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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: OVG 62 PV 2.06
Rechtsgebiete: BPersVG, RVG


Vorschriften:

BPersVG § 9
BPersVG § 9 Abs. 2
BPersVG § 9 Abs. 4 Satz 1
RVG § 23 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 62 PV 2.06

In der Personalvertretungssache

hat der 62. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - auf Grund der Sitzung vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. Buchwald und die ehrenamtlichen Richter Gritzka, Selbach und Reise

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 4000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 1.

Der Beteiligte zu 1. hat von September 2002 bis August 2005 bei der Antragstellerin eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten absolviert. Er ist seit Juni 2004 Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Unter dem 21. Juni 2005 beantragte er bei der Antragstellerin, gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG weiterbeschäftigt zu werden; am 18. August 2005 bestand er seine Prüfung mit der Note "befriedigend" (68,5 Punkte).

Mit am 31. August 2005 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Antrag hat die Antragstellerin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt und geltend gemacht, die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1. sei ihr nicht zumutbar, weil freie und besetzbare Stellen in ihrem Hause mit besseren Bewerbern besetzt worden seien; die insoweit schlechteste Mitbewerberin habe die Note "gut" (83,8 Punkte) erzielt. Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind dem Antrag entgegengetreten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Januar 2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragstellerin eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1. nicht unzumutbar sei; Tatsachen im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werde könne, lägen nicht vor. Nach Maßgabe des Prinzips der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG habe dem Beteiligten zu 1. gegenüber der relativ schlechtesten Mitbewerberin der Vorrang bei der Stellenbesetzung eingeräumt werden müssen, weil der Beteiligte zu 1. gegenüber dieser keinen offenkundigen schwerwiegenden Qualifikationsmangel aufgewiesen habe. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nur der Fall, wenn der Notenunterschied zwischen dem Jugendvertreter und dem relativ schlechtesten eingestellten Mitbewerber mehr als das 1,33- fache einer vollen Notenstufe betrage. Dies sei hier nicht der Fall; eine Notenstufe mache 12,5 Punkte aus, der Beteiligte zu 1. sei nur 15,3 Punkte schlechter als die schlechteste Mitbewerberin, ein wesentlicher Unterschied wäre aber nur gegeben gewesen, wenn er mindestens 16,9 Punkte schlechter gewesen wäre.

Hiergegen hat die Antragstellerin rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Nachdem sie diese ursprünglich im Wesentlichen darauf gestützt hat, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar sei, hat sie nach einem entsprechenden Hinweis des Senats auf seinen Beschluss vom 9. August 2005 (OVG 62 PV 2.05) eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auf eine fehlende gesundheitliche Eignung des Beteiligten zu 1. gestützt; dieser habe während der Ausbildung an 77 Arbeitstagen, verteilt auf 18 Abwesenheitszeiträume, und nach Abschluss der Ausbildung an 13 Arbeitstagen, verteilt auf 4 Zeiträume, gefehlt, so dass davon auszugehen sei, dass eine "dauernde Dienstunfähigkeit bzw. häufige Erkrankung vor Erreichen der Altersgrenze mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden" könne. Im Rahmen der Anhörung vor dem Senat hat die Antragstellerin die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung hilfsweise aufgrund eines Fehlverhaltens des Beteiligten zu 1. geltend gemacht, das aus acht Verspätungen sowie aus einer anzüglichen Bemerkung mit sexistischem Inhalt resultiere, die er einer anderen Auszubildenden gegenüber getätigt habe; wegen der Äußerung im Einzelnen wird auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Januar 2006 abzuändern und das mit dem Beteiligten zu 1. gemäß § 9 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Die Beteiligten zu 1. bis 3 beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie treten dem Beschwerdevorbringen entgegen, wobei sie insbesondere Verspätung hinsichtlich der nachgeschobenen Gründe für eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Auflösungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag bleibt auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens ohne Erfolg. Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ist das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Solche Tatsachen hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus einer etwa unzureichenden Qualifikation des Beteiligten zu 1.; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen, denen zufolge der Beteiligte zu 1. bei der Besetzung einer freien Stelle bei der Antragstellerin gegenüber der mit "gut" (83,8 Punkte) benoteten Mitbewerberin zum Zuge hätte kommen müssen; die diesbezüglichen Ausführungen stehen - worauf die Beteiligten bereits mit Hinweis des Senats vom 6. März 2006 aufmerksam gemacht worden sind - mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der des erkennenden Senats im Einklang (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2000 - 6 P 9.99 -, PersR 2000, 421, 422; Beschluss des erkennenden Senats vom 9. August 2005 - OVG 62 PV 2.05 -, S. 7 ff. des Beschlussabdrucks). Eine Tatsache, aufgrund derer der Antragstellerin unter Berücksichtigung aller Umstände eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1. nicht zugemutet werden kann, ergibt sich ferner nicht aus dessen erst im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens geltend gemachten Krankheitstagen. Der Senat lässt offen, ob derartige Tatsachen im Nachgang zu dem ursprünglichen Auflösungsantrag überhaupt noch "nachgeschoben" werden können und ob jedenfalls vorliegend einem solchen Nachschieben bereits der Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist entgegengestanden hat. Die "nachgeschobenen" Tatsachen greifen jedenfalls in der Sache nicht durch. Aus den geltend gemachten Krankheitstagen kann entgegen der Darstellung der Antragstellerin keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass "dauernde Dienstunfähigkeit bzw. häufige Erkrankung vor Erreichen der Altersgrenze mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden" könne. Weder wusste die Antragstellerin auf Anfrage des Senats mitzuteilen, auf welche Gründe die Erkrankungen zurückzuführen waren, noch haben diese in den dienstlichen Beurteilungen des Beteiligten zu 1. auch nur die geringste Erwähnung gefunden, wobei mit der dienstlichen Beurteilung vom 31. Januar 2005 sogar dessen Übernahme in das Angestelltenverhältnis befürwortet worden ist. Woraus sich danach ergeben soll, dass vor Erreichen der Altersgrenze des Beteiligten zu 1. mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Dienstunfähigkeit oder häufigeren Erkrankungen desselben gerechnet werden müsse, erschließt sich dem Senat nicht; insbesondere ist hiermit nicht eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund mangelnder gesundheitlicher Eignung geltend gemacht, zumal die fraglichen Gründe (hier: Grund für die Erkrankungen und Prognose der "dauernden Dienstunfähigkeit") vom Arbeitgeber dargelegt und im Zweifelsfalle auch bewiesen werden müssen (s. Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, BPersVG, 5. Aufl. 2004, § 9, Rdn. 15). Gleiches gilt schließlich für das erstmals im Rahmen der mündlichen Anhörung geltend gemachte Fehlverhalten des Beteiligten zu 1., und zwar auch und gerade in Bezug auf dessen Äußerung gegenüber einer Mitauszubildenden Ende 2003. Ausweislich des von der Antragstellerin zu diesem Vorgang zu den Akten gereichten Vermerks vom 14. November 2003 habe der Beteiligte zu 1. die Angelegenheit mit der betroffenen Auszubildenden bereinigt und sich bei dieser entschuldigt; weiterhin findet sich in dem Vermerk die handschriftliche Feststellung, dass die Angelegenheit nach Rücksprache mit weiteren Bediensteten der Antragstellerin damit erledigt sei und weitere Beschwerden gegen den Beteiligten zu 1. nicht vorlägen. Nachdem sich auch in den dienstlichen Beurteilungen keinerlei negative Feststellungen in Bezug auf diesbezügliche charakterliche Mängel des Beteiligten zu 1. finden, ist von einem einmaligen Fehlverhalten desselben auszugehen. Dieses genügt als solches nicht, um eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu tragen, zumal dem Beteiligten zu 1. im Anschluss an den fraglichen Vorgang und seine diesbezügliche Entschuldigung mitgeteilt worden war, dass die Angelegenheit damit erledigt sei und ihm im Übrigen - abgesehen von der bereits erwähnten Befürwortung einer Übernahme in das Angestelltenverhältnis mit Beurteilung vom 31. Januar 2005 - auch mit Schreiben der Antragstellerin vom 25. April 2005 mitgeteilt worden war, dass keine in seiner Person liegenden Gründe bekannt seien, die dem Angebot einer notenabhängigen befristeten Teilzeitbeschäftigung entgegen stünden.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.

Die Gegenstandswertfestsetzung ergibt sich aus § 23 Abs. 3 RVG.

Ende der Entscheidung

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