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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: OVG 6 S 1.08
Rechtsgebiete: GG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
1. Zur Bedeutung von standardisierten Beurteilungsmerkmalen für das Gesamturteil (die Gesamtnote) einer dienstlichen Beurteilung

2. Trotz des Bewerbungsverfahrensanspruchs besteht kein Anordnungsgrund, die (vorläufige) Wahrnehmung der konkreten Aufgaben des Beförderungsdienstpostens durch den (fehlerhaft) ausgewählten Konkurrenten zu untersagen, wenn ausnahmsweise u.a. wegen des nicht allein auf diese Aufgabenwahrnehmung zugeschnittenen Eignungsprofils des zu vergebenen Beförderungsstatusamts kein nennenswerter tatsächlicher Bewährungsvorsprung entstehen kann.


OVG 6 S 1.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Oerke am 31. März 2008 beschlossen:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 geändert:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung eines Bescheides über den Widerspruch des Antragstellers vom 23. Juli 2007 gegen die Mitteilung seiner Nichtauswahl im Rahmen der A 16-Auswertung für den Versetzungstermin Juli 2007 die Beigeladenen zu 1., 2., 3., 5. und 9. in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 16 zu befördern.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3; ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte; ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und teilweise begründet. Nach dem aufgrund ihres Vorbringens für den Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO maßgeblichen Prüfungsstoff hat das Verwaltungsgericht zwar zu Recht eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers im Verhältnis zu den im Beschwerdeverfahren noch beteiligten Beigeladenen festgestellt und eine Beförderung dieser Beigeladenen in Statusämter nach Besoldungsgruppe A 16 untersagt. Es besteht jedoch kein Anordnungsgrund für die im angegriffenen Beschluss darüber hinaus ausgesprochene Untersagung, diese Beigeladenen auf mit der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten zu verwenden. Der angegriffene Beschluss war daher wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers im Wesentlichen damit begründet, dass der Auswahlentscheidung u. a. die aktuelle dienstliche Beurteilung vom 8. Juni 2006 zugrunde gelegt worden sei, die in ihren Aussagen sowohl Lücken als auch Widersprüche aufweise und wegen der für einzelne Beurteilungsmerkmale vergebenen großen Anzahl an Höchstbewertungen insbesondere mit Blick auf die Beurteilungen der noch beteiligten Beigeladenen auch das Gesamturteil "D" nicht plausibel erscheinen lasse. Der Antragsteller habe einen Anspruch darauf, dass der Auswahlentscheidung eine fehlerfrei erstellte dienstliche Beurteilung zugrunde gelegt werde. Bei einer Neuerstellung der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2006 sei nicht auszuschließen, dass der Antragsteller den noch beteiligten Beigeladenen vorzuziehen sei, dies sei sogar mit Blick auf die diesen vergebenen geringere Anzahl an Höchstnoten für einzelne Beurteilungsmerkmale wahrscheinlich. Die mit der Beschwerde dagegen vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen keine andere Entscheidung.

a. Der Antragsteller erhielt in der vom Verwaltungsgericht für fehlerhaft erkannten dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2006 bei den unter C.I. bis IV. aufgeführten 20 Beurteilungsmerkmalen neun Höchstbewertungen. Diese bezogen sich auf die Merkmale Konfliktverhalten (I.3.), Verhalten gegenüber Vorgesetzten (I.4.), Vorbildfunktion, Förderung eines positiven Arbeitsklimas (II.3.), Entscheidungs- und Verantwortungsbereitschaft (II.5.), Anstrengungsbereitschaft, Engagement (III.4.), Konzeptionelles Denken (IV.2.), Kreativität, Initiative (IV.4.), Fachkenntnis (IV.5.) und Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Effizienz (IV.6.). Sechs der aufgeführten Beurteilungsmerkmale waren für das vom Antragsteller wahrgenommene Aufgabengebiet am Generalkonsulat Dubai und seine Tätigkeit als Generalkonsul als besonders wichtig gekennzeichnet. Es handelte sich dabei um die unter II.3., II.5., III.4., IV.4. und IV.5. aufgeführten Merkmale, für die der Antragsteller Höchstbewertungen erhalten hatte; lediglich für das unter I.1. aufgeführte und ebenfalls als besonders wichtig gekennzeichnete Merkmal der Kontaktfähigkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen hatte der Antragsteller die zweitbeste Bewertung erhalten. Bei den Merkmalen Delegation, Anleitung und Förderung (II.1.) und Motivationskraft (II.2.) fehlte eine Bewertung, der Beurteiler kreuzte bei diesen Merkmalen in der für Beurteilungsgrundlage vorgesehenen Rubrik die Ziffer 4 an, die wie folgt definiert ist: "Dieses Merkmal kann nicht beurteilt werden, weil der Beurteilte keine Gelegenheit hatte, die beschriebenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen." Bei den weiteren nicht mit Höchstnoten bewerteten Beurteilungsmerkmalen erhielt der Antragsteller bis auf eine Ausnahme jeweils die zweithöchste Bewertung, die schlechteste Bewertungsstufe wurde bei keinem Merkmal vergeben. In der unter D.I. dargelegten ausführlichen Würdigung der Eignung und Leistung bemerkte der Beurteiler abschließend zu den ansonsten sehr positiven Feststellungen über den Antragsteller: "Es wäre zu wünschen, dass er bisweilen noch mehr die Prioritäten seines Aufgabenbereiches definiert, um sich selbst davor zu bewahren, von der Fülle der Aufgabenlast erdrückt zu werden." Zusammenfassend wurden die Eignung und Leistung des Antragstellers unter D.III. mit dem Buchstaben "D" (übertrifft die Anforderungen in signifikanter Weise) bewertet. Diese Bewertung wurde zusätzlich noch mit einem "plus" gekennzeichnet. Nach den Erläuterungen des Beurteilungsvordrucks ist die Bewertung "D" jenen Personen vorbehalten, die aus dem bereits hohen Gesamtniveau der Beschäftigten des Auswärtigen Amts durch besondere Leistungen und Fähigkeiten während des gesamten Beurteilungszeitraums deutlich herausragen und auf der Gesamtskala (einschließlich Stufe E) ohne Bedenken ins erste Drittel eingereiht werden können.

Die Antragsgegnerin bestreitet bereits zu Unrecht das Vorliegen einer lückenhaften Beurteilung. Die unter II.1. und II.2. aufgeführten Beurteilungsmerkmale weisen eindeutig keine Bewertung auf. Der Hinweis des Beurteilers, der Beurteilte habe keine Gelegenheit gehabt, die unter diesen Merkmalen erfassten Leistungen und Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, ist unzutreffend. Schon die Beschreibungen unter D.I. der dienstlichen Beurteilung machen deutlich, dass der Antragsteller eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen hatte und über ihm unterstellte Mitarbeiter verfügte. Gerade die kritisch angesprochene Gefahr für den Antragsteller, von der Fülle der Aufgabenlast erdrückt zu werden, sowie die vom Beurteiler erwünschte bessere Prioritätensetzung betreffen u.a. die zu den Führungsmerkmalen gehörende Delegations-, Anleitungs- und Förderungsfähigkeit sowie die Motivationskraft. Die fehlerhafte Kennzeichnung der unter II.1. und II.2. aufgeführten Beurteilungsmerkmale als nicht beurteilbar widerspricht ferner der vom Beurteiler nachträglich abgegebenen Stellungnahme vom 22. August 2007 und wird nunmehr von der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung eingeräumt. Darin wird die Nichtbewertung dieser Beurteilungsmerkmale damit begründet, dass das Verhältnis des Antragstellers zu seinen Untergebenen nicht bekannt gewesen sei; im Nachhinein könne gesagt werden, dass das Führungsverhalten nicht zu beanstanden sei, durch stärkere Delegation jedoch noch bessere Ergebnisse hätten erzielt werden können; das Gesamtergebnis "D" wurde ausdrücklich bestätigt. Dass für die Leitung eines Generalkonsulats die Delegations-, Anleitungs- und Förderungsfähigkeit regelmäßig unter Beweis zu stellen und sogar von besonderer Wichtigkeit ist, wird schließlich auch aus der für den Antragsteller erstellten dienstlichen Beurteilung vom 27. Mai 2004 deutlich, die seine Tätigkeit als stellvertretender Leiter des Generalkonsulats San Francisco betrifft. Vergleichbares gilt für die Motivationsfähigkeit. Beide Beurteilungsmerkmale wurden in der dienstlichen Beurteilung vom 27. Mai 2004 mit dem zweitbesten Prädikat bewertet.

Die fehlende Bewertung zweier Beurteilungsmerkmale aus dem für die Auswahlentscheidung besonders wichtigen Bereich der Führungsfähigkeiten ist weder durch die unter D.I. vorgenommene verbale ausführliche Würdigung oder einzelne dort getroffene Feststellungen noch durch die spätere ergänzende Stellungnahme des Beurteilers vom 22. August 2007 ersetzt oder kompensiert worden. Die Antragsgegnerin verkennt mit ihrem Beschwerdevorbringen insoweit das von ihr selbst etablierte Beurteilungssystem und die im hier maßgeblichen Runderlass vom 24. Mai 2002 insbesondere zur Bedeutung der Beurteilungsmerkmale aufgestellten Richtlinien. Danach sind die Bewertungen der einzelnen typisierten Beurteilungsmerkmale - unter Berücksichtigung ihrer besonderen Kennzeichnung als wichtig - die Grundlage des in der dienstlichen Beurteilung unter D.III. zu bildenden Gesamturteils (vgl. Ziffer 6.9. der Beurteilungsrichtlinien), sie prägen die Gesamtwürdigung der Eignung und Leistung und machen die zusammenfassende Bewertung nachvollziehbar (Ziffer 6.6. der Beurteilungsrichtlinien). Nach dem Verständnis der Antragsgegnerin sind sämtliche Tätigkeiten im Auswärtigen Dienst mit den vorhandenen Beurteilungsmerkmalen zu beschreiben; alle Beurteilungsmerkmale sind in jeder Beschäftigtengruppe anwendbar und es gibt kein Merkmal, das grundsätzlich nur in bestimmten Gruppen zu beobachten ist (Ziffer 6.3. der Beurteilungsrichtlinien, vgl. allgemein zur Vollständigkeit auch Ziffer 6.1. der Beurteilungsrichtlinien). Die unter D.I. des Beurteilungsvordrucks vorgesehene ausführliche verbale Einschätzung, die anders als die unter C.I. bis IV. aufgeführten typisierten Beurteilungsmerkmale der nicht formalisierten Beschreibung der Leistungen und Verhaltensweisen dient, dürfte daher bereits grundsätzlich nicht die unter C.I. bis IV. geforderte Bewertung einzelner Beurteilungsmerkmale ersetzen können. Im Übrigen enthalten auch die Ausführungen unter D.I. keine Aussagen, die in das Bewertungsschema für die Beurteilungsmerkmale "x, y, z, y, x" bzw. "a, b, c, d, e" transferiert werden könnten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der kritischen Bemerkung am Ende (Prioritätensetzung durch den Antragsteller und Gefahr der Erdrückung durch die Fülle der Aufgaben), zumal die dienstliche Beurteilung zum Beurteilungsmerkmal des Planungs- und Organisationsvermögens sowie der Prioritätensetzung (II.4.) die Bewertung "b" (Überschaut die allfälligen Probleme seines/ihres Arbeitsbereiches, besitzt einen geübten Blick für das Wesentliche; teilt sich die Zeit bewusst nach der Wichtigkeit und Eilbedürftigkeit der Aufgaben ein; erkennt mögliche Schwierigkeiten bereits frühzeitig und reagiert mit Umsicht; handelt zielstrebig und flexibel auch in Notlagen) aufweist. Insoweit dürfte die dienstliche Beurteilung auch nicht widerspruchsfrei sein. Die ergänzenden Bemerkungen des Beurteilers vom 22. August 2007, die schon wegen ihrer späten Erstellung keine Berücksichtigung mehr im Auswahlvermerk vom 16. Juli 2007 und damit bei der Auswahlentscheidung fanden, enthalten ebenfalls keine in das Beurteilungsschema für die Beurteilungsmerkmale transferierbaren Aussagen; das Führungsverhalten wird ausdrücklich nicht beanstandet, eine stärkere Delegation wurde lediglich als förderlich gewertet.

b. Das unter D.III. vergebene Gesamturteil "D" erscheint insbesondere im Vergleich mit den noch beteiligten Beigeladenen nicht plausibel. Dies folgt aus der Anzahl der für die einzelnen Beurteilungsmerkmale erteilten neun Höchstbewertungen, von denen fünf von insgesamt sechs Beurteilungsmerkmalen als für das Tätigkeitsfeld des Antragstellers besonders wichtig gekennzeichnet sind. Demgegenüber weisen die Beigeladene zu 1. fünf Höchstbewertungen (Beurteilung vom 27. Juni 2006) bzw. sieben Höchstbewertungen (Beurteilung vom 11. Juli 2005), die Beigeladene zu 2. sieben Höchstbewertungen (Beurteilung vom 20. Juni 2006), der Beigeladene zu 5. fünf Höchstbewertungen (Beurteilung vom 12. Juli 2006) und die Beigeladene zu 9. acht Höchstbewertungen (Beurteilung vom 9. Juni 2006) auf; lediglich der Beigeladene zu 3. erhielt dieselbe Anzahl von Höchstbewertungen (Beurteilung vom 28. April 2006) wie der Antragsteller. Auch hinsichtlich der für das Tätigkeitsfeld als wichtig gekennzeichneten Merkmale und die dafür vergebenen Höchstbewertungen steht der Antragsteller nicht schlechter bzw. besser als die genannten Beigeladenen da. Bei der Beigeladenen zu 1. sind keine Beurteilungsmerkmale (Beurteilung vom 27. Juni 2006) bzw. neun Beurteilungsmerkmale (Beurteilung vom 11. Juli 2005) als wichtig gekennzeichnet, auf letztere entfielen sechs Höchstbewertungen; bei der Beigeladenen zu 2. entfielen fünf Höchstbewertungen auf insgesamt fünf mit wichtig gekennzeichnete Beurteilungsmerkmale; beim Beigeladenen zu 3. acht Höchstbewertungen auf insgesamt neun mit wichtig gekennzeichnete Beurteilungsmerkmale, beim Beigeladenen zu 5. drei Höchstbewertungen auf insgesamt neun mit wichtig gekennzeichnete Beurteilungsmerkmale und bei der Beigeladenen zu 9. acht Höchstbewertungen auf insgesamt elf mit wichtig gekennzeichnete Beurteilungsmerkmale. Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen zur ersten Auswahlrunde vom 6. Juni 2007 (OVG 6 S 6.07 und 7.07) festgestellt hat, ergibt sich das Gesamtergebnis zwar nicht arithmetisch aus den für die einzelnen Beurteilungsmerkmale vergebenen Bewertungen; aus der Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale ist jedoch gemäß Ziffer 6.9. der bereits zitierten maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien vom 24. Mai 2002 unter Würdigung der vorgenommenen Gewichtung und des Gesamtbildes der Leistung eine zusammenfassende Bewertung zu bilden. Die zusammenfassende Bewertung ist damit mehr als das arithmetische Mittel der Einzelbewertungen, sie muss aber mit diesen vereinbar und nachvollziehbar sein. Ziffer 6.9. der Beurteilungsrichtlinien vom 24. Mai 2002 sieht bei erkennbaren Widersprüchen ausdrücklich vor, dass das Personalreferat die Beurteilung zur Überprüfung an die Erstbeurteilerin oder den Erstbeurteiler zurückgibt. Die Antragsgegnerin hat auch durch Erwähnung der Einzelbewertungen in den zum Auswahlvermerk vom 21. September 2006 gefertigten Steckbriefen zum Ausdruck gebracht, dass sie diesen Einzelnoten aus Gründen der Einheitlichkeit und der gesteigerten Objektivität ihrer Beurteilungen eine hohe Aussagekraft beimisst. Allerdings wird kein System erkennbar, ab welcher Größenordnung von Einzelhöchstnoten die Vergabe einer Spitzengesamtnote nachvollziehbar erwartet werden kann. Das aus den Steckbriefen zum ersten Auswahlvermerk vom 21. September 2006 ersichtliche Vergabespektrum bei der Spitzengesamtnote "E" reichte von fünf bis zu 20 Höchstnoten. Bei der zweitbesten Gesamtnote ("D") wurden eine bis zehn Höchstnoten vergeben. Die Antragsgegnerin hat bei der aufgrund der Entscheidung des Senats vom 6. Juni 2007 (a.a.O.) erneut durchgeführten Auswahlentscheidung hinsichtlich der Wiedergabe der berücksichtigten dienstlichen Beurteilungen weitgehend unveränderte Steckbriefe herangezogen (vgl. Auswahlvermerk vom 16. Juli 2007). Die festgestellten Plausibilitätsdefizite bestehen fort, dies gilt insbesondere für die hier streitbefangene dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 8. Juni 2006 wegen der dort für einzelne Beurteilungsmerkmale vergebenen großen Anzahl von Höchstbewertungen und der durch den Beurteiler im Rahmen seines Beurteilungsspielraums vorgenommenen Gewichtung einzelner Beurteilungsmerkmale durch ihre besondere Kennzeichnung als wichtig. Vor diesem Hintergrund wird die Plausibilität auch nicht entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung durch die ergänzende Stellungnahme des Beurteilers vom 22. August 2007 hergestellt, in der trotz und in Kenntnis der bei einzelnen Beurteilungsmerkmalen vergebenen Spitzenbewertungen und vorgenommenen Gewichtung ausdrücklich am Gesamturteil "D" festgehalten wird. Die in der Stellungnahme vom 22. August 2007 ausgesprochene Kritik ist ebenso wie die in der verbalen ausführlichen Würdigung unter D.I. der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2007 zu verhalten, um das Gesamtergebnis in der von der Antragsgegnerin gewünschten Weise zu relativieren. Der Verfasser der Beurteilung vom 8. Juni 2006 hat offensichtlich die in den maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien vom 24. Mai 2002 festgelegten Maßstäbe nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und umgesetzt.

c. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Wiederholung der Auswahlentscheidung unter Zugrundelegung einer rechtsfehlerfrei für den Antragsteller erstellten dienstlichen Beurteilung dieser den noch beteiligten Beigeladenen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzuziehen ist (vgl. zum Maßstab BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427). Wie oben unter b. bereits dargelegt worden ist, erreichten die Beigeladenen zu 1., 2., 5. und 9. weniger Höchstbewertungen als der Antragsteller bei einzelnen Beurteilungsmerkmalen und stehen auch hinsichtlich der von den jeweiligen Beurteilern vorgenommenen Gewichtungen nicht besser als dieser da; lediglich der Beigeladene zu 3. erreichte dieselbe Anzahl an Höchstbewertungen. Hinzu kommt, dass bis auf die Beigeladene zu 9. alle Beigeladenen nur jeweils eine Höchstbewertung bei den nach Auffassung der Antragsgegnerin für die zu besetzenden Beförderungsdienstposten besonders bedeutsamen Führungskompetenzen aufweisen. Der Antragsteller erreichte ebenso wie die Beigeladene zu 9. bei diesen Merkmalen zwei Höchstbewertungen. Die Antragsgegnerin sieht ferner die Gruppe der Bewerber, die in ihrer aktuellen, mit der Gesamtnote "E" abschließenden dienstlichen Beurteilung 9 bis 17 Höchstbewertungen erreichten, als eignungs- und leistungsmäßig bei der Auswahl zwingend zu berücksichtigende Spitzengruppe an. Bei den ebenfalls aktuell mit der Gesamtnote "E" beurteilten Bewerbern, die weniger als neun Höchstbewertungen erreichten, hält sie einen eignungs- und leistungsmäßigen Gleichstand für gegeben und hat wegen der Unterrepräsentanz von Frauen diesen bei entsprechender Beurteilung den Vorzug bei der Auswahl gegeben. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass nach dem in den Beurteilungsrichtlinien festgelegten Beurteilungssystem und der daraus folgenden Bedeutung der Einzelbewertungen das Gesamturteil der Beigeladenen nicht unumstößlich feststehen muss. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis des Antragstellers auf eine "inflationäre" Vergabe der Spitzengesamtnote "E" von Relevanz. Denn nach der in Ziffer 6.9. der Beurteilungsrichtlinien vom 24. Mai 2002 festgelegten Definition kennzeichnet die Spitzenbewertung "E" leistungsmäßige Ausnahmeerscheinungen, denen man mit der Bewertung "D" nicht gerecht werden könnte; ihrem Charakter können auch stets überdurchschnittliche Leistungen nicht entsprechen. Erforderlich sind herausragende Leistungen über die gesamte Dauer des Beurteilungszeitraums, wie sie nur bei einer sehr kleinen Minderheit hoch qualifizierter Beschäftigter zu finden sind. Vor diesem Hintergrund hat sich die Antragsgegnerin zu fragen, ob z.B. bereits bei einer Anzahl von unter neun Höchstbewertungen die Vergabe der Spitzengesamtnote "E" in Betracht kommen kann. Zur Wahrung der Rechte der Bewerber aus Art. 33 GG hat sie jedenfalls auf eine gleichmäßige Vorgehensweise und Einhaltung der Beurteilungsrichtlinien bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilungen zu achten, was nach dem oben skizzierten Bild und der bereits in den Beschlüssen des Senats vom 6. Juni 2007 (a.a.O.) getroffenen Feststellungen bisher nicht als gegeben angesehen werden kann. Fragen zur Anwendung des Bundesgleichstellungsgesetzes stellen sich für den Senat in diesem Verfahrensstand nicht.

2. Der Antragsteller kann nicht verlangen, dass bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung eines Widerspruchsbescheids die Beigeladenen nicht auf mit der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten verwendet werden. Für die vom Verwaltungsgericht insoweit ausgesprochene einstweilige Anordnung fehlt bei der Beigeladenen zu 9. schon der Anordnungsgrund, weil diese in der Deutschen Botschaft New Delhi auf einem mit der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten verwendet wird und eine höherwertige Verwendung vor dem nächsten einheitlichen Versetzungstermin nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hält der Senat zwar an der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts, die der Rechtsprechung inzwischen fast ausnahmslos aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe sowie auch der Auffassung der Antragsgegnerin entspricht, fest, wonach im Falle der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs grundsätzlich ebenfalls ein Anordnungsgrund für die vorläufige Untersagung der Verwendung des ausgewählten Bewerbers auf dem Beförderungsdienstposten gesehen wird (OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. Mai und 4. Dezember 2007 - OVG 4 S 13.07 und OVG 6 S 16.07 -, m.w.N.). Aufgrund der bei der hier streitigen Beförderungsrunde gegebenen Besonderheiten muss jedoch trotz Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers ein Anordnungsgrund für die begehrte Untersagung einer höherwertigen Verwendung der Beigeladenen ausnahmsweise verneint werden. Die Gefahr der Erlangung eines tatsächlichen Bewährungsvorsprungs, deren Abwendung die begehrte Untersagung vorrangig dient, ist bei den von den Beigeladenen zu 1., 2., 3. und 5. tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben unbeschadet der ursprünglichen (und während des anhängigen Verfahrens zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen herab gestuften) Bewertung im Sinne des § 18 BBesG gering und rechtfertigt keinen wie hier folgenschweren Eingriff in die der Antragsgegnerin als Dienstherrin grundsätzlich zustehende Organisationshoheit.

Die Tätigkeit im Auswärtigen Amt unterscheidet sich von der in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes u.a. wesentlich dadurch, dass die Bediensteten einer ständigen Änderung ihres Aufgabengebietes unterworfen sind und ihre Dienstposten regelmäßig in Abständen von etwa drei Jahren wechseln. Entscheidendes Auswahlkriterium für die Beamten des Auswärtigen Amtes ist daher die Eignung und Einsetzbarkeit für alle in der Laufbahn anfallenden unterschiedlichen Aufgaben und Tätigkeiten. Gefordert ist der so genannte Generalist, weshalb die Antragsgegnerin unter Beachtung des Aktualitätsgebots bei ihren Auswahlentscheidungen von vornherein die drei letzten dienstlichen Beurteilungen, die sich in der Regel insbesondere auf Tätigkeiten in der Zentrale und Vertretungen im Ausland beziehen, in den Blick genommen hat. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie im Einzelnen dargelegt, welche Tätigkeiten die Beigeladenen als Referenten ausüben und dass Referententätigkeiten an ausländischen Vertretungen bei vergleichbarem Aufgabengebiet sowohl mit der Besoldungsgruppe A 15 als auch mit der Besoldungsgruppe A 16 bewertet seien, die Bewertung von der Größe und politischen Bedeutung der Vertretung sowie regionalen Gegebenheiten abhänge und Änderungen unterliege. Ähnliches gilt für den vom Antragsteller wahrgenommenen Posten als Generalkonsul in Thessaloniki. Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin sind die Dienstposten als Leiter eines Generalkonsulats nach den Besoldungsgruppen A 15 bis B 6 bewertet, auch diese Bewertungen unterliegen Änderungen. Zwar sind Referentenstellen der Besoldungsgruppen A 15 und A 16 nicht in der Art einer "Topfwirtschaft" in einer Gruppe zusammengefasst, wie dies bei Referentenstellen der Besoldungsgruppen A 13 bis A 15 der Fall ist. Wegen des im Wesentlichen gleichartigen Tätigkeitsfeldes und Anforderungsprofils von mit der Besoldungsgruppe A 15 und mit der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten können die Beigeladenen jedoch trotz höherer besoldungsrechtlicher Bewertung ihrer Dienstposten keinen bei der erneut durchzuführenden Auswahlentscheidung ausschlaggebenden tatsächlichen Bewährungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller erlangen, der ebenfalls Aufgaben wahrnimmt, die unterschiedlichen Besoldungsgruppen zugeordnet sind. Die Ausgangslage unterscheidet sich daher von der bei Konkurrentenstreitigkeiten typischen Fallkonstellation, bei der das für die Bestenauslese maßgebliche Eignungsprofil u.a. wesentlich durch das konkrete Aufgabengebiet des Beförderungsdienstpostens bestimmt wird. Nur in derartigen Fällen kann die vorübergehende Wahrnehmung der Aufgaben durch den fehlerhaft ausgewählten Bewerber einen tatsächlichen Bewährungsvorsprung nach sich ziehen. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass wegen der Kopplung der Auswahlentscheidungen an die einheitlichen Versetzungstermine, der großen Anzahl von 29 Beförderungsstellen bei 79 Bewerbern und nicht zuletzt der in der ersten Instanz noch anhängigen Konkurrentenstreitigkeiten mit anderen Beigeladenen die Rückgängigmachung der auf Beförderungsdienstposten versetzten ausgewählten Bewerber erhebliche organisatorische Folgerungen für die Antragsgegnerin mit sich bringen und schwer in ihre Organisationshoheit eingreifen würde.

3. Die Kostenentscheidung folgt für die Hauptbeteiligten aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Deshalb waren sie nicht an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Wegen des dadurch vermiedenen Kostenrisikos entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Werts des Verfahrensgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Senat hat das oben unter 2. behandelte Begehren des Antragstellers eigenständig mit 5.000 Euro bewertet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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