Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: OVG 6 N 169.05
Rechtsgebiete: BAföG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

BAföG § 47 a
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 124 a Abs. 5 Satz 2
VwGO § 173 Satz 1
ZPO § 240 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 N 169.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 1. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. November 2004 wird zugelassen.

Gründe:

Der Beklagte hat durch Bescheid einen Ersatzanspruch nach § 47 a BAföG gegenüber dem Vater einer Auszubildenden, Herrn H., festgesetzt, wogegen dieser beim Verwaltungsgericht Klage erhoben hat. Über das Vermögen des Herrn H. ist mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 1. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, da dieser zahlungsunfähig war. Das Verwaltungsgericht hat im Klageverfahren am 30. November 2004 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Danach ist ein die Klage abweisendes Urteil ergangen gegen das sich der Antrag auf Zulassung der Berufung richtet.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung des Insolvenzverwalters, der als Partei kraft Amtes in eigener Parteistellung die Rechte des Schuldners Herrn H. wahrt (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 51 Rdnr. 7), ist statthaft. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung ist grundsätzlich nur statthaft, wenn er sich gegen eine Entscheidung richtet, die ergangen ist, d.h. durch Verkündung oder Zustellung zumindest an einen Beteiligten wirksam geworden ist (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 124 Rdnr. 34; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Rdnr. 19; vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 1 A 2904/00.A -, NVwZ-RR 2001, S. 409). Dies ist hier der Fall. Unabhängig davon, ob das angefochtene Urteil infolge der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO) noch wirksam dem Herrn H. oder dem Insolvenzverwalter zugestellt werden konnte, ist es mit der wirksamen Zustellung an den Beklagten am 16. Dezember 2004 existent geworden, weshalb der Insolvenzverwalter die Möglichkeit haben muss, den jedenfalls bestehenden äußeren Schein einer gerichtlichen Entscheidung zu beseitigen. Eine gerichtliche Entscheidung, die während einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO ergeht, ist nämlich nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 31. März 2004 - XII ZR 167/00 - FamRZ, 2004 S. 867 m.w.N.; Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 249 Anm. 3).

Die Berufung ist hier gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, weil der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Nach vorgenannter Norm ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Verfahrensmangel liegt insbesondere vor, wenn trotz einer Unterbrechung eines Verfahrens eine Entscheidung in der Sache ergeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1998 - 7 B 248.98 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 129, Urteil vom 9. Juni 1977 - III C 82.76 - Buchholz 303 § 239 ZPO Nr. 1). Der Kläger hat hier der Sache nach zutreffend dargelegt, dass das Klageverfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen war, weil das Amtsgericht Leipzig mit Beschluss vom 1. November 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn H. eröffnet hat und der vom Beklagten festgesetzte Ersatzanspruch nach § 47a BAföG aus dem Vermögen des Herrn H. zu erfüllen wäre, also die Insolvenzmasse betrifft. Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht während des Unterbrechungszeitraums, also vor Aufnahme des Verfahrens (vgl. § 85 Abs. 1 InsO), eine mündliche Verhandlung durchgeführt und das angegriffene Urteil ist - obwohl ausweislich des Verhandlungsprotokolls die erkennende Einzelrichterin auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausdrücklich hingewiesen wurde - ergangen. Dies stellt einen Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück