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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: OVG 4 N 136.05
Rechtsgebiete: VwGO, LBG Bbg, LVO Bbg, SGB IX, BbgSchulG


Vorschriften:

VwGO § 114
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 152 Abs. 1
VwGO § 161 Abs. 3
LBG Bbg § 12 Abs. 1
LBG Bbg § 12 Abs. 2
LVO Bbg § 13
LVO Bbg § 13 Abs. 1
SGB IX § 81
SGB IX § 82
BbgSchulG § 73 Abs. 3
BbgSchulG § 73 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 N 136.05

Berlin, den 16. November 2005

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. November 2004 zuzulassen, abgelehnt.

Gründe:

Der Rechtsbehelf (der nicht zu jedem Aspekt dem Darlegungsgebot [§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO] entspricht) ist unbegründet.

1. Die Zulassungsvariante ernstliche Richtigkeitsbedenken (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht (und zwar auch dann nicht, wenn man die Argumentation des Rechtsbehelfs zur behaupteten Grundsätzlichkeit [§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO] schon hier, also wenn man sie entsprechend mitrubriziert).

Das Verwaltungsgericht hat, gemessen an den zu beachtenden Erwägungen des Rechtsbehelfs, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend entschieden (und zwar ohne dass dem in einem Berufungsverfahren näher nachzugehen ist).

1.1 Ernennungen (inklusive Beförderungen) sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen (§ 12 Abs. 1 LBG Bbg), wie im Übrigen schon von Verfassungs wegen geboten ist (Art. 33 Abs. 2 GG).

Bei gleicher Qualifikation hat der Dienstherr die Auswahl nach weiteren sachgerechten (sog. Hilfs-) Kriterien zu treffen, wobei ihm prinzipiell Ermessen (vgl. dazu wenigstens § 12 Abs. 2 LBG Bbg) zusteht, welchem der Hilfskriterien er im konkreten Bewerbungsverfahren höheres Gewicht beimisst (einhellig anerkannter, allgemeiner Grundsatz des Beamtenrechts, s. statt anderer: BVerwG ZBR 1994, 52 und Beschluss vom 19. Oktober 1994 2 VR 1.94 [zitiert nach juris] sowie NVwZ 2003, 1397 [Leitsatz 1]).

1.2 Der Rechtsbehelf postuliert selbst nicht, Schwerbehinderung eines der Bewerber habe kraft einfachen Landes- (s. die nur begrenzte laufbahnbezogene Maßgabe § 13 LVO Bbg) oder Bundesrechts (vgl. jedenfalls §§ 81, 82 SGB IX), kraft beamtenrechtlicher Grundsätze als Hilfskriterium quasi absoluten Vorrang. Von (wenn, dann) mehr als besonderem Gewicht kann keine Rede sein. Das ist in Literatur (bestätigend aus jüngster Zeit etwa Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis 6. Aufl. 2005, Rdnr. 62; Schöbener BayVBl 2001, 321, 330; Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, BayerBG Art. 12 Anm. 6 e) wie Judikatur (OVG Frankfurt [Oder] Beschluss vom 25. September 2002 3 B 69/02; OVG Magdeburg ZfPR 2001, 171, 179; OVG Münster ZBR 1995, 80 f. und DÖD 2000, 137, 139) anerkannt. - Sollte der Rechtsbehelf die Meinung nahe legen wollen, das sog. Behindertengrundrecht (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) gebiete Bevorzugen von Schwerbehinderten im Stadium der Auswahl nach Hilfskriterien, verlange Präferenz des Hilfskriteriums gegenüber (wie der Rechtsbehelf formuliert) "leistungsfremde(n) Hilfskriterien", ginge er offensichtlich fehl (der Bezug auf Beaucamp DVBl. 2002, 997, 1002 ist unergiebig). Jenes Grundrecht verbietet nur Benachteiligung und untersagt nicht Bevorzugung (Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, GG I 5. Aufl. 2005 Art. 3 Abs. 3 Rdnr. 417), - wobei entsprechende sozusagen kompensatorische Konsequenzen je nach Sachgesetzlichkeit (hier der Exekutive, ihres Personals [Art. 33, 83 ff. GG]) bewertet werden müssen.

1.3 Die auf die Verwaltungsvorschriften des Beklagten (bzw. dessen Praxis) gestützten Monita haben nichts für sich.

1.3.1 Der Senat nimmt zu Gunsten des Rechtsbehelfs an, die von ihm zitierten, auch im Urteil zu Grunde gelegten "Richtlinien für die Einstellung, Beschäftigung und begleitende Hilfe Schwerbehinderter ..." griffen prinzipiell, sinngemäß auch bei Beförderungen.

In solcher Allgemeinheit selbstverständlich ist das nicht, weil jene Richtlinien (vom 6. November 1996 [Amtsblatt S. 1058], Teil 1 Abs. 1: zur Ergänzung, Konkretisierung des SchwbG [jetzt SGB IX]) sich (soweit hier von Interesse) mit der Einstellung befassen (Teil 2), mit der Beschäftigung (Teil 4, dort Ziffer 17 bzw. 17.3 zum bloßen Arbeitsplatzwechsel) etc., Beförderung nur nebenbei erwähnen (Teil 2 Ziffer 8.1), und zwar lediglich insoweit als fixiert wird (jetzt § 13 Abs. 1 LVO Bbg), von schwer behinderten Menschen dürfe ein Mindestmaß körperlicher Eignung verlangt werden (a.a.O. 8.1 [s. zur dienstlichen Beurteilung Teil 4 Ziffer 18]); auch die vom Verwaltungsgericht bewertete, vom Rechtsbehelf problematisierte Passage (6.2) steht im Einstellungskontext (zwischen den Ziffern 5 Pflichten der Einstellungsbehörde und 7 Förmliches Auswahlverfahren, 8 Einstellung als Beamte).

Jedenfalls erhellt der Widerspruchsbescheid (dort S. 6 f.), dass der Beklagte in der Praxis das "Benachteiligungsverbot" nach der Substanz jener Richtlinien handhabt bzw. handhaben will, worauf es ankommt (1.3.2).

1.3.2 Sollte der Rechtsbehelf meinen, die Verwaltungsvorschriften, Ermessensrichtlinien seien erweiternd (hier: im Sinne zwingenden Vorrangs von Schwerbehinderten bei Beförderungsauswahl zwischen Gleichgeeigneten) auszulegen, ginge er fehl.

Maßgebend ist allein die (gegebenenfalls) ermessensgesteuerte, ist selbst eine neue Praxis (vgl. mit zahlreichen Belegen statt sonstiger Kopp/Ramsauer, VwVfG 9. Aufl. 2005 § 40 Rdnr. 27 [Rdnrn. 25. ff.]; OVG Berlin Beschluss vom 13. November 1998 8 SN 160.98, ebenso mit Nachweisen). Es geht nicht um einen Fall sog. antezipierter Praxis (dazu Kopp/Ramsauer a.a.O.).

1.3.3 Die Angriffe aber gegen die Wertung des Urteils, der Beklagte habe die Auswahl im Einklang mit den (rechtmäßigen) Verwaltungsvorschriften, mit der Praxis getroffen, sind unergiebig.

Der Rechtsbehelf verkennt wohl schon den gehandhabten Aspekt "Einzelfallgerechtigkeit" bzw. dessen "Wahrung", unter dem allein bei gleicher Eignung die "schwerbehinderte Person" zu bevorzugen "ist" (6.2 der Richtlinien; OVG Frankfurt [Oder] wie zitiert: ohnehin wenn, dann nur Regelfall, Spielraum für atypische Situationen). Es geht um sachgemäßes Abwägen der Verwaltungsbelange und der Konkurrenteninteressen eben im "Einzelfall ..."; weder der Richtlinientext noch die (jetzige) Praxis nehmen anerkannte Hilfskriterien davon aus.

Zumindest ist die den hier relevanten Details, den Urteilspartien geltende Version des Rechtsbehelfs nicht zielführend.

Das Urteil wertet die behördliche (ergänzte) Erklärung als ermessensfehlerfrei (§ 114 VwGO; Abdruck S. 10 ff. [i.V.m. S. 2 f. des Protokolls]). Dass die vom Beklagten vorgenommene Abwägung "Gerechtigkeitserwägungen" fehlen lasse, behauptet der Rechtsbehelf substanzlos (nach den bereits erörterten Maßgaben auch sachlich unzutreffend). - Endlich ergeben die Bemerkungen zu dem vom Dienstherrn stärker gewichteten Hilfskriterium, dem Gesichtspunkt Äußerungen von Schulkonferenz und Schulträger (Äußerungen, die § 73 Abs. 3 und 4 BbgSchulG gerade sanktioniert), nichts (solche Stellungnahmen betreffend s. etwa VGH Mannheim Beschlüsse vom 30. November 1978 IV 3075/78 [in DVBl. 1980, 893 nur Leitsatz] und 13. März 1979 IV 4168/78, jeweils zitiert nach juris). Die Behauptung, jenerart Voten würden "regelmäßig ... 'Heimvorteil' eines nicht behinderten Bewerbers" bewirken, "die Schwerbehindertenrichtlinie würde ins Leere laufen", ist abwegig. Die weitere Behauptung, problemlose kommissarische Amtswahrnehmung durch den Beigeladenen sei schon zwecks Wertens seiner Eignung gewichtet worden, sie dürfe nicht "als 'Hilfskriterium' abermals verwertet werden", ist unbelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO [nicht das Oberverwaltungsgericht hat den sehr umfangreichen Streitstoff durchzusehen, ob sich jene unterfüttern ließe]). Dass der Kläger "selbst stellvertretender Schulleiter, nicht nur kommissarisch" war, jedoch an einer anderen Schule, tangiert den Gehalt der Voten nicht. Zudem geht der Rechtsbehelf an ihnen (übrigens auch an den Zusatzaspekten der Behördenerklärung in der mündlichen Verhandlung) vorbei, wenn er betont, auch der Kläger böte die Gewähr vertrauensvoller Zusammenarbeit. Hier steht die durch konkrete, schulbezogene Erfahrung begründete Wahrscheinlichkeit inmitten (bei Vakanz, die schon mittels 1999 veranlasster Ausschreibung hatte geschlossen werden sollen).

2. Ebenso wenig ist die Zulassungsvariante Grundsätzlichkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) erfüllt.

Die Frage, "inwieweit das Auswahlermessen des Dienstherrn durch eine Schwerbehindertenrichtlinie eingeschränkt werden kann", stellt sich nicht. Der Rechtsbehelf setzt nämlich eine Richtlinienmaßgabe (Verwaltungspraxis) voraus, die (so) wie erörtert nicht besteht. Im Übrigen aber handelt es sich nur um Einzelfallproblematik. Ihre rechtlichen Aspekte sind ohnehin geklärt (1.2).

Von noch weiterer Erörterung sieht der Senat ab.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger (§ 154 Abs. 2 VwGO) einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen (§ 161 Abs. 3 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2004 für die erste Instanz auf 12 601,62 € und für die zweite Rechtsstufe auf 13 066,82 € festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. und § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG n.F.); nach der Senatspraxis (Beschluss vom 2. September 2005 OVG 4 L 33.05) ist in Klageverfahren um Neubescheiden eines Auswahl-, Bewerbungs-, Beförderungsbegehrens der Wert der Sache prinzipiell mit dem 3,25-fachen des Endgrundgehalts (halber Betrag von § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG a.F., § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG n.F.) zu bemessen (vgl. ausführlicher: Beschluss des OVG Berlin vom 8. November 2004 OVG 4 L 26.04).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. und § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n.F.).

Ende der Entscheidung

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