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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: OVG 5 N 71.05
Rechtsgebiete: NÄG


Vorschriften:

NÄG § 3
NÄG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 N 71.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 22. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2005 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die gerichtliche Überprüfung ist wegen des fristgebundenen Darlegungserfordernisses (§ 124 a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO) auf die von dem Rechtsmittelführer geltend gemachten Zulassungsgründe und die hierzu vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt. Danach rechtfertigen die Ausführungen des Klägers die Zulassung der Berufung nicht. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind auf der Grundlage seiner Darlegungen nicht gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Änderung seines Vornamens dahin habe, dass seinen bisherigen Vornamen "Klaus Günter" der weitere Vorname "Nick" vorangestellt werde. Nach § 11 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG) i.V.m. § 3 NÄG dürfe ein Vorname nur geändert werden - dazu zähle auch die Voranstellung eines weiteren Vornamens -, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertige. Ein solcher Grund liege vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Namensänderung so wesentlich sei, dass etwaige Interessen Dritter und die Belange der Allgemeinheit, die in der Regel die Beibehaltung des bisherigen Namens forderten, zurücktreten müssten; hieran fehle es im Falle des Klägers. Soweit sich sein Vorbringen zunächst darauf stütze, dass er bereits bei seiner Geburt den Vornamen "Nick" habe erhalten sollen und dies seinerzeit vom Pfarrer des Ortes und vom Standesamt abgelehnt worden sei, könne dies die begehrte Namensänderung nicht rechtfertigen. Insbesondere habe zwischen dem Kläger und seinem Großonkel Nikolaus, an den der Vorname "Nick" habe erinnern sollen, keine besondere Bindung bestanden; zudem hätten die Eltern des Klägers ihren Namenswunsch seinerzeit offensichtlich auch nicht auf gerichtliche Weise durchsetzen wollen. Auch der Umstand, dass der Kläger im Familien- und Bekanntenkreis seit seiner Kindheit "Nick" genannt werde und er sich seit Eintritt in das Berufsleben auch dort mit diesem Namen am Geschäftsleben beteilige, könne eine Namensänderung nicht rechtfertigen; würde nämlich eine unrechtmäßige Namensführung bereits ein tragfähiger Grund für eine Namensänderung sein, so könne durch die vorausgegangene illegale Führung des erstrebten Namens eine Namensänderung mehr oder weniger erzwungen werden. Soweit der Kläger ferner vorgebracht habe, dass etwa bei Bankgeschäften, Bewerbungen oder Flugbuchungen Erklärungsbedarf im Hinblick auf seine Personalpapiere entstehe, folgte dieser allein daraus, dass der Kläger selbst einen von seinen tatsächlichen Vornamen abweichenden Vornamen führe; es sei ihm möglich, die dadurch entstandene Divergenz aufzuklären. Auch könne der Kläger derartigen Schwierigkeiten dadurch vorbeugen, dass er etwa bei der Ausstellung von Flugtickets oder im beruflichen Umfeld über seine richtigen Vornamen informiere. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, dass er ein immenses Identitätsproblem habe, wenn er die Namensdivergenz erklären müsse, sei dies für das Gericht nicht nachvollziehbar, nachdem er dazu weitergehende Ausführungen nicht gemacht habe. Weiter hat das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, auch eine Grundrechtsverletzung könne in der dem Kläger verwehrten Vornamensänderung nicht gesehen werden; in grundrechtlich geschützte Positionen werde hierdurch nicht eingegriffen, vielmehr suche der Kläger mit seinem Begehren erst eine solche Position zu erlangen. Der Schutz des Namens komme nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dem nach den einschlägigen personenstands- bzw. namensrechtlichen Regelungen erworbenen Namen zu, nicht dem selbst gewählten.

Mit seinem demgegenüber geltend gemachten Zulassungsvorbringen trägt der Kläger schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen würden (vgl. dazu BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164), nicht vor. Hierzu im Einzelnen:

Der Kläger trägt zunächst vor, die "tatsächliche Namensführung über einige Zeit" könne eine Namensänderung rechtfertigen; insoweit erstrecke sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG nicht nur auf den in der Geburtsurkunde eingetragenen Namen, sondern umfasse insbesondere auch den "tatsächlichen" Namen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum von dem Namensträger geführt worden sei und die Persönlichkeit des Namensträgers mitbestimmt bzw. sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt habe, so wie es bei ihm - dem Kläger - der Fall sei. Bereits seine Eltern hätten den Namen "Nick" als Vornamen gewählt, ebenso seine Freunde, und zwar von frühester Kindheit an. Dieser Name bestimme deswegen auch sein Selbstverständnis; der ihm zugedachte und selbstverständlich verwendete Name "Nick" habe sein Identitätsverständnis herausgebildet und ihn geprägt. Diese Ausführungen begründen keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung; sie vermögen eine Namensänderung nicht zu rechtfertigen. Ein die Änderung des Namens rechtfertigender Grund im Sinne des § 3 NÄG liegt vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt; dies gilt für die Änderung eines Familiennamens ebenso wie für die Änderung eines Vornamens (§ 11 NÄG). Die Änderung des Vornamens unterscheidet sich von der Änderung eines Familiennamens nur dadurch, dass den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung des Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - 6 C 26/02 -, in juris; Beschluss vom 27. September 1993 - 6 B 58.93 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 4; Urteil des Senats vom 28. März 2006 - OVG 5 B 4.06 -, S. 7 des Entscheidungsabdrucks; s. auch schon OVG Berlin, Urteil vom 24. Mai 2002 - 5 B 27.00 -, S. 6 des Entscheidungsabdrucks). Wiewohl zugunsten des von dem Kläger verfolgten Anliegens zwar zu berücksichtigten ist, dass dieser seinen bisherigen Vornamen (Klaus Günter) lediglich einen weiteren Vornamen (Nick) voranstellen will, so dass er weiterhin auch unter den bisher allein geführten Vornamen identifizierbar bleibt, und obwohl sich ein nach Maßgabe von § 3 NÄG begründetes Namensänderungsanliegen durchaus innerhalb des Schutzbereichs von Artikel 2 Abs. 1, Artikel 1 Abs. 1 GG abspielt (vgl. dazu im Einzelnen Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O., S. 10 des Entscheidungsabdrucks), sind die von dem Kläger insoweit geltend gemachten Belange nicht von einem solchen Gewicht, dass sie das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität überwiegen würden. Allein der Umstand, dass der Vorname "Nick" seinem - wie es der Kläger zum Ausdruck gebracht hat - "Identitätsverständnis" entspricht, genügt hierfür nicht; mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach zwischen dem Kläger und seinem Großonkel Nikolaus keine besondere, im Einzelfall eine Namensänderung rechtfertigende Bindung bestanden habe, hat sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht auseinander gesetzt. Würde indessen schon das lediglich solchermaßen erklärte, weiter freilich nicht greifbar gewordene Selbstverständnis des Namensinhabers über die Namensführung für sich genügen, um den Vornamen abändern zu lassen, wäre die - nach wie vor geltende (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 1988 - 7 B 167/88 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 2; Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O., S. 8 u. 13 des Entscheidungsabdrucks) - gesetzliche Grundentscheidung aufgehoben, der zufolge es eine freie Abänderbarkeit des Vornamens nicht gibt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass durch eine vorausgegangene illegale Führung eines erstrebten Namens eine Namensänderung mehr oder weniger erzwungen werden könne, falls - so stellte es sich der Sache nach dar - eine unrechtmäßige Namensführung bereits ein tragfähiger Grund für eine Namensänderung sei (siehe insoweit etwa auch VGH Kassel, Urteil vom 8. Oktober 1979 - VIII OE 147.79, NJW 1980, 1540, 1541; Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O., S. 9 des Entscheidungsabdrucks). Von anderem Gewicht mag ein derartiges Selbstverständnis des Betreffenden dann sein, wenn es etwa durch weitere von Verfassungs wegen geschützte Rechtsgüter eine Verstärkung erfahren würde (vgl. insoweit zur Religionsfreiheit BVerwG, Urteil vom 26. März 2003, a.a.O.; zu möglichen beruflichen Nachteilen im Falle eines Politikers VGH Kassel, Urteil vom 8. Oktober 1979, a.a.O.; zur Verwendung des fraglichen Vornamens im künstlerischen Milieu Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O.. S. 8 f. des Entscheidungsabdrucks) oder zumindest in schützenswerter Weise sozusagen eigene Gestalt nach außen erlangt hätte (dazu Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O., S. 9 des Entscheidungsabdrucks). Hieran freilich fehlt es im Falle des Klägers. Insbesondere ist hier auch Letzteres nicht etwa deswegen der Fall, weil die Eltern und Freunde des Klägers den Namen "Nick" von frühester Kindheit an als Vornamen gewählt hätten; damit hat die - im privaten Bereich verbliebene - Namensführung noch nicht in maßgeblicher Weise Gestalt nach außen erlangt. Gleiches gilt, soweit der Kläger den Vornamen "Nick" im Berufsleben verwendet; auch insoweit ist nicht erkennbar, dass seine Berufstätigkeit eine solche Außenwirksamkeit aufweisen würde, dass der illegal verwendete Name in schützenswerter Weise bereits eine eigene Gestalt erlangt hätte (s. demgegenüber zur Namensführung im politischen Leben: VGH Kassel, Urteil vom 8. Oktober 1979, a.a.O.; zur Namensführung im künstlerischen Milieu: Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O). Soweit der Kläger in der weiteren Begründung auf die Schwierigkeiten hinweist, die mit der Verwendung des Vornamens "Nick" im Berufsleben verbunden seien, heben sich diese nicht von dem Normalfall solcher Schwierigkeiten ab, wie sie in derartigen Fällen üblicherweise zu gewärtigen sind; dies genügt ebenfalls nicht, um schon eine (Vor-)Namensänderung zu rechtfertigen (vgl. Urteil des Senats vom 28. März 2006, a.a.O., S. 8 f. des Entscheidungsabdrucks). Im Übrigen wird das Vorbringen des Klägers zu den mit der Führung des Vornamens "Nick" verbundenen Schwierigkeiten schon dadurch relativiert, dass er - wie bereits das Verwaltungsgericht unbeanstandet gelassen angemerkt hat - den Antrag auf Namensänderung (erst) nach ungefähr 20 Jahren im Berufsleben gestellt habe. Und schließlich lässt die allgemeine Handlungsfreiheit - unabhängig von der Frage, ob es dem Kläger möglich ist, sich den Vornamen "Nick" als Berufsnamen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 PersAuswG, dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 8. August 1991 - 1 S 2/91 -, juris, Rdn. 18) in seinen Pass bzw. Personalausweis eintragen zu lassen - seine Befugnis, bei der Berufsausübung den Vornamen "Nick" zu führen, unbeschadet spezieller gesetzlicher Regelungen zum Schutz des Rechtsverkehrs unberührt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang abschließend geltend macht, auf Grund des langjährigen Gebrauchs des Namens "Nick" im Geschäftsverkehr bestehe bereits ein öffentliches Interesse, "die Eintragung der tatsächlichen Namensführung anzupassen", ist dies dahin richtig zu stellen, dass nicht ein Interesse der Öffentlichkeit daran besteht, die Eintragung der tatsächlichen (illegalen) Namensführung anzupassen, sondern es im Interesse der Öffentlichkeit liegt, dass grundsätzlich - unbeschadet der vorstehenden Ausführungen - nur der eingetragene und nicht ein illegaler Vorname geführt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 152 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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