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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: OVG 5 B 4.06
Rechtsgebiete: NamÄndG, BGB


Vorschriften:

NamÄndG § 3
NamÄndG § 3 Abs. 1
NamÄndG § 11
BGB § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 B 4.06

Verkündet am 28. März 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe sowie die ehrenamtlichen Richter Jany und Lautemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. April 2005 wird geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2004 verpflichtet, den Vornamen der Klägerin von "Andrea Beate" in "Dea Andrea Beate" zu verändern.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Änderung ihres Vornamens.

Am 18. Juni 2004 beantragte die Klägerin die Änderung ihrer bisherigen Vornamen Andrea Beate in Dea Andrea Beate. Zur Begründung des Antrages hieß es, sie sei als Schriftstellerin tätig und schon immer unter dem Namen Dea L_____ aufgetreten. 1992 habe sie ihr erstes Stück geschrieben und seither unter dem vorgenannten Namen zahlreiche Stücke für das Theater verfasst. Sie sei sowohl in der Öffentlichkeit als auch privat ausschließlich unter dem Namen Dea L_____ bekannt. Dies habe immer wieder praktische Probleme zur Folge. So würden die Theater Flugtickets ausschließlich auf den Namen Dea L_____ ausstellen, was am Flughafen Schwierigkeiten gebe, weil ein anderer Name in ihrem Personalausweis stehe. Entsprechendes gelte in Bezug auf das Postamt, wenn sie Pakete oder Briefe abhole, auch bei dem Finanzamt habe es schon Verwicklungen gegeben. Da sie nun einmal unter dem Namen Dea L_____ bekannt geworden sei, könne sie nicht in Zukunft einfach ihren tatsächlichen Namen führen. Ebenso unzumutbar sei die jetzige Situation, die sie dazu zwinge, ständig zu erklären, warum alle sie unter dem Namen Dea L_____ kennten, in ihrem Ausweis aber Andrea Beate L_____ stehe. Die Voraussetzungen von § 11 NamÄndG, nämlich ein wichtiger Grund für die Änderung und die Wahl eines grundsätzlich zulässigen Vornamens, seien gegeben. Ein wichtiger Grund liege vor, wenn sich der Namensträger mit dem neuen Vornamen voll identifiziert habe und mit diesem auch in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Der Name Dea sei auch zulässig; es handele sich sowohl um eine Kurzform der Vornamen Andrea und Desideria als auch um einen eigenständigen Namen, und zwar die lateinische Bezeichnung für Göttin. Beigefügt waren ihrem Antrag u.a. Übersichten über von ihr verfasste Theaterstücke, Auszeichnungen und Literaturnachweise zum Namen Dea.

Nach entsprechender Anhörung vom 6. Juli 2004 lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11. August 2004 ab. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung sei nicht gegeben; dass seit längerem ein vom tatsächlichen Namen abweichender Name geführt werde, sei kein solcher wichtiger Grund, weil sonst durch die illegale Führung eines Namens eine Namensänderung erzwungen werden könne. Was die künstlerische Betätigung angehe, könnten die durch die Namensdivergenz entstandenen Schwierigkeiten durch die Eintragung eines Künstlernamens ausgeräumt werden.

Hiergegen legte die Klägerin unter dem 10. September 2004 Widerspruch ein. Die von der Behörde herangezogene Rechtsprechung passe nicht. Bei Änderungen des Vornamens, zumal nur einer Hinzufügung eines weiteren Vornamens, seien wesentlich geringere Anforderungen zu stellen als bei der Änderung eines Familiennamens, weil das öffentliche Interesse an der Beibehaltung entsprechend niedriger sei. Die geschilderten Probleme bestünden auch im Hinblick auf Ehrenkarten, Mitgliedsausweise, Sportvereine, berufliche Urkunden, Einladungen, Hotelanmeldungen etc. Der Vorname Dea habe sich seit der Kindheit aus ihrem Umfeld heraus entwickelt, sei von ihr also keinesfalls bewusst illegal angenommen worden. Eine Eintragung als Künstlername komme nicht in Betracht; sie sei, anders als etwa "Heino" oder "Gitte", nicht unter dem Namen "Dea", sondern eben "Dea L_____" bekannt. Im Übrigen diene ein Künstlername der Trennung der privaten von der öffentlichen Identität; "Dea L_____" sei aber für sie keine bloße getrennt zu betrachtende Kunstfigur, sondern sie wolle als eine Person mit einem Namen identifizierbar sein. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2004 mit dem Ausgangsbescheid im Wesentlichen entsprechenden Gründen zurück.

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Verpflichtungsklage erhoben, die sie mit den bereits im Vorverfahren geltend gemachten Gründen gestützt hat. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten, wobei er noch ergänzend geltend gemacht hat, dass die Klägerin vorliegend lediglich die zusätzliche Eintragung einer Namensabkürzung - nämlich der Abkürzung ihres Namens Andrea - bzw. eines entsprechenden Pseudonyms geltend mache, worauf kein Rechtsanspruch bestehe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. April 2005 abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Es fehle an einem die Namensänderung rechtfertigenden Grund i.S.v. § 11 i.V.m. § 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG). Ein solcher wichtiger Grund sei gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Betreffenden an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens überwiege. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 26. März 2003 (6 C 26.02 - "Kaj Seraphine") zwar entschieden, dass bei der Änderung eines Vornamens das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Vornamens geringer zu bewerten sei als bei einer Änderung des Familiennamens, andererseits aber auch betont, dass auch ein öffentliches Interesse an der Namenskontinuität in Bezug auf den Vornamen bestehe. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, in dem die dortige Klägerin sich auf Art. 4 Abs. 1 GG bezogen habe, könne sich die hiesige Klägerin nicht auf vergleichbar gewichtige Belange stützen. Die von ihr beschriebenen Schwierigkeiten seien darauf zurückzuführen, dass sie selbst einen von ihren tatsächlichen Vornamen abweichenden Vornamen führe. Dass sich dies ohne ihren eigenen Einfluss so entwickelt habe, sei unerheblich. Wenn in den von ihr beschriebenen Fällen Aufklärungsbedarf entstehe, könne sie diese Differenzen aufklären; es sei ihr auch zumutbar, etwa bei der Ausstellung von Einladungen oder Flugtickets auf ihren tatsächlichen Namen hinzuweisen. Dem Klarstellungsinteresse der Klägerin könne auch durch Eintragung eines Künstlernamens nachgekommen werden, dessen Annahme die Rechtsordnung u.a. durch dessen Eintragung in öffentliche Register und Einbeziehung in den Schutz des § 12 BGB Rechnung trage. Auch eine Grundrechtsverletzung könne in der verweigerten Vornamensänderung nicht gesehen werden. So habe zwar das Bundesverfassungsgericht - Urteil v. 18. Februar 2004, BVerfGE 109, 256 - den Schutz des Namens damit begründet, dass dieser dem Einzelnen helfe, seine Identität zu entwickeln und gegenüber anderen zum Ausdruck zu bringen, dass er Teil und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit des Namensträgers sei, die sich mit dem Namen verbinde und fortentwickle. Dieser Schutz komme jedoch nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur dem nach den einschlägigen personenstands- bzw. namensrechtlichen gesetzlichen Regelungen erworbenen Namen zu. Das durch Art. 12 GG geschützte Recht der Klägerin schließlich, den von ihr gewählten Namen als Künstlernamen zu führen, werde durch die angefochtene Entscheidung nicht berührt.

In ihrer hiergegen gerichteten - von dem Senat zugelassenen - Berufung verweist die Klägerin zunächst darauf, dass die Ablehnung der begehrten Namensänderung einen Eingriff in ihr durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Persönlichkeitsrecht darstelle. Diese Bestimmungen schützten nicht nur den nach den einschlägigen namensrechtlichen Bestimmungen erworbenen Namen, sondern auch das Recht der Namenswahl und Namensänderung. Nachdem das Bundesverfassungsgericht - Urteil v. 18. Februar 2004, BVerfGE 109, 256 - insbesondere auf die identitätsstiftende Wirkung des Namens abstelle, greife der Grundrechtsschutz auch in den Fällen, in denen die identitätsstiftende Wirkung des Namens gestört sei, weil tatsächlich keine Identität zwischen Name und Person bestehe, und in denen diese Identität durch eine Änderung des Namens, hier des Vornamens, wieder hergestellt werden solle. § 3 NÄG müsse vorliegend in diesem Sinne jedenfalls grundrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität zurücktrete. Ferner macht die Klägerin geltend, sie werde durch die Versagung der Namensänderung auch in ihrem grundgesetzlich geschützten Recht auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt, denn auch in ihrem beruflichen Umfeld sei sie nur als Dea L_____ bekannt. In einem vergleichbaren Fall habe der VGH Kassel - Urt. vom 8. Oktober 1979, VIII OE 147/79 - einem Politiker erlaubt, zusätzlich zu seinem Nachnamen einen weiteren Nachnamen anzufügen, da er im politischen Leben tätig und bei den Anhängern der verschiedensten politischen Parteien bekannt gewesen sei. Eine Theaterschriftstellerin sei insoweit mit einem Politiker vergleichbar; beide seien öffentliche Personen, deren berufliche Existenz und Erfolg eng mit ihrem Bekanntheitsgrad verbunden seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. April 2005 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2004 zu verpflichten, den Vornamen der Klägerin von "Andrea Beate" in "Dea Andrea Beate" zu verändern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts.

Der Senat hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 2006 zu den Beweggründen ihres Namensänderungsanliegens angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der vorgelegen hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Beklagte war unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2004 und vom 23. September 2004 zu verpflichten, den Vornamen der Klägerin von "Andrea Beate" in "Dea Andrea Beate" zu verändern (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Anspruchsgrundlage für das Anliegen der Klägerin auf Änderung ihres Vornamens ist § 11 NÄG i.V.m. § 3 NÄG. Gemäß § 11 NÄG findet auf die Änderung von Vornamen u.a. § 3 NÄG Anwendung; Abs. 1 dieser Bestimmung zufolge darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der bereits der seinerzeitige 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin gefolgt war (s. im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Urt. v. 24. Mai 2002 - 5 B 27.00 -), liegt ein die Änderung des Namens rechtfertigender Grund im Sinne des § 3 NÄG vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt; dies gilt für die Änderung eines Vornamens (§ 11 NÄG) ebenso wie für die Änderung eines Familiennamens. Die Änderung des Vornamens unterscheidet sich von der Änderung eines Familiennamens nur dadurch, dass den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung des Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens (vgl. neben der vorerwähnten Entscheidung des 5. Senats des OVG Berlin etwa BVerwG, Beschl. v. 27. September 1993 - 6 B 58.93 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4; Beschl. v. 1. Februar 1989 - 7 B 14.89 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3).

2. Ein solcher die Änderung des (Vor-)Namens der Klägerin rechtfertigender Grund im Sinne des § 3 NÄG liegt vor; insoweit ergibt die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen. Hierzu im Einzelnen:

a. Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz im Namensänderungsrecht, dem zufolge das in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die einer freien Namensänderung entgegenstehende Vorschrift des § 3 Abs. 1 NÄG grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird (vgl. schon BVerwG, Urt. v. 29. August 1957 - II C 83.54 -, Buchholz 402.10 § 3 Nr. 3; ferner etwa Beschl. v. 18. Februar 1981 - 7 B 69/80 -, NVwZ 1982, 111). Auch hinsichtlich der Vornamen hat die mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbare gesetzliche Grundentscheidung unverändert Bestand, derzufolge es eine freie Abänderbarkeit des Vornamens nicht gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. November 1988 - 7 B 167/88 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 2). Dem entspricht es, dass die Verwendung der Kurzform eines Vornamens anstelle des vollen amtlichen Namens im Verwandten- und Bekanntenkreis keinen wichtigen Grund im hier interessierenden Sinne darstellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. Februar 1989, a.a.O.: Keine Änderung von "Hartmut Artur Eduard" in "Harry"). Damit freilich wäre die vorliegende Sache, die sich durch eine Reihe von Besonderheiten auszeichnet, entgegen der Ansicht des Beklagten nicht erfasst. Es geht der Klägerin - abgesehen von den nachfolgend (unter b.) noch zu würdigenden tatsächlichen Schwierigkeiten - nicht in erster Linie um die Verwendung des Namens "Dea" im Bekanntenkreis, sondern um dessen Verwendung als Künstlerin und im künstlerischen Milieu sowie im beruflichen und öffentlichen Leben. Auch hat sie hervorgehoben, dass "Dea" nicht nur zur Abkürzung des Namens "Andrea" Verwendung finde, sondern auch als eigenständiger Name, nämlich u.a. als aus dem Lateinischen stammende Bezeichnung für "Göttin".

b. Die von ihr insoweit im Einzelnen geltend gemachten Gründe haben in ihrer Gesamtschau ein solches Gewicht, dass bei Betrachtung des demgegenüber zu verzeichnenden öffentlichen Interesses ein Abweichen von dem oben genannten Grundsatz gerechtfertigt ist.

Die Klägerin hat zu den sie bewegenden Gründen für die Namensänderung zunächst angeführt, Auslöser seien massive Schwierigkeiten bei der Ausübung des Berufs gewesen. Der Umstand, wonach sie sowohl in der Öffentlichkeit als auch privat unter dem Namen Dea L_____ bekannt sei, führe zu erheblichen praktischen Problemen, etwa bei der Ausstellung von Theater- und Flugtickets, bei der Abholung von Paketen und Briefen vom Postamt, bei Auszeichnungen, Ehrenkarten, Mitgliedsausweisen, Einladungen, beruflichen Urkunden usw. Dies hat sie in der mündlichen Anhörung nochmals anschaulich unterstrichen. Soweit der Beklagte demgegenüber geltend gemacht hat, diesen Schwierigkeiten könne die Klägerin dadurch begegnen, dass sie den Hintergrund der unterschiedlichen Vornamensführung zu gegebener Zeit und an gegebener Stelle aufkläre, ist dem insoweit zuzustimmen, als dies pauschal so richtig sein und jedenfalls für den Normalfall zutreffen mag. Der Fall der Klägerin hebt sich jedoch auch hinsichtlich der bei ihr zu gewärtigenden Schwierigkeiten deutlich vom Normalfall ab. So hat sie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft ihre bisherigen umfangreichen Tätigkeiten in den ersten Monaten dieses Jahres geschildert, die u.a. in der Teilnahme an Veranstaltungen in verschiedensten Ländern - Chile, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Kuba, Afghanistan usw. - bestanden. Der Senat vermag nicht zu erkennen, wie es der Klägerin bei einem derartigen Umfang an Veranstaltungs- und Reisetätigkeiten in einer dem Normalfall vergleichbaren Weise sollte gelingen können, ihre jeweiligen Geschäfts- und Vertragspartner so hinreichend aufzuklären, dass sich die beschriebenen Schwierigkeiten befriedigend abstellen lassen könnten. Zusätzliches Gewicht gewinnt dies im Hinblick auf die Reise- und Veranstaltungstätigkeit in Ländern wie Kuba und insbesondere Afghanistan, bei denen die Klägerin, wie sie dem Senat in der Anhörung vermittelt hat, die Befürchtung hegt, dass sich die beschriebenen Schwierigkeiten durchaus zu einem ernsten Sicherheitsrisiko auswachsen könnten. Diese Gesichtspunkte verlieren, anders als der Beklagte meint, auch nicht dadurch an Gewicht, dass sich die Klägerin diese Schwierigkeiten sozusagen selbst zuzuschreiben hätte. Richtig ist sicherlich, dass eine in der Vergangenheit liegende unrechtmäßige Namensführung in der Regel nicht dazu führen kann, einen Namensänderungsantrag, mit dem diese nicht rechtmäßige Namensänderung sanktioniert werden soll, zu rechtfertigen (s. etwa VGH Kassel, Urt. v. 8. Oktober 1979 - VIII OE 147/79 -, NJW 1980, 1540, 1541). So liegt es aber hier nicht. Wie die Klägerin vorträgt, ist der Name "Dea" aus ihrem Umfeld heraus entstanden. Selbst wenn er, was nahe liegt, etwa aus dem elterlichen Umfeld heraus einmal als Abkürzung für den Vornamen "Andrea" seinen Ausgang genommen haben mag, hat er jedenfalls vor dem Hintergrund des künstlerischen Wirkens der Klägerin eigene Gestalt erlangt, mit der und als die sie in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Einem solchen, durch eine zunehmend verselbstständigte Entwicklung zu kennzeichnenden Prozess wird die Bewertung des Beklagten, die Klägerin habe sich die beschriebenen Schwierigkeiten selbst zuzuschreiben und dürfe von daher nicht erwarten, dass ihrem Namensänderungsanliegen Rechnung getragen werde, nicht gerecht.

Neben diesen tatsächlichen Schwierigkeiten ist zugunsten des Namensänderungsanliegens der Klägerin zu berücksichtigen, dass diese in der Anhörung - wie zuvor schon im Verwaltungsverfahren - darauf abgestellt hat, für sie sei es selbstverständlich, dass sie "Dea L_____" heiße, und weiter ausgeführt hat, dies sei ihre Identität und sie definiere sich dadurch. Weiter hat sie ausgeführt, sie sei ("ich bin") Dea L_____ und möchte als solche eindeutig in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Diese hier dem Senat authentisch vermittelte Haltung hat, anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, grundrechtsgleiches Gewicht (vgl. insoweit, dort zu Art. 4 Abs. 1 GG, BVerwG, Urt. v. 26. März 2003 - 6 C 26/02 - "Kaj Seraphine"), wobei offen bleiben kann, ob dabei auf den Wirkbereich der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, die Berufsausübungsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG oder letztlich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abzustellen ist. Was dabei den letztgenannten Gesichtspunkt betrifft, geht das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon aus, dass ein solcher Schutz nur dem nach den einschlägigen personenstands- bzw. namensrechtlichen gesetzlichen Regelungen erworbenen Namen zukäme (s. UA S. 6). Zwar ging es in dem von dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 2004 tatsächlich um den Schutz eines bereits innegehabten (nämlich durch frühere Eheschließung erworbenen) Namens (1 BvR 193/97, juris). Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG - und dies gilt entsprechend für andere Grundrechtspositionen - ist hier gleichwohl einschlägig, wie sich nicht zuletzt aus dem schon 1957 begründeten Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3 Abs. 1 NÄG ergibt. Danach werde, wie eingangs schon ausgeführt, das in Art. 2 GG gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die einer freien Namensänderung entgegenstehende Vorschrift des § 3 NÄG grundsätzlich nicht verletzt; für Fälle, in denen ausnahmsweise die freie Entfaltung der Persönlichkeit behindert werde, werde eine Namensänderung durch das Gesetz nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urt. v. 29. August 1957, a.a.O.; Beschl. v. 18. Februar 1981 - 7 B 69/80 -, a.a.O.). Mit diesem Verständnis vollzieht sich ein nach Maßgabe von § 3 NÄG begründetes Namensänderungsanliegen innerhalb des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG. Dass dem Anliegen der Klägerin, sie verstehe sich als "Dea L_____" und wolle als solche in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, hohes Gewicht beizumessen ist, folgt nicht nur daraus, dass Vornamen - mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - "den persönlichsten Teil" des Eigennamens bilden (Beschl. v. 16. Mai 1988 - 7 B 221.87 -, Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 61), sondern auch daraus, dass die Rechtsordnung vergleichbaren Anliegen in Bezug auf die Führung des Namens einen zunehmend hohen Stellenwert beimisst. So hat das Bundesverfassungsgericht in dem erwähnten Urteil vom 18. Februar 2004, mit dem es den Ausschluss eines durch frühere Eheschließung erworbenen und geführten Familiennamens bei der Bestimmung des Ehenamens in neuer Ehe mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht für unvereinbar erachtet hat, den "hohen Wert", der dem Recht am eigenen Namen zukomme, betont und hervorgehoben, dass der Name eines Menschen Ausdruck seiner Identität und Individualität sei und ihm helfe, "seine Identität zu entwickeln und gegenüber anderen zum Ausdruck zu bringen" (a.a.O., juris, Rdn. 31 sowie 21, 22 des Ausdrucks). Dass es sich dabei gerade im Falle der Klägerin um ein nachhaltiges und in diesem Sinne ernstzunehmendes Anliegen handelt, hat diese nicht nur durch den Eindruck vermittelt, den sie in der Anhörung vor dem Senat hinterlassen hat, sondern auch mit ihrem Bemerken bei Schluss der mündlichen Verhandlung unterstrichen, sie habe bereits im Jahre 1997 bei dem Beklagten einen erstmaligen "Anlauf" zur Änderung ihres Namens unternommen, davon dann aber Abstand genommen, weil sie sich durch dessen Auskünfte habe entmutigen lassen. Die vorstehend skizzierte, aus den genannten äußeren Umständen sowie dem Selbstverständnis der Klägerin heraus erwachsene Position erhält in der Gesamtschau noch zusätzliches Gewicht dadurch, dass - wie die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend gemacht hat - ihre berufliche Existenz und ihr Erfolg eng mit ihrem Bekanntheitsgrad verbunden seien. Jedenfalls ist es nicht auszuschließen, dass sie bei einem Ablegen des bisher insbesondere in der Kunstszene und im beruflichen Umfeld geführten Namens "Dea" Nachteile hinzunehmen hätte (dazu - für den Fall eines Politikers - VGH Kassel, Urt. v. 8. Oktober 1979 - VIII OE 147/79 -, a.a.O.); dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der berufliche Wirkungskreis der Klägerin offensichtlich, wie etwa die Übersetzung ihres unter dem Namen Dea L_____ verfassten Theaterstücks "Klaras Verhältnisse" in zahlreiche Sprachen sowie ihre im Verhandlungstermin vor dem Senat geschilderte umfangreiche Reisetätigkeit deutlich machen, weit über die Landesgrenzen hinaus reicht. Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und der Ansicht des Beklagten würde den vorstehend aufgeführten Gesichtspunkten auch nicht hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sich die Klägerin einen Künstlernamen (§§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PaßG, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 PAuswG) in ihren Pass bzw. Personalausweis eintragen ließe. Unter einem Künstlernamen ist ein vom bürgerlichen Namen abweichender Name zu verstehen, der in bestimmten Lebensbereichen geführt wird und dort anstelle des Familiennamens die Identität und Individualität der Person ausdrückt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 8. August 1991 - 1 S 2/91 -, juris, Rdn. 17 des Ausdrucks). Abgesehen davon, dass die Klägerin vor dem Hintergrund ihres Selbstverständnisses geltend gemacht hat, "Dea Loher" sei für sie keine bloße getrennt zu betrachtende Kunstfigur bzw. sie habe keine "zweite Existenz" als Künstlerin, sondern sie möchte als eine Person mit einem Namen identifizierbar sein und als solche in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, und unbeschadet des Umstands, dass mit Blick auf ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Anhörung vor dem Senat bezweifelt werden darf, ob mit der Eintragung eines Künstlernamens "Dea" den von ihr beschriebenen Schwierigkeiten tatsächlich in nennenswertem Umfang abgeholfen werden könnte, kann sie schon deswegen nicht auf die Eintragung eines solchen Künstlernamens verwiesen werden, weil der Name "Dea" oder "Dea L_____" als (eigenständiger) Künstlername in ihrem Falle mutmaßlich gar nicht eintragungsfähig wäre. Wie vorstehend ausgeführt, kommt als Künstlername nur ein vom bürgerlichen Namen abweichender Name in Betracht (s. auch BVerfG, Beschl. v. 8. März 1988 - 1 BvL 9/85 u.a. -, BVerfGE 78, 38, 52: unterscheidungsfähiger Name; s. auch OVG Berlin, Urt. v. 22. Juni 1978 - V B 45.75 -, juris, Rdn. 14 des Ausdrucks). Der Name "Dea" oder "Dea L_____" unterscheidet sich von dem bürgerlichen Vornamen "Andrea" bzw. dem Vor- und Familiennamen "Andrea (Beate) L_____" indes derart geringfügig, dass er nicht die notwendige Unterscheidungskraft besitzen dürfte, die jedenfalls seine (eigenständige) Eintragung als Künstlernamen rechtfertigen würde (s. dazu VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rdn. 23 des Ausdrucks).

c. Eine Abwägung der vorgenannten Umstände führt zu einem Übergewicht des Interesses der Klägerin an der Namensänderung auch deswegen, weil ein diesem gegenüberstehendes öffentliches Interesse an der Namenskontinuität von auch nur vergleichbarem Gewicht von dem Beklagten nicht dargelegt worden und auch sonst nicht zu erkennen ist. Bei der Bewertung des öffentlichen Interesses an der Namenskontinuität ist zum einen zu berücksichtigen, dass es hier (lediglich) um die Änderung eines Vornamens geht, bei dem ohnehin nicht ein solches Kontinuitätsinteresse gegeben ist, wie dies bei Änderung eines Familiennamens der Fall wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27. September 1993 - 6 B 58.93 -, a.a.O.; Beschl. v. 1. Februar 1989 - 7 B 14.89 -, a.a.O.). Zum anderen wird das Interesse an der Namenskontinuität vorliegendenfalls insbesondere dadurch gewahrt, dass die Klägerin ihren beiden bisherigen Vornamen lediglich einen weiteren Vornamen voranstellen will, so dass sie weiterhin auch unter den bisher allein geführten Vornamen identifizierbar bleibt (vgl. entsprechend BVerwG, Beschl. v. 26. März 2003 - 6 C 26/02 -, a.a.O.). Soweit sich der Beklagte im Rahmen der Erörterung im Verhandlungstermin vor dem Senat im Wesentlichen darauf beschränkt hat auszuführen, einer freien Abänderbarkeit des Vornamens wäre bei einem Erfolg der Klage quasi Tür und Tor geöffnet, trägt dies den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht hinreichend Rechnung. Eine solche Sicht wäre im Übrigen schon mit dem eingangs genannten, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 9. November 1988 - 7 B 167/88 -, a.a.O.) und des erkennenden Senats verankerten Grundsatz unvereinbar, wonach es eine freie Abänderbarkeit des Vornamens nicht gibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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