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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: OVG 5 NC 14.06
Rechtsgebiete: SchulG, BerlHG, VwGO


Vorschriften:

SchulG § 61 Abs. 1
SchulG § 61 Abs. 1 Satz 1
BerlHG § 10 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 14.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 8. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium der Informatik/Mathematik im ersten Fachsemester vom Wintersemester 2005/2006 an. Hilfsweise macht er die vorläufige Anerkennung seines Abschlusses als Fachabitur geltend, welches zum Zugang für den Studiengang Informatik/Mathematik berechtigt, und damit verbunden die Zulassung zum Studium der Informatik/Mathematik im ersten Fachsemester vom Wintersemester 2005/2006 an, hilfsweise vom Sommersemester 2006 an. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge des Antragstellers mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die für die begehrte Immatrikulation erforderliche Hochschulzugangsberechtigung des Antragstellers nicht auf Grund seines in Bielsko-Biala/Polen erworbenen Abschlusses des Technikums gegeben sei. Insoweit fehle es an der formellen Anerkennung als Hochschulzugangsberechtigung im Sinne des § 61 Abs. 1 des Schulgesetzes für das Land Berlin - SchulG -. Es verstoße nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, von Studienbewerbern mit Abschlüssen anderer EG- Mitgliedstaaten die förmliche Anerkennung der Studienbefähigung zu verlangen. Die Durchführung eines gesonderten Anerkennungsverfahrens sei gerechtfertigt, da die Hochschulen mit der Prüfung einer Vielzahl möglicher Zeugnisse aus unterschiedlichen Ländern in verschiedenen Sprachen überfordert wären. Die zulassungserheblichen Tatsachen sollten sich aus den vorgelegten Unterlagen heraus abschließend beurteilen lassen. Die Durchführung des Anerkennungsverfahrens bedeute nur einen geringfügig höheren organisatorischen Aufwand für den Studienbewerber. Der Hilfsantrag sei auf Grund der fehlenden Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Anerkennung der Hochschulzugangsberechtigung nicht begründet.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), zeigt in Bezug auf die Zurückweisung des Hauptantrags Fehler der angefochtenen Entscheidung nicht auf.

Der Antragsteller rügt zu Unrecht, dass das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen habe, dass er in Polen über eine Hochschulzugangsberechtigung für das gewünschte Studium verfüge. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller sich zur Darlegung der erforderlichen Hochschulzugangsberechtigung nicht mit Erfolg auf seinen in Bielsko-Biala/Polen erworbenen Abschluss des Technikums berufen könne, da insoweit eine formelle Anerkennung im Sinne des § 61 Abs. 1 SchulG nicht vorliege.

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass allein sein in Bielsko-Biala/Polen erworbener Abschluss des Technikums ihn zur Aufnahme des Studiums an der Antragsgegnerin berechtige und die Notwendigkeit der Anerkennung seines Abschlusses als der Hochschulreife nach dem Schulgesetz gleichwertig entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt sei, folgt der Senat dem nicht. Die Notwendigkeit der Prüfung seiner Qualifikation als der Hochschulreife nach dem Schulgesetz gleichwertig widerspricht den Vorgaben des Diskriminierungsverbots des Art 12 EG nicht (vgl. nur Bostedt, VBlBW 2001, 299, 300; Avenarius, NVwZ 1988, 385, 388, je m. w. Nachw.).

Ob das Gemeinschaftsrecht dazu zwingt, den Abschluss des Antragstellers als der Hochschulreife nach dem Schulgesetz gleichwertig anzuerkennen, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Der Antragsteller kann sich insofern nicht mit Erfolg darauf berufen, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in dem auf vorläufige Zulassung zum Studium gerichteten gerichtlichen Anordnungsverfahren die Anerkennungsentscheidung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vom 29. September 2005, in der ihm vorerst lediglich eine dem Abschluss der Realschule gleichwertige Schulbildung bescheinigt wurde, zu überprüfen sei und er nicht darauf verwiesen werden dürfe, die Rechtswidrigkeit der Anerkennungsentscheidung in einem eigenständigen, gegen das Land Berlin und nicht gegen die Antragsgegnerin zu richtenden Verfahren geltend zu machen. Die §§ 10 Abs. 2 Satz 1 BerlHG, 61 Abs. 1 Satz 1 SchulG bezwecken rechtlich bedenkenfrei, das semester - und stichtagsbezogene Zulassungsverfahren von der Klärung schwieriger Vorfragen zu entlasten (vgl. entsprechend VGH Mannheim, Beschluss vom 30. September 1993 - 9 S 2332.93 -, Juris). Darüber hinaus erscheint es vor dem Hintergrund der Vielzahl der Hochschulen in Berlin sachgerecht, zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungspraxis die Entscheidungskompetenz für die Bewertung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zu zentralisieren und nicht jeder einzelnen Hochschule zu überlassen. Dem entspricht es, die Gleichwertigkeit eines Abschlusses, der außerhalb Berlins erworben wurde, in einem gesonderten Verwaltungsverfahren durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport überprüfen zu lassen und deren Entscheidung notwendigerweise in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren zu kontrollieren.

Eine gegen Art. 12 EG verstoßende Diskriminierung von Unionsbürgern ist mit der angegriffenen Verfahrensgestaltung vorliegend nicht verbunden. Die auf § 61 Abs. 1 Satz 1 SchulG beruhende Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit der Qualifikation in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen, steht entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verfolgten Zwecken. Der Antragsteller kann sich insofern nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Verwaltungsgericht weder den Kostenfaktor noch den angesichts der Dauer von Verfahren bei den Verwaltungsgerichten erheblichen Zeitfaktor berücksichtigt habe. Hängt die Zulassung zum Studium lediglich davon ab, ob der Abschluss eines Bewerbers der Hochschulreife nach dem Schulgesetz gleichwertig ist, hat der Studienbewerber durch die Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit des Abschlusses in einem gesonderten Verfahren überprüfen zu lassen, kein höheres Kostenrisiko, als wenn diese Frage im Rahmen eines Rechtsstreits um die Zulassung zum Studium geklärt würde. Auch bei Klärung der Qualifikation in einem gesonderten Verfahren wird er auf Grund der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) nach der Feststellung der Gleichwertigkeit seines Abschlusses zum Studium zugelassen, ohne dass es eines weiteren gerichtlichen Verfahrens bedarf. Entsprechend verzögerte sich auch die Aufnahme des Studiums in beiden Fällen um die gleiche Zeit. Der Antragsteller kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich nach Klärung der Gleichwertigkeit die Zulassungsbedingungen zu seinen Lasten geändert haben könnten. Auch Studienbewerber, die einen Antrag auf Zulassung zum Studium stellen, sind grundsätzlich nicht davor geschützt, dass sich die der Beurteilung ihres Antrags zugrunde liegende Sach- und Rechtslage später zu ihren Lasten ändert. Sofern im Einzelfall eine Änderung der Zulassungsbedingungen deshalb eine diskriminierende Wirkung entfalten sollte, weil Studienbewerber von Mitgliedstaaten einer für sie nachteiligen Änderung der Zulassungsbedingungen im Hinblick darauf unterworfen werden würden, dass sie die Gleichwertigkeit ihres Abschlusses in einem gesonderten Verfahren überprüfen lassen müssen, wären die Zulassungsvoraussetzungen gemeinschaftskonform auszulegen.

Der Antragsteller kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit der Qualifikation in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen, deshalb unangemessen sei, weil die Antragsgegnerin selbst mit Bescheid vom 5. September 2005 entschieden habe, ob sein Abschlusszeugnis eine Hochschulzugangsberechtigung beinhalte. Soweit die Antragsgegnerin entgegen § 61 Abs. 1 Satz 1 SchulG auf Grund einer auf zweifelsfreie Fälle beschränkten Absprache mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport inzident selbst die im Ausland erworbene Qualifikation von Studienbewerbern bewertet, zwingt dies nicht zu der Annahme, dass die Bewertung eines im Ausland erworbenen Abschlusses in einem gesonderten Verfahren unangemessen wäre. Der geschilderten Praxis lässt sich zwar entnehmen, dass die Antragsgegnerin meint, in zweifelsfreien Fällen zur Beurteilung einer im Ausland erworbenen Qualifikation in der Lage zu sein. Die dargestellte Praxis kann dem oben erläuterten Sinn und Zweck der §§ 10 Abs. 2 Satz 1 BerlHG, 61 Abs. 1 Satz 1 SchulG, das Zulassungsverfahren von der Klärung schwieriger Vorfragen zu entlasten und die Einheitlichkeit der Verwaltungspraxis zu gewährleisten, jedoch allenfalls dann gerecht werden, wenn ein vollkommen unproblematischer Fall gegeben ist, wovon vorliegend - wie die Bescheinigung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vom 29. September 2005 zeigt - freilich nicht die Rede sein kann. Sie kann entsprechend weder die Erforderlichkeit noch die Angemessenheit der Durchführung eines gesonderten Verfahrens zur Prüfung des im Ausland erworbenen Abschlusses in Frage stellen.

Eine Verpflichtung zur Vorlage von Auslegungsfragen nach Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG an den EuGH betreffend Art. 12 EG bestand vorliegend nicht, da jedenfalls der Antragsteller nicht gehindert ist, seinen vermeintlichen Anspruch im Klageverfahren geltend zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1982, C-35, Slg. 3723, Rn. 10 ; VGH Mannheim, Beschluss vom 19. September 2005 - 10 S 1194.05 -, Juris; OVG Berlin, Beschluss vom 15. Juli 1986 - 7 S 500.86 -, NVwZ 1987, 720, 721).

2. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Hilfsantrags zeigt keine den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Begründung auf. Gegen die diesbezügliche Erwägung des Verwaltungsgerichts, derzufolge die Antragsgegnerin für die hilfsweise erstrebte Anerkennung nicht passivlegitimiert ist, ist im Übrigen nichts zu erinnern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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