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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: OVG 5 B 12.05
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 1
AMG § 8 Abs. 1
AMG § 22 Abs. 1
AMG § 25 Abs. 5
AMG § 29
AMG § 44 Abs. 1
AMG § 105 Abs. 4
AMG § 105 Abs. 4 e
AMG § 105 Abs. 4 f Satz 1
1. Die Anwendungsgebiete eines Arzneimittels sind der Teil der Zulassungsentscheidung. Begehrt der pharmazeutische Unternehmer die Freiverkäuflichkeit seines Präparats, so hat er im Rahmen der Zulassungsentscheidung nur Anspruch auf die Festsetzung von solchen Anwendungsgebieten, die von der Apothekenpflicht ausgenommen sind.

2. Die Rekonvaleszenz gehört nicht zu den Anwendungsgebieten, die von der Apothekenpflicht ausgenommen sind.

3. Für die Qualifizierung als Heilmittel kommt es darauf an, welche Vorstellungen das Mittel in den Verbraucherkreisen hervorruft.


OVG 5 B 12.05

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juni 2003 geändert.

Die Klage wird auch in ihrem Hilfsantrag abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Einschränkung des Anwendungsgebietes, die die Beklagte bei der arzneimittelrechtlichen Verlängerung der Zulassung für Kapseln vorgenommen hat.

Das Präparat enthält den arzneilich wirksamen Bestandteil "Trockenextrakt aus Ginsengwurzel" und galt nach Artikel 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445) als zugelassen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beantragte im Dezember 1989 die Verlängerung der Zulassung, zuletzt mit der Maßgabe, dass das Präparat freiverkäuflich (nicht apothekenpflichtig) sei und als Indikation (Anwendungsgebiet) angegeben werde:

"Als Tonikum zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz".

Mit Bescheid vom 18. September 1997 verlängerte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für das Fertigarzneimittel gemäß § 105 AMG unter Streichung der Teilindikation "...in der Rekonvaleszenz" und ordnete als Auflage A.5 die Aufnahme der gekürzten Formulierung in die Packungsbeilage an. Die Einschränkung des Anwendungsgebietes wurde damit begründet, "Rekonvaleszenz" würde als krankheitswertiger Zustand die begehrte Freiverkäuflichkeit nach § 44 Abs. 1 AMG ausschließen.

Mit der beim Verwaltungsgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 18. September 1997 zu verpflichten, das Anwendungsgebiet des Arzneimittels Kapseln (Zulassungsnummer, Ordnungsnummer) zu erweitern, und zwar - so der Hauptantrag - um den Folgetext "sowie in der Rekonvaleszenz" oder - so der Hilfsantrag - um den Folgetext "sowie in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit".

Mit dem der Beklagten am 28. August 2003 zugestellten Urteil vom 18. Juni 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage im Hauptantrag abgewiesen und ihr im Hilfsantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig, weil die Klägerin die Ergänzung des Anwendungsgebietes um den streitgegenständlichen Folgetext erstrebe und somit eine uneingeschränkte Verlängerung der Zulassung verlange. Die für die Packungsbeilage erteilte Auflage sei nur Folge der inhaltlichen Beschränkung, weil die Gebrauchsinformation gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6 des Arzneimittelgesetzes - AMG - die im Zulassungsteil des Bescheides festgelegten Anwendungsgebiete lediglich aufgreife und allgemeinverständlich wiedergebe.

Die Klage sei mit ihrem Hauptantrag unbegründet. Die Klägerin habe zwar ohne Zweifel Anspruch auf eine Zulassung auch bezüglich der streitigen Indikation "Rekonvaleszenz", da diese Indikation in der Monographie "Ginseng radix/Ginsengwurzel" vom 15. November 1990 ausdrücklich angeführt werde. Die Verlängerung der Zulassung könne jedoch auch mit Auflagen verbunden werden. Ausgehend hiervon spiele die Freiverkäuflichkeit für den Anspruch auf Zulassung keine Rolle, es komme aber eine Auflage zur Kennzeichnung als apothekenpflichtig in Betracht. Die Klägerin habe, indem sie deutlich erklärt habe, sie begehre die Apothekenfreiheit, ihren Verlängerungsantrag nicht nur von dem Fehlen eines Versagungsgrundes nach § 25 Abs. 2 AMG, sondern darüber hinaus von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 AMG abhängig gemacht. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, wenn "Rekonvaleszenz" ohne präzisierenden Zusatz als Anwendungsgebiet genannt werden solle. Denn dieser Begriff schließe auch vorangegangene krankheitswertige Zustände ein, und Mittel zu deren Heilung oder Linderung seien gemäß § 44 Abs. 1 AMG von der Apothekenpflicht nicht freigestellt.

Mit ihrem Hilfsantrag sei die Klage begründet. Die Indikation mit dem Zusatz "nach überstandener Krankheit" erfasse nur noch den Zeitraum unmittelbar nach Abschluss der Krankheit, in dem bereits alle Krankheitsursachen und -symptome beseitigt seien und die vor der Erkrankung vorhandene Leistungsfähigkeit noch nicht endgültig wiederhergestellt sei. Die Bandbreite des Begriffs "Rekonvaleszenz" könne durch geeignete Zusätze ohne weiteres eingeschränkt werden, weshalb der Hilfsantrag als Minus im Hauptantrag enthalten sei. Nach § 44 Abs. 1 AMG bestimme der pharmazeutische Unternehmer den Einsatzzweck seines Arzneimittels. Nach der Zweckbestimmung der Klägerin solle das streitgegenständliche Ginsengwurzel-Präparat nur in der letzten Rekonvaleszenzphase außerhalb krankheitswertiger Zustände angewendet werden. Dieses Stadium sei mit Erschöpfungszuständen vergleichbar, die auf sonstigen Ursachen beruhen würden. Bei körperlicher Erschöpfung, die auch auf nicht krankheitswertigen Umständen beruhen könne, würden die generell freiverkäuflichen Tonika traditionell ihre Wirkung entfalten. Auch neuere Untersuchungen würden die seit altersher bekannte generelle tonisierende Wirkung der Arzneipflanzendroge belegen, die insbesondere in der Genesungsphase nach überstandener Krankheit von Nutzen sei, um z.B. körperliche Abgeschlagenheit und Schwächezustände sowie die allgemeine Befindlichkeit zu verbessern. Deshalb sei der Verlängerungsbescheid teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Verlängerung der Zulassung für das beanspruchte Anwendungsgebiet mit dem präzisierenden Indikationszusatz "sowie in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit", der nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes allgemeinverständlich formuliert in die Packungsbeilage aufzunehmen sei, zu erteilen.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 18. August 2005 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juni 2003 zugelassen.

Die Beklagte begründet ihre nur gegen die Stattgabe des Hilfsantrages gerichtete Berufung wie folgt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Verlängerung der Zulassung des Fertigarzneimittels Kapseln als freiverkäufliches Arzneimittel mit der das Anwendungsgebiet erweiternden Formulierung "sowie in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit". Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Indikation "in der Rekonvaleszenz" könne durch den Zusatz "nach überstandener Krankheit" auf eine Indikation mit eindeutig nicht krankheitswertigem Charakter reduziert werden, gehe fehl. Medizinisch betrachtet sei eine Differenzierung verschiedener Phasen der Rekonvaleszenz mit Blick auf die Arzneimittelanwendungssicherheit nicht sinnvoll. Im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes müsse der Befugnis des pharmazeutischen Unternehmers, die Zweckbestimmung des Arzneimittels festzulegen, eine Grenze gezogen werden. Der Verbraucher könne das Arzneimittel im Wege der Selbstmedikation kaum mit Sicherheit ausschließlich in der Phase der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit anwenden, also vermeiden, dass er es schon vor vollständiger Überwindung der Krankheit zu deren Heilung anwende. Es sei zwar richtig, dass sog. Stärkungsmittel (Tonika) wie das streitgegenständliche Arzneimittel unter anderem dazu bestimmt seien, beim Menschen die Leistungsfähigkeit zu verbessern, die etwa auf Grund von überstandenen Krankheiten abgesunken sei. Die Rekonvaleszenzindikation eines Arzneimittels könne aber nicht so eingeschränkt werden, dass es anwendungssicher außerhalb von Apotheken verkehrsfähig sei. Deshalb dürfe ein Arzneimittel mit der Indikation Rekonvaleszenz, unabhängig von der Formulierung, nicht freiverkäuflich sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juni 2003 zu ändern und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrages abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den stattgebenden Teil des angefochtenen Urteils und trägt für ihre Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Verlängerung der Zulassung des Fertigarzneimittels Kapseln als freiverkäufliches Arzneimittel mit der das Anwendungsgebiet erweiternden Formulierung "sowie in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit", noch vor:

Für die Freiverkäuflichkeit eines Arzneimittels sei nach § 44 Abs. 1 AMG die Zweckbestimmung durch den pharmazeutischen Unternehmer maßgeblich. Anders als etwa bei § 2 Abs. 1 AMG müsse im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 AMG, der auf den pharmazeutischen Unternehmer sogar wörtlich Bezug nehme, die unternehmerische Zweckbestimmung eine gewichtige Rolle spielen. Die Kapseln würden nach der Intention der Klägerin der Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl sowie nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit dienen, womit ein physischer und psychischer Schwankungsbereich ohne Krankheitswert gemeint sei. Die fehlende Heilungsindikation sei durch den Zusatz "nach überstandener Krankheit" hinreichend deutlich gemacht. Somit ergebe sich, dass das hier in Rede stehende Arzneimittel gemäß § 44 Abs. 1 AMG von der Klägerin ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die das Anwendungsgebiet erweiternde Formulierung "in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit" nach keiner Betrachtungsweise Ausdruck einer Heilungsindikation. Der angesprochene Abnehmerkreis werde die Formulierung "in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit" eindeutig dahingehend verstehen, dass das Arzneimittel nach überstandener, nicht etwa während einer noch andauernden Krankheit anzuwenden sei. Damit trage die streitgegenständliche Formulierung dem Verbraucherschutz hinreichend Rechnung. Zusätzlich abgesichert werde der Verbraucher durch den auf die Beschreibung der Anwendungsgebiete unmittelbar folgenden Hinweis, dass bei längerem Andauern der Beschwerden ein Arzt aufgesucht werden solle, da es sich um eine untersuchungsbedürftige Erkrankung handeln könne. Hierdurch werde die Abgrenzung zu Krankheiten und krankhaften Beschwerden sowie zu der nicht bezweckten Heilungsindikation noch einmal besonders deutlich gemacht. Die Rekonvaleszenz sei aus medizinischer Sicht sinnvollerweise in Stadien zu unterteilen, wobei eine der vollständigen Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit vorgelagerte Phase der Rekonvaleszenz abgegrenzt werden könne, der kein Krankheitswert im Sinne des § 44 Abs. 1 AMG zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (zwei Bände) und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Band) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, die sich - wie sich aus ihrer Begründung ergibt - nur gegen den stattgebenden Teil des Urteils richtet, so dass dessen die Klage abweisender Teil bereits rechtskräftig geworden ist, ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Hilfsantrag zu Unrecht stattgegeben. Dabei kann offen bleiben, ob der allein noch streitgegenständliche Hilfsantrag der Klage, der erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellt worden ist, mit der Formulierung "sowie in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit" im zuvor gestellten Antrag, der auf die Verpflichtung gerichtet war, das Anwendungsgebiet um die Teilindikation "sowie in der Rekonvaleszenz" zu ergänzen, bereits als Minus enthalten war oder eine Klageänderung darstellte, denn selbst wenn es sich dabei um eine Klageänderung gehandelt haben sollte, so hatte sich doch die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen und schlicht Klageabweisung beantragt. Damit hatte sie gemäß § 91 Absätze 1 und 2 VwGO in die Klageänderung eingewilligt, woraus deren Zulässigkeit folgt.

Das Verwaltungsgericht hat dem Hilfsantrag zu Unrecht stattgegeben, weil der Klägerin der mit ihrem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch, die Beklagte müsse das streitige Präparat als freiverkäufliches Arzneimittel zusätzlich mit dem Anwendungsgebiet "in der Rekonvaleszenz nach überstandener Krankheit" zulassen, nicht zusteht.

Grundlage für die Verlängerung der nach der gesetzlichen Fiktion bestehenden Zulassung ist § 105 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG -) in der nunmehr anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394). Nach § 105 Abs. 4 f Satz 1 AMG ist die Zulassung nach den dort näher bezeichneten Maßgaben zu verlängern. Zum Prüfgegenstand im Zulassungsverfahren gehören die vom Antragsteller gemäß § 105 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 6 AMG anzugebenden Anwendungsgebiete des Arzneimittels. Sie gehören damit zu den Hauptbestimmungen der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung (vgl. § 105 Abs. 4 e i.V.m. § 25 Abs. 5 Satz 5 [mit Satz 1] AMG). Das bei der Zulassung festgesetzte Anwendungsgebiet darf nicht ohne behördliche Entscheidung geändert werden (vgl. § 29 Abs. 2 a Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG), was ebenfalls die Zugehörigkeit zu den Hauptbestimmungen der Zulassung belegt. Als Folge dieser Hauptbestimmung gehört das Anwendungsgebiet überdies grundsätzlich zum Pflichtinhalt der Packungsbeilage und der Fachinformation (s. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [früher Nr. 6] und § 11 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4a [früher Nr. 4] AMG). Begehrt der pharmazeutische Unternehmer die Freiverkäuflichkeit seines Präparats, so hat er im Rahmen der Zulassungsentscheidung nur Anspruch auf die Festsetzung von solchen Anwendungsgebieten, die von der Apothekenpflicht ausgenommen sind. Von daher ist auch der in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Hauptantrag enthaltene rechtliche Ansatz, die Klägerin habe "ohne Zweifel" einen Anspruch auf Zulassung auch für das Anwendungsgebiet "Rekonvaleszenz", da diese Indikation in der Monographie "Ginseng radix/Ginsengwurzel" vom 15. November 1990 ausdrücklich angeführt werde, unzutreffend. Er ist darüber hinaus auch inkonsequent, denn mit diesem Ansatz hätte das Verwaltungsgericht schon dem Hauptantrag der Klage stattgeben müssen. Der Versuch, aus der Befugnis zur Erteilung von Auflagen ("ausgehend hiervon") Gegenteiliges abzuleiten, verkennt das Verhältnis von Haupt- und Nebenbestimmungen.

Die Rekonvaleszenz gehört freilich nicht zu den Anwendungsgebieten, die von der Apothekenpflicht ausgenommen sind. Einschlägig hierzu ist § 44 Abs. 1 AMG:

"Arzneimittel, die von dem pharmazeutischen Unternehmer ausschließlich zu anderen Zwecken als zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden zu dienen bestimmt sind, sind für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben."

Zweck dieser Vorschrift ist es, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung (vgl. § 1 AMG) die berufliche Sachkunde der Apotheker für den Vertrieb von Krankheitsheilmitteln vorauszusetzen und anderen Verkäufern (Drogerien etc.) nur den Vertrieb von sonstigen gesundheitsfördernden Mitteln zu überlassen (vgl. Absatz 1 der Amtlichen Begründung zu § 29 AMG 1961, wiedergegeben in: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand 1. Februar 2006, § 44 AMG).

Das von der Klägerin in ihrem Hilfsantrag genannte Anwendungsgebiet hat zur Folge, dass das damit gekennzeichnete streitgegenständliche Präparat auch Heilmittel und nicht nur Kräftigungsmittel ist, also nicht ausschließlich anderen als Heilzwecken zu dienen bestimmt ist. Dies folgt aus dem verwendeten Begriff "Rekonvaleszenz" (nachfolgend a) und daraus, dass sich aus der Beifügung "nach überstandener Krankheit" nichts anderes ergibt (nachfolgend b).

a) Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 AMG legt der pharmazeutische Unternehmer den Zweck fest, dem das von ihm hergestellte Arzneimittel dient. Allerdings kann er die Freiheit, über die Zweckbestimmung seiner Arzneimittel zu entscheiden, nur innerhalb derjenigen objektiven Grenzen ausüben, die durch das Zulassungsverfahren und die Verbote zum Schutz vor Täuschung (§ 8 AMG) gezogen sind (Sander, Arzneimittelrecht, Stand März 2006, § 44 AMG, Anm. C 1). § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG verbietet es insbesondere, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Deshalb muss - ggf. gegen den ausdrücklichen Willen des pharmazeutischen Unternehmers - ein Arzneimittel als Heilmittel angesehen werden, wenn es objektiv - zumindest auch - dazu dient, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu beseitigen oder zu lindern. Insofern gelten die gleichen Grundsätze, die für die Einordnung eines Mittels als Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG anzuwenden sind, denn hier wie dort - auch wenn § 2 AMG das Zweckbestimmungsrecht des Unternehmers nicht erwähnt - geht es darum, die pharmazeutischen Produkte den Regeln und Kontrollen des AMG zu unterstellen. Hierfür muss die Einordnung objektiviert werden. Für die Qualifizierung als Arzneimittel ist entscheidend, wie es einem durchschnittlich informierten Verbraucher gegenüber in Erscheinung tritt; der Verwendungszweck erschließt sich dabei aus der stofflichen Zusammensetzung des Präparates, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebs (std. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Urteile vom 16. Februar 1971 - 1 C 25.66 - BVerwGE 37, 209 [220f], vom 19. Oktober 1989 - 3 C 35.87 - , NJW 1990, 2948 [r. Sp.], vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 - BVerwGE 97, 132 [134-138] und vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 - BVerwGE 106, 90 [92]; ferner OVG Berlin, Urteile vom 26. Januar 1990 - OVG 5 B 87.88 - und vom 30. März 1995 - OVG 5 B 17.92 - PharmR 1995,403; OVG Münster, Beschluss vom 26. April 2005 PharmR 2005, 331 [332] mit Hinweisen auf die Rspr. von EuGH und BGH).

Ob ein Mittel Heilmittel oder nur Stärkungs- bzw. Vorbeugungsmittel ist, kann der Hersteller ebenfalls nicht allein bestimmen, sondern richtet sich dementsprechend danach, welche Vorstellungen dieses Mittel in den Verbraucherkreisen hervorruft. Zur Feststellung der regelmäßigen Bestimmung sind das Informationsmaterial des pharmazeutischen Herstellers, die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, medizinische Erfahrungen und die aus Laienmeinungen bestehende allgemeine Verkehrsanschauung heranzuziehen (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 44 AMG, Anm. 2; Sander, a.a.O., § 44 AMG, Anm. C 1). Hervorstechendes Merkmal des in Rede stehenden Arzneimittels ist, dass die Klägerin es in der Rekonvaleszenz angewendet sehen will. Darauf legt sie entscheidenden Wert und davon soll auch sein Erscheinungsbild in der Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers geprägt sein. Deshalb kommt es hier darauf an, was "Rekonvaleszenz" für die Verbraucherkreise bedeutet. Dies ist den allgemeinsprachlichen und den medizinischen Definitionen von "Rekonvaleszenz" zu entnehmen, die wie folgt lauten:

- Brockhaus. Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl. 2001: Stichwort Rekonvaleszenz verweist auf "Genesung", dort: "Phase eines Krankheitsverlaufs, die sich an das akute Stadium anschließt und i.d.R. zur völligen Gesundung überleitet, jedoch auch durch Rückfälle (Rezidive) unterbrochen werden oder in einen chronischen Krankheitszustand übergehen kann."

- Gesundheits-Brockhaus, 4. Aufl. 1990, Stichwort "Genesung, Rekonvaleszenz": "Die Periode einer Erkrankung, in der sich der Körper nach Überwindung des ersten (akuten) Stadiums allmählich dem normalen, gesunden Zustand nähert (...); die Berufsarbeit darf erst nach gänzlicher Wiederherstellung wieder aufgenommen werden, da sonst Rückfall oder Dauerschaden zu befürchten sind. Erst dann wird der sozialversicherte Patient von dem behandelnden Arzt 'gesund geschrieben'."

- Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Aufl. 1998: "Genesung, Genesungszeit."

- Meyers Neues Lexikon. In 10 Bänden, 1994: "Rekonvaleszenz" verweist auf "Genesung", dort: "Erholungsphase nach Abklingen der erkennbaren Krankheitserscheinungen bis zur völligen Gesundung."

- Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl. 2004: Das Stichwort "Rekonvaleszenz" verweist auf "Konvaleszenz", dort: "Genesung, auch Rekonvaleszenz; letzte Phase einer Erkrankung mit abklingenden Krankheitserscheinungen bis zur Wiederherstellung der Gesundheit (restitutio ad integrum)."

- Roche Lexikon Medizin, 4. Aufl. 1998: "die Phase der 'Genesung' (vom Ende einer Krankheit, i.e.S. ihres akuten Stadiums, bis zur Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes)."

- Schaenzler/Hoffbauer, Wörterbuch der Medizin, herausgegeben vom Deutschen Roten Kreuz, o.J. [um 2000] S. 4: "Ein Buch für den Laien": "die Genesungsphase nach einer Krankheit, in der der Patient wieder zu Kräften kommt."

- Thiele, Handbuch der Medizin. Studienausgabe, 1991: ">Genesung<, Phase vom Ende einer Krankheit (i.e.S. ihres akuten Stadiums) bis zur Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes."

Mit Ausnahme von Schaenzler/Hoffbauer, die als Außenseiteransicht nicht maßgeblich sind, folgt daraus, dass die Rekonvaleszenz uneingeschränkt und ungeteilt in den Zeitraum der Krankheit fällt und dass das in dieser Phase anzuwendende Mittel - zumindest auch - der Heilung dient.

b) Die Beifügung "nach überstandener Krankheit" steht in innerem Widerspruch zu Rekonvaleszenz, denn in der Rekonvaleszenz hat der Patient nur die akute Phase, aber nicht die Krankheit überstanden. Als Krankheit ist anzusehen jede, also auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d.h. beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit, der jeder Körper ausgesetzt ist, darstellt (BVerwGE 37, 209 [214/215]; Sander, a.a.O., § 2 AMG Anm. 10 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung des BGH, des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs; Kloesel/Cyran, a.a.O., § 2 AMG Anm. 19). Solange ein Arzneimittel für die Rekonvaleszenz gilt, worauf die Klägerin hier ihr ganzes Bemühen richtet, ist es ein Heilmittel und nicht gemäß § 44 Abs. 1 AMG von der Apothekenpflicht ausgenommen. Der Zusatz "nach überstandener Krankheit" beseitigt nicht die Nennung von Rekonvaleszenz; er ist lediglich irreführend und damit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG verboten.

Nicht gefolgt werden kann der Klägerin, soweit sie meint, der Verbraucher werde zusätzlich abgesichert durch den auf die Beschreibung der Anwendungsgebiete unmittelbar folgenden Hinweis, dass bei längerem Andauern der Beschwerden ein Arzt aufgesucht werden solle, da es sich um eine untersuchungsbedürftige Erkrankung handeln könne. Ein solcher Hinweis passt zu jeglichen Beschwerden, nicht nur zu den Tonika-Indikationen (Schwächegefühl usw.), sondern auch zu leichten Krankheiten. Keinesfalls wird dadurch die Abgrenzung zu Krankheiten und krankhaften Beschwerden sowie zu einer nicht bezweckten Heilungsindikation deutlich gemacht. Für die Sicherheit im Arzneimittelverkehr, insbesondere den Verbraucherschutz, gibt dies nichts her.

c) Nach den vorstehenden Erwägungen kommt es rechtlich nicht darauf an, wie die Beklagte das AMIS-Informationssystem gestaltet und welche Angaben dort enthalten sind. Es kann deshalb dahinstehen, wieweit die Beklagte mit der Vereinheitlichung von Benennungen im AMIS-Informationssystem gekommen ist. Einen Ermessensspielraum hat die Beklagte bei der Anwendung des § 44 AMG nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 102 258,37 € festgesetzt. Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 72 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GKG a.F. war zu berücksichtigen, dass im Berufungsverfahren nur noch der Hilfsantrag der Klage Streitgegenstand war. Bei der Erfassung des Interesses der Klägerin war zu beachten, dass nach ihrer Auffassung die streitige Indikation mit dem Hilfsantrag nur präzisiert worden ist, so als sei sie schon vorher mit dem Begriff Rekonvaleszenz gemeint gewesen. Daraus ergibt sich für das Berufungsverfahren ein Streitwert von 200 000 DM, was 102 258,37 € entspricht.

Der Streitwertbeschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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