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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: OVG 60 PV 20.05
Rechtsgebiete: PersVG, BAT/BAT-O, LHO, RVG


Vorschriften:

PersVG § 85 Abs. 1 Nr. 10
BAT/BAT-O § 42
LHO § 51
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 60 PV 20.05

In der Personalvertretungssache

hat der 60. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Berlin - aufgrund der Sitzung vom 22. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki sowie die ehrenamtliche Richterin Bittner und die ehrenamtlichen Richter Czarski, Hundt und Butkereit beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 4 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Gestaltung von Arbeitsverträgen mit Lehrkräften im Angestelltenverhältnis, die nicht tarifvertraglich erfasst sind und mit denen nach dem 28. Februar 2005 ein Arbeitsverhältnis begründet wird, insbesondere unter dem Aspekt der Vergütung nach § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG (Fragen der Lohngestaltung) mitbestimmungspflichtig ist.

Das Land Berlin beschäftigt Lehrkräfte auch im Angestelltenverhältnis, deren Vergütung prinzipiell nicht tarifvertraglich geregelt ist. Es macht insoweit durch "Rundschreiben" bekannt gegebene Eingruppierungsrichtlinien (sog. Lehrerrichtlinien) zum Inhalt der jeweiligen Arbeitsverträge (vgl. § 5 der zur Akte gegebenen Musterarbeitsverträge). Das im Übrigen jeweils anzuwendende Tarifrecht wird ebenfalls arbeitsvertraglich geregelt (vgl. § 3 der Musterarbeitsverträge).

Der Beteiligte erließ unter dem 18. Februar 2005 das folgende - streitgegenständliche - "Rundschreiben I Nr. 10/2005":

"Gestaltung der Arbeitsverträge mit Lehrkräften im Angestelltenverhältnis, die nicht unter den Geltungsbereich des Anwendungs-TV Land Berlin fallen

...

I.

Lehrkräfte, die unter den Geltungsbereich der SR 2 l I BAT/BAT-O fallen, werden gemäß § 1 dieses Tarifvertrages nicht vom Anwendungs-TV Land Berlin erfasst. Der BAT/BAT-O sowie die Urlaubsgeld- und Zuwendungs-Tarifverträge gelten für diesen Personenkreis nur noch im Wege der Nachwirkung. Das Land Berlin ist somit im Hinblick auf die genannten Tarifverträge bei der Gestaltung der Arbeitsverträge mit Angestellten, mit denen seit dem jeweiligen Eintritt der Nachwirkung ein Arbeitsverhältnis begründet wird, frei.

II.

Mit Lehrkräften, mit denen nach dem 28. Februar 2005 ein Arbeitsverhältnis begründet wird, wird künftig vereinbart, dass

- sich das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nach dem BAT/BAT-O und den diesen ergänzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bis zum 8. Januar 2003 geltenden Fassung sowie den Regelungen, die bis zum 8. Januar 2003 für den Arbeitgeber Land Berlin gegolten haben und zwar auch solchen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) befanden, bestimmt, abweichend davon, dass

- die SR 2 l I BAT/BAT-O in der jeweiligen Fassung (also dynamisch) gelten; damit wird insbesondere die Geltung der jeweiligen Arbeitszeit- und Erholungsurlaubsverordnung bewirkt,

- § 42 BAT/BAT-O mit der Maßgabe gilt, dass Reisekosten für die Teilnahme an Klassenfahrten nicht erstattet werden, allerdings ist eine Reisekostenerstattung im Rahmen des Schülerfahrtenkontingents möglich,

- die Tarifverträge über ein Urlaubsgeld für Angestellte und über eine Zuwendung für Angestellte nicht gelten, ein Urlaubsgeld oder eine Zuwendung also vertraglich nicht zustehen.

III.

Die vorstehenden Regelungen treten am 1. März 2005 in Kraft.

..."

Entsprechend den Regelungen in dem Rundschreiben sieht der diesbezügliche Musterarbeitsvertrag unter § 3 (Anzuwendendes Tarifrecht) unter 2) c) insbesondere vor, dass der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 und der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 nicht gelten sollen.

Zuvor - unter dem 18. November 2004 - hatte der Beteiligte dem Antragsteller einen entsprechenden Entwurf des vorstehenden Rundschreibens zur Mitwirkung übersandt, in dem jedoch hinsichtlich der Reisekosten die Möglichkeit der Reisekostenerstattung im Rahmen des Schülerfahrtenkontingents (noch) nicht vorgesehen war. Der Antragsteller war dem Entwurf mit Schreiben vom 29. November 2004 entgegengetreten und hatte geltend gemacht, das geplante Rundschreiben unterliege sowohl hinsichtlich der auf den Stand 8. Januar 2003 eingefrorenen Vergütung als auch hinsichtlich der Streichung von Urlaubsgeld und Zuwendung der Mitbestimmung nach § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG; hinsichtlich der seinerzeitigen Reisekostenregelung hatte der Antragsteller ferner nachdrücklich gebeten, auf eine solche zu verzichten. Unter dem 18. Februar 2005 wies der Beteiligte den Antragsteller mit der Übersendung des Rundschreibens in der oben wiedergegebenen Fassung auf die geänderte Reisekostenregelung hin und teilte im Übrigen mit, mit den in dem Rundschreiben vorgesehenen Regelungen - insbesondere der Streichung der Zuwendung und des Urlaubsgeldes - werde (lediglich) die absolute Höhe der Vergütung festgesetzt; eine Mitbestimmungspflichtigkeit sei von daher nicht gegeben.

Hiergegen hat der Antragsteller am 24. März 2005 das Verwaltungsgericht angerufen. Dieses hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. August 2005 festgestellt, dass der Beteiligte durch sein Rundschreiben das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG verletzt habe. Zur Begründung hat es ausgeführt: Entlohnungsgrundsätze im Sinne der vorgenannten Bestimmung meinten das System, nach dem das Arbeitsentgelt bemessen werde, mit Ausnahme der Lohnhöhe, insbesondere Regelungen über die Zusammensetzung der Entgelte. Dieses sei hier betroffen, soweit das Rundschreiben festlege, dass Urlaubsgeld und Sonderzuwendung nicht mehr Bestandteil des Entgeltes für neu einzustellende Lehrer seien, denn hierdurch werde die bestehende Vergütungsstruktur innerhalb der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrer verändert. Dabei handele es sich auch nicht lediglich um eine Änderung der Vergütungshöhe, weil sowohl das Urlaubsgeld als auch die Sonderzuwendung, anders als die Grundvergütung, von bestimmten zusätzlichen Bedingungen, z.B. der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, abhängig seien. Dem Mitbestimmungstatbestand stünden auch keine haushaltsgesetzlich zwingenden Regelungen entgegen, die etwa einen eigenen Entscheidungsspielraum des Beteiligten ausschließen würden. Der Haushaltsplan enthalte keine Vorgaben zur Vergütungsstruktur, sondern allenfalls zur Höhe der insbesondere für freiwillige Personalausgaben (§ 51 LHO) zur Verfügung gestellten Mittel. Im Übrigen könnten haushaltsrechtliche Hindernisse - etwa durch Gestaltung des Voranschlages für laufende Haushaltsjahre oder durch Erwirken eines Nachtragshaushalts - überwunden werden. § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG greife indessen nicht, soweit das fragliche Rundschreiben die Anwendung der bisherigen tarifvertraglichen Regelungen nach dem Stand 8. Januar 2003 festlege; dies beinhalte lediglich eine der Mitbestimmung entzogene Begrenzung ("Einfrieren") der Vergütungshöhe. Auch der Ausschluss der Reisekostengewährung falle nicht unter § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG, weil Reisekostenerstattung nicht als Entgelt, sondern als Aufwandsentschädigung anzusehen sei.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Beteiligte rechtzeitig Beschwerde erhoben und begründet; er macht im Wesentlichen geltend: Das fragliche Rundschreiben betreffe keine Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG, vielmehr gehe es allein um die Lohnhöhe. Es sei sozusagen von zwei Dotierungsrahmen auszugehen; der eine betreffe die bis zum 28. Februar 2005 eingestellten Lehrkräfte, der andere die nach dem 28. Februar 2005 eingestellten Lehrkräfte. Dass der letztgenannte Dotierungsrahmen keine Mittel für Urlaubsgeld und Sonderzuwendung vorsehe, betreffe allein die Lohnhöhe. Selbst wenn von einem (einheitlichen) Dotierungsrahmen auszugehen sei, habe der Beteiligte in Bezug auf die Nichtauskehrung von Zuwendung und Urlaubsgeld für die nach dem 28. Februar 2005 eingestellten Lehrkräfte jedenfalls keinen Regelungsspielraum. Insoweit seien auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 51 LHO und den bestehenden haushaltsrechtlichen Vorgaben fehlerhaft.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. August 2005 abzuändern und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er tritt der Beschwerde entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheit des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beteiligte durch die Veröffentlichung seines Rundschreibens Nr. 10/2005 vom 18. Februar 2005 zur Gestaltung der Arbeitsverträge mit Lehrkräften im Angestelltenverhältnis, die nicht unter dem Geltungsbereich des Anwendungstarifvertrages Land Berlin fallen, das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin verletzt hat. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt (§ 91 Abs. 2 PersVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 und 69 Abs. 2 ArbGG); im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auf das Folgende hinzuweisen: Die in dem Rundschreiben Nr. 10/2005 vom 18. Februar 2005 getroffene Entscheidung des Beteiligten, für nach dem 28. Februar 2005 einzustellende Lehrkräfte kein Urlaubsgeld und keine Zuwendung auszukehren (vgl. zum Rundschreiben als personalvertretungsrechtlich relevante Maßnahme OVG Berlin, Beschluss vom 21. Januar 2003 - OVG 60 PV 10.02 -, S. 12 ff. des Entscheidungsabdrucks), betrifft nicht lediglich die Lohnhöhe. Die - von der Mitbestimmung nicht erfasste - Lohnhöhe meint die Summe aller betroffenen Vergütungen, den sog. Dotierungsrahmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1998 - 6 P 6.97 -, BVerwGE 108, 136, 149). Vorliegend geht es freilich nicht um den Dotierungsrahmen, sondern um eine Änderung der Verteilungsgrundsätze. Bisheriger Verteilungsgrundsatz (bis zum 28. Februar 2005) war, dass alle Lehrkräfte bzw. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis zusätzlich zu der bisherigen "Grundvergütung" in den Genuss von Urlaubsgeld und Zuwendung kamen. Nunmehr sollen zwei neue Verteilungsgrundsätze (und nicht, wie der Beteiligte meint, zwei Dotierungsrahmen) gelten, dahin nämlich, dass nur die bis zum 28. Februar 2005 eingestellten Lehrkräfte (zusätzlich) Urlaubsgeld und Zuwendung erhalten sollen, nicht jedoch die nach dem 28. Februar 2005 eingestellten Lehrkräfte. Um eine Änderung der Verteilungsgrundsätze würde es allenfalls dann nicht gehen, wenn eine gleichmäßige prozentuale Herabsetzung der Vergütungen aller Lehrkräfte vorgesehen wäre (vgl. entspr. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1998, a.a.O., S. 150), was hier freilich nicht der Fall ist. Damit liegt eine Änderung der Entlohnungsgrundsätze vor (vgl. entspr. auch BAG, Beschluss vom 28. Februar 2006 - 1 ABR 4/05 -, Juris-ausdruck, Rdn. 18).

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass der Beteiligte infolge haushaltsrechtlicher Vorgaben für eine anderweitige Verteilung keinen Regelungsspielraum hätte. Dies wäre - mit der Folge, dass für eine Mitbestimmung kein Raum bestünde - nur dann der Fall, wenn rechtlich oder tatsächlich keine Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung gegeben wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1998, a.a.O., S. 151). Eine haushaltsrechtliche Festlegung dahin, dass dem Beteiligten nur die Möglichkeit gegeben wäre, ab dem 28. Februar 2005 neu einzustellenden Lehrkräften im Angestelltenverhältnis kein Urlaubsgeld und keine Zuwendung zu zahlen, besteht nicht. Der Haushaltsplan sieht die Personalausgaben lediglich als Summe vor und lässt prinzipiell offen, wie diese im Rahmen der Stellenbewirtschaftung eingesetzt wird. Von daher enthält auch § 51 LHO, anders als der Beteiligte geltend macht, nicht "automatisch die 'Verteilung' dahin, dass für die neu einzustellenden Lehrkräfte Mittel für Urlaubsgeld und Zuwendung nicht bereitgestellt sind". Dem Beteiligten bliebe es - und zwar unbeschadet der von dem Verwaltungsgericht aufgezeigten, von dem Beteiligten in Zweifel gezogenen Möglichkeiten der Geltendmachung entsprechenden Bedarfs im Rahmen eines Nachtragshaushalts oder außerplanmäßiger Ausgaben - im Rahmen seiner Stellenbewirtschaftung unbenommen, auch den ab dem 28. Februar 2005 einzustellenden Lehrkräften Urlaubsgeld und die Zuwendung zu gewähren und die damit verbundenen Mehrausgaben unter Einhaltung des ihm zur Verfügung stehenden Gesamtbudgets durch andere personalwirtschaftliche Maßnahmen - und sei es etwa durch Verzicht auf eine Neueinstellung - zu kompensieren. Davon jedenfalls, dass für eine anderweitige Verteilung als in dem fraglichen Rundschreiben vom 18. Februar 2005 vorgesehen haushaltsrechtlich keine Regelungsspielräume bestehen würden, kann danach nicht die Rede sein.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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