29.443,27 DM. Das Bundesdisziplinargericht entfernte den Kläger wegen mehrfachen Beihilfebetruges mit Urteil von Anfang 1997 aus dem Dienst. Das Bundesverwaltungsgericht wies die hiergegen eingelegte Berufung Ende 1998 zurück.

Das Bundesamt für Wehrverwaltung forderte vom Kläger nach Anhörung mit Bescheid vom 4. Juli 2001 die Zahlung von 29.443,27 DM und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2001 zurück. Es führte aus, der Kläger habe sich die mehrfach gezahlte Beihilfe in betrügerischer Absicht erschlichen und die Treuepflicht gegenüber seinem Dienstherrn vorsätzlich verletzt. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Für den Fall, dass der Kläger den geforderten Betrag nicht auf einmal zahlen könne, bot es ihm unter Beifügung einer Anerkenntniserklärung Ratenzahlung an.

Die hiergegen am 4. September 2001 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 4. Februar 2004 abgewiesen, nachdem die Beklagte die angefochtenen Bescheide hinsichtlich des über 28.859 DM hinausgehenden Betrages aufgehoben hatte. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Schadensersatzanspruch der Beklagten sei nicht verjährt. § 852 Abs. 3 BGB a.F. sei auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 78 Abs. 1 BBG entsprechend anwendbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers.

Der Kläger macht zur Begründung seines Rechtsbehelfs im Wesentlichen geltend, § 78 BBG enthalte (auch) hinsichtlich der Verjährung eine abschließende Spezialregelung. Eine entsprechende Anwendung von § 852 Abs. 3 BGB a.F. sei weder gerechtfertigt noch geboten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Februar 2004 zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes für Wehrverwaltung vom 4. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 7. August 2001 sowie der am 4. Februar 2004 vorgenommenen Änderung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der Berufung unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Verwaltungsvorgang Schadensersatz, ein Verwaltungsvorgang Dienstenthebung, ein DIN-A-4-Ordner Disziplinarverfahren) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn sie ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtliche Grundlage für die angefochtene Heranziehung zur Zahlung von 28.859 DM ist § 78 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes in der zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung - also des Widerspruchsbescheides des Bundesamtes für Wehrverwaltung vom 7. August 2001 - maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 1999 (Neufassung mit Bekanntmachung vom 31. März 1999, BGBl. I S. 675) - BBG -. Hiernach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach den Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, hat der Kläger die Beihilfestelle vorsätzlich getäuscht und von seinem Dienstherrn Leistungen (jedenfalls) in Höhe der (nur noch) streitigen 28.859 DM zu Unrecht erhalten. Daher kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit eine Bindungswirkung des im Disziplinarverfahren ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nach § 121 VwGO besteht.

Der - auf Rückzahlung von 28.859 DM gerichtete - (Schadensersatz-) Anspruch ist nicht verjährt.

Nach § 78 Abs. 2 Satz 1 BBG verjähren Ansprüche nach Absatz 1 allerdings in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Danach wäre der Anspruch verjährt. Die absolute zehnjährige Verjährungsfrist war bereits Ende April 2000 verstrichen, da die letzte Täuschungshandlung im April 1990 begangen worden ist. Dem Kläger wäre die Berufung auf die Verjährungseinrede auch nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben verwehrt. Insbesondere hat er keine Tätigkeiten entfaltet oder Maßnahmen getroffen, die die Beklagte veranlasst haben könnte, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen. Vielmehr hat es die beklagte Behörde versäumt, in unverjährter Zeit einen Leistungsbescheid zu erlassen bzw. den Anspruch klageweise geltend zu machen.

Die Verjährungsvorschrift des § 78 Abs. 2 Satz 1 BBG wird jedoch von der entsprechend anwendbaren Regelung des § 852 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung - BGB n.F. - verdrängt.

1. Diese Vorschrift hat "den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung" (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76 -, BGHZ 71, 86, 99) und ist eine verjährungsrechtliche Sonderregelung für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (vgl. Vieweg in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. 2002, § 852 Rdnr. 3, 17 m.w.N.; Krause in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2005, § 852 Rdnr. 2). Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen; er wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, a.a.O.; im Anschluss hieran BVerwG, Urteil vom 25. November 1992 - BVerwG 11 C 4.92 -, NJW 1993, 2328, 2329 f.).

2. Die Vorschrift, die mit lediglich redaktionellen Änderungen § 852 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der vom 1. Januar 1978 bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - BGB a.F. - bzw. § 852 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der davor geltenden Fassung entspricht, ist in ihrer Neufassung mit dem zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) anzuwenden. Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. So liegt der Fall hier. Der Anspruch nach § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG war zum 1. Januar 2002 auf Grund der Sonderregelung des § 852 Abs. 3 BGB a.F. insoweit nicht verjährt, als es - wie hier - um die Herausgabe des deliktisch erlangten Vermögens geht. Die Verjährungsfrist für diesen Anspruch betrug, da eine dem § 852 Satz 2 BGB n.F. entsprechende eigene Verjährungsregelung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht bestanden hatte, 30 Jahre (vgl. zu § 852 BGB a.F. Schäfer in: Staudinger, BGB, 12. Aufl. 1986, § 852 Rdnr. 125).

3. § 852 Satz 1 BGB n.F. ist auf den Schadensersatzanspruch aus § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG entsprechend anwendbar (ebenfalls: Franke in: GKÖD, BeamtR, Stand: Juli 2006, K § 78 Rdnr. 57; Maiwald in: Schütz/Maiwald, BeamtR, Bd. 2, Stand: Juni 2006, C § 84 LBG NRW Rdnr. 70; Lemhöfer Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Stand: Juli 2006, § 78 Rdnr. 53; Fischbach, BBG, 2. Aufl. 1956, § 78 Rdnr. 18; unklar: Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 334 ff.; Huber in: Woydera/Summer/Zängl, Sächsisches Beamtengesetz, Stand: September 2003, § 97 Rdnr. 22, und Conrad in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: April 2006, Art. 85 Rdnr. 23; a.A. VG Meiningen, Urteil vom 8. November 2004 - 1 K 967/99.Me -, ThürVBl. 2005, 209 ff., allerdings war die Frage schon für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich; offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 10.05 -, Seite 6 des Urteilsabdruckes; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. November 1997 - 12 A 1358/95 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 1999 - 2 A 12287/98 - RiA 1999, 256, 258). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift liegen vor. Das Bundesbeamtengesetz enthält eine Regelungslücke (a.), die Vorschrift ist keine Ausnahmebestimmung (b.), und es besteht eine vergleichbare Interessenlage (c.).

a. Das Bundesbeamtengesetz enthält eine Regelungslücke hinsichtlich der Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Dienstherrn gegenüber dem Beamten, soweit dieser durch unerlaubte Handlung auf Kosten des Dienstherrn etwas erlangt hat. Die dienstrechtliche Haftung des Beamten gegenüber dem Dienstherrn ist zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in § 78 BBG abschließend geregelt, so dass materielle Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch der Behörde § 78 BBG anstatt §§ 823 ff. BGB oder anderer Rechtsgrundsätze des bürgerlichen Rechts ist (vgl. Urteil vom 20. April 1977 - BVerwG VI C 14.75 - BVerwGE 52, 255, 256; Urteil vom 13. Oktober 1994 - BVerwG 2 C 20/93 - NVwZ 1996, 182, 183; Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 2 C 12.98 - ZBR 1999, 64, 65; Urteil vom 11. März 1999 - BVerwG 2 C 15.98 - ZBR 1999, 278, 279; Urteil vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 10.05 -, S. 5 des Urteilsabdruckes). Bezüglich der Verjährung des Schadensersatzanspruches nach § 78 BBG hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings selbst auf § 852 BGB Bezug genommen (Beschluss vom 8. Oktober 1986 - BVerwG 2 B 115.85 - ZBR 1987, 47) und "im Rahmen des § 78 Abs. 3 BBG", dem heutigen § 78 Abs. 2 BBG, die Vorschrift des § 852 BGB "in seinen Grundsätzen" für anwendbar gehalten (Urteil vom 9. März 1989 - BVerwG 2 C 21.87 - BVerwGE 81, 301, 304; vgl.a. BGH, Urteil vom 12. Juli 1995 - I ZR 176/93 - BGHZ 130, 288, 297, zu § 21 UWG a.F., einer § 78 Abs. 2 Satz 1 BBG entsprechenden Verjährungsregelung). Außerdem hat es mit Urteil vom 15. Juni 2006 ausgeführt, dass neben § 78 BBG und den entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze solche Normen anwendbar seien, die dem Dienstherrn einen Anspruch auf Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zwischen ihm und dem Beamten zuerkennen, möge diese Vermögensverschiebung auch auf einer Dienstpflichtverletzung des Beamten beruhen (- BVerwG 2 C 10.05 -, S. 5 f.). Einen solchen (konkurrierenden) Anspruch hat es etwa im öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gesehen (a.a.O., S. 6). § 852 BGB n.F. ist ebenso wie der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine Vorschrift, die den Anspruch auf Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten betrifft. Die Vorschrift zielt nicht darauf, dem Dienstherrn Ersatz für die Vermögenseinbuße zu verschaffen, die er durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Beamten erlitten hat. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, den ungerechtfertigten Vermögensvorteil auszugleichen bzw. vom Beamten zurückzuerhalten, den dieser auf Kosten der Dienstbehörde erlangt hat. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber einen - als Schadensersatzanspruch begründeten - Anspruch des Dienstherrn gegen den Beamten auf Herausgabe des durch unerlaubte Handlung auf Kosten des Dienstherrn Erlangten nach Eintritt der Verjährung bewusst ausschließen wollte. Vielmehr besteht eine "bis heute fortwirkende strukturelle Identität der Haftung des Beamten im Innenverhältnis mit den Haftungstatbeständen des Privatrechts, insbesondere mit denjenigen aus unerlaubter Handlung" (so Beckmann, Die Haftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, 2002, S. 91). Die heute geltende Verjährungsregel des § 78 Abs. 2 Satz 1 BBG geht zurück auf die (erste) Durchführungsverordnung vom 29. Juni 1937 (RGBl. I S. 669) bzw. die (zweite) Durchführungsverordnung vom 13. Oktober 1938 (RGBl. I S. 1421), nachdem § 23 des Deutschen Beamtengesetzes - die Vorgängervorschrift des § 78 Abs. 1 BGB - eine Verjährungsregel nicht enthielt (zit. n. u. abgedr. b. Beckmann, a.a.O., S. 75 ff.). Die Verjährungsregelung der Durchführungsverordnung übernahm dabei die zivilrechtliche Verjährungsregelung für unerlaubte Handlungen des § 852 Abs. 1 BGB in der ursprünglichen, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Dafür, dass die "ergänzenden" Regelungen in § 852 Abs. 2 und 3 BGB bewusst ausgeschlossen werden sollten, findet sich kein Anhaltspunkt. So ging die damalige Kommentarliteratur davon aus, der Fall, dass der Beamte sich durch eine unerlaubte Handlung bereichert hatte, sei nicht geregelt und der Beamte sei nach § 852 Abs. 2 BGB (seit 1. Januar 1978 bis 31. Dezember 2001 Absatz 3 der Vorschrift) auch nach Eintritt der Verjährung zur Herausgabe verpflichtet (vgl. Nadler/Wittland/Ruppert, Deutsches Beamtengesetz, Band 2, 1938, § 23 Rdnr. 43; Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, 2. Aufl. 1940, § 23, S. 363).

b. § 852 Satz 1 BGB n.F. ist auch keine Ausnahmebestimmung. Die Regelung bezweckt, dass derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuss dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben soll (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, a.a.O.; Stein in: MK, BGB, 3. Aufl. 1997, § 852 Rdnr. 70; Vieweg, a.a.O., Rdnr. 1; Krause in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2005, § 852 Rdnr. 1 f.). Insoweit enthält die Vorschrift einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der (deliktische) Schädiger soll seinen (ungerechtfertigten) Vermögensvorteil nicht behalten dürfen. Er soll nicht günstiger gestellt werden, als der "Empfänger einer Nichtschuld" vom Zeitpunkt seiner Bösgläubigkeit an (Mot II 743, zit. n. Vieweg, a.a.O.).

c. Die Interessenlage ist vergleichbar. Ein Grund, den Beamten gegenüber einem privaten Deliktsschuldner besser zu stellen bzw. den Dienstherrn gegenüber einem privaten Geschädigten schlechter zu stellen, ist schon angesichts des besonderen Treueverhältnisses zwischen Beamten und Dienstherrn nicht ersichtlich. Schließlich ist kein Grund erkennbar, den Bereicherungsschuldner, der durch deliktisches Handeln die Vermögensverschiebung herbeigeführt hat, gegenüber einem sonstigen Erstattungspflichtigen (z.B. gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG), der die Zuvielzahlung nicht veranlasst hat, verjährungsrechtlich besser zu stellen (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 10.05 -, S. 8 des Urteilsabdruckes).

4. Die Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB n.F. liegen vor. Hiernach ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Der Kläger ist - wie oben dargelegt - "ersatzpflichtig" nach § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG. Er hat die zu Unrecht gewährten Beihilfeleistungen in Höhe von 28.859 DM auf Kosten der Beklagten durch eine unerlaubte Handlung - im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB - erlangt. Der Herausgabeanspruch ist auch nicht nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt (zum Charakter der Vorschrift als bloße Rechtsfolgenverweisung, BGH, Urteil vom 17. Februar 1978, a.a.O.; ausführlich Vieweg, a.a.O., Rdnr. 16 f.). Auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger nicht berufen. Er hat die Beihilfeleistungen durch vorsätzliche Täuschung erlangt und kannte den Mangel des rechtlichen Grundes, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB.

5. Der Herausgabeanspruch ist auch nicht nach § 852 Satz 1 BGB n.F. verjährt. Nach - der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu eingefügten eigenständigen Verjährungfrist in - Satz 2 der Vorschrift verjährt der Anspruch nach Satz 1 in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Danach wäre der Anspruch, da er mit Erhalt der erschlichenen Beihilfeleistungen entstanden war, (spätestens) mit Ablauf des Jahres 2000 erloschen. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird jedoch, wenn die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer ist als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Dies ist hier der Fall. Nach § 852 Abs. 3 BGB a.F. betrug die Verjährungsfrist 30 Jahre. Da § 852 Satz 2 BGB n.F. für den vorliegenden Fall eine 10jährige Verjährungsfrist bestimmt, läuft diese Frist (erst) ab dem 1. Januar 2002 an und damit bis zum 31. Dezember 2011.

6. Die Mitbestimmung des Personalrates war nicht erforderlich.

Es kann dahinstehen, ob dies - wie die Vorinstanz meint - daraus folgt, dass der Kläger den nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9, Satz 2 BPersVG erforderlichen Antrag nicht gestellt hat. Nach einhelliger Meinung in der Literatur muss die Dienststelle den Beschäftigten auf die Möglichkeit eines Antrages auf Beteiligung des Personalrates hinweisen - was hier nach Aktenlage unterblieben ist -; fehlt es hieran, sei ein trotzdem erlassener Leistungsbescheid rechtswidrig und aufzuheben (vgl. Ilbertz/Widmeier, BPersVG, 10. Aufl. 2004, § 76 Rdnr. 55; Rehak in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Stand: Juli 2006, § 76 Rdnr. 109 b; Fischer/Goeres in: GKÖD, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2006, K § 76 Rdnr. 54; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, BPersVG, 5. Aufl. 2004, § 76 Rdnr. 29). Eine entsprechende Unterrichtungspflicht bejahen auch das OVG Niedersachsen (Urteil vom 10. Dezember 1985 - 5 OVG A 31/84 - PersR 1986, 240) und das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18. November 1982 - 1 A 1211/80 - ZBR 1983, 239, 240). Eine solche Unterrichtungspflicht erscheint jedoch für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die sich nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz richtet, (mindestens) zweifelhaft. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. November 1983 - BVerwG 2 C 27.82 - (BVerwGE 68, 197, 200) ausgeführt, die Auffassung in der Begründung zum Entwurf des Bundespersonalvertretungsgesetzes, es entspreche der Fürsorgepflicht des Dienstvorgesetzten, den betroffenen Bediensteten bei der Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme darauf hinzuweisen, dass er die Beteiligung des Personalrats beantragen kann, habe im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. Sie finde auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Stütze: Hiernach folge aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht keine generelle Verpflichtung des Dienstherrn, seine Beamten über alle sich aus ihrem Dienstverhältnis ergebenden Rechtsfragen und über die für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren (a.a.O. S. 200 f., mit zahlreichen Nachweisen). Diese Grundsätze gälten auch in Bezug auf die Befugnis des Beamten, bei einer ihn betreffenden Personalmaßnahme die Beteiligung der zuständigen Personalvertretung zu beantragen (a.a.O., S. 201). Danach besteht nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz eine Unterrichtungspflicht des Dienstherrn bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten gerade nicht (in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sah das Landespersonalvertretungsgesetz allerdings ausdrücklich eine solche Unterrichtung vor).

Die Mitbestimmung des Personalrates war jedenfalls deswegen entbehrlich, weil der Kläger Ende 1998 und damit - lange - vor Erlass der angefochtenen Bescheide im Juli bzw. August 2001 (rechtskräftig) aus dem Dienst entfernt worden war. Er war nicht mehr Beschäftigter im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG i.V.m. § 4 Abs. 1 BPersVG (jeweils in der zum Zeitpunkt der angefochtenen Bescheide geltenden Fassung). Dies setzt für Beamte das Bestehen eines Beamtenverhältnisses oder - bei rechtlich unwirksamen Dienstverhältnissen - zumindest die tatsächliche Eingliederung in eine Dienststelle und Aufgabenerfüllung in Weisungsgebundenheit voraus (vgl. Faber in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Stand: Juli 2006, § 4 Rdnrn. 18 f., 3 f., 7, 13). Hieran fehlt es (unstreitig). In der Literatur wird zwar vertreten, ein im Verlauf des Mitbestimmungsverfahrens eintretender Verlust der Beschäftigtenqualifikation, etwa durch Versetzung in den Ruhestand oder durch Ausscheiden aus dem Dienst, berühre die Fortführung des Verfahrens nicht, sofern das den Ersatzanspruch auslösende Ereignis eingetreten war, als der Betroffene noch Beschäftigter war (vgl. Rehak, a.a.O., Rdnr. 109 a.E.). Hier fehlt es aber bereits an einem anhängigen Mitbestimmungsverfahren, während dessen der Kläger aus dem Dienst ausgeschieden ist. Im Übrigen betrifft die von dieser Auffassung angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts den Sonderfall einer Mitbestimmung bei der Wahlanfechtung. Nur für diese hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, es sei unerheblich, dass der Beschäftigte zwischenzeitlich aus der Dienststelle ausgeschieden und damit nicht mehr wahlberechtigt sei (Beschluss vom 27. April 1983 - BVerwG 6 P 17.81 - BVerwGE 67, 145, 148). Ein späterer, nach Durchführung der Wahl eintretender Wegfall der Wahlberechtigung lasse weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach dessen Sinn und Zweck die Anfechtungsbefugnis entfallen; wahlberechtigt im Sinne des § 25 LPVG (Baden-Württemberg) seien nach § 11 LPVG alle Beschäftigten, die am Wahltage bestimmte Voraussetzungen erfüllen (a.a.O.). Der Gesetzeswortlaut knüpfe somit die Anfechtungsberechtigung an Voraussetzungen, die am Wahltage vorliegen müssen (a.a.O.). Eine solche besondere Anknüpfung enthält § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG nicht. Nach ihrem Sinn und Zweck erfasst die Vorschrift nicht (ehemals) Beschäftigte, die - vor Jahren - aus dem Dienst entfernt worden sind. Die nach dieser Vorschrift vorgeschriebene Mitbestimmung soll auf die Gleichbehandlung der Beschäftigten hinwirken und die Berücksichtigung sozialer Belange sowie die Beurteilung des Falles aus der Sicht der übrigen Beschäftigten ermöglichen (vgl. Rehak, a.a.O., Rdnr. 109). Dieser Zweck ist bei einem aus dem Dienst entfernten Beschäftigten nicht mehr zu erreichen.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung auch entsprechend § 87 Abs. 2 Satz 1 BBG i.V.m. §§ 812 ff. BGB hat. Zwar ist die (bestandskräftige) Beihilfefestsetzung grundsätzlich Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung. Auch eine (konkludente) Aufhebung der Beihilfebescheide kommt nicht in Betracht, wenn die Behörde - wie hier - bewusst nur den "Weg" gewählt hat, Schadensersatz zu verlangen. Jedoch könnten die Beihilfebescheide hier nichtig im Sinne von § 44 VwVfG sein und aus diesem Grund die Beihilfeleistungen ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Auch wenn bei arglistigen Täuschungen im Hinblick auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG grundsätzlich nur eine Rücknahme des Verwaltungsaktes anstelle der Annahme der Nichtigkeit in Betracht kommt, könnte hier wegen der besonderen Umstände des Falles ein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG (vgl. hierzu Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 44 Rdnrn. 14 ff.; Schwarz in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, VwVfG, 2006, § 44 Rdnrn. 21 ff.) oder ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1990 - BVerwG 1 C 26.87 -, BVerwGE 84, 314, 315 ff.) vorliegen. Der Kläger war in der fraglichen Zeit selbst Sachbearbeiter in der Beihilfefestsetzungsstelle, bei der er die manipulierten Rechnungen eingereicht hat. Er konnte bzw. musste möglicherweise davon ausgehen, dass seine Beihilfeanträge die Kollegen mehr oder weniger unbesehen zu einer Beihilfegewährung veranlassen würden. Diese Situation hätte der Kläger in besonders verwerflicher Weise ausgenutzt. Einer Entscheidung hierüber bedarf es jedoch nicht, da der Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch bereits aus § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob § 852 Satz 1 BGB n.F. auf den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG entsprechend anwendbar ist, zugelassen.

Ende der Entscheidung

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