Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: OVG 5 S 16.07
Rechtsgebiete: VwGO, StVG, FeV


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
StVG § 3 Abs. 1 Satz 1
StVG § 4
FeV § 46 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 S 16.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 3. April 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung u.a. die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (vgl. Satz 6 der Vorschrift). Auf der danach allein maßgeblichen Grundlage der Beschwerdebegründung besteht für eine Änderung des angefochtenen Beschlusses kein Anlass.

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die unter dem 27. Juni 2006 verfügte, auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis und die zugleich getroffenen Nebenentscheidungen (Abgabe des Führerscheins und Zwangsgeldandrohung) bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig seien, weil der Antragsteller erheblich bzw. wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ergebe sich bei summarischer Prüfung aus der Vielzahl der mit seinem Fahrzeug zwischen August 2001 und November 2005 begangenen Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Zwischen August 2001 und März 2005 sei es zu regelmäßig erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen und damit sechs geahndeten und im Verkehrszentralregister eingetragenen Zuwiderhandlungen gekommen. Für den Zeitraum von Februar 2004 bis November 2005 seien ausweislich des vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgangs 52 weitere durch rechtskräftige Bußgeldbescheide geahndete bzw. durch Kostenbescheide belegte, nicht im Verkehrszentralregister eingetragene Ordnungsvorschriften - im Besonderen verbotswidriges Parken - dokumentiert. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen weiter ausgeführt, die Einwände des Antragstellers könnten diesen nicht entlasten. Soweit die überwiegend mit einem Audi A 6 Avant, Kennzeichen B-KN 2600, begangenen Verkehrsverstöße von seinen zehn Mitarbeitern begangen worden sein sollen, habe der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben davon fortlaufend erfahren; dass er diese Verstöße nicht rechtzeitig und wirksam unterbunden, sondern über Jahre hinweg hingenommen habe, zeige seine charakterlichen Mängel, die ihn selbst als ungeeignet als Verkehrsteilnehmer auswiesen. Die hiergegen sowie gegen die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Beschwerdegründe des Antragstellers greifen nicht durch.

Soweit dieser zunächst geltend macht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung sei nicht hinreichend begründet, trifft dies nicht zu; der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Verfügung sinngemäß damit begründet, dass der Antragsteller sich infolge des von ihm an den Tag gelegten Verhaltens als Sicherheitsrisiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erwiesen habe, so dass die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht abgewartet werden könne (vgl. S. 3 des Bescheids vom 27. Juni 2006, im Einzelnen unter "Anordnung des Sofortvollzuges"). Diese Ausführungen, die deutlich machen, dass sich der Antragsgegner des Regel-Ausnahmeverhältnisses von § 80 Abs. 1 Satz 1 zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bewusst war, genügen den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO ohne Weiteres. Im Übrigen verkennt der Antragsteller, dass bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe in der Regel - und so auch hier - zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen (s. zur Fahrerlaubnisentziehung bereits Beschluss des Senats vom 2. März 2007 - OVG 5 S 7.07 -, S. 2 des Beschlussabdrucks).

Die von dem Antragsteller geltend gemachten Beschwerdegründe greifen auch in der Sache nicht durch. Soweit der Antragsteller geltend macht, es fehle "bereits an tatsächlich begangenen und nachgewiesenen Verkehrsverstößen gegen den ruhenden Verkehr" bzw. es bestünden im Hinblick auf Parkplaketten für Anlieger, die in den fraglichen PKW vorhanden seien, "begründete Zweifel, dass die im Bereich des vormaligen Firmensitzes ausgesprochenen Verwarnungen wegen Parkvergehens tatsächlich begründet waren", verkennt er die Darlegungsobliegenheiten des Beschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren, wonach dieser im Einzelnen darzutun hat, warum die erstinstanzliche Entscheidung nicht richtig sein soll (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO); folglich hätte er hier im Einzelnen vortragen müssen, welcher genau bezeichnete Verkehrsverstoß überhaupt nicht oder nicht von ihm selbst, sondern von Dritten begangen worden sein soll. Letzteres wird noch dadurch unterstrichen, dass die - wie er ausführt, insoweit "unterstellten" - Verstöße nach seinem eigenen Vorbringen von insgesamt zehn Mitarbeitern mit insgesamt fünf Fahrzeugen begangen worden sein sollen. Dass ihn dies nicht zu entlasten vermag, sondern erst recht Grund dafür gewesen wäre darzulegen, welcher - nicht ihm anzulastende - Verstoß im Einzelnen von welchem Mitarbeiter und ggf. mit welchem Fahrzeug begangen worden sein soll, liegt auf der Hand; insoweit spricht übrigens die von ihm hergereichte "eidesstattliche Versicherung" vom 27. September 2006, die eine Liste "der Mitarbeiter" enthält, "die (die) meisten Verkehrsverstöße begangen haben", in ihrer Unergiebigkeit für sich. Unabhängig davon erweist sich, worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, auch derjenige als ungeeignet, der als Halter eines Kraftfahrzeuges durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, und der dagegen nichts unternimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1976 - VII C 57.75 -, DÖV 1977, 602, 603). Soweit der Antragsteller insoweit geltend macht, er habe seine Mitarbeiter angewiesen, die Halte- und Parkvorschriften "dringend einzuhalten", und aus einem Vergleich des Zeitraumes Februar 2004 bis November 2005 gegenüber dem Zeitraum ab Dezember 2005 bis Anfang Juni 2006 ergebe sich, dass dies auch "nachhaltig und auch wirksam erfolgt" sei, überzeugt das nicht. Zum einen setzt sich der Antragsteller damit nicht mit der Feststellung des Verwaltungsgerichts auseinander, der zufolge ihm als Halter seines PKW am 8. Juni 2006 erneut verkehrswidriges Parken vorgeworfen worden sei, zum anderen kann nicht ernsthaft von einem "nachhaltigen und auch wirksamen" Unterbinden von Parkverstößen gesprochen werden, wenn es - wie hier - in einem Zeitraum von über 20 Monaten zu 52 Verkehrsverstößen kommt. Inwiefern in diesem Zusammenhang schließlich der Hinweis auf den Geschäftsführer einer GmbH einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz belegen soll, erschließt sich dem Senat nicht, nachdem der Antragsteller nicht in seiner Funktion als Inhaber oder Betreiber eines Unternehmens, sondern schlicht als Halter mehrerer Kraftfahrzeuge auffällig geworden und insoweit in den Blick genommen worden ist.

Die Beschwerde greift auch nicht durch, soweit der Antragsteller eine Reihe von Gesichtspunkten - nämlich eine Gefährdung der Firmenexistenz, ein Gebot einer "abgestufen Vorgehensweise" der Verwaltungsbehörde und eine fehlende besondere Rücksichtslosigkeit - geltend macht, die in der Sache die Verhältnismäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung in Frage stellen sollen. Zwar ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die durch die Nichterfassung im Verkehrszentralregister dem Bagatellbereich zuzurechnenden Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Fahreignung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1973 - VII C 12.71 -, BVerwGE 42, 206, 207); ebenso ist jedoch geklärt, dass es von diesem Grundsatz Ausnahmen gibt. Eine solche Ausnahme hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt, und ausgeführt, dass ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist (BVerwG, Beschluss vom 15. November 1976, a.a.O.; s. ferner OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 12 M 4307/99 u. 4601/99 -, NJW 2000, 685; OVG Berlin, Beschluss vom 28. April 2005 - 1 S 8.04 -, S. 4 des Beschlussabdrucks; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 25. Oktober 2005 - 1 S 96.05 -, S. 6 des Beschlussabdrucks, und vom 21. September 2006 - 1 S 47.06 -, S. 4 des Beschlussabdrucks; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2006, a.a.O.). So liegt es im Falle des Antragstellers. Wenigstens 51 Verstöße gegen Bestimmungen des ruhenden Verkehrs innerhalb eines Zeitraums von gerade einem und einem dreiviertel Jahr machen deutlich, dass er die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt und offensichtlich auch bloße Ordnungsvorschriften hartnäckig missachtet; nach der Rechtsprechung kann bereits eine deutlich geringere als die bei dem Antragsteller zu verzeichnende Anzahl von Verstößen gegen den ruhenden Verkehr geeignet sein, eine Fahrerlaubnisentziehung zu tragen bzw. mitzutragen (s. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2006, a.a.O.: etwa 35 Verstöße in gut vier Jahren; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2006, a.a.O.: 27 Verstöße innerhalb von zwei Jahren). Auch die von dem Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte stehen einer Verhältnismäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung nicht entgegen. Dass er "praktisch einem Berufskraftfahrer gleichzusetzen" sei, widerlegt der Antragsteller - abgesehen davon, dass gerade von einem Berufskraftfahrer, dem die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr fehlt, eine noch erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht - schon mit seinen eigenen Ausführungen, wonach er von einem Mitarbeiter gefahren werde bzw. gefahren werden könne. Dass dies eine finanzielle Belastung darstelle, die (bereits) die "Firmenexistenz tangiert", ist schon für sich genommen kaum glaubhaft; im Übrigen steht es dem Antragsteller frei, zur Vermeidung einer solchen Belastung die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Vorliegend war der Antragsgegner auch nicht zu einer "abgestuften Vorgehensweise" dergestalt gehalten, dass er zunächst eine gutachterliche Eignungsuntersuchung des Antragstellers hätte anordnen oder Maßnahmen nach dem Punktesystem gemäß § 4 StVG hätte ergreifen müssen; steht wie hier die Nichteignung wegen hartnäckiger Missachtung der verkehrsrechtlichen Ordnungsvorschriften fest (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV), besteht weder Raum für eine - lediglich bei Zweifeln an der entsprechenden Eignung angezeigte (§ 46 Abs. 3 FeV) - Beibringung eines Eignungsgutachtens, noch ist die Behörde - nämlich mit der Folge der Hintanstellung einer effektiven Gewährleistung der Verkehrssicherheit - gehalten, zunächst Maßnahmen nach dem Punktesystem zu ergreifen (vgl. nur OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Dezember 1999, a.a.O., NJW 2000, 685). Die Frage ferner, ob eine Fahrerlaubnisentziehung wegen hartnäckiger Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs nur in Betracht kommt, wenn - wie der Antragsteller wohl meint - die inmitten stehenden Verstöße durch eine besondere Rücksichtslosigkeit geprägt sind, erübrigt sich schon deswegen, weil auch und gerade die Verkehrsverstöße des Antragstellers durch eine solche Rücksichtslosigkeit geprägt sind. Dies wird nicht nur durch die außergewöhnliche Massierung der Verstöße und etwa durch das Parken auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte am 25. Februar 2005, sondern insbesondere durch die sechs - fast sämtlich mehr als 30 km/h betragenden - Geschwindigkeitsüberschreitungen hinreichend deutlich. Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, eine Fahrerlaubnisentziehung sei für ihn mangels entsprechenden vorherigen Hinweises nicht erkennbar gewesen, greift auch das nicht durch. Entgegen seinem Vorbringen ist er in der Verwarnung vom 10. Juli 2003 (Mitteilung eines Standes von 11 Punkten) ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er bei Bekanntwerden weiterer Verkehrsverstöße sogar mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis rechnen müsse. Unabhängig davon versteht es sich von selbst, dass der Schutz der Verkehrssicherheit und anderer Verkehrsteilnehmer und die Verhinderung entsprechender Gefahren für die Allgemeinheit höher zu bewerten sind als ein etwaiges Vertrauen eines sich hartnäckig verkehrswidrig verhaltenden Verkehrsteilnehmers darauf, dass er unbeschadet seines ordnungswidrigen Verhaltens nicht mit dem Verlust seiner Fahrerlaubnis zu rechnen brauche.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück