Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 04.12.2007
Aktenzeichen: OVG 5 N 17.06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 124 a Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 N 17.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 4. Dezember 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. April 2006 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Für eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) besteht auf der Grundlage des gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO maßgeblichen Zulassungsvorbringens keine Veranlassung. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Erklärungsfrist des Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG schuldhaft versäumt habe. Soweit er sinngemäß meint, seine Mutter habe keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben könne, ist dies unerheblich. Da der Kläger aus einer gemischt-nationalen Ehe mit einem deutschen Elternteil stammt, bestand ein hinreichender Grund, sich um Fragen des Deutschen Staatsangehörigkeitsrechts zu kümmern (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 24. Oktober 1995 - BVerwG 1 C 29.94 -, Juris Rn. 24; vom 25. Juni 1998 - BVerwG 1 C 6.96 -, Juris Rn. 21; vom 4. Mai 1999 - BVerwG 1 C 1.98 -, Juris Rn. 18). Sein weiterer Einwand, seine Eltern hätten entsprechend dem Alltag im Irak unter der Herrschaft Saddam Husseins mit Repressalien rechnen müssen, wenn sie in der deutschen Botschaft eine Erklärung für ihn über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abgegeben hätten, ist bereits deshalb nicht geeignet, Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen, weil Saddam Hussein während des vorliegend maßgeblichen Zeitraums von 1975 bis 1977 (Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG) nicht Staatspräsident des Iraks war, sondern erst im Juli 1979 die Macht als Staats- und Regierungschef übernommen hat (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Saddam_Hussein). Vor diesem Hintergrund bleibt der diesbezügliche Vortrag des Klägers auch unter Berücksichtigung des von ihm beigebrachten Auszugs aus dem Buch "Cafe Bagdad", in dem die Atmosphäre in Bagdad in den 80er Jahren geschildert wird, im Ergebnis entsprechend der Auffassung des Verwaltungsgerichts ohne Substanz. Im Übrigen dürfte die Behauptung, die Eltern hätten aus Angst vor Repressalien keine Erklärung über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abgegeben, im Widerspruch dazu stehen, dass die Mutter des Klägers nach seinen eigenen Ausführungen 1980 - mithin sogar während der Herrschaft von Saddam Hussein - bei der Vorsprache in der Botschaft darum gebeten hat, dass ihre Kinder deutsche Staatsangehörige werden sollen. Mit Blick auf diese Erklärung der Mutter dürften die drohenden Repressalien jedenfalls nicht ursächlich dafür gewesen sein, dass der Kläger oder seine Eltern das Optionsrecht nicht rechtzeitig ausgeübt haben. Ursächlich könnte für das Fristversäumnis vor dem Hintergrund der genannten Umstände allenfalls die fehlende Kenntnis der Eltern des Klägers über die Rechtslage gewesen sein. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese unverschuldet war und es seinen Eltern nicht möglich gewesen sei, innerhalb der Jahre 1975 bis 1977 entsprechende Rechtsauskünfte einzuholen, trägt der Kläger jedoch nicht vor. Es ist nicht einmal geltend gemacht, dass einer seiner Erziehungsberechtigten sich während dieser Zeit über die Möglichkeiten des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit informiert habe und so der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Vor dem geschilderten Hintergrund ist es auch unerheblich, ob die Mutter des Klägers 1980 oder der Kläger später selbst von der deutschen Auslandsvertretung nicht über die Existenz der Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG belehrt worden ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. November 2006 - BVerwG 5 C 18.06 -, Juris Rn. 17).

Auch zu Gunsten des Klägers unterstellt, er hätte die Erklärungsfrist des Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG ohne Verschulden mit Blick auf die frühere Situation im Irak nicht eingehalten, bestünde für die Zulassung der Berufung keine hinreichender Anlass. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung - insoweit selbständig tragend - zutreffend auch darauf gestützt, dass er dann die Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG versäumt hätte. Entsprechend den Ausführungen der ersten Instanz hätte er nach der Wiedereröffnung der deutschen Botschaft, dem 24. August 2004, binnen sechs Monaten eine Erklärung, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, abgeben müssen, um die Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG zu wahren. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht möglich gewesen sein soll, bestehen auf der Grundlage der Zulassungsbegründung nicht.

Die Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG begann nicht erst zu laufen, nachdem der Kläger in die Bundesrepublik gereist war. Sofern er oder seine Mutter von den Auslandsvertretungen in Bagdad und Amman nicht darüber belehrt worden sein sollten, dass es eine "Notfrist", mithin die Nachfrist gem. Art. 3 Abs. 7 Satz 1 RuStAÄndG gibt, ist dies bereits deshalb unerheblich, da er unbestritten durch den an seine Schwester gerichteten Bescheid vom 14. Januar 1993 Kenntnis von dieser gesetzlichen Regelung erhalten hat. Es entlastet ihn nicht, dass in dem an seine Schwester gerichteten Bescheid davon ausgegangen wird, die Nachfrist sei für sie erfolglos abgelaufen. Zu Gunsten des Klägers unterstellt, die in dem genannten Bescheid geäußerte Auffassung wäre unzutreffend gewesen, hätte es der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprochen, bei der deutschen Botschaft im Irak unmittelbar nach ihrer Wiedereröffnung Jahre 2004 oder mit Hilfe der zwischenzeitlich nach Deutschland gezogenen Schwester oder mit Hilfe der ab 1992 wiederholt für mehrere Monate in Deutschland lebenden Mutter entsprechende Rechtsauskünfte über die Möglichkeiten des eigenen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit einzuholen oder zumindest vorsorglich eine Erwerbserklärung abzugeben (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Juni 1998 - BVerwG 1 C 6.96 -, Juris Rn. 21), zumal der Kläger nach der Zulassungsbegründung selbst der Auffassung gewesen sein will, dass die in dem Bescheid geäußerte Auffassung nicht richtig gewesen sei, und er eine Klärung nach seiner Einreise in die Bundesrepublik herbeiführen wollte.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen, da jedenfalls auszuschließen ist, dass der von dem Kläger geltend gemachte Gehörsverstoß entscheidungserheblich war. Unterstellt, das Verwaltungsgericht hätte ihn entsprechend der Zulassungsbegründung darauf hinweisen müssen, sein Vortrag, seine Eltern hätten aus Furcht vor Repressalien keine Erklärung abgegeben, sei substanzlos, beruhte die angegriffene Entscheidung nicht auf diesem Verstoß. Er hat mit der Zulassungsbegründung zur Substantiierung seines Vortrags lediglich auf die Lebensverhältnisse unter dem Regime Saddam Husseins hingewiesen. Diese sind vorliegend bereits unerheblich, da Saddam Hussein noch nicht an der Macht war, während die Frist des Art. 3 Abs. 6 RuStAÄndG lief (s.o.). Auch unabhängig davon kam es entsprechend den obigen Ausführungen auf die Frage, ob es für die Eltern des Klägers zumutbar war, während der Herrschaft von Saddam Hussein eine Erklärung für den Kläger über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abzugeben, nicht entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück