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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.07.2007
Aktenzeichen: OVG 5 NC 4.07
Rechtsgebiete: KapVO


Vorschriften:

KapVO § 5 Abs. 2
KapVO § 8
KapVO § 12
KapVO § 12 Abs. 1
KapVO § 14 Abs. 2
KapVO § 14 Abs. 2 Nr. 7
KapVO § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 4.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 17. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vom Wintersemester 2006/2007 an vorläufig zum Bachelorstudium der Grundschulpädagogik als Kernfach im Kombinationsbachelor mit Lehramtsoption im ersten Fachsemester zuzulassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in dem genannten Studiengang über die bereits vergebenen 55 Studienplätze hinaus weitere 27 Plätze zur Verfügung stünden, von denen die Antragstellerin einen für sich beanspruchen könne. Die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Insbesondere habe die Antragsgegnerin die im Personalüberhang befindliche Professorenstelle Ü 11715 zu Unrecht nicht angesetzt. Der Wegfall der Stelle stehe zwar in Einklang mit den Hochschulstrukturplänen der Jahre 1998 und 2004. Sie sei jedoch noch im Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2007 verankert. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin für den auslaufenden Lehramtsstudiengang keine Anteilquote an der jährlichen Aufnahmekapazität der Lehreinheit ansetzen dürfen. Dem stehe entgegen, dass in dem ehemaligen Lehramtsstudiengang seit dem Wintersemester 2004/2005 keine Erstsemester mehr aufgenommen und keine Aufnahmekapazitäten mehr festgesetzt werden würden. Darüber hinaus sei die Lehrtätigkeit, die die Antragsgegnerin für die Studierenden des ehemaligen Lehramtsstudiengangs erbringen müsse, bereits in der Kapazitätsberechnung des jeweiligen Anfangssemesters dieser Studierenden berücksichtigt worden, da die Festsetzung der Aufnahmekapazität für Erstsemester den gesamten Lehraufwand in den Blick nehme, den ein Studierender für ein vollständiges Studium nach der jeweiligen Studienordnung zu erbringen habe.

Mit der Beschwerde greift die Antragsgegnerin über die den Stellenbestand und die Anteilquote betreffende Entscheidung hinaus auch die übrigen kapazitätsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts mit der Begründung an, sie trügen in keiner Weise der besonderen Belastungssituation durch die notwendige Betreuung der auslaufenden Lehramtsstudiengänge Rechnung.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Sie hat keinen Erfolg, soweit die Antragsgegnerin den Ansatz der Stelle Ü 11715 angreift und hilfsweise geltend macht, das Lehrdeputat dieser Stelle sei zum Teil als Dienstleistungsexport zu berücksichtigen (dazu unter 1.). Der Beschwerde ist ferner nicht zu folgen, soweit sie den Ansatz einer Anteilquote für den auslaufenden Lehramtsstudiengang für gerechtfertigt hält (dazu unter 2.). Ob ihre sonstigen Rügen, die den Umfang der Lehrverpflichtungsverminderungen, die Berücksichtigung von Lehraufträgen und weiteren Dienstleistungsexport sowie die Berechnung der Curricularanteile betreffen, berechtigt sind, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht hätte dem Anordnungsantrag im Ergebnis auch dann zu Recht entsprochen, wenn man der Beschwerde in allen diesen Punkten folgen würde (dazu unter 3.).

1. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die im Personalüberhang geführte Professorenstelle Ü 11715 anzusetzen ist. Bei der Überprüfung des Lehrangebots ist von dem vorhandenen, der Lehreinheit gemäß § 8 KapVO zugeordneten Stellenbestand auszugehen. Da die Stelle Ü 11715 zum Berechnungsstichtag nicht gestrichen war, hätte sie nur dann unberücksichtigt bleiben können, wenn insoweit eine wesentliche Änderung vor Beginn des Berechnungszeitraums gem. § 5 Abs. 2 KapVO erkennbar gewesen wäre. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Erkennbar sind alle Änderungen, die sich durch den Vollzug des Haushaltsplans ergeben. Im Haushaltsplan war die Streichung der Stelle Ü 11715 jedoch nicht vermerkt. Selbst wenn man zu Gunsten der Antragsgegnerin annähme, es reiche aus, dass der Entwurf eines Haushaltsplans die Stellenstreichung vorsieht (vgl. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., § 5 KapVO Rn. 4), führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach dem vom Verwaltungsgericht zitierten Schreiben der Personalverwaltung vom 5. Dezember 2006 sollte der Wegfall der Stelle erst in dem für das Frühjahr 2007 vorgesehenen 3. Nachtragshaushalt 2007 festgeschrieben werden. Mit Blick auf diese Anforderungen genügt die bloße Ausweisung der Stelle im Personalüberhang nicht, um die Voraussetzung der Erkennbarkeit ihres Wegfalls im Sinne von § 5 Abs. 2 KapVO zu erfüllen. Die Führung als Überhangstelle gewährleistet weder die Streichung der Stelle noch den Zeitpunkt ihres Wegfalls. In dieser Einschätzung bestätigt sieht sich der Senat übrigens durch die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Rückführung der früheren Stelle Ü 12140 (nunmehr Stellen-Nr. 12531) in den regulären Stellenplan. Offenbar besteht bei der Antragsgegnerin eine Praxis, bei entsprechendem Bedarf auf Stellen aus dem Personalüberhang zurückzugreifen.

Das der Stelle Ü 11715 zuzuordnende Lehrdeputat ist auch nicht in Höhe von 6 LVS als Dienstleistungsexport anzusetzen. Dem steht bereits entgegen, dass der frühere Stelleninhaber R_____, mit Blick auf dessen konkrete Lehrtätigkeit die Antragsgegnerin den Dienstleistungsexport geltend macht, am 4. Oktober 2006 ausgeschieden ist und dies zum Berechnungsstichtag (31. März 2006) erkennbar gewesen sein müsste. Unabhängig davon hat die Antragsgegnerin weder dargelegt, welche Lehrveranstaltungen Herr R_____ in welchem Semester "im Bereich Erziehungswissenschaften" durchgeführt hat, noch dass diese Lehrveranstaltungen zum Pflicht- oder Wahlpflichtprogramm eines entsprechenden, der Lehreinheit Grundschulpädagogik nicht zugeordneten Studiengangs gehört haben.

2. Dem Verwaltungsgericht ist auch zu folgen, soweit es den Ansatz einer Anteilquote für den auslaufenden Lehramtsstudiengang L1 nicht anerkannt hat. Gem. § 12 Abs. 1 KapVO ist die Anteilquote das Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität eines der Lehreinheit zugeordneten Studiengangs zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge. Die - im wesentlichen kapazitätsneutrale - Widmungsbefugnis steht der Hochschule daher, wie die Stellung der genannten Vorschrift im Zweiten Abschnitt der Kapazitätsverordnung unterstreicht, nur in Bezug darauf zu, in welchem Verhältnis sie ihre Ausbildungsressourcen auf Studienanfänger verteilt, wenn der Lehreinheit mehr als ein Studiengang zugeordnet ist. Dies wird durch die Kriterien der Berechnung der Ausbildungskapazität bestätigt. Sie wird u.a. mit Hilfe des Curricularnormwerts ermittelt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO), der sich nach der Summe der für die Ausbildung eines Studenten nach den maßgeblichen Studien- und Prüfungsordnungen insgesamt erforderlichen Lehrveranstaltungen bemisst (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO). Da aber für den auslaufenden Lehramtsstudiengang L1 keine Studierenden im ersten Fachsemester mehr aufgenommen werden, liegen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 KapVO für die Festsetzung einer Anteilquote nicht vor.

Mit Rücksicht darauf geht auch der Einwand der Antragsgegnerin fehl, dass die Gerichte ihre Widmung der vorhandenen Ausbildungskapazität zu beachten hätten. Der Staat ist zwar berechtigt, im Rahmen bildungsplanerischer Überlegungen die für die Hochschulausbildung zur Verfügung stehenden Mittel für bestimmte Studiengänge zu widmen; die in § 12 KapVO vorgesehene Bildung von Anteilquoten durch die Hochschule ist Ausdruck dieser Widmungsbefugnis (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 C 15.88 -, DVBl 1990, 527, 528; Bahro/Berlin, a.a.O., § 12 Rn. 3). Die Widmung von Ausbildungsressourcen zu Gunsten einzelner der Lehreinheit zugeordneter Studiengänge ist jedoch nicht zu respektieren, wenn der Ansatz einer Anteilquote - wie vorliegend - bereits dem Grunde nach zu beanstanden ist und er sich kapazitätsvernichtend auswirkt (vgl. VGH München, Beschluss vom 12. März 2007 - 7 CE 07.10003 -, Juris Rn. 11; Bahro/Berlin, a.a.O., § 12 KapVO Rn. 3).

Das Anliegen der Antragsgegnerin lässt sich auch nicht über eine entsprechende Anwendung des § 12 KapVO rechtfertigen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass auch zwischen zwei fachlich verwandten Studiengängen, von denen der eine ausläuft, aber aus unabweisbaren Gründen fortgeführt werden muss, Dienstleistungsverflechtungen, wie sie der Regelung über die Bildung von Anteilquoten zugrunde liegen, bestehen. Jede Analogie setzt jedoch eine Regelungslücke voraus. Deshalb wäre eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 KapVO nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn dem berechtigten Anliegen der Antragsgegnerin, die zusätzliche Belastung durch die Betreuung des auslaufenden Studiengangs auszugleichen, auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden könnte. Die Kapazitätsverordnung hat der Hochschule aber mit den Vorschriften des Dritten und Vierten Abschnitts Instrumente an die Hand gegeben, der Überlastung des Lehrpersonals der Lehreinheit in einer solchen Konstellation wirksam zu begegnen. Neben dem Überprüfungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO, dessen Rechtsgedanke darin besteht, eine Mehrbelastung des Lehrpersonals durch Studierende in höheren Semestern durch eine niedrigere Aufnahmequote auszugleichen, gibt es den Ausnahmetatbestand des § 20 KapVO, wonach unter anderem im Falle der Erprobung neuer Studiengänge oder der Neuordnung von Studiengängen (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrages; § 1 Abs. 2 und 3 KapVO i.V.m. § 2 Abs. 1, § 3 des Berliner Hochschulzulassungsgesetzes) Zulassungszahlen abweichend von den Vorgaben des Zweiten und Dritten Abschnitts festgesetzt werden können.

Mit Erfolg könnte sich die Antragsgegnerin allerdings nur dann auf die genannten Vorschriften stützen, wenn sie von ihnen auch Gebrauch gemacht hätte. Denn weder die Berücksichtigung eines Überprüfungs- noch die Anwendung eines Ausnahmetatbestandes führen für sich genommen bereits zu einem Ergebnis, das sich in einer konkreten (neuen) Zulassungszahl niederschlägt. Es fällt nicht in die Kompetenz der Verwaltungsgerichte, diese zu bestimmen. Es ist vielmehr Sache des Satzungsgebers, nach Ermessen bzw. im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang er von der Möglichkeit der Verminderung nach § 14 Abs. 2 KapVO Gebrauch machen will oder ob die Zulassungszahlen nach § 20 KapVO abweichend vom Berechnungsergebnis festgesetzt werden sollen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. August 2006 - OVG 5 NC 1.06 u.a. [FU Psychologie/Diplom, WS 2005/2006], EA S. 7 m.w. Nachw.). Vorliegend fehlt bereits jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Festsetzung der Zulassungszahl eine entsprechende Entscheidung des Akademischen Senats zugrunde lag. Mit dem Kapazitätsbericht der Antragsgegnerin war ihm unter Ziff. 3.2. ein Festsetzungsvorschlag unterbreitet worden, der nach Ziff. 3.1. auf der "Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität gemäß 2. Abschnitt KapVO" beruhte. Dabei war unter Ziff. 3.1. die streitgegenständliche Anteilquote für den auslaufenden Studiengang L1 mit 0,46 angesetzt. Mithin ist dem Satzungsgeber ein Festsetzungsvorschlag unterbreitet worden, der die Abweichung von den maßgebenden Berechnungskriterien des Zweiten Abschnitts der Kapazitätsverordnung (§§ 6 bis 13) bereits enthielt, ohne dies kenntlich zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass der Satzungsgeber diese Abweichung bei der Festsetzung der Zulassungszahl erkannt und sein Ermessen ausgeübt haben könnte, bestehen nicht.

3. Bereits hiernach errechnet sich bei dem um eine Professorenstelle erhöhten Lehrangebot (92,68 LVS), Lehrverpflichtungsverminderungen in Höhe von insgesamt 9,5 LVS, Lehrauftragsstunden in Höhe von 1,32 LVS und einem Dienstleistungsexport von 2,77 LVS ein bereinigtes Lehrangebot von 81,73 LVS, das wegen der maßgeblichen Jahresaufnahmekapazität auf 163,46 LVS zu verdoppeln ist. Unter Zugrundelegung der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Curriculareigenanteile von 2,1445 im Kernfach (Anteilquote 0,87) bzw. 1,7778 im Zweitfach (Anteilquote 0,13) ergibt dies eine Gesamtkapazität von (163,46 : 2,0968 [gewichteter Curricularanteil] =) 77,9569, mithin eine Basiszahl im Kernfach von (77,9569 x 0,87 = ) 67,8225. Dies führt bei einem Schwundausgleichsfaktor von 0,9561 zu einer jährlichen Aufnahmekapazität im Kernfach von 71 Studienanfängern. Da die Antragsgegnerin lediglich 55 Studienplätze vergeben hat, stehen noch (mindestens) 16 freie Plätze zur Verfügung. Im Ergebnis verbleibt es damit bei den erstinstanzlich ausgesprochenen Direktzulassungen.

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass im vorliegenden Verfahren kein Grund ersichtlich geworden ist, der es hätte rechtfertigen können, dass die Antragsgegnerin von der nach einem Gesprächsvermerk der Senatsverwaltung (SenWissKult) vom 7. Juni 2006 zwischen den drei Berliner Hochschulen und der Wissenschaftsverwaltung getroffenen Vereinbarung, die Schwundquote für diejenigen neuen Studiengänge in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die - wie hier - zum Wintersemester 2006/07 beginnen, auf 0,9 festzusetzen, abgewichen ist.

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bedarf mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens keiner Entscheidung mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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