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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: OVG 5 NC 128.06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 128.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 29. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2006 wird bei einem Streitwert von 5 000 Euro auf ihre Kosten verworfen.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2006 wird bei einem Streitwert von 5 000 Euro auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, nach Durchführung eines Losverfahrens über die bereits vergebenen 48 Studienplätze hinaus 30 weitere Bewerber vom Sommersemester 2006 an vorläufig zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester zuzulassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Teilen standhalte und das Berechnungsergebnis um eine Schwundquote zu erhöhen sei. Auf der Basis der Studierendenzahlen des Zeitraums Wintersemester 2003/04 bis Sommersemester 2006 errechne sie sich mit 0,9384.

Die Antragsgegnerin rügt die Berechnung ihrer Kapazität durch das Verwaltungsgerichts in mehrfacher Hinsicht. Die Antragstellerin, die im Losverfahren nicht zum Zuge gekommen ist, wendet sich mit der Beschwerde ausschließlich gegen die Schwundberechnung. Sie meint, die Zahlen des Sommersemesters 2006 seien zu Unrecht in die Berechnung einbezogen worden, weil sie im Zeitpunkt des Berechnungsstichtages noch nicht festgestanden hätten. Unabhängig davon hätten in die Bestandszahl des 6. Fachsemesters lediglich diejenigen Studierenden einbezogen werden dürfen, die die zahnärztliche Vorprüfung bestanden hätten, da nur sie die Ausbildung mit dem klinischen Abschnitt fortsetzen könnten. Dies seien nach Auskunft des Landesprüfungsamts für Heilberufe jedoch nicht 54, sondern nur 37 Studierende gewesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht zulässig. Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens besteht für sie nicht, da die Antragstellerin keinen Studienplatz im Losverfahren erhalten hat.

III.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

1. Zu Unrecht beanstandet die Beschwerde zunächst, dass das Verwaltungsgericht das Sommersemester 2006 in die Schwundberechnung einbezogen hat. Die Ermittlung des Schwundausgleichsfaktors nach dem sog. Hamburger Modell muss sich auf einen ausreichend langen Zeitraum beziehen. Er umfasst im Prinzip die Regelstudienzeit, sollte aber möglichst vier Berechnungszeiträume nicht unterschreiten. Im Falle der Antragsgegnerin musste in der Vergangenheit auf eine wesentlich schmalere Datenbasis zurückgegriffen werden, weil die Gliedkörperschaft Charité erst im Sommer 2003 gegründet worden ist und die gemeinsame Ausbildung von Studienanfängern, die in den Jahren davor auf die Humboldt-Universität und die Freie Universität verteilt waren, überhaupt erst zum Wintersemester 2003/04 aufgenommen worden ist. Der Senat hat daher in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass abzuwarten bleibt, wie sich das Studierverhalten an der neu strukturierten Ausbildungsstätte Charité künftig entwickelt, und die eingeschränkte Datenbasis deshalb übergangsweise hingenommen werden muss (vgl. Beschlüsse vom 30. Juni 2006 - OVG 5 NC 51.06 u. a. - [Zahnmedizin WS 2005/2006]). Die Schwundberechnung war und ist vom Verwaltungsgericht dementsprechend auch vorliegend auf den Zeitraum ab Wintersemester 2003/04 unter gleichzeitiger Nichtberücksichtigung der hohen Bestandszahlen aus der Zeit vor der Fusion beschränkt worden, um Ergebnisverfälschungen zu vermeiden. Vor dem Hintergrund einer solchermaßen begrenzten Datenbasis ist die Einbeziehung der Studierendenzahlen des Bewerbungssemesters in die Prognose des künftigen Schwundverhaltens gerechtfertigt.

2. Die Auffassung der Beschwerde, in die Bestandszahlen des 6. Fachsemesters dürften lediglich diejenigen Studierenden einbezogen werden, die die zahnärztliche Vorprüfung bestanden hätten, teilt der Senat nicht. Um hinsichtlich einer im Studienverlauf abnehmenden Gesamtnachfrage nach Ausbildungsleistungen, die sich ohnehin allenfalls schätzen lässt, zu möglichst realitätsnahen Ergebnissen zu kommen, sind zur Ermittlung der Schwundquote die Statistiken der jeweiligen Hochschule heranzuziehen. Anhaltspunkte dafür, dass die angegebene Zahl von 54 immatrikulierten Studierenden des sechsten Fachsemesters unzutreffend ist, bestehen nicht; die von der Freien Universität (auch) für die Antragsgegnerin veröffentlichte Studierendenstatistik weist den gleichen Einschreibstand aus. Von diesem tatsächlichen Bestand abzuweichen und in die Kohorte des 6. Fachsemesters lediglich diejenigen Studierenden in die Berechnung einzustellen, die den Zugang zum klinischen Abschnitt der zahnärztlichen Ausbildung durch das erfolgreiche Ablegen der Vorprüfung erreicht haben, würde nicht nur die Fiktion der Austauschbarkeit aller im Studienverlauf nachgefragten Lehre, die dem Schwundausgleich immanent ist (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. November 1987 - BVerwG 7 C 103.86 u.a. - Buchholz 421.21 Nr. 35), durchbrechen, sondern würde darüber hinaus die - nicht gerechtfertigte - Annahme voraussetzen, dass Studierende ihr Studium in aller Regel studienplanmäßig durchlaufen. Im übrigen vernachlässigt die Beschwerde, dass sich unter den ausgewiesenen 54 Studierenden beispielsweise auch Hochschulwechsler befinden könnten. Wie sich die betreffende Semesterkohorte - und übrigens nicht nur sie, sondern konsequenterweise dann auch die (künftigen) Kohorten des gesamten klinischen Studienabschnitts - im einzelnen zusammensetzt, müsste folglich erst ermittelt, ggf. sogar einer rechtlichen Bewertung unterzogen werden. Das aber liefe dem Charakter des Hamburger Modells als einem rechentechnischen Mittel zur Prognostizierung der künftigen Ausbildungslast der Hochschule zuwider und würde es weitgehend entwerten.

3. Allerdings stimmen die der vorliegenden Schwundberechnung zugrunde gelegten Zahlen schon nicht vollständig mit denjenigen überein, die der Berechnung zum Wintersemester 2005/06 zugrunde gelegen haben (vgl. S. 17 des angefochtenen Beschlusses einerseits und S. 15 der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - VG 12 A 770.05 u.a. - andererseits). Ein Abgleich der von der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht eingestellten Bestandszahlen mit den veröffentlichten Studierendenstatistiken offenbart darüber hinaus - mit Ausnahme des hier in Rede stehenden 6. Fachsemesters - weitere nicht nachvollziehbare Abweichungen namentlich hinsichtlich der Erstsemester, die sich auch durch unterschiedliche Erhebungsstichtage nicht mehr erklären lassen. Dies dürfte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass die Antragsgegnerin die Zahl der in den vergangenen Semestern aufgrund gerichtlicher Entscheidungen zusätzlich aufzunehmenden Studierenden tatsächlich erst in einem der Folgesemester aufgenommen hat. Da diese Studierenden jedoch in den Bestand der höheren Fachsemester eingegangen sind, würde es die Prognose des Bleibeverhaltens zu Lasten der Studienbewerber verfälschen, wenn der Schwund mit den in der Studierendenstatistik eingestellten Zahlen berechnet werden würde. Mangels anderweitiger zuverlässiger Orientierungswerte sieht es der Senat daher als gerechtfertigt an, die Schwundquote ausnahmsweise unter Ausklammerung der Zahlen des ersten Fachsemesters zu ermitteln. Danach errechnet sich ein Schwundfaktor, der mit 0,93558 zwar etwas höher liegt als der vom Verwaltungsgericht errechnete. Ausgehend von den von der Beschwerde nicht beanstandeten sonstigen Ansätzen ergäben sich bei einer Basiszahl von 145,76 jedoch auch dann lediglich 155,7964 Studienplätze, aufgerundet also 156 Plätze. Die danach bestehende Aufnahmekapazität von 78 Studienanfängern für das Sommersemester 2006 entspricht allerdings derjenigen, die auch das Verwaltungsgericht errechnet hat.

Die Kostenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzungen beruhen auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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