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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 10.04.2006
Aktenzeichen: OVG 6 S 2.06
Rechtsgebiete: SGB VIII, KitaG Bbg, VwGO


Vorschriften:

SGB VIII § 3 Abs. 2
SGB VIII § 24
SGB VIII § 69
SGB VIII § 79
SGB VIII § 85
KitaG Bbg § 1
KitaG Bbg § 2
KitaG Bbg § 3
KitaG Bbg § 12
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 2
1. Hat eine Gemeinde durch Vertrag mit dem Landkreis nach § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG Bbg die Aufgabe übernommen, die Kindertagesbetreuung nach § 1 KitaG zu gewährleisten und die erforderlichen Bescheide zu erlassen, so ist sie im Verfahren des auf Zuweisung eines Kita-Platzes gerichteten einstweiligen Rechtsschutzes passiv legitimiert.

2. Kinder, die das zweite Lebensjahr vollendet haben und deren Eltern erwerbstätig sind, haben bereits vor der Vollendung des 3. Lebensjahres einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Der Anspruch kann auch durch eines der Angebote nach § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG erfüllt werden. Dazu zählt bei Kindern, die das 2. Lebensjahr vollendet und deren Erziehungsberechtigte für sie die Zuweisung eines Kita-Platzes beantragt haben, nicht die Tagespflege.


Aktenzeichen: OVG 6 S 2.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 10. April 2006 beschlossen: Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der am 15. Januar 2004 geborene, bislang in einer Tagespflegestelle versorgte Antragsteller erstrebt einen Platz in der Kindertagesstätte "A_____" ("A.d.H.") in dem Ortsteil S_____ der Gemeinde M_____. Die Kindertagesstätte wird seit September 2003 bereits von der im Oktober 2000 geborenen Schwester des Antragstellers besucht. Da seine Eltern ab 1. Januar 2006 wieder beide berufstätig sein wollten, beantragten sie für ihn ab diesem Zeitpunkt bei dem Bürgermeister der Gemeinde, dem Antragsgegner zu 2., Zuweisung eines Platzes in dieser Kindertagesstätte. Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 lehnte der Antragsgegner zu 2. diesen Antrag ab und verwies darauf, die Geschwisterregelung fände für noch nicht dreijährige Kinder keine Berücksichtigung mehr. Nach erfolglosem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid des Landrats, des Antragsgegners zu 1., vom 4. Oktober 2005) hat der Antragsteller am 4. November 2005 Klage gegen den Antragsgegner zu 1. auf Zuweisung eines Platzes in der Kita "A.d.H." erhoben und zugleich beantragt, den Antragsgegner zu 1. im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm ab Januar 2006 und längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einen Platz in dieser Tagesstätte zuzuweisen. Auf Anregung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller seinen Antrag mit Schriftsatz vom 16. November 2005 (GA Bl. 38) auf eine entsprechende Verpflichtung des Antragsgegners zu 2. erweitert. Beide Antragsgegner haben ihre Passivlegitimation verneint.

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 hat das Verwaltungsgericht Potsdam den Antragsgegner zu 2. verpflichtet, über den Antrag, ab Januar 2006 einen Platz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung zu stellen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Den gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Antrag hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, dieser Antragsgegner sei auf Grund von § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG i.V.m. dem zwischen den beiden Antragsgegnern im Juni/Juli 2004 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht passiv legitimiert. Der Antragsteller wird seit dem 1. Januar 2006 einstweilen in der Kita "A.d.H." betreut.

Der Antragsgegner zu 2. wendet sich gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. ist unbegründet. Die von ihm gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO dargelegten Gründe, die gemäß Satz 6 dieser Vorschrift allein zu prüfen sind, rechtfertigen die beantragte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

1) Die vom Antragsgegner zu 2. geäußerte Auffassung, er sei in der Sache nicht zuständig und nicht passiv legitimiert, weil er nicht örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei, überzeugt nicht. Bei der im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Antragsgegner zu 2. als passiv legitimiert angesehen hat.

Zwar richten sich die Leistungsverpflichtungen, die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998, zuletzt geändert durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005, BGBl. I 2729) begründet werden und zu denen auch die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach §§ 22 ff., 24 SGB VIII gehört, gemäß § 3 Abs. 2 SGB VIII an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das ist hier der gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 85, 86 SGB VIII zuständige Landkreis als örtlicher Träger. Bei summarischer Prüfung ist jedoch davon auszugehen, dass jedenfalls auch die Gemeinde, in der die Erziehungsberechtigten des Antragstellers und er selbst wohnen, über den nach § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 KitaG Bbg (in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 2004 - GVBl. I S. 384) geschlossenen öffentlichrechtlichen Vertrag "zur Durchführung der Aufgabe der Kindertagesbetreuung nach § 1 Kindertagesstättengesetz - KitaG", der zwischen den Antragsgegnern zu 1. und 2. als Vertretern des Landkreises und der Gemeinde am 29. Juni und 16. Juli 2004 geschlossen worden ist, für die im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geforderte Sachentscheidung in dem ihr vertraglich überantworteten Bereich zuständig ist. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 8 Abs. 1 und 2 VwGG Bbg ist der Rechtsschutzantrag alsdann gegen den als Behörde für die Gemeinde handelnden Bürgermeister zu richten, dieser ist für das Gerichtsverfahren passiv legitimiert.

Allein die Tatsache, dass die Gemeinde durch den im Jahre 2004 geschlossenen Vertrag nicht zur Verpflichteten im Sinne von § 3 Abs. 2 SGB VIII als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe geworden ist - eine solche Trägerschaft ist auch nach § 69 Abs. 2 SGB VIII i.V.m. dem KitaG BbG nicht begründet worden, sie verblieb vielmehr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KitaG bei dem Antragsgegner zu 1. - steht ihrer Zuständigkeit nicht entgegen. § 3 Abs. 2 SGB VIII regelt das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen und der freien Jugendhilfe und stellt klar, dass nur dem jeweiligen öffentlichen Träger die öffentlichrechtliche Leistungspflicht obliegt. Die Gemeinde, hier handelnd durch den Antragsgegner zu 2., gehört jedoch nicht zu den freien, also den nicht staatlichen Trägern, sondern ist eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft, der unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 SGB VIII die örtliche Trägerschaft der Jugendhilfe übertragen werden kann. Zwar ist eine solche Übertragung hier durch den zwischen den Antragsgegnern geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht vorgenommen worden, denn der Landkreis hat der Gemeinde nur wesentliche Aufgaben aus dem Bereich des Kindertagesstättengesetzes und damit der §§ 22 ff. SGB VIII übertragen und nicht die sonstigen Aufgaben des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 und 3 i.V.m. Abs. 2 SGB VIII. In dem ihr zugewiesenen Zuständigkeitsbereich nimmt die Gemeinde jedoch die Aufgaben des örtlichen Trägers für ihr Gebiet wie auch für das Kreisgebiet wahr, denn ihr kommt insoweit eigene Prüf- und Entscheidungskompetenz sowie die Aufgabe zu, die entsprechenden Bescheide gegenüber den betroffenen Kindern zu erlassen. Zu den hier maßgeblichen, vertraglich auf die Gemeinde übertragenen Aufgaben des örtlichen Trägers der Jugendhilfe gehören gemäß § 2 des Vertrages insbesondere die Aufstellung des Bedarfsplans (im Zusammenwirken mit dem Antragsgegner zu 1. gemäß § 1 Nr. 2. des Vertrags), die Feststellung des Rechtsanspruchs nach § 1 Abs. 2 KitaG einschließlich der Bescheiderteilung, die Entscheidung über die Art der Erfüllung des Anspruchs auf Kinderbetreuung unter Berücksichtigung der Angebote nach § 1 Abs. 4 KitaG, die Gewährung des Wunsch- und Wahlrechts außerhalb der Gemeinde, aber im Gebiet des Landkreises und die Vermittlung von Tagespflegepersonen.

Gegen die Wirksamkeit und die Zulässigkeit der Regelungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KitaG und der entsprechenden vertraglichen Aufgabenübertragung bestehen - anders als bei den im Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 20. März 2003 (LVerfGE 14, 146 ff.) beanstandeten Regelungen der damaligen Fassung des Kindertagesstättengesetzes (Fassung des 2. KitaÄndG vom 7. Juli 2000, GVBl. I S. 106) und des § 69 SGB VIII (in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998, BGBl. I S. 3546) - bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Bedenken. Insbesondere verstoßen diese Bestimmungen nicht gegen höherrangiges Recht. Denn es handelt sich darum, eine vertragliche und damit einvernehmliche Übertragung von Aufgaben des örtlichen Trägers der Jugendhilfe auf kreisangehörige Gemeinden und Ämter zu ermöglichen. Damit überschreitet der Landesgesetzgeber seine Kompetenz nicht. § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 KitaG steht auch nicht in Widerspruch zu den - höherrangigen - bundesrechtlichen Regelungen des § 69 SGB VIII. Zwar ist der Gemeinde nicht gemäß § 69 Abs. 2 SGB VIII die örtliche Trägerschaft übertragen worden. Sie übernimmt vom örtlichen Träger der Jugendhilfe jedoch wesentliche diesem zustehende Aufgaben nach dem Kita-Gesetz. Es handelt sich um eine einvernehmliche Teilübertragung der Aufgaben des örtlichen Trägers und nicht nur um eine Heranziehung zur Durchführung von Aufgaben nach § 69 Abs. 5 SGB VIII in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3852). Eine solche Regelung schließt das SGB VIII nach summarischer Prüfung nicht aus.

Die Gemeinde wird nach § 12 Abs. 1 Satz 2 KitaG i.V.m. §§ 1 und 2 des Vertrages nicht in umfassender Weise örtliche Trägerin der Jugendhilfe, sondern nimmt nur einen wesentlichen Teil der Aufgaben des örtlichen Trägers nach dem Kindertagesstättengesetz im Wege der einvernehmlichen Übertragung wahr. Im Rahmen dieser Aufgaben ist sie auch für die Erfüllung des im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Anspruchs zuständig. Sie hat die Aufgaben des örtlichen Trägers im Zusammenhang mit der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 KitaG gebotenen Veröffentlichung des Vertrages mit Außenwirkung übernommen und wird, soweit sie die erforderlichen Bescheide über den bestehenden Bedarf und zur Art der Anspruchserfüllung erlässt, auch mit Außenwirkung tätig. Hat sie nach dem Vertrag das Recht und die Pflicht, über den vom Antragsteller erhobenen Anspruch und die Art der Bedarfserfüllung selbst durch öffentlich-rechtlichen Bescheid zu entscheiden, so dürfte der für sie handelnde Bürgermeister jedenfalls auch richtiger Gegner eines Antrags auf Gewährung entsprechenden einstweiligen Rechtsschutzes sein. Zwar hat der örtliche Träger, der Antragsgegner zu 1., gemäß § 1 des im Jahre 2004 geschlossenen Vertrages i.V.m. § 79 Abs. 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die Kindertagesbetreuung behalten. Für die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners zu 2. steht diesem jedoch die erforderliche Entscheidungskompetenz zu. Er hat insoweit auch im Außenverhältnis die Verantwortung für die Entscheidung darüber, in welcher Weise der dem Grunde nach anerkannte Anspruch des Antragstellers auf Betreuung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 KitaG innerhalb des Wohnortes und des Kreisgebietes (vgl. § 2 Satz 2 Nr. 5 des Vertrags) zu erfüllen ist. Die Gemeinde wird nicht nur zur verwaltungstechnischen Abwicklung herangezogen (vgl. dazu OVG Lüneburg, FEVS 47, 248), sondern ist Entscheidungsträgerin und ihr Bürgermeister als Behörde ist damit im Sinne von § 8 Abs. 1 und 2 VwGG Bbg passiv legitimiert.

Ob der Antrag zusätzlich gegen den Antragsgegner zu 1. als örtlichen Träger hätte gerichtet und auch dieser - etwa zur Kostenübernahme für die Inanspruchnahme eines Kita-Platzes außerhalb des Kreisgebietes (§ 1 Nr. 3. des Vertrags in Verbindung mit § 16 Abs. 5 KitaG) - hätte verpflichtet werden können, kann dahinstehen, denn der Antragsteller hat die Abweisung seines gegen diesen Antragsgegner gerichteten Antrags nicht angefochten.

Schließlich ist der von dem Antragsgegner zu 2. gegen seine Zuständigkeit angeführte Umstand, dass gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 KitaG die Vorschriften des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit - GKG - hier keine Anwendung finden, ohne Bedeutung. Es geht hier nicht darum, dass im Sinne von § 23 GKG mehrere Gebietskörperschaften vereinbaren, dass einer der - für die Sachaufgabe bereits zuständigen - Beteiligten entsprechende Aufgaben auch für andere übernimmt, sondern um eine teilweise Zuständigkeitsverlagerung von einem für die Aufgabe bis dahin allein zuständigen Landkreis auf eine kreisangehörige Gemeinde.

2) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Antragstellers auf einen Platz in einer Kindertagesstätte festgestellt und ausgeführt hat, dieser Anspruch sei durch Bereitstellung einer Tagespflegestelle nicht erfüllt. Die Frage, in welcher Kindertagesstätte der Anspruch erfüllt werden könne, hat das Verwaltungsgericht hingegen dem pflichtgemäßen Ermessen des Antragsgegners zu 2. anheim gestellt. Insoweit ist die erstinstanzliche Entscheidung von keinem der Beteiligten mit der Beschwerde angefochten worden und damit unanfechtbar.

Der Auffassung des Antragsgegners zu 2., das Angebot einer Tagespflegestelle sei gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG für ein Kind unter drei Jahren wie den Antragsteller bedarfserfüllend, geht bei summarischer Prüfung fehl. Nach § 1 Abs. 4 Satz 3 KitaG kann der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KitaG bei Erwerbstätigkeit beider Eltern bestehende Rechtsanspruch eines Kindes unter drei Jahren auf Tagesbetreuung bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres durch Tagespflege erfüllt werden. Der Antragsteller hat das zweite Lebensjahr jedoch bereits im Januar 2006 vollendet. Bedarfserfüllend können bei ihm als Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres nach § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG neben einem Platz in einer Kindertagesstätte sein: Spielkreise und andere Angebote, wenn sie der familiären Situation des Kindes Rechnung tragen und im erforderlichen Rahmen die Aufgaben und Ziele nach § 3 KitaG gewährleisten. Dazu gehört die Tagespflege nicht, denn sie gewährleistet nicht die Aufgaben und Ziele nach § 3 KitaG. Diese Bestimmung nennt die Aufgaben und Ziele der Kindertagesstätte. Kindertagesstätten sind nach § 2 Abs. 1 KitaG sozialpädagogische familienergänzende Einrichtungen, in denen Kinder nicht nur - wie in der Tagespflege nach Abs. 2 dieser Bestimmung - betreut und versorgt, sondern auch gefördert, erzogen und gebildet werden sollen. Die besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Kindertagesstätte, die in § 3 Abs. 1 und 2 KitaG näher umschrieben werden, obliegen der Tagespflege nicht. Die Tagespflege dient gemäß § 2 Abs. 2 KitaG allein der Betreuung. Gewährleistet die Tagespflege nicht im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG die Aufgaben und Ziele nach § 3 KitaG, so kann sie bei einem geltend gemachten Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte nur bedarfserfüllend sein, wenn es sich um ein in § 1 Abs. 4 Satz 3 KitaG genanntes Kind bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres handelt.

Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. § 1 KitaG in der derzeit geltenden Fassung, die durch das Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 10. Juni 2003 (GVBl. I 172) begründet worden ist, hat die bisherige Regelung für die jüngsten Kinder beibehalten; für die Kinder vom vollendeten zweiten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ist der zuvor unbeschränkt gewährleistete Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte auf bestimmte Bedarfsfälle - wie den vorliegenden - eingeschränkt worden, und es sind die in Abs. 4 Satz 2 KitaG genannten ebenfalls bedarfserfüllenden Alternativen zur Betreuung in einer Kindertagesstätte hinzugekommen. Aus den verlautbarten Motiven des Gesetzgebers ergibt sich zur Auslegung nicht, dass zu den Alternativen auch die Tagespflege gehören sollte. Danach sollte der bis dahin allein gegebene Anspruch auf einen Kita-Platz (Fassung des § 1 KitaG durch das HaushaltsstrukturG vom 28. Juni 2000 - GVBl. I Seite 90) durch die Regelung in § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG erweitert werden. Das Gesetz vom 10. Juni 2003 sollte einen Beitrag zur Entlastung der Kommunen leisten. Dazu nennen die Motive (Landtag Brandenburg Begründung zu A. Allgemeiner Teil Drs. 3/5695) im Zusammenhang mit der Tagespflege die Möglichkeit, diese für Kinder im Krippenalter weiter auszubauen. Außerdem wird zu § 1 KitaG auf die Einschränkung des Anspruchs für Kinder vom vollendeten zweiten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und die Erweiterung der anspruchserfüllenden Angebote hingewiesen. Aus den Gründen ergibt sich jedoch kein Anhalt dafür, dass zu den Angeboten nach § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG auch die Tagespflege gehören sollte. Zur Tagespflege verweist die Begründung nur auf die Beibehaltung der bewährten Regelung (für Kinder unter zwei Jahren), die sich nunmehr in § 1 Abs. 4 Satz 4 KitaG findet und die zuvor in Abs. 3 Satz 3 dieser Bestimmung angesiedelt war (vgl. Drs. 3/5695 Begründung Besonderer Teil zu Art. 1 Nr. 1, insbesondere zu 1 a und c).

Das Erfordernis einer anderen Auslegung ergibt sich auch nicht aus höherrangigem Recht. Der Antragsgegner zu 2. macht ohne Erfolg geltend, die bedarfserfüllende Wirkung des Angebots einer Tagespflege folge aus § 24 SGB VIII.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung. Weitergehendes Landesrecht bleibt nach Absatz 6 dieser Vorschrift unberührt. Dem Brandenburgischen Landesgesetzgeber steht es daher frei, zusätzliche Ansprüche für andere Altersgruppen zu begründen. Dem stehen - anders als der Antragsgegner zu 2. meint - auch § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII nicht entgegen, soweit sie Regelungen für Kinder unter drei Jahren enthalten. Diese Bestimmungen begründen keinen subjektiven Anspruch der betroffenen Kinder, sondern verpflichten lediglich objektiv die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter Berücksichtigung der Übergangsregelung nach § 24 a SGB VIII zur Bereitstellung entsprechender Betreuungsangebote nach dem konkret zu ermittelnden und dem zu erwartenden Bedarf. Nach § 24 Absatz 2 SGB VIII ist für Kinder im Alter unter drei Jahren ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten. Gemäß Absatz 3 sind für Kinder unter drei Jahren u.a. mindestens dann Plätze in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten, "wenn ...die Erziehungsberechtigten...einer Erwerbstätigkeit nachgehen...". Das schließt es nicht aus, dass ein Landesgesetzgeber bei der Gruppe dieser Kinder differenziert, indem er einen Anspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung auch für Kinder vom vollendeten zweiten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr begründet und einen Anspruch auf Tagespflege allein für jüngere Kinder vorsieht. Dass diese Differenzierung im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht bedarfsgerecht sei, ist nicht dargelegt worden und lässt sich jedenfalls bei summarischer Prüfung auch nicht feststellen.

Die Pflicht, Plätze für Kinder vorzuhalten, deren Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dient insbesondere dazu, den Eltern eine solche Tätigkeit zu ermöglichen (vgl. auch § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 KitaG Bbg). Das wird durch beide in § 24 SGB VIII genannten Betreuungsformen gewährleistet. Das Brandenburgische Landesrecht schließt es nicht aus, dass Kinder in der Altersgruppe vom vollendeten zweiten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr auch noch in einer Tagespflegestelle betreut werden, wenn die Erziehungsberechtigten das wünschen und ein ausreichendes Angebot vorhanden ist. Eltern sind nicht gezwungen, ein Kind außer Haus in einer bestimmten Form betreuen zu lassen. Die Betreuung in Tagespflege kommt im Übrigen insbesondere für Kinder in Betracht, die nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KitaG keinen Anspruch auf Tagesbetreuung haben, und kann z.B. im Rahmen eines besonderen Betreuungsbedarfs im Sinne von § 2 Abs. 2 KitaG angeraten sein. Wird jedoch - wie hier - der im Landesrecht vorgesehene Anspruch auf Kindertagesbetreuung in einer Kindertagesstätte für ein Kind nach Vollendung des 2. Lebensjahres geltend gemacht und bestehen solche Besonderheiten nicht, so kann der öffentliche Träger den erhobenen Anspruch nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten durch das Angebot einer Betreuung des Kindes in Tagespflege erfüllen, sondern nur durch Betreuung in einer Kindertagesstätte oder in einer der Alternativeinrichtungen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 KitaG, die im jeweils erforderlichen Rahmen die Aufgaben und Ziele der Kindertagesstätte im Sinne von § 3 KitaG gewährleisten.

Der Antragsgegner zu 2. kann seine gegenteilige Auffassung schließlich nicht auf die Motive zu § 24 Absatz 6 SGB VIII - BT-Drs. 15/3676 S. 34 f. - stützen, soweit es dort heißt, die bundesrechtliche Regelung von Bedarfskriterien in § 24 Abs. 3 SGB VIII (Regelung über den Anspruch der Kinder von der Vollendung des dritten Lebensjahres an) habe den Charakter einer "Mindestregelung", sie stelle keine Legitimation für die neuen Bundesländer dar, unter Berufung auf das Bundesrecht das Betreuungsangebot abzubauen. Das betrifft die Pflichten des Landesgesetzgebers bei der Begründung oder der Einschränkung von über die Bundesregelung hinausgehenden Ansprüchen. Diesen Gedanken kann der Antragsgegner zu 2. hingegen nicht dazu verwenden, vom Landesgesetzgeber begründete Ansprüche für Kinder unter drei Jahren auf Betreuung in einer Kindertagesstätte aus bundesrechtlicher Sicht in Abrede zu stellen und daraus eine Reduzierung seiner Pflichten abzuleiten. Insbesondere ergibt sich aus dem SGB VIII unter Berücksichtigung der Motive nicht das Recht eines öffentlichen Trägers, das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII durch Alternativangebote erfüllend einzuschränken, soweit das Gesetz das nicht vorsieht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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