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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: OVG 7 N 111.05
Rechtsgebiete: VwGO, LKrO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 88
LKrO § 44 Abs. 2 S. 1
LKrO § 44 Abs. 3
LKrO § 44 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 7 N 111.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher sowie durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Peters am 23. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 20. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Der vom Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Beklagte zeigt keine gewichtigen Anhaltspunkte auf, die für den Erfolg einer Berufung sprechen. Bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung ist das Oberverwaltungsgericht dabei auf die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt. Dies entspricht dem fristgebundenen Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Der Beklagte legt keine ernstlichen Zweifel dar, dass die ihm zugewiesene Gestaltungsfreiheit bei der Bestimmung von Zusammensetzung und Größe der freiwilligen Ausschüsse im konkreten Fall nicht der richterlichen Kontrolle unterliegt. Der Beklagte leitet seine Bedenken daraus ab, dass die festgesetzte Zahl von jeweils acht Mitgliedern in den Ausschüssen von der Klägerin erstinstanzlich nicht in Zweifel gezogen worden sei. Insofern verkennt der Beklagte indes, dass das Gericht gem. § 88 VwGO zwar an das Klagebegehren gebunden ist, nicht jedoch an die Klagegründe tatsächlicher oder rechtlicher Art. Im Rahmen des Rechtsschutzziels der Klägerin konnte das Verwaltungsgericht deshalb jeden ihm erheblich erscheinenden rechtlichen Gesichtspunkt aufgreifen und seiner Entscheidung zu Grunde legen. Eine prozessuale Beschränkung auf die vorgetragenen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte besteht für das erstinstanzliche Verfahren - anders als etwa für das Berufungszulassungsverfahren (§ 124 a Abs. 5 S. 2 VwGO) oder das Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) - nicht.

Keinen Richtigkeitszweifeln unterliegt außerdem die grundsätzliche verwaltungsgerichtliche Kontrollbefugnis hinsichtlich der Einrichtung der freiwilligen Ausschüsse und der Bestimmung von deren Mitgliederzahl durch mehrheitlichen Beschluss des Beklagten vom 19. November 2003. Dies folgt aus der öffentlich-rechtlichen Natur des streitigen Rechtsverhältnisses, das der Gerichtsbarkeit des Verwaltungsgerichts unterliegt (§ 40 Abs. 1 S. 1, § 45 VwGO).

Auch hinsichtlich des Umfangs der richterlichen Kontrolle ergeben sich auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten keine Richtigkeitszweifel. Der Beklagte macht insofern geltend, das Verwaltungsgericht habe die Begrenzung der Kontrolldichte aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie verkannt. Dieser Einwand greift nicht durch. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass ihm bei der Einrichtung der freiwilligen Ausschüsse und bei der Bestimmung der Zahl der Ausschussmitglieder ein organisatorisches Ermessen zu kommt, das gesetzlich in § 44 Abs. 2 S. 1 LKrO verankert ist und im kommunalen Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 97 Abs. 1 BdgVerf wurzelt. Dabei ist es - wie der Beklagte grundsätzlich zutreffend ausführt - in erster Linie Sache des jeweiligen Kreistages, das Spannungsverhältnis zwischen der repräsentativen Zusammensetzung der Ausschüsse einerseits und den Bedürfnissen der Arbeitsfähigkeit dieser Ausschüsse andererseits auszugleichen. Dies steht jedoch einer nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle dieser Entscheidung grundsätzlich nicht entgegen.

Eine Überschreitung der Kontrollbefugnis durch das Verwaltungsgericht im konkreten Fall wird vom Beklagten nicht darlegt.

Soweit der Beklagte auf die Eigenschaft der hier strittigen Ausschüsse als freiwillige Ausschüsse abhebt, folgen daraus keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Rechtskontrolle. Der Einwand des Beklagten zielt offenbar dahin, dass die Rechtskontrolle - gemessen an der Bedeutung der Mitgliedschaft in den freiwilligen Ausschüssen - zu intensiv ausgefallen sei. Unabhängig von der Richtigkeit dieses Ansatzes fehlt es schon an der vom Beklagten behaupteten Marginalität der ordentlichen Ausschussmitgliedschaft. Die Eigenschaft der freiwilligen Ausschüsse als beratende und Beschlüsse des Beklagten vorbereitende Gremien (§ 44 Abs. 1 LKrO) mindert nicht die Bedeutung der ordentlichen Mitgliedschaft in einem solchen Gremium. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Klägerin nach § 44 Abs. 4 LKrO das Recht hat, ein Mitglied mit beratender Stimme in jeden der Ausschüsse zu entsenden. Ein solches zusätzliche Ausschussmitglied kann an den Ausschussberatungen zwar mit eigenem Rederecht, nicht jedoch mit eigenem Stimmrecht teilnehmen. Da die vorbereitende Tätigkeit der Ausschüsse regelmäßig in Beschlussempfehlungen für den Beklagten mündet, hat das Stimmrecht in solchen vorbereitenden Gremien eigenes Gewicht. Durch die Bestimmung des Inhalts einer Beschlussempfehlung erfolgt regelmäßig eine Vorentscheidung über den vom Beklagten zu treffenden Beschluss. Dieses Vorentscheidungsrecht fehlt den Mitgliedern der Klägerin, wenn sie nur als zusätzliche Mitglieder nach § 44 Abs. 4 LKrO an den Ausschussberatungen teilnehmen können. Infolgedessen ist die Frage der ordentlichen Mitgliedschaft und des Stimmrechts in einem freiwilligen Ausschuss keine nur marginale Frage und unterliegt deshalb der gerichtlichen Kontrolle.

Soweit der Beklagte weiter ausführt, er habe sein Ermessen hinsichtlich der Zahl und der Mitgliederstärke der zu bildenden (freiwilligen) Ausschüsse ordnungsgemäß ausgeübt, so erwachsen daraus keine Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Aus der mit dem Berufungszulassungsantrag vorgelegten Beschlussvorlage (Nr. 2003/006) ergeben sich - nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten - die für seinen Beschluss maßgeblichen Gesichtspunkte. Der Beklagte stellt mit seinem Zulassungsantrag zusammenfassend fest, dass abwägungsrelevant die Verhinderung von Doppelmitgliedschaften, die Stärkung der "Vorberatungs-Kompetenz" der Ausschüsse sowie die Reduzierung des Verwaltungs-, Organisations- und Kostenaufwandes war. Der Beklagte tritt damit nicht der Feststellung des Verwaltungsgerichts entgegen, dass er die Problematik der Bestimmung der Größe der Ausschüsse unter dem Aspekt einer möglichst weitgehenden Abbildung der Stärkeverhältnisse im Kreistag und eines schonenden Ausgleichs zwischen dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und dem Mehrheitsprinzip nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Auch sonst hat der Beklagte keine Umstände dargelegt, aus denen sich ein Einstellen dieses Topos bei der Abwägungsentscheidung ergeben könnte.

Ungeachtet des weiten normativen Ermessens, das dem Beklagten bei der Bestimmung der Ausschussgröße zuzubilligen ist, erwachsen daraus berechtigte Bedenken, ob der Beklagte von seinem Ermessen entsprechend dem Normzweck Gebrauch gemacht hat (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 18. Januar 1988, DÖV 1988, 472, 473). Diese Bedenken hat der Beklagte mit seinem Zulassungsantrag nicht auszuräumen vermocht. Hierbei ist außerdem zu bedenken, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Stärke unter den insgesamt acht Fraktionen des Beklagten auf Platz fünf steht, also keinesfalls die kleinste Fraktion ist (S. 10 des Entscheidungsabdrucks). Die Festlegung einer Ausschussgröße, die zu einem Ausschluss der Klägerin von einem ordentlichen Ausschusssitz führt, bedarf deshalb zumindest einer gesonderten Rechtfertigung (vgl. VGH München, Urteil vom 17. März 2004, NVwZ-RR 2004, 602, 603 und Urteil vom 7. Oktober 1992, NVwZ-RR 1993, 267, 269; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 1998, NVwZ-RR 1999, 189, 190).

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn die Darlegungen des die Berufung anstrebenden Verfahrensbeteiligten ergeben, dass die Erfolgsaussichten der Berufung wegen der aufgezeigten besonderen Schwierigkeiten als offen anzusehen sind (vgl. Beschluss des Senats vom 1. März 2006 - OVG 7 N 11.05 -; OVG Berlin, Beschluss vom 13. Juli 2004 - OVG 8 N 150.03 -, juris; OVG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 8. Mai 2002, LKV 2003, 91). Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich - wie unter 1. ausgeführt - eine solche Offenheit der Erfolgsaussichten einer Berufung jedoch nicht.

Im Übrigen kommt es für eine Berufungszulassung nicht allein darauf an, ob im erstinstanzlichen Verfahren überdurchschnittliche Schwierigkeiten rechtlicher Art zu bewältigen waren. Wenn das Verwaltungsgericht diese schwierigen Fragen geklärt hat und - wie vorliegend - die dagegen gerichteten Angriffe des Rechtsmittelführers nicht geeignet sind, die tragenden Grundlagen der erstinstanzlichen Entscheidung zu erschüttern, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vor (vgl. OVG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 3. September 2003 - 4 A 788/01.Z -; ebenso OVG Münster, Beschluss vom 31. Juli 1998, NVwZ 1999, 202).

3. Schließlich liegt der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor. Für diesen Zulassungsgrund ist die Darlegung erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum diese über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (st. Rspr., vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2006 - OVG 3 N 301.05 -).

Vorliegend fehlt es an der notwendigen Herausarbeitung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Der Beklagte spricht in seinem Zulassungsantrag nur sehr allgemein von Rechtsfragen im Zusammenhang mit den "Anforderungen an die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Geschäftsordnungsbefugnis" und der "Anwendung des § 44 Abs. 3 LKrO". Dies deckt jedoch eine Vielzahl von möglichen Rechtsfragen ab. Eine konkrete entscheidungserhebliche und zugleich verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage ist damit nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und entspricht Ziff. 22.7 des Streitwertkataloges vom 7./8. Juli 2004 (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Anh. § 164, Rdnr. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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