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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: OVG 4 N 191.05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 N 191.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und Buchheister sowie den Richter am Verwaltungsgericht Schaefer am 17. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. September 2005 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 10.937,53 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Auf der insoweit allein maßgeblichen Grundlage der Darlegungen der Klägerin (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergeben sich keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

a. Der von der Klägerin behauptete Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts vermag den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keinen besonderen Begründungsaufwand betrieben, sondern auf wenigen (vier) Seiten unter Hinweis auf einschlägige beamtenrechtliche Grundsätze den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer weiterhin ungekürzten Sonderzahlung ("Weihnachtsgeld") verneint.

b. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht, wie die Klägerin allerdings meint, bestimmte Aspekte nicht oder unzutreffend beantwortet habe. Die Klägerin hat diese von ihr aufgestellte Behauptung nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt und ihren Schwierigkeitsgrad nicht plausibel gemacht (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, Juris, dort Rdn. 17).

aa. Dies gilt zunächst für den behaupteten Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot. Insoweit trifft schon der Ansatz der Klägerin nicht zu, wonach der "zuwendungsrechtlich relevante Zeitraum überwiegend abgeschlossen" gewesen sei. Dieser Einwand lässt eine nähere Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen und überzeugt auch in der Sache nicht. Das Berliner Sonderzahlungsgesetz beinhaltet keine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. zur "echten" Rückwirkung BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258., S. 300). Die mit den laufenden Bezügen für den Monat Dezember zu gewährende jährliche Sonderzahlung wurde erst für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (am 16. November 2003) abgesenkt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Betroffenen auch keine rechtlich geschützte "Anwartschaft" erworben. Vielmehr hatte nur die bloße (tatsächliche) Aussicht auf die Zahlung von "Weihnachtsgeld" bestanden, die nach dem (Bundes-) Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3642) u.a. voraussetzte, dass die Berechtigten am 1. Dezember des Jahres in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis standen und bis mindestens einschließlich 31. März des Folgejahres verblieben (§ 3) oder entsprechende Versorgungsansprüche hatten (§ 4).

Das Gesetz könnte allenfalls, worauf die Klägerin aber schon nicht mehr näher eingeht (obwohl es im angefochtenen Urteil angesprochen wird), hinsichtlich der jährlichen Sonderzahlung für das Jahr 2003 in noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen eingegriffen haben. Eine solche "unechte" Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben; diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Absenkung der jährlichen Sonderzahlung war angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes Berlins geeignet und erforderlich, einen Beitrag zu den notwendigen Haushaltseinsparungen zu leisten. Das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwog auch nicht das Interesse der Allgemeinheit an deren Änderung. Unabhängig davon, dass der Beamte ohnehin nicht ohne Weiteres auf den unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225, S. 241), war hier das Vertrauen der Betroffenen nicht schutzwürdig, weil sie mit einer Gesetzesänderung rechnen mussten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - ZBR 1986, 242, 244). Das Land Berlin hatte bereits Anfang November 2002 nach entsprechendem Beschluss des Senats von Berlin eine Gesetzesinitiative (u.a.) zur Absenkung der jährlichen Sonderzahlung in den Bundesrat eingebracht (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften BR-Drs. 819/02 sowie Leihkauff in: Schwegmann/Summer, BBesG, Bd. II, Stand: Oktober 2006, § 68 a Rdnrn. 3 ff.). Der in der Folge vom Bundesrat beschlossene Gesetzentwurf wurde im Mai 2003 dem Bundestag zugeleitet (vgl. BT-Drs. 15/1021). Parallel zu dem Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene war bereits Ende August 2003 der Entwurf des Berliner Sonderzahlungsgesetzes ins Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht worden (vgl. Abg-Drs. 15/1970, S. 8). Schon im Vorfeld hatte der Senat von Berlin den betroffenen Gewerkschaften die beabsichtigte Gesetzesänderung vorgelegt (vgl. Abg-Drs. 15/1970, S. 7 f. sowie die Pressemitteilung ver.di Berlin-Brandenburg Nr. 97/2003 vom 8. August 2003 zu einem "Beamtenprotest" gegen geplante Streichungen bei Urlaubsgeld und Sonderzuwendung). Bei dieser Sachlage musste bereits geraume Zeit vor der Verkündung des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 am 15. September und des Berliner Sonderzahlungsgesetzes am 15. November 2003 mit einer Absenkung des "Weihnachtsgeldes" gerechnet werden.

bb. Die geltend gemachte Schlechterstellung durch das Berliner Sonderzahlungsgesetz gegenüber (hier) Staatsanwälten in anderen Bundesländern begründet ebenfalls keine besondere Schwierigkeit der Rechtssache. Es ist hinlänglich geklärt, dass die durch eine bestimmte Landesgesetzgebung Betroffenen sich nicht auf abweichende Regelungen in anderen Ländern berufen können (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 ff.).

cc. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ferner nicht fehlerhaft unbeantwortet gelassen, ob ein Beamter auch dann nicht auf den unveränderten Bestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen darf, wenn in einen "zuwendungsrechtlich abgeschlossenen Zeitraum" eingegriffen werde, wie die Klägerin meint. Diese Frage stellte sich dem Verwaltungsgericht nicht, weil es - zutreffend (s.o.) - davon ausgegangen ist, dass hier ein Fall der sog. unechten Rückwirkung vorliegt.

2. Soweit die Klägerin mit ihren Ausführungen, das Verwaltungsgericht habe bestimmte Rechtsfragen unzutreffend beantwortet, auch den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend machen will, liegt dieser Zulassungsgrund aus den nämlichen Gründen nicht vor.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn in der Rechtssache eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, deren Beantwortung in einem künftigen Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts geboten ist. Das ist hier nicht der Fall, auch wenn die hier streitige Regelung zur jährlichen Sonderzahlung Auswirkungen für alle Beamten, Richter und Versorgungsempfänger Berlins hat und parallel gelagerte Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur jährlichen Sonderzahlung, insbesondere die von der Klägerin hervorgehobene Frage der Rückwirkung, sind mit den oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bereits höchstrichterlich geklärt.

3. Eine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Das Verwaltungsgericht weicht nicht von Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutz im Beamtenverhältnis ab, sondern legt eben diese Rechtssätze seiner Entscheidung zugrunde. Dass die von der Klägerin als unvollständig gerügte Wiedergabe einer Formulierung aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine inhaltlich abweichende Bewertung oder gar die Aufstellung eines abweichenden Rechtssatzes durch das Verwaltungsgericht bedeuten könnte, legt die Klägerin nicht dar. Es erschiene auch fernliegend. Der weitere Einwand zu einer vermeintlichen Abweichung von einem Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, wonach Besoldungskürzungen nur für die Zukunft zulässig sind, lässt die nötige Auseinandersetzung mit der - zutreffenden - Argumentation des Verwaltungsgerichts vermissen, wonach hier gerade keine (echte) Rückwirkung vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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