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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: OVG 5 M 6.08
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 86
VwGO § 130 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 67.08 OVG 5 M 6.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 7. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Dezember 2007 mit Ausnahme der Wertfestsetzung aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Sachantrag und das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin an das Verwaltungsgericht Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:

Die rechtzeitig erhobene und auch sonst zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht.

Das Verwaltungsgericht hätte sich einer Prüfung der im Wintersemester 2007/08 tatsächlich vorhandenen Ausbildungskapazität für Studienanfänger im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit nicht unter Berufung darauf entziehen dürfen, die Antragstellerin habe sich mit den im Verfahren übersandten Kapazitätsunterlagen des Antragsgegners in keiner Weise auseinander gesetzt und dessen Berechnungen nicht in Zweifel gezogen. Zum einen hat es damit seine auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltenden Aufklärungspflichten nach § 86 VwGO verletzt (dazu unter 1.). Zum anderen trifft es nicht zu, dass die Kapazitätsberechnung von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt worden wäre. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen verfahrensfehlerhaft übergangen (dazu unter 2.).

1. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum effektiven Rechtsschutz in Hochschulzulassungsverfahren einerseits und zur Darlegungslast des Studienbewerbers andererseits sind von einem grundlegend fehlerhaften Verständnis von der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rechtsschutzbegehrens in Numerus-Clausus-Verfahren getragen. So hat das Bundesverfassungsgericht gerade in dem vom Verwaltungsgericht angeführten Beschluss von 31. März 2004 - 1 BvR 356/04 - (NVwZ 2004, 1112) nochmals in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass eine tatsächliche Chance auf Zuweisung eines noch vorhandenen Studienplatzes nur dann bestehe, wenn die kapazitätsbestimmenden Faktoren durch die Gerichte schon im Eilverfahren von Amts wegen mit dem Ziel geprüft würden, vorhandene Ausbildungskapazitäten aufzudecken. Das aber bedinge, dass die hochschulinternen Berechnungen nicht lediglich summarisch geprüft, geschweige denn ohne jede Überprüfung der mitgeteilten Daten der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden dürften, anderenfalls sich die Hochschule der Verpflichtung zur Kapazitätsausschöpfung entziehen könne, indem sie Zahlen benenne, die nicht völlig außerhalb der Plausibilität lägen. Soweit sich das Verwaltungsgericht diesem umfassenden Prüfungsauftrag mit dem Hinweis auf die Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom 24. Februar 2006 - OVG 5 NC 233.05 - zu entziehen sucht, verkennt es Inhalt und Tragweite auch dieser Entscheidung grundlegend. In jener Entscheidung ging es um Umfang und Grenzen der Darlegungslast in Bezug auf das Streitverhältnis nach § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO in einem - zumal infolge unstreitiger Erledigung isoliert gebliebenen - Prozesskostenhilfeverfahren. Dass sich aber ein Studienbewerber jedenfalls im Falle anwaltlicher Vertretung seiner Darlegungslast in dem regelmäßig vor der Sachentscheidung abzuschließenden Prozesskostenhilfeverfahren nicht allein durch den Hinweis entziehen kann, das Gericht habe den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, liegt auf der Hand, da ansonsten in Kapazitätsrechtsstreitigkeiten die für eine PKH-Bewilligung erforderlichen Erfolgsaussichten gleichsam unterstellt werden müssten. Unabhängig davon aber hat der Senat in seinem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorgehensweise der Kammer, der Rechtsverfolgung ungeachtet zahlreicher, selbst bei kursorischer Betrachtung augenfälliger Ungereimtheiten des Kapazitätsberichts die Erfolgsaussichten mit der Begründung abzusprechen, die antragstellende Partei sei der Berechnung der Hochschule nicht entgegen getreten, nicht nur bedenklich ist, sondern unvertretbar. Der vorliegende Fall liegt nicht anders. Denn es hätte sich dem Verwaltungsgericht bereits bei Eingang aufdrängen müssen, dass der ihm übersandte "Kapazitätsbericht" des Antragsgegners ausschließlich aus dem sog. Datenerhebungssatz bestand, der für sich genommen eine Überprüfung der kapazitätsbestimmenden Parameter nicht zulässt. So bedarf es beispielsweise der Vorlage des stichtagsbezogenen Stellenplans, um die Ansätze unter 2.1.1 bis 2.1.4 nachvollziehen zu können. Die Berechtigung des Ansatzes von immerhin 45,5 LVS unter 2.1.6 lässt sich naturgemäß nur dann überprüfen, wenn sie sich den entsprechenden Lehrpersonen zuordnen lassen und die erforderlichen Genehmigungen vorliegen. Dass die angesetzten Curricularanteile und die daraus gebildeten Anteilquoten zu ihrer Nachvollziehbarkeit der Erläuterung bedürfen, sei ebenfalls nur beispielhaft, nicht aber der Vollständigkeit halber erwähnt. Es dürfte sich von selbst verstehen, dass einem Studienplatzkläger die Glaubhaftmachung nicht ausgeschöpfter Kapazität jedenfalls so lange nicht abverlangt werden kann, als die Hochschule noch nicht einmal die Auslastung ihrer Aufnahmekapazität dargetan hat. Insofern kommt der Beschluss des Verwaltungsgerichts einer Rechtsschutzverweigerung gleich.

2. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten in dessen Schriftsatz vom 8. Januar 2008, in dem der Kapazitätsbericht des Antragsgegners substantiiert und - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - mit zutreffenden Erwägungen in Frage gestellt worden ist, verfahrensfehlerhaft übergangen. Der angegriffene Beschluss trägt zwar das Datum vom 21. Dezember 2007. Damit war er jedoch, abgesehen davon, dass der Tag der Übergabe an die Geschäftsstelle in den Akten nicht vermerkt worden ist, rechtlich noch nicht existent. Denn ein im schriftlichen Verfahren ergangener Beschluss wird erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er endgültig aus dem Verfügungsbereich des Spruchkörpers hinausgelangt ist, so dass auch eine Zurückholung, etwa zum Zwecke einer Änderung oder auch einer Ergänzung im Hinblick auf eine noch in den Verfügungsbereich der Geschäftsstelle gelangten Stellungnahme eines Beteiligten, tatsächlich nicht mehr möglich ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Januar 1994 - BVerwG 6 C 2.92 - E 95, 64 [67]). Das aber ist nach allgemeiner Erfahrung solange nicht der Fall, als die zur Absendung bestimmte Postsendung das Gerichtsgebäude noch nicht verlassen hat. Der Schriftsatz vom 8. Januar 2008 war per Fax am gleichen Tage bei Gericht eingegangen. Der angegriffene Beschluss dagegen ist ausweislich der Akten erst am 10. Januar 2008 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ausgefertigt worden. Er kann folglich allenfalls noch am gleichen Tage zur Post gegeben worden sein. Dass die Kammer den Inhalt des fraglichen Schriftsatzes unberücksichtigt gelassen hat, ist im Hinblick auf den Inhalt des Beschlusses evident. Darauf, dass sie auf ihn auch bei der Nichtabhilfeentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht eingegangen ist (zur gebotenen Begründung der Nichtabhilfeentscheidung in einem solchen Fall vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 28. September 2007 - 1 D 399/07 - juris m.w.N.), kommt es nicht mehr entscheidend an.

Der Senat macht im Interesse der von der Beschwerde hervorgehobenen notwendigen Beschleunigung des Verfahrens und im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin nur auf diese Weise die gleichen Chancen auf einen Studienplatz in dem begehrten Fach erhält wie andere Studienbewerber, die sich beim Verwaltungsgericht um eine einstweilige Anordnung mit gleicher Zielrichtung bemüht haben, von der Möglichkeit der Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Gebrauch.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Verwaltungsgericht auch über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin erneut zu befinden haben, wobei es nach dem Gesagten von dem Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auszugehen haben wird (§ 130 Abs. 3 VwGO analog). Im übrigen, d.h. hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehlte dem Gesuch allerdings bereits bei Eingang die Entscheidungsreife. Die Formblatterklärung der Antragstellerin war nicht vollständig ausgefüllt und auch nicht unterschrieben. Die beigefügten Unterlagen reichten zudem nicht aus, um die Frage nach einem möglichen Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses gegen ihre Mutter zu beantworten. Auch dem wird das Verwaltungsgericht nachzugehen haben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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