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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: OVG 4 S 38.07
Rechtsgebiete: LBG, VwGO


Vorschriften:

LBG § 35 c
LBG § 35 c Abs. 1
LBG § 35 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
LBG § 35 c Abs. 4
LBG § 78 d Abs. 3
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 38.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und den Richter am Verwaltungsgericht Maresch am 24. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es besteht kein Grund für eine Änderung oder Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat das auf Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell gerichtete Begehren des Antragstellers im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Der Senat teilt nicht den Ansatz des Verwaltungsgerichts, dass § 35 c Abs. 4 LBG erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, die es rechtfertigen könnten, die Vorschrift im Eilverfahren unberücksichtigt zu lassen. Die Vorschrift muss nicht als voraussetzungslose Ermächtigung der Exekutive zur Aussetzung der Regelung über die Altersteilzeit verstanden werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass eine solche Regelung neben einer Befugnis der obersten Dienstbehörde, die Ermessensausübung zu generalisieren, auch die Befugnis vermitteln kann, die entgegenstehenden dienstlichen Belange generell festzustellen (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 21.03 - juris Rn. 17). Eine so verstandene Befugnis wäre nicht voraussetzungslos, sondern würde an die dringenden dienstlichen Belange nach § 35 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LBG anknüpfen (und daran zu messen sein). Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die dortige, praktisch wortgleiche Regelung des § 78 d Abs. 3 LBG NW in dieser Weise ausgelegt und einen voraussetzungslosen Gestaltungsspielraum, der mit höherrangigem Recht unvereinbar wäre, verneint (Urteil vom 10. November 2004 - 1 A 3477/03 - juris Rn. 35 ff., insb. 38). Vor diesem Hintergrund kann von einer auf der Hand liegenden Verfassungswidrigkeit der Norm, die es rechtfertigen könnte, sie im Eilverfahren für eine vorläufige Regelung unangewendet zu lassen, keine Rede sein. Nach den Maßstäben des vorläufigen Rechtsschutzes ist vielmehr von deren Gültigkeit auszugehen (vgl. Beschluss des Senats vom 5. Juli 2007 - OVG 4 S 30.07 -).

Der hiergegen vorgebrachte Einwand des Antragstellers, mit diesen (ihm bereits aus der vorgenannten Entscheidung des Senats bekannten) Erwägungen werde die Frage der Verfassungsmäßigkeit der § 35 c Abs. 4 LBG offen gelassen; sie müsse aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden werden, greift nicht durch. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 35 c Abs. 4 LBG wird von dem Senat nicht offen gelassen, sondern in dem vorstehenden Sinne dahin beantwortet, dass nach den Maßstäben des einstweiligen Rechtsschutzes und auf der Grundlage des zu berücksichtigenden Streitstoffes keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit bestehen.

Der nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist gegebene Hinweis des Antragstellers auf die Entscheidung der 61. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Juli 2007 (VG 61 A 1.07), wonach der Antragsgegner durch seine Entscheidung nach § 35 c Abs. 4 LBG das Beteiligungsrecht des Hauptpersonalrats verletzt habe, kann in diesem Beschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden. Der Senat darf nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO nur die fristgemäß vorgebrachten Beschwerdegründe berücksichtigen, soweit es nicht lediglich um Ergänzungen oder Vertiefungen der fristgemäß angebrachten Gründe geht. Das ist bezogen auf den erst mit Schriftsatz vom 22. August 2007 geltend gemachten personalvertretungsrechtlichen Aspekt nicht der Fall.

Die oberste Dienstbehörde des Antragstellers hat hier von der Möglichkeit des § 35 c Abs. 4 LBG Gebrauch gemacht und entschieden, dass unter bestimmten Maßgaben von der Anwendung der Vorschrift des § 35 c LBG ganz abgesehen wird. Durchgreifende Bedenken gegen diese auf die Kostenauswirkungen und zunehmenden Probleme bei der Personalplanung durch die (vermehrte) Inanspruchnahme der Altersteilzeit gestützte Entscheidung bestehen im Rahmen der hier nur gebotenen summarischen Prüfung nicht. Das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten, kann einen dringenden dienstlichen Belang darstellen, der die Möglichkeiten der Gewährung der Altersteilzeit einschränkt (BVerwG, a.a.O., Rn. 15; OVG Münster, a.a.O., Rn. 30; VGH Kassel, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 1 UE 1873/05 - juris Rn. 19 ff.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 15. März 2007 - 1 Q 39/06 - juris Rn. 4). Hiernach ist ein Anspruch des Antragstellers, der nicht unter die Übergangsregelungen der Entscheidung nach § 35 c Abs. 4 LBG fällt, voraussichtlich ausgeschlossen.

Der Eilrechtsschutzantrag hätte im Übrigen auch bei einer angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 35 c Abs. 4 LBG voraussichtlich keinen Erfolg. Insoweit kann offen bleiben, ob eine solche Verfassungswidrigkeit die Vorschrift über die Altersteilzeit als Ganzes erfassen würde, weil sich eine von mehreren gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsnorm (hier: die Gewährung von Altersteilzeit nur unter dem Vorbehalt einer Entscheidung der obersten Dienstbehörde nach Abs. 4) nicht ohne weiteres "abtrennen" lässt. Sofern die Verfassungswidrigkeit nur einen Teil erfassen würde, käme es für den Anordnungsanspruch darauf an, ob die verbleibenden Voraussetzungen des § 35 c Abs. 1 LBG glaubhaft gemacht sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom Antragsteller angestrebte vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Altersteilzeit zu einer über eine bloße Sicherung des Hauptsacheanspruchs hinausgehenden jedenfalls vorläufigen Anspruchserfüllung führen würde. Eine solche Entscheidung könnte unbeschadet sonstiger Erwägungen nach § 123 Abs. 1 VwGO nur getroffen werden, wenn der geltend gemachte Anspruch bei Anlegung eines strengen Maßstabes mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht. Daran fehlt es hier, weil das von dem Antragsgegner für die Entscheidung nach § 35 c Abs. 4 LBG angeführte kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten, unabhängig von einer generellen Entscheidung nach § 35 c Abs. 4 LBG auch für den Einzelfall als dringender dienstlicher Belang im Sinne des § 35 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LBG zum Tragen kommen kann (s.o.). Dass die vom Antragsgegner hier geltend gemachten Kostenauswirkungen und zunehmenden Probleme bei der Personalplanung durch die vermehrte Inanspruchnahme der Altersteilzeit als einzelfallbezogene Gründe für das Vorliegen entgegenstehender dringender dienstlicher Belange offensichtlich nicht tragfähig sind und von vornherein ausscheiden, lässt sich weder dem Vortrag des Antragstellers entnehmen noch wäre es sonst ersichtlich. Es ergibt sich insbesondere nicht hinreichend aus dem vorgelegten Schreiben der Dienststelle, wonach man dort in der Lage sei, die Nachfolge des bislang vom Antragsteller wahrgenommenen Aufgabenbereichs vorzubereiten. Die Möglichkeit, einen Aufgabenübergang vor Ort organisatorisch bewältigen zu können (sofern Ersatz gestellt wird), lässt die vom Antragsgegner angeführten übergeordneten Aspekte nicht zurücktreten. Angesichts der mit der Gewährung von Altersteilzeit verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastungen und der möglichen Rückwirkung der allgemeinen Haushaltslage des Landes auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der der Verwaltung obliegenden Aufgaben erscheint es nicht fern liegend, dass sich aus den geltend gemachten Umständen ein dringendes dienstliches Interesse des Antragsgegners an der vollen Ausschöpfung der Arbeitskraft der noch vorhandenen Beamten und damit ein der Altersteilzeitgewährung auch im Einzelfall entgegenstehender dringender dienstlicher Belang ergibt. Eine hinreichend verlässliche Entscheidung dieser Frage ist im Rahmen des Eilrechtsschutzes auf der Grundlage des zu berücksichtigenden Prozessstoffes nicht möglich. Derzeit lässt sich somit das Bestehen eines Anspruchs nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen, vielmehr ist noch offen, ob alle Tatbestandsvoraussetzungen für die begehrte Gewährung von Altersteilzeit vorliegen. In einer solchen Situation kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem vom Antragsteller begehrten Inhalt nicht in Betracht.

Im Übrigen fehlt es im Fall des Antragstellers auch deshalb an der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs auf Gewährung von Altersteilzeit, weil er in der Hauptsache nur einen Anspruch auf Neubescheidung geltend machen kann und auch nur geltend macht, während er im einstweiligen Rechtsschutz (nunmehr) eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Altersteilzeit mit sofortigem Beginn verlangt. Dieses Begehren geht über den Hauptsacheanspruch hinaus. Eine unbedingte Verpflichtung des Antragsgegners würde neben der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 c Abs. 1 LBG eine Ermessensreduzierung auf die Bewilligung von Altersteilzeit voraussetzen. Dass der Antragsgegner dieses Ermessen trotz der vom ihm bei der Entscheidung nach § 35 c Abs. 4 LBG geltend gemachten fiskalischen Interessen zwingend im Sinne des Antragstellers ausüben müsste, ist auch unter Berücksichtigung der erstinstanzlich geltend gemachten Beweggründe des Antragstellers, namentlich einer dringlichen Pflegeunterstützung von Familienangehörigen (die ihm bei dem gewählten Blockmodell freilich erst nach Ablauf der Arbeitsphase möglich wäre) nicht dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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