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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: OVG 5 NC 91.07
Rechtsgebiete: VwGO, KapVO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KapVO § 5 Abs. 1
KapVO § 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 NC 91.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 15. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem angefochtenen Beschluss ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass über die für das Berechnungssemester festgesetzte Zulassungshöchstzahl von 45 Studienplätzen hinaus weitere 15 Studienplätze vorhanden seien, von denen 3 bereits im Wege der Überbuchung kapazitätsrechtlich wirksam vergeben seien. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Teilen standhalte. Unter anderem sei der Stellenansatz der Antragsgegnerin teilweise zu korrigieren. Es sei allerdings für die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit der zum Abbau vorgesehenen Stellen keine auf jede der weggefallenen Stellen bezogene Einzelabwägung mit den Belangen der Studienbewerber erforderlich, da die Antragsgegnerin insofern lediglich dem gesetzlichen Auftrag, die Zahl der jährlichen Studienanfänger zu senken, folge. Solange sie sich noch nicht im abschließenden Stadium der gesetzlich vorgegebenen Kapazitätsabschmelzung befinde, sei es auch unschädlich, dass sie weiterhin eine schlüssige und verbindliche Planung des Stellenabbaus vermissen lasse. Eine Schwundquote sei nicht anzusetzen, da es an den dafür erforderlichen Voraussetzungen fehle. Es gebe nur noch ein Lehrangebot, das hinter dem, das in der Vergangenheit mit der Folge hoher Zulassungszahlen zur Verfügung gestanden habe, ganz erheblich zurückbleibe, und es sei damit zu rechnen, dass die auch in höheren Semestern niedrige Kapazität nicht ungenutzt bleibe. Es gebe insofern kein ungenutztes Lehrangebot, dessen "Aktivierung" das Kapazitätserschöpfungsgebot verlangen würde. Denn der Bestand von 612 nicht beurlaubten Studierenden übersteige die für die Regelstudienzeit von 10 Semestern bestehende Kapazität für 593,45 Studierenden. Die Antragstellerin, die im Losverfahren nicht zum Zug gekommen ist, wendet sich mit der Beschwerde gegen den Stellenansatz des Verwaltungsgerichts. Sie rügt den unterbliebenen Ansatz von 3 Stellen mit dem Hinweis, dass die Beschlüsse des Vorstands der Antragsgegnerin, diese zu streichen, nicht rechtzeitig gefasst worden seien. Sie meint, die Stellenstreichungen seien auch unabhängig davon nicht anzuerkennen, weil die Antragsgegnerin die für Stellenkürzungen erforderliche Abwägung zwischen den Interessen der Studienbewerber und dem Interesse an Einsparungen nicht vorgenommen habe. Der gesetzliche Auftrag des Universitätsmedizingesetzes - UniMedG -, nach dem die Studienanfängerzahl zu senken sei, ersetze die Abwägung nicht. Dies gelte insbesondere, weil eine detaillierte, nachvollziehbare Planung zur Verfolgung des gesetzgeberischen Ziels, die Zahl der jährlichen Studienanfänger zu senken, nicht vorliege. Im Übrigen sei das UniMedG verfassungswidrig, da es absichtlich Kapazitäten zu Lasten der Studienbewerber abbaue. Dabei sei zu beachten, dass die Planungen des Gesetzgebers zwischenzeitlich durch den Hochschulpakt 2020 überholt seien. Vor dem geschilderten Hintergrund habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht keine Schwundquote angesetzt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Prüfung des Senats beschränkt sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe. Gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.

Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist der Stellenansatz des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin den fehlenden Ansatz der Stellen 501131 und 40006234 reklamiert, weil deren Streichung erst am 7. November 2006 bzw. 9. Oktober 2006 und damit "nach der Frist für die Berechnung der Ausbildungskapazität für das Wintersemester 2006/2007 und das Sommersemester 2007" beschlossen worden sei, beachtet sie nicht, dass die Antragsgegnerin ihre Kapazität gem. § 5 Abs. 1, Abs. 3 KapVO auf der Grundlage der Daten des Berechnungsstichtages 31. März 2007 berechnet hat. Auch das Verwaltungsgericht hat darauf ausdrücklich hingewiesen, ohne dass sich die Antragstellerin damit auseinandersetzt. Dies gilt entsprechend für ihre sinngemäße Rüge, die Streichung der Stelle 50009410 sei am 23. Mai 2006 und damit nach dem 31. März 2006, dem von ihr zugrunde gelegten Berechnungsstichtag, beschlossen worden.

Der Anerkennung der Streichung der genannten Stellen steht auch nicht entgegen, dass dieser jeweils keine Abwägung der Interessen der Studierenden mit den Interessen an Einsparungen vorangegangen ist. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Berlin (Beschluss vom 25. Oktober 2004 - OVG 5 NC 442.04 - [Humanmedizin, SS 2004]) darauf gestützt, dass eine Einzelabwägung mit Blick auf den gesetzlichen Auftrag zum Stellenabbau nicht erforderlich sei. Der Entscheidungsspielraum beschränke sich auf die Art und Weise der Umsetzung der gesetzgeberischen Entscheidung. Die bloße, nicht näher erläuterte Rüge der Beschwerde, der gesetzgeberische Auftrag, die Zahl der Studienanfänger zu senken, sei nicht ausreichend, um die Belange der Studienbewerber nicht zu berücksichtigen, gibt keine Veranlassung, davon abzuweichen. Mit kapazitätsreduzierenden Vorschriften nutzt der Gesetzgeber den ihm zustehenden politischen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang er im Verhältnis zu anderen staatlichen Aufgaben Mittel für die Ausgestaltung der Hochschulen zur Verfügung stellen will. An die kapazitätsbeschränkenden Eckdaten des Gesetzgebers ist die Antragsgegnerin gebunden. Auch der Hinweis in der Beschwerde auf den Beschluss des VGH München vom 12. Juli 2007 (- 7 CE 07.10114 u. a.-, Juris) ist insoweit unergiebig, als es dort um den Abbau von Stellen zur Umsetzung von vorgegebenen Einsparvolumen ging, die nicht auf einem gesetzlichen Auftrag, sondern auf einem zwischen den bayerischen Hochschulen und der Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags abgeschlossenen "Innovationsbündnis Hochschule 2008" beruhten (vgl. VGH München, a. a. O., Rn. 19). Soweit die Antragstellerin eine Abwägung insbesondere auch deshalb für erforderlich hält, weil eine schlüssige und verbindliche Planung hinsichtlich des weiteren Vorgehens der Universität nicht vorliege, hat sie sich bereits nicht mit dem angefochtenen Beschluss auseinandergesetzt (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), in dem das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass sich die Planungsunzulänglichkeiten erst auswirkten, wenn die Antragsgegnerin sich im abschließenden Stadium der vorgegebenen Kapazitätsreduzierung befinde (BA S. 5). Aus dieser Sicht des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden, dass es den Abbau der streitgegenständlichen Stellen, der unstreitig dem gesetzgeberischen Ziel des UniMedG und des Vorschaltgesetzes - VorschaltG - dient, für kapazitätsrechtlich wirksam erachtet hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats gibt es entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung anzunehmen, dass der Abbau von Ausbildungskapazitäten aus allgemeinen politischen Erwägungen, wie er durch das UniMedG (§ 28 Abs. 2 Satz 1) im Jahre 1995 vollzogen worden ist und durch das VorschaltG (§ 22 Abs. 2 Satz 1) fortgeschrieben worden ist, verfassungswidrig ist (vgl. OVG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - OVG 5 NC 35.07 u. a. - [Zahnmedizin, WS 2006/2007], BA S. 3 f. m. Hinweis auf OVG Berlin, Beschlüsse vom 20. Oktober 2004 - OVG 5 NC 44.04 - [Humanmedizin/Vorklinik, WS 2003/2004], S. 4 f. BA, und vom 11. Mai 1999 - OVG 5 NC 201.99 u. a. - [Zahnmedizin, 1998/1999], S. 5 ff. BA zum NOGZ). In erster Linie hat der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu beurteilen, was der Einzelne an Studienangeboten vernünftigerweise von der Gesellschaft erwarten kann. Geht es - wie vorliegend - um den planmäßigen Abbau von Ausbildungskapazitäten aus allgemeinen politischen Erwägungen nach der Wiedervereinigung unter den Zwängen immer knapper werdender finanzieller Ressourcen, kommen verfassungsrechtliche Konsequenzen erst bei einer evidenten Verletzung des objektiven sozialstaatlichen Verfassungsauftrags zur Schaffung ausreichender Ausbildungskapazitäten in Betracht (BVerfGE 33, 303, 333; BVerfG, Kammerbeschluss zum UniMedG vom 10. März 1999 - 1 BvL 27.97 -, Rn 18 BA; OVG Berlin, Beschluss vom 11. Mai 1999 - OVG 5 NC 201.099 u. a. -, S. 6 BA m. w. Nachw.). Eine solche evidente Verletzung ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO) nicht erkennbar. Der Hinweis auf den "Hochschulpakt 2020" reicht insoweit nicht aus. Bei Letzterem handelt es sich lediglich um eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern (Bundesanzeiger Nr. 171 vom 12. September 2007, S. 7480), die im Übrigen vorsieht, dass die Länder Schwerpunkte in der Schaffung weiterer Stellen an den Hochschulen setzen und den zusätzlichen Ausbau der Hochschulen dazu nutzen, den Anteil der Studienanfängerplätze an Fachhochschulen zu erhöhen (Art. 1, § 1 Abs. 4 ). Vor dem geschilderten Hintergrund ist ebenfalls nicht erkennbar, dass die gesetzgeberischen Planungen in der Zahnmedizin durch den Hochschulpakt 2020 überholt worden sind.

Es bestehen schließlich keine Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht vom Ansatz einer Schwundquote abgesehen hat. Seine insofern maßgebende Annahme, es gebe kein ungenutztes Lehrangebot, weil der Bestand von 612 Studierenden die für 10 Semester errechnete Kapazität von 593,45 Studierenden übersteige, wird entsprechend den obigen Ausführungen durch die Beschwerde nicht erschüttert. Auch liegt der Vorwurf neben der Sache, das Verwaltungsgericht habe unterstellt, es werde zukünftig keinen Schwund mehr geben. Die Annahme der Beschwerde, es werde beim Absehen von einer Schwundquote "bald dahin kommen, dass die Ausbildungskapazität nicht mehr ausgeschöpft ist", ist auf der Grundlage der Berechnung und Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht nachzuvollziehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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