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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: OVG 60 PV 1.06
Rechtsgebiete: PersVG


Vorschriften:

PersVG § 79 Abs. 1
PersVG § 85 Abs. 1 Nr. 10
PersVG § 87 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 60 PV 1.06

In der Personalvertretungssache

hat der 60. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Berlin - auf Grund der Sitzung vom 4. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki sowie die ehrenamtlichen Richter Hennings, Hoffmann, Köchlin und Dr. Hansel beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit aus Anlass der Vergütung von ehemaligen Vorklassenlehrern. Bis zum 31. Juli 2005 gab es an den Grundschulen im Land Berlin Vorklassen, die mit Novellierung des Schulgesetzes wegfielen. Die dort als Lehrer Beschäftigten werden weiterhin eingesetzt, und zwar als Erzieher an den Grund- und Sonderschulen. Diese werden vergütet nach BAT, und zwar nach den Vergütungsgruppen IV b, V b und V c. Wegen der Vergütung im Einzelnen stellte der Beteiligte, wie er im Anhörungstermin vor dem Verwaltungsgericht vom 30. November 2005 erklärt hat, "abstrakte Grundsätze" auf, die Grundlage für Individual-Nebenabreden zu den bestehenden Arbeitsverträgen wurden. Danach bildete der Beteiligte zehn Fallvarianten, mit denen im Wesentlichen die weitere Vergütung der ehemaligen Vorklassenleiter bzw. -leiterinnen geregelt wurden. Kern dieser Regelungen ist insbesondere die so genannte Besitzstandswahrung, wonach Vorklassenleiter bzw. -leiterinnen mit höherer Vergütung als V c BAT, die am 1. August 2005 älter als 50 Jahre gewesen sind, einen dauerhaften Besitzstand bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich der bisher gezahlten Vergütung - IV b oder V b BAT - erhalten sollen; entsprechende Vorklassenleiter bzw. -leiterinnen, die am 1. August 2005 noch nicht älter als 50 Jahre gewesen sind, sollen ihre höhere Vergütung (lediglich) für fünf Jahre behalten.

Eine Beteiligung des Antragstellers erfolgte nicht; der Beteiligte vertrat die Ansicht, die vorstehend beschriebene Regelung der Vergütungsgrundsätze sei nicht beteiligungspflichtig, weil es sich insoweit lediglich um Individualvereinbarungen handele.

Hiergegen hat der Antragsteller am 19. August 2005 das Verwaltungsgericht angerufen. Aus seiner Sicht sei eine Beteiligungspflicht aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG gegeben; hiernach bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, ggf. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mit über Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, u.a. insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen.

Das Verwaltungsgericht hat dem entsprechenden Feststellungsantrag mit Beschluss vom 30. November 2005 stattgegeben und festgestellt, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus der vorgenannten Bestimmung dadurch verletzt habe, dass er die Fallvarianten vom 9. Juni 2005 in Kraft gesetzt habe, ohne zuvor das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen. Bei der Aufstellung der Fallvarianten handele es sich um Fragen der Lohngestaltung im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG. Die Fallvarianten stellten Regelungen dar, die gegenüber den tarifvertraglichen Bestimmungen zu einer Besserstellung führten; sie regelten Sachverhalte, die nicht durch Tarifvertrag festgelegt seien. Bei den fraglichen Regelungen handele es sich auch nicht um solche der Lohnhöhe, sondern um Regelungen der Lohnverteilung, weil sie selbständig Personengruppen unterschiedlichen Entlohnungsbestimmungen unterwerfen würden. Diese Regelungen seien auch abstrakt für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen festgelegt.

Hiergegen hat der Beteiligte rechtzeitig Beschwerde eingelegt und begründet; er macht im Wesentlichen geltend: Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG sei nicht verletzt. Zweifelhaft sei bereits, ob es sich bei der Aufstellung der Fallvarianten um eine Maßnahme im Sinne des PersVG handele. Ferner greife § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG nur, wenn ein vom Arbeitgeber vorgegebener Dotierungsrahmen erstmalig auf die Beschäftigten verteilt werde; hier freilich erhielten die Beschäftigten die gleiche Vergütung wie zuvor. Soweit einzig hinsichtlich der am 1. August 2005 50-Jährigen bzw. der zu diesem Zeitpunkt noch nicht 50-Jährigen dahin differenziert werde, dass die Besitzstandswahrung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bzw. lediglich für fünf Jahre gewährt werde, stellte dies eine - nicht mitbestimmungspflichtige - Regelung der Lohnhöhe dar.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. November 2005 zu ändern und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er tritt der Beschwerde im Einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten bleibt ohne Erfolg.

Die Beschwerde ist zunächst zulässig (geblieben). Die vorliegende Angelegenheit hat sich nicht durch das im Termin vorgelegte Schreiben der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung an die Einigungsstelle für Personalvertretungssachen vom 15. Juni 2007 erledigt. Thema dieses Schreibens ist ein anderer Streitgegenstand als der vorliegende. In dem genannten Schreiben ist von einer Einigung die Rede, die ein streitiges Mitbestimmungsverfahren nach § 87 Nr. 5 PersVG (Mitbestimmung bei Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit) betrifft; Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens indessen ist die Mitbestimmungspflichtigkeit der Bildung der Fallvarianten nach § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG.

Die Beschwerde ist freilich unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens zu Recht festgestellt, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG durch Inkraftsetzen der Fallvarianten, wie sie mit Schreiben vom 9. Juni 2006 skizziert sind, verletzt hat. Insoweit nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 91 Abs. 2 PersVG i.V.m. § 87 Abs. 2 und 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auf das Folgende hinzuweisen: Mit der Bildung der Fallvarianten nach Maßgabe der Skizzierung vom 9. Juni 2006 liegt eine Maßnahme im Sinne von § 79 Abs. 1 PersVG vor. Eine solche ist grundsätzlich jeder Handlung bzw. Entscheidung, die den Rechtsstand von Dienstkräften berührt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 21. Januar 2003 - OVG 60 PV 10.02 -, S. 12 des Entscheidungsabdrucks). Wie der Beteiligte in der mündlichen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt hat, sind die Fallvarianten beim Abschluss der (späteren) Individualverträge zu beachten. Damit berühren sie den Rechtsstand der Dienstkräfte in hinreichender Weise. Entgegen der Ansicht des Beteiligten greift § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG nicht lediglich bei einer erstmaligen Verteilung eines Dotierungsrahmens auf die Beschäftigten. Wie die Wendung "insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen" in der Bestimmung deutlich macht, ist die darin vorgenommene Aufzählung nicht abschließend; die Bestimmung erfasst auch zu-künftige Regelungsprobleme im Bereich der Lohngestaltung (vgl. Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, 2. Aufl. 2002, § 85 Rdn. 151). Bei den hier seitens des Beteiligten getroffenen Regelungen handelt es sich auch nicht um solche der Lohnhöhe. Die Regelungen knüpfen an an das Lebensalter und die Verwendung der betreffenden Dienstkräfte und damit an materielle Bedingungen an; derartige materielle Bedingungen sind freilich der Mitbestimmung unterworfen. Dass diese sich mittelbar auf die Lohnhöhe auswirken bzw. diese beeinflussen, ist unbeachtlich (vgl. nur Germelmann/Binkert, a.a.O., § 85 Rdn. 157); wäre dies anders, gäbe es praktisch keine Mitbestimmung über materielle Arbeitsbedingungen (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 21. Januar 2003, a.a.O., S. 14 des Entscheidungsabdrucks). In der Sache stellen die in den Fallvarianten aufgestellten Differenzierungskriterien solche dar, die (für die hier in Rede stehende Personengruppe) unmittelbar die Lohnfindung unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit betreffen; gerade dem soll freilich auch das Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG dienen (s. Germelmann/Binkert, a.a.O., Rdn. 156 m.w.N.).

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.

Ende der Entscheidung

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