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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: OVG 6 B 3.07
Rechtsgebiete: SGB X, BAföG


Vorschriften:

SGB X § 45 Abs. 1
BAföG § 27 Abs. 1
BAföG § 28 Abs. 3 Satz 1
1. Für Vermögen, das der Auszubildende in verdeckter Treuhand für einen Dritten verwaltet, kann abhängig vom Inhalt der Treuhandabrede ein Verwertungsverbot i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG gelten.

2. Der Herausgabe- bzw. Rückzahlungsanspruch des Treugebers kann unter bestimmten Voraussetzungen als vermögensmindernde Schuld i.S.d. § 28 Abs. 3 BAföG anzuerkennen sein.


OVG 6 B 3.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Oerke, den ehrenamtlichen Richter Podlowski und den ehrenamtlichen Richter Rubbers für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderung.

Der Kläger nahm zum Wintersemester 1998/99 an der Technischen Universität Dresden das Studium der Humanmedizin auf und setzte es ab dem Sommersemester 2004 an der Charité - Universitätsmedizin Berlin fort. Auf entsprechende Anträge, in denen er jeweils angegeben hatte, nicht über Vermögen zu verfügen, bewilligte das Studentenwerk ihm Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 826,00 DM für den Zeitraum von Oktober 1999 bis September 2000 (Bescheid vom 30. September 1999), 827,00 DM für den Zeitraum von Oktober 2000 bis März 2001 (Bescheid vom 28. Februar 2001), 910,00 DM für den Zeitraum von April 2001 bis September 2001 (Bescheid vom 30. März 2001) sowie 909,00 DM für den Zeitraum von Oktober 2001 bis September 2002 (Bescheid vom 30. Oktober 2001).

Eine Anfrage zur Feststellung von Kapitalerträgen ergab, dass der Kläger im Jahr 2001 Freistellungsbeträge für Kapitalerträge in Höhe von 1.446,00 DM ausgeschöpft hatte. Daraufhin forderte das Studentenwerk Dresden ihn Anfang des Jahres 2003 auf, Angaben zu seinem gesamten Kapitalvermögen zu machen. Den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sich sein Sparvermögen im hier maßgeblichen Zeitraum auf ca. 4.400,00 bis 4.800,00 DM belief und dass seine Mutter einen von ihr erworbenen Bundesschatzbrief im Wert von 19.000,00 DM sowie einen Finanzschatzbrief im Wert von 5.000,00 DM zunächst auf den Namen seines Bruders angelegt und im Jahr 1999 auf ein unter seinem Namen eröffnetes Depot bei der Hypo-Vereinsbank transferiert hatte; die Zinsen sowie das Guthaben auf dem zugehörigen Konto nach Auslaufen der Wertpapiere sind unstreitig an die Mutter des Klägers geflossen, der der Kläger eine Vollmacht für Konto und Depot erteilt hatte.

Mit Bescheiden vom 9. Juli 2003 hob das Studentenwerk Dresden die Bewilligungsbescheide auf, setzte den monatlichen Förderbetrag auf 0,00 DM bzw. für den Zeitraum von Oktober 2001 bis September 2002 auf 435,50 DM fest und forderte einen Betrag in Höhe von insgesamt 10.783,80 DM zurück. Den hiergegen am 28. Juli 2003 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass dem Kläger alle auf seinen Namen laufenden Konten u.ä. zuzurechnen seien; maßgebend sei, dass er als Eigentümer benannt sei. Das gelte auch für die in verdeckter Treuhand für seine Mutter verwalteten Vermögensgegenstände, denn derjenige, der nach außen den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeuge, müsse sich hieran festhalten lassen. Einer Aufhebung der Leistungsbescheide stehe auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen, denn sie beruhten auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig gemacht habe.

Mit seiner am 11. August 2004 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Entgegen der in dem Widerspruchsbescheid geäußerten Auffassung treffe es nicht zu, dass für die Zuordnung von Vermögen rechtlich ausschließlich maßgebend sei, wer gegenüber dem Kreditinstitut als Forderungsgeber in Erscheinung trete. Unter den Begriff des Verwertungshindernisses i.S.d. § 27 Abs. 1 S. 1 BAföG könnten auch rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen wie die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses fallen. Den besonderen Nachweisverpflichtungen sei er nachgekommen. Das Treuhandverhältnis sei auch offenkundig gewesen.

Nachdem ein Feststellungsantrag des Klägers übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Bescheide des Studentenwerks Dresden vom 9. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Studentenwerks Berlin vom 21. Mai 2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. November 2006 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe zu den gemäß § 28 Abs. 1 BAföG maßgeblichen Zeitpunkten nicht über den jeweils geltenden Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG übersteigendes Vermögen verfügt. Von den unter dem Namen des Klägers angelegten Vermögenswerten sei ein Betrag von 24.000,00 DM für einen Bundes- und einen Finanzschatzbrief als nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG abzugsfähige Schuld abzusetzen, weil ein Herausgabeanspruch der Mutter des Klägers als eigentlicher Vermögensinhaberin und Treugeberin bestanden habe. Unerheblich sei, dass das vereinbarte Treuhandverhältnis möglicherweise nicht die Kriterien einer offengelegten Treuhand erfüllt und der Kläger sich bei Stellung des Freistellungsauftrages als Inhaber der fraglichen Vermögenswerte bezeichnet habe, denn für einen Rechtsgrundsatz, dass ein Sozialleistungsempfänger sich an einen von ihm gesetzten Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft festhalten lassen müsse, gebe es keine Rechtsgrundlage.

Der Beklagte hat am 23. Februar 2007 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Vermögen aus einem verdeckten Treuhandverhältnis, das bei der Beantragung von Ausbildungsförderung nicht offengelegt worden sei, sei grundsätzlich dem Vermögen des Treuhänders zuzurechnen. Der Antragsteller sei gesetzlich zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse verpflichtet. Decke ein Auszubildender bei der Antragstellung verdeckte Treuhandverhältnisse nicht auf, müsse er sich an dem von ihm erzeugten Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft festhalten lassen. Nach § 28 Abs. 3 BAföG seien zwar von dem Vermögen die bei der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen. Der Herausgabeanspruch des Treugebers könne aber bei wertender Betrachtung nicht als Schuld im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Andernfalls könnten verdeckte Treuhandkonten bei der Vermögensanrechnung nie berücksichtigt werden. Der Herausgabeanspruch müsse aber förderungsrechtlich außer Betracht bleiben, wenn das Treugut dem Vermögen des Treuhänders zuzurechnen sei und er den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft hervorgerufen habe. Zwar werde der Treunehmer gezwungen, das treuhänderisch verwaltete Vermögen für den eigenen Lebensunterhalt zu verwenden, weshalb er möglicherweise außer Stande gesetzt werde, den Herausgabeanspruch des Treugebers zu erfüllen. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung entspreche es aber der Rechtssystematik und billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs dem Treu-geber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandverhältnis ermöglicht habe und daraus ihm möglicherweise gar nicht zustehende Vorteile ziehe. Bei Nichtangabe von Treuhandvermögen beruhe der Bewilligungsbescheid auf Angaben, die der Auszubildende grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht habe, weshalb das Vertrauen auf den Bestand des Bescheides nicht schutzwürdig sei. Die Berufung auf eine Treuhandabrede, die zu den Angaben gegenüber den Finanzbehörden im Widerspruch stehe, sei darüber hinaus treuwidrig.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. November 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor: Zutreffend habe das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es einen Rechtsgrundsatz, wonach ein Sozialleistungsempfänger sich an einem von ihm gesetzten Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft festhalten lassen müsse, mangels Rechtsgrundlage nicht gebe und dass hinsichtlich eines behaupteten Treuhandverhältnisses eine Aufklärung im Einzelfall erfolgen müsse. § 26 BAföG, der die Vermögensanrechnung im Rahmen der Ausbildungsförderung regele, enthalte keine Ermächtigung dazu, das Vermögen des Auszubildenden nach einem "Rechtsschein" zu ermitteln. Auch der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Drittwiderspruchsklage sei kein Rechtsgrundsatz zu entnehmen, wonach der Treunehmer sich an einem Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen müsse. Für einen öffentlichen Leistungsträger sei eine behauptete Treuhandvereinbarung ebenfalls nicht rechtlich bedeutungslos; vielmehr seien bei einer verdeckten Treuhand die Umstände des Einzelfalls zu prüfen; erst nach Darlegung von Zweifeln könne im Rahmen der Beweislastverteilung auf einen Rechtsschein zurückgriffen werden. Allerdings treffe bei einem Rücknahme- und Rückforderungsbescheid die Behörde die Beweislast. Dem Kläger habe auch nicht bewusst gewesen sein müssen, dass er bei der Beantragung von Ausbildungsförderung zur Angabe des Treuhandvermögens verpflichtet gewesen sei; vielmehr habe er davon ausgehen können, dass nur das verwertbare Vermögen anzugeben sei. Im vorliegenden Fall liege kein Rechtsmissbrauch vor, weil die Mutter des Klägers Anspruch auf eine Nichtveranlagungsbescheinigung gehabt habe. Widersprüchliches Verhalten sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, weil er gegenüber dem Beklagten keine widersprüchlichen Angaben gemacht habe; die Angaben im Freistellungsantrag beträfen den Beklagten nicht.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide des Studentenwerks Dresden vom 9. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 21. Juli 2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen für die vollständige bzw. teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide des Studentenwerks Dresden vom 30. September 1999 sowie vom 28. Februar, 30. März und 30. Oktober 2001 lagen nicht vor. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X kann ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit unter den sich aus Absatz 2 bis 4 der Vorschrift ergebenden Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die aufgehobenen Bescheide sind aber nicht (ganz oder teilweise) rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Beklagten war dem Kläger Ausbildungsförderung ohne Anrechnung von Vermögen zu bewilligen. Die auf dem bei der Hypo-Vereinsbank eingerichteten Privat- und Depotkonto mit der Kontonummer 5450203132 zwischenzeitlich bestehenden Guthaben und verwahrten Wertpapiere sind dem Vermögen des Klägers schon nicht zuzurechnen, weil der Kläger diese aus rechtlichen Gründen nicht verwerten konnte (1). Jedenfalls ist die sich aus dem Treuhandverhältnis ergebende Rückzahlungsverpflichtung des Klägers als Schuld von dessen Vermögen abzuziehen (2).

1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BAföG gelten als Vermögen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie Forderungen und sonstige Rechte. Ansprüche aus Bankguthaben sowie Ansprüche gegen eine Wertpapiere verwahrende Bank stellen Forderungen im Sinne der Nr. 2 dieser Vorschrift dar. Wie dem vorgelegten Beleg über die Kontoeröffnung zu entnehmen ist, war der Kläger Inhaber des Privat- und Depotkontos und damit Gläubiger des jeweiligen Auszahlungsanspruchs. Dass er seiner Mutter eine Konto- und Depotvollmacht erteilt hatte, die diese zur Vornahme aller Geschäfte - auch zu ihren eigenen Gunsten - ermächtigte, die mit der Konto- und Depotführung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, spricht nicht gegen eine Zuordnung der Forderungen zu seinem Vermögen, denn aus dem Umstand, dass weitere Personen verfügungsbefugt sind, folgt keine rechtliche Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Kontoinhabers.

Die Kontoguthaben und Wertpapiere sind aber gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG nicht auf das Vermögen des Klägers anzurechnen, weil dieser auf Grund einer mit seiner Mutter abgeschlossenen Treuhandvereinbarung rechtlich an einer Verwertung der Vermögensgegenstände gehindert war. Aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist eine Verwertung, wenn ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot (§ 135 f. BGB) vorliegt. Ein derartiges Verbot besteht hier nicht. Angesichts des Zwecks der durch das 4. BAföG-Änderungsgesetz vom 26. April 1977 (BGBl. I. S. 653) eingefügten Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG, den Auszubildenden davor zu schützen, dass ihm infolge einer Vermögensanrechnung Ausbildungsförderung versagt wird, obwohl er das angerechnete Vermögen nicht für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes während seiner Ausbildung verwenden kann (vgl. BT-Drucksache 8/134 S. 8 zu Nrn. 8 u. 9; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1991 - 5 C 71.86 -, BVerwGE 87, 284), können aber auch rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen als rechtliche Verwertungshindernisse i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG Berücksichtigung finden. Ob und inwieweit einer rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung unterliegende Vermögensgegenstände vom Vermögensbegriff des Ausbildungsförderungsrechts umfasst sind, hängt allein davon ab, ob ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff rechtlich und tatsächlich - ganz oder teilweise - objektiv möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 5 B 182.99 -, Juris). Soweit die überwiegende Rechtsprechung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 2007 - 12 S 2539/06 -, Juris; BayVGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - 12 C 07.359 -, Juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 28. Juni 2007 - 4 LA 39/06 -, NVwZ-RR 2007, 779; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. November 2005 - 2 LA 89/05 -, Juris; OVG Bremen, Urteil vom 21. Februar 2007 - 2 A 245/05 -, NordÖR 2007, 220) das Vorliegen eines Verwertungshindernisses regelmäßig verneint, wenn der Auszubildende im Außenverhältnis wirksam über das Vermögen verfügen kann, verkennt sie, dass nach der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich für die Frage einer Verwertungsmöglichkeit Art und Inhalt der rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung sind (vgl. insbesondere BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1991, a.a.O. zu einem Mündelgeldvermerk). Eine Treuhandvereinbarung, die dem Treunehmer untersagt, die ihm im Außenverhältnis eingeräumte Verfügungsbefugnis über ihm übertragene Vermögenswerte dazu zu nutzen, das ihm treuhänderisch übertragene Vermögen zu eigenen Zwecken zu verwerten, stellt ein derartiges Verwertungshindernis dar, denn der Treunehmer wäre zwar tatsächlich und im Außenverhältnis rechtlich wirksam in der Lage, das Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu verwenden, würde damit aber die getroffene Treuhandabrede verletzen. In diesem Zusammenhang spielt keine Rolle, ob das Treuhandverhältnis gegenüber dem Studentenwerk oder/und den Finanzbehörden offengelegt wurde oder ob der Auszubildende das Vermögen in "verdeckter" Treuhand gehalten hat. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, dem zufolge ein Auszubildender an einem von ihm gesetzten "Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft" festgehalten werden kann (so aber BayVGH, Urteil vom 22. Januar 2007 - 12 BV 06.2105 -, FamRZ 2007, 1201 und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 3 Y 13/06 -, Juris). Ein solcher kann insbesondere der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht entnommen werden. Ein im Rahmen einer uneigennützigen Verwaltungstreuhand eingerichtetes Sonderkonto berechtigt den Treugeber auch bei fehlender Publizität des Treuhandkontos in der Insolvenz zur Aussonderung gemäß § 47 Insolvenzordnung und in der Einzelzwangsvollstreckung zum Widerspruch nach § 771 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - III ZR 422/04 -, BauR 2005, 1769). Diese rechtliche Bewertung entspricht auch der Rechtsprechung des Senats zur Vermögensanrechnung bei der Gewährung von Sozialhilfe, bei der die Regelung des § 88 des Bundessozialhilfegesetzes ebenfalls auf das "verwertbare" Vermögen abstellt (Beschluss des Senats vom 23. Oktober 2007 - OVG 6 M 32.06) sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der Vorschrift des § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 - B 11a AL 49/05. R -, Juris), die für die Vermögensanrechnung im Rahmen der Arbeitslosenhilfe gleichfalls die Verwertbarkeit des Vermögens voraussetzt. Einem möglichen Missbrauch ist vorzubeugen, indem hohe Anforderungen an den Nachweis einer verdeckten Treuhandvereinbarung gestellt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 2007 - 12 S 2539/06 -, Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 4 E 1153/06 -, FamRZ 2007, 943).

Der Kläger hat den Nachweis für das Vorliegen einer entsprechenden Treuhandvereinbarung mit seiner Mutter erbracht. Zwar hat er auf dem Eröffnungsantrag für das Privat- und Depotkonto bei der Hypo-Vereinsbank angegeben, für eigene Rechnung zu handeln und für die auf dem Privat- und dem Depotkonto befindlichen Vermögenswerte Freistellungsbeträge in Anspruch genommen, wodurch er gegenüber der Finanzverwaltung den Anschein erweckt hat, die Vermögenswerte stünden ihm auch wirtschaftlich zu. Allerdings hat er plausibel dargelegt und durch Vorlage von Kontoauszügen belegt, dass seine Mutter den Bundesschatzbrief über 19.000,00 DM im Jahre 1996 erworben und zunächst auf seinen Bruder Sören und im Jahr 1999 auf das vom Kläger auf seinen Namen neu eröffnete Konto bei der Hypo-Vereinsbank übertragen hatte. Für dieses Konto hatte er seiner Mutter bereits bei dessen Eröffnung eine Kontovollmacht erteilt. Die jährlich gezahlten Zinsen aus dem Bundesschatzbrief wurden, soweit das den vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, von der Mutter des Klägers abgehoben. Ausweislich eines Kontoauszugs vom 11. Juni 2002 wurde an diesem Tag der Erlös aus der Veräußerung des Bundesschatzbriefes auf ein Konto der Mutter des Klägers bei der Finanzbank Holland überwiesen. Auch der Finanzschatzbrief über 5.000,00 DM wurde ausweislich eines vorgelegten Kontoauszugs im Jahr 1999 von einem Konto des Bruders des Klägers auf das neu eröffnete Konto des Klägers übertragen. Im Januar 2000 lief der Finanzschatzbrief aus; der Erlös wurde gemeinsam mit Zinsen für den Bundesschatzbrief von der Mutter des Klägers in bar abgehoben. Auf dem Konto befanden sich ausschließlich Vermögenswerte, die der Kläger für seine Mutter treuhänderisch verwaltete; eine Vermischung mit sonstigem Vermögen des Klägers hat somit nicht stattgefunden.

2. Selbst wenn abweichend von den obigen Ausführungen davon ausgegangen wird, dass die treuhänderisch verwalteten Vermögenswerte auf das Vermögen des Klägers anzurechnen sind, führt dies nicht zu einer Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide. Die auf Grund des Treuhandverhältnisses bestehende Rückzahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seiner Mutter ist jedenfalls gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG als Schuld von dem ermittelten Gesamtvermögen des Klägers in Abzug zu bringen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann es nicht im Wege der wertenden Betrachtung grundsätzlich abgelehnt werden, im Falle einer verdeckten, nicht unmittelbar bei der Antragstellung dem Studentenwerk angezeigten Treuhand den Herausgabeanspruch des Treugebers als Schuld i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG zu berücksichtigen. Für eine derart einschränkende Auslegung bietet der Wortlaut der Vorschrift keine Anhaltspunkte. Auch Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen eine solche Einschränkung nicht. Die Anrechnung von Schulden dient ebenso wie die Nichtberücksichtigung von für den Auszubildenden nicht verwertbaren Vermögensgegenständen dazu, sicherzustellen, dass der Auszubildende nicht auf Grund der Vermögensanrechnung in eine Lage versetzt wird, in der er nicht mehr über die erforderlichen Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und seiner Ausbildung verfügt. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn Auszubildende, bei denen nachträglich Vermögenswerte festgestellt werden, daran gehindert wären, die mit diesen verbundenen Schulden geltend zu machen. Eine Berücksichtigung des Auskehranspruchs des Treugebers als Schuld des Treunehmers auch im Falle einer verdeckten, bei der Beantragung von Ausbildungsförderung nicht angegebenen Treuhandverhältnissen läuft auch nicht darauf hinaus, dass derartige Treuhandkonten bei der Vermögensanrechnung stets außer Betracht zu bleiben haben. Schulden i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind nur solche Forderungen, mit deren Geltendmachung der Auszubildende während des streitigen Bewilligungszeitraums oder in absehbarer Zeit ernstlich rechnen muss (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 2007 - 12 S 2539/06 -, Juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. November 2005 - 2 LA 89/05, Juris).

Wie oben ausgeführt, hat der Kläger das Vorliegen einer Treuhandvereinbarung mit seiner Mutter nachgewiesen. Er musste auch mit einer Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs seiner Mutter während des Bewilligungszeitraums rechnen, denn der Finanzschatzbrief lief im Jahre 2000 aus. Der Bundesschatzbrief warf jährlich Zinsen ab und lief im Jahre 2002 ebenfalls aus. Es lag deshalb nahe, dass seine Mutter zu den Terminen, zu denen die Schatzbriefe abgerechnet wurden und zu denen jeweils Zinsüberweisungen erfolgten, entsprechende Summen von dem Konto des Klägers abheben würde.

3. Das anrechenbare Vermögen des Klägers betrug somit ausweislich der zu den Akten gereichten Kontoauszüge zum 3. August 1999 lediglich 4.814,05 DM, zum 3. September 2000 4.703,68 DM und zum 17. September 2001 4.471,29 DM; die jeweils geltenden Freibeträge nach § 29 Abs. 1 BAföG in Höhe von 6.000,00 DM (§ 29 Abs. 1 in der ab dem 16. Juni 1986 geltenden Fassung), 10.000,00 DM (§ 29 Abs. 1 in der ab dem 1. April 2001 geltenden Fassung) sowie 5.200,00 Euro (§ 29 Abs. 1 in der ab dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung) wurden mithin nicht überschritten. Eine vollständige oder teilweise Rücknahme der dem Kläger erteilten Bewilligungsbescheide scheidet also aus. Da somit auch die Voraussetzung für eine Rückforderung erbrachter Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X entfallen ist, waren die angefochtenen Bescheide vollständig aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, weil im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte ein höchstrichterlicher Klärungsbedarf besteht.

Ende der Entscheidung

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