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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 02.11.2005
Aktenzeichen: OVG 4 E 23.05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 22 Nr. 3
VwGO § 24
VwGO § 24 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 E 23.05

In dem Verfahren gemäß § 24 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)

betreffend die ehrenamtliche Richterin

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Günther, den Richter am Oberverwaltungsgericht Nebe und den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl am 2. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. September 2005, die ehrenamtliche Richterin beim Verwaltungsgericht Berlin K. K. von ihrem Amt zu entbinden, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag, die ehrenamtliche Richterin gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Nr. 3 VwGO von ihrem Amt zu entbinden, ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 22 Nr. 3 VwGO (i.V.m. § 186 VwGO), wonach Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden können, sind nicht erfüllt. Die ehrenamtliche Richterin ist zwar beim Bundesrat und damit im öffentlichen Dienst im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO tätig, jedoch als Arbeiterin, nicht als Angestellte im Sinne dieser Vorschrift.

Es mag Bedenken unterliegen, inwieweit für Beschäftigte des Bundes und der Kommunen noch auf die bisher als maßgeblich betrachteten Abgrenzungskriterien der tarifvertraglichen (so OVG NW, Beschl. v. 26. April 1985 - 16 E 102/85 - NVwZ 1986, 1029; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 22 Rn. 2; Stelkens, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 22 Rn. 3) oder rentenversicherungsrechtlichen (so Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 22 Rn. 4) Einordnung zurückgegriffen werden kann. Mit Inkrafttreten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) am 1. Oktober 2005 (vgl. §§ 1 Abs. 1, 39 Abs. 1 TVöD) ist für den Bereich des Bundes und der Kommunen die tarifliche Trennung zwischen Angestellten und Arbeitern grundsätzlich aufgehoben worden; die Unterscheidung besteht allerdings in Übergangsregelungen fort (vgl. auch § 38 Abs. 5 TVöD: Anwendung der Regelungen für Angestellte oder Arbeiter richtet sich danach, ob deren Tätigkeit vor dem 1. Januar 2005 der Rentenversicherung der Angestellten oder Arbeiter unterlegen hätte). Durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242 ff.; vgl. insbes. Art. 1 Nr. 17, Art. 82) ist eine allgemeine Rentenversicherung geschaffen geworden.

Daraus folgt jedenfalls nicht, dass nunmehr alle (nicht beamteten) Beschäftigten im öffentlichen Dienst als Angestellte im Sinne des § 22 Nr. 3 VwGO anzusehen wären. Eine entsprechende Anwendung des § 22 Nr. 3 VwGO - über dessen Wortlaut hinaus - verbietet sich mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; dazu OVG Bbg, Beschluss vom 21.02.05 - 4 F 15/04 -)). Eine etwaige Erweiterung des Ausschlusstatbestandes ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Die danach im Rahmen des § 22 Nr. 3 VwGO weiterhin erforderliche Abgrenzung zwischen Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst ist ggf. anhand anderer Kriterien vorzunehmen. Dabei wird es neben einer etwa - wie hier - noch vorhandenen Bezeichnung des Beschäftigungsverhältnisses im Arbeitsvertrag oder seiner früheren tarifvertraglichen bzw. rentenversicherungsrechtlichen Einstufung namentlich auf die Art der Tätigkeit bzw. den Aufgabenbereich des jeweiligen Beschäftigten ankommen. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung, Interessen- und Pflichtenkollisionen zu vermeiden, die richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten und das Gericht nicht in den Verdacht zu bringen, dass es die Verwaltung zum Nachteil des Bürgers schütze (vgl. OVG NW, Beschl. v. 26. April 1985, a.a.O.), ist maßgebend für den Ausschluss von der Möglichkeit der Berufung zum ehrenamtlichen Richter, ob der Betreffende das vom Gesetzgeber mit der Differenzierung sanktionierte besondere Näheverhältnis zum öffentlich-rechtlichen Dienstherrn aufweist, so dass sein Handeln aus der Sicht des Bürgers typischerweise als Äußerung der als Einheit verstandenen Verwaltung aufgefasst werden muss (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 22 Rn. 9, 12).

Vorliegend ist der Ausschlussgrund des § 22 Nr. 3 VwGO - weiterhin - nicht erfüllt. Die ehrenamtliche Richterin hat in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2005 darauf hingewiesen, dass ihr Status in ihrem Arbeitsvertrag als der einer Arbeiterin bezeichnet wird. Auch ihre Tätigkeit als Botin ist eine typische Hilfstätigkeit, auf Grund derer die ehrenamtliche Richterin aus Sicht eines verständigen Bürgers nicht als äußerungsberechtigte Repräsentantin ihrer Beschäftigungsstelle angesehen werden kann.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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