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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: OVG 5 S 56.07
Rechtsgebiete: PassG, EStG, VwGO, FGO


Vorschriften:

PassG § 7
PassG § 7 Abs. 1
PassG § 7 Abs. 1 Nr. 4
PassG § 7 Abs. 2 Satz 1
PassG § 7 Abs. 4
PassG § 24 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 17
EStG § 18
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 S 56.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dahm am 11. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, durch die die Antragsgegnerin verpflichtet worden wäre, dem Antragsteller einen Reisepass auszustellen. Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutz nur möglichen summarischen Prüfung hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Ausstellung eines Reisepasses, da der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG vorliegt, nämlich Anhaltspunkte dafür, dass er sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will. Deshalb kommt die Ausstellung eines Reisepasses - sei es auch nur für eine der von ihm in seinen Anträgen und Hilfsanträgen genannte kürzere Gültigkeitsdauer oder einen beschränkten Geltungsbereich, welches ebenfalls eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde - nicht in Betracht.

1. Mit der Beschwerde hat der Antragsteller sinngemäß vorgetragen:

(a) Als deutscher Staatsangehöriger habe er einen Anspruch auf Ausstellung des begehrten Reisepasses. Steuerliche Verpflichtungen ständen schon deshalb nicht entgegen, weil es sich dabei im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG um bestandskräftige oder rechtskräftig festgestellte, zumindest unbestrittene Steuerforderungen handeln müsse. Die hier betroffene Einkommensteuer für 1997, die erst 2003 festgesetzt worden sei, sei jedoch vor dem Finanzgericht Köln angefochten, die Klage sei ordnungsgemäß begründet und erhebliche Einwendungen seien vorgebracht worden. Davon abgesehen würde die Passversagung die eigene persönliche Teilnahme, mithin effektive Mitwirkung des Antragstellers am finanzgerichtlichen Verfahren behindern und die Durchsetzung eines vermeintlichen Steueranspruchs über die Ausreisefreiheit stellen, die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 GG folge. § 7 PassG sehe die Passversagung nicht schon im Falle einer Besorgnis oder eines Verdachts vor. Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe bisher nicht geklärt, welcher Art die Verpflichtung eines Passbewerbers sein müsse (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Oktober 1989, NVwZ 1990, 369).

(b) Ein Steuerfluchtwille könne dem Antragsteller nicht unterstellt werden, weil die Absicht, eine Steuerzahlung zu vermeiden, zwingend eine Kenntnis der Steuerschuld voraussetze. Er habe jedoch seinen ständigen Aufenthalt und Wohnsitz bereits vor Erlass des streitigen Steuerbescheides und auch vor dem Veranlagungszeitraum in Spanien gehabt (Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung der Frau M_____ vom 24. März 2007, wonach er ununterbrochen seit 1992 seine Wohnung auf Teneriffa habe und sich dort seit 1993 überwiegend aufhalte, Bl. 87 GA). Er habe seine Wohnung in Deutschland nicht ohne Abmeldung verlassen, vielmehr habe er sich - wie die Meldeauskunft vom 19. Juni 2007 zeige - am 22. April bzw. 15. Juli 1997 abgemeldet. Am 22. April 1997 habe er sich in S_____/Teneriffa angemeldet (spanischer Identitätsausweis, Bl. 17 VV). Der Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung mache es unwahrscheinlich, dass er sich damit den erst in den Jahren 2002 und 2003 festgesetzten Steuern habe entziehen wollen. Über die Höhe der Steuerforderung werde ernsthaft vor dem Finanzgericht Köln gestritten, sodass die Höhe kein Indiz für einen Steuerfluchtwillen sei. Eine Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides gegen Sicherheitsleistung habe er nicht beantragt, da er die Sicherheitsleistung nicht aufbringen könne. Ausweislich seines freiwillig ausgefüllten Vermögensverzeichnisses (Bl. 88 - 91 GA) verfüge er nur über Mittel zur Bestreitung seines normalen Lebensunterhalts. Sein Miteigentumsanteil an einem Grundstück in L_____, das sich im Versteigerungsverfahren befinde, sei der Finanzverwaltung bekannt. Er wolle an der mündlichen Verhandlung des Finanzgerichts teilnehmen, wolle dann aber baldmöglichst nach Spanien zurückkehren, da er in Deutschland keine Wohnung habe.

(c) Die Versagung des Reisepasses verstoße auch gegen supranationales Recht. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, einen Reisepass zu erteilen, mit dem sich der Antragsteller frei im Rahmen des Gebiets der Europäischen Union bewegen könne. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 1999 sei wegen des Bezuges zum Wehrpflichtgesetz nur bedingt übertragbar. Sie gebe allenfalls Veranlassung für eine rechtliche Beurteilung nach Artikel 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK, wonach nur notwendige Interessen der nationalen Sicherheit Beschränkungen der Freizügigkeit zuließen. Das zuletzt genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich daher ausschließlich auf einen verteidigungspolitischen Sachverhalt, der nach dem Willen der Vertragsstaaten ausdrücklich nicht der supranationalen Zuständigkeit habe unterworfen werden sollen (Hinweis auf BVerwGE 110, 40, 55). Entscheidend sei die verbindliche Auslegung von Artikel 18 EG-Vertrag durch den EuGH in seinen Entscheidungen vom 5. September 2002 (EuGRZ 29, 552) und vom 17. September 2002 (EuGRZ 2002, 596). Das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger folge aus ihrer Staatsangehörigkeit und sei nur den im EG-Vertrag und seinen Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen unterworfen. Da das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht für die Unionsbürger Verfassungsrang besitze, seien dabei strengere Maßstäbe anzulegen als auf der einfachgesetzlichen Ebene des Passgesetzes. An der Verhältnismäßigkeit der Passversagung fehle es, da sie ungeeignet sei, eine eventuelle Forderung auf Steuerzahlung durchzusetzen. Außer den Bezügen für seinen normalen Lebensunterhalt habe der Antragsteller weder Einkünfte noch Vermögen, sodass er auch bei einem erzwungenen Inlandsaufenthalt nicht in der Lage sei, einen Betrag von 227 546 € ganz oder in Teilen zurückzuführen oder zu hinterlegen. Das Verwaltungsgericht habe auch übersehen, dass der Antragsteller sogar ohne Reisepass aus Deutschland ausreisen und nach Spanien einreisen könne, weil er nach dem Schengener Abkommen einen Reisepass nicht benötige. Er könne lediglich auf Grund der seit 2001 verschärften Sicherheitsbestimmungen an dem wesentlich kostengünstigeren Charter-Flugverkehr zwischen Köln und T_____ nicht teilnehmen. Könne er aber auch ohne Reisepass Deutschland legal wieder verlassen, so sei die Passversagung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht geeignet.

(d) Die Antragsgegnerin dürfe es dem Antragsteller nicht erschweren, den Steuerbescheid im finanzgerichtlichen Verfahren überprüfen und aufheben zu lassen. Zum effektiven finanzgerichtlichen Verfahren gehöre auch die persönliche Teilnahme des Antragstellers und seine Möglichkeit, die Unterlagen zu sichten und mit den Verfahrensbevollmächtigten in Deutschland zu erörtern. Streitig seien komplexe wirtschaftliche und steuerrechtliche Sachverhalte aus dem Gesellschaftssteuerrecht nach § 17 EStG und Einkünfte nach § 18 EStG. Die Vorbereitung könne auf dem Schriftwege oder telefonisch nur begrenzt durchgeführt werden. Deshalb sei es erforderlich, dass der Antragsteller für mindestens drei Tage nach Deutschland komme und anschließend wieder zurückkehren könne, da er in Deutschland keine Lebensgrundlage besitze. Das Hauptsacheverfahren zur Passversagung könne er nicht abwarten, weshalb ihm für die beantragte einstweilige Anordnung ein Anordnungsgrund zur Seite stehe. Er habe vom Finanzgericht Köln eine erneute Ladung für den 17. September 2007 erhalten und wolle dieser Ladung folgen.

(e) Die Passversagung sei vor allem ungeeignet, einen eventuellen Steueranspruch durchzusetzen, da der Antragsteller, wie sein Vermögensverzeichnis zeige, mittellos sei. Daher könne sein Aufenthalt im Inland nicht zur Erfüllung von Zahlungspflichten führen. Das wisse auch die Finanzverwaltung, da er das Vermögensverzeichnis auch ihr eingereicht habe. Gleichwohl versuche sie, die Steuerforderung in T_____ vollstrecken zu lassen (Hinweis auf das Schreiben der Steueragentur T_____, Abt. Steuererhebung vom 26. Mai 2006, Bl. 102 - 107 GA). Schließlich verstoße die Passversagung gegen höherrangiges Recht, weil für eine ungeeignete Vollstreckungsmaßnahme das EU-Bürgerrecht der Freizügigkeit nicht eingeschränkt werden dürfe. Überdies könne es nicht strafbar sein, wenn ein EU-Bürger die Grenze zwischen Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens ohne Reisepass überschreite, denn die betroffenen Mitgliedstaaten Frankreich und Spanien hätten auf einen Pass als Ausweisdokument verzichtet.

2. Dieses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Vorbringen führt nicht zu einer anderen Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes.

(a) Als deutscher Staatsangehöriger hat der Antragsteller nur dann einen Anspruch auf Ausstellung eines Reisepasses, wenn ein Passversagungsgrund nicht vorliegt. Entgegen seiner Auffassung setzt das in § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG genannte Merkmal der "steuerlichen Verpflichtungen" nicht deren Bestandskraft oder rechtskräftige Feststellung voraus, weil der Wortlaut der Vorschrift einen solchen Zusatz nicht enthält und es mit ihrem Zweck nicht vereinbar wäre, die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen der Durchsetzung der Steuerpflicht längerfristig zu entziehen. Eine steuerliche Verpflichtung im Sinne der Vorschrift besteht deshalb schon dann, wenn ein vollziehbarer, nicht offensichtlich rechtswidriger Steuerbescheid ergangen ist (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 28. November 1988, NJW 1990, 660 [661]; VGH München, Urteil vom 26. Juli 1995, BayVBl. 1996, 50 [51]; OVG Münster, Beschluss vom 2. Januar 1996, DVBl. 1996, 576; OVG Berlin, Beschluss vom 5. Juni 2002 - OVG 5 S 13.02 -). Ein gegenteiliges rechtliches Ergebnis kann der Antragsteller nicht allein daraus ableiten, dass eine entsprechende höchstrichterliche Klärung noch nicht vorliegt. Gegen diese Auslegung lässt sich auch nicht einwenden, ein wie der Antragsteller im Ausland lebender Steuerbürger sei dadurch an der effektiven Mitwirkung am finanzgerichtlichen Verfahren gehindert. Auch wenn gemäß § 7 Abs. 1 PassG ein Pass für die Ein- und Ausreise versagt werden muss, steht ihm nach § 7 Abs. 4 PassG jedenfalls ein Pass für die Einreise nach Deutschland zu. Wie er sodann neben der Mitwirkung am Prozess seinen Aufenthalt in Deutschland gestaltet, obliegt seiner eigenen Vorsorge, auch und gerade, wenn er in Deutschland keine Wohnung mehr haben sollte.

(b) Den vom Antragsgegner angenommenen Steuerfluchtwillen kann der Antragsteller nicht mit der Angabe in Abrede stellen, er halte sich schon seit 1993 überwiegend in T_____ auf. Wie die von ihm selbst eingereichte Auskunft vom 19. Juni 2007 aus dem Melderegister (Bl. 100 - 101 GA) zeigt, war er vom 8. Dezember 1993 bis 22. April 1997 sowie vom 25. Juli 2001 bis 15. Juni 2006 in B_____, gemeldet und konnte zumindest während dieser Zeit im Inland steuerpflichtige Tatbestände erfüllen, sich aber auch durch den Aufenthalt in Spanien dem Zugriff der Steuerbehörde entziehen. Ob die Entziehungsabsicht bereits bei Erzielung des steuerpflichtigen Einkommens bestand oder erst später hinzutrat, ist rechtlich unerheblich, da jedenfalls zur Zeit der Ablehnung des Passantrags bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, er wolle sich durch weiteren Verbleib im Ausland dem Zugriff der Steuerbehörde entziehen. Dafür sprechen die erhebliche Höhe der vollziehbaren Steuerforderung - hier rund 228 000 € -, die nach der Rechtsprechung des Senats ein maßgebliches Indiz darstellt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2006 - OVG 5 S 51.05 - S. 3, 6; ferner OVG Berlin, Beschlüsse vom 11. August 2003 - OVG 5 S 25.03 - und vom 20. Februar 2004 - OVG 5 S 35.03 -), die Nichtzahlung von Teilbeträgen der Steuerschuld und die Verdunkelung der Vermögensverhältnisse, insbesondere der unklare Verbleib der erzielten erheblichen Gewinne. Die Zahlung von Teilbeträgen war insbesondere dann zu erwarten, wenn die Steuerforderung nicht dem Grunde nach, sondern - wie der Antragsteller andeutet - nur der Höhe nach im Streit war und ist.

Keine für sich günstigen Schlüsse kann der Antragsteller daraus ziehen, dass er die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung nicht beantragt habe. Denn das Finanzgericht soll gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Eine Sicherheitsleistung des Steuerpflichtigen ist dafür nicht ohne weiteres vorausgesetzt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO). Sah der Antragsteller von einem Aussetzungsantrag ab oder blieb dieser ohne Erfolg, so spricht dies nicht nur für die Rechtmäßigkeit der Steuerforderung, sondern auch für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die Klage vor dem Finanzgericht abgewiesen wird. Dies ergibt ein nicht nur kurzfristiges Motiv für den Antragsteller, sich der Durchsetzung der Steuerforderung zu entziehen.

Sein Steuerfluchtwille wird schließlich durch die Angaben bestätigt, die er in seinem Vermögensverzeichnis gemacht hat: In der Verneinung vorhandener Vermögenswerte geht der Antragsteller so weit, sogar das Fehlen eigener Möbel und jeglicher Spar-, Giro- und Geschäftskonten zu behaupten (Abschnitte A Ziffer 3 a und B Ziffer 14). Das ist wenig wahrscheinlich, vor allem auch mit Blick auf die von ihm erzielten Gewinne, die eine Steuerschuld von rund 228 000 € ergaben und über deren Verbleib er nichts hat verlauten lassen.

(c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers verstößt die Passversagung nicht gegen supranationales Recht. Nach Artikel 18 Abs. 1 EG-Vertrag hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im EG-Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Beschränkungen sieht der EG-Vertrag zu Gunsten der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit vor. Sie finden sich in Artikel 39 Abs. 3 und 46 Abs. 1 EG-Vertrag (Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Niederlassungsfreiheit) sowie in den Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts, die das Freizügigkeitsrecht konkretisieren (siehe Auflistung in BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98 -, E 110, 40 [58]). Als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips gilt dieser Vorbehalt auch für Artikel 18 Abs. 1 EG-Vertrag, wobei die Regelungen, die das Freizügigkeitsrecht beschränken, auch dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten angehören können (EuGH, Urteil vom 17. September 2002, EuGRZ 2002, 596 [602 f., RdNr. 84 - 87, 90 - 91; die vom Antragsteller fälschlich genannte Fundstelle "EuGRZ 29, 552" = EuGRZ 2002, 552 betrifft nicht eine Entscheidung des EuGH). Zu den Vorschriften zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gehört auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG, weil sie der Durchsetzung der Steuerpflicht dient. Ohne Einhaltung der Steuerpflicht könnte die Rechts- und Staatsordnung nicht aufrechterhalten und könnten staatliche Aufgaben nicht effizient erfüllt werden. Dies rechtfertigt es, eine Person durch pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen daran zu hindern, sich der Steuerpflicht zu entziehen (OVG Münster, Beschluss vom 2. Januar 1996, DVBl. 1996, 576 [577]; OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2004 - OVG 5 S 35.03 - S. 5 BA; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2006 - OVG 5 S 51.05 - S. 4 BA). Für die effektive Durchsetzung der Maßnahmen erscheint deshalb auch eine strafrechtliche Sanktionierung, wie sie in § 24 Abs. 1 Nr. 1 PassG im Falle einer Ausreise trotz Passversagung vorgesehen ist, erforderlich und angemessen.

(d) Die Passversagung ist weder gemeinschaftsrechtlich noch im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen. Die Passversagung ist geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg, den Passbewerber zur Rückkehr in die Bundesrepublik und zur Bezahlung der Steuer- und Abgabenrückstände zu veranlassen, gefördert werden kann (BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 1989 - 1 A 110.89 -, NVwZ 1990, 369 [370]). Durch die mit der Passversagung bezweckte Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland ist er dem Zugriff der deutschen Steuerverwaltung ausgesetzt. Den Steuerbehörden wird die Möglichkeit eröffnet, den Antragsteller mit zwangsvollstreckungsrechtlichen Mitteln zu veranlassen, seine Vermögens- und Einkommenslage rückhaltlos offen zu legen und Zahlung auf die vollziehbaren Steuerforderungen zu leisten. Die Passversagung ist auch erforderlich. Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG vorgesehene Beschränkung der Geltungsdauer und des Geltungsbereichs des Passes als mildere Maßnahme ist nicht gleichermaßen geeignet, da allein die Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland den vollstreckungsrechtlichen Zugriff uneingeschränkt ermöglicht. Die Passversagung ist auch angemessen. Die für den Antragsteller damit verbundenen Belastungen - zumindest einstweilige Beendigung seines Aufenthalts in Spanien - stehen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel, den staatlichen Steueranspruch durchzusetzen. Derartige Nachteile muss jeder im Ausland lebende Steuerflüchtige hinnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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