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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: OVG 7 S 67.05
Rechtsgebiete: VwGO, LKrO


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 61 Nr. 2
LKrO § 31 Abs. 1 Satz 1
LKrO § 34 Abs. 2
LKrO § 34 Abs. 2 Satz 1
LKrO § 58 Abs. 3
LKrO § 59
LKrO § 59 Abs. 1
LKrO § 59 Abs. 1 Satz 1
LKrO § 59 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 7 S 67.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher und die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Merz und Plückelmann am 17. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerde-verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, Herrn C_____ S_____ dem Kreistag Potsdam-Mittelmark zur Wahl als Erster Beigeordneter vorzuschlagen, zu Recht bereits als unzulässig abgelehnt. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Antragsteller im vorliegenden kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit weder beteiligtenfähig noch antragsbefugt seien. Die dagegen mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände bieten keinen Anlass für eine abweichende rechtliche Beurteilung.

Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, eine Verletzung eigener organschaftlicher Rechte könne nicht bereits mit dem Hinweis darauf verneint werden, dass die Wahl des Beigeordneten dem Kreistag obliege und daher Teilorgane oder Einzelmitglieder aus einer fehlerhaften Wahl oder einem fehlerhaften Wahlvorschlag keine Rechtsverletzung herleiten könnten. In nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Beteiligtenfähigkeit und Antragsbefugnis nach den in Kommunalverfassungsstreitverfahren entsprechend anwendbaren §§ 61 Nr. 2, 42 Abs. 2 VwGO voraussetzt, dass sich die Antragsteller auf eine ihnen im Verhältnis zum Antragsgegner zustehende, gesetzlich eingeräumte Rechtsposition berufen können. Soweit es dies für die landesrechtliche Vorschrift des § 59 der Landkreisordnung für das Land Brandenburg (LKrO) vom 15. Oktober 1993 (GVBl. I S. 398, 433) über die Wahl der Beigeordneten verneint hat, kann dem nicht allein mit dem Hinweis begegnet werden, dass auch innerhalb eines "Gesamtentscheidungsvorgangs" Rechte von Teilorganen, insbesondere Minderheitenrechte, zu beachten seien. Dass den Antragstellern als Teil der kommunalen Vertretungskörperschaft in Bezug auf den Wahlvorschlag des Landrats eigene organschaftliche Rechte zur eigenständigen Wahrnehmung eingeräumt seien, ist damit nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat aus dem eindeutigen Wortlaut des § 59 Abs. 1 Satz 1 LKrO, nach dem die Beigeordneten auf Vorschlag des Landrats vom Kreistag gewählt werden, vielmehr zutreffend geschlossen, dass Adressat des Wahlvorschlags allein der Kreistag ist, dem auch originär das Recht zur Wahl der Beigeordneten zusteht (vgl. § 29 Abs. 2 Nr. 4 LKrO).

Das weitergehende Vorbringen der Antragsteller, die erklärte Absicht der Mehrheit des Kreistages, einen rechtswidrigen Beschluss fassen zu wollen, schränke die Mitwirkungsrechte der Minderheitsfraktionen und des einzelnen, der Koalitionsmehrheit nicht angehörenden Kreistagsabgeordneten ein, vermag den behaupteten direkten Eingriff in eigene organschaftliche Rechte gleichfalls nicht zu begründen. Ein allgemeines Recht, einem vom Landrat eingebrachten Wahlvorschlag zustimmen zu können, lässt sich weder § 34 Abs. 2 noch § 31 Abs. 1 Satz 1 LKrO entnehmen. Die in § 34 Abs. 2 Satz 1 LKrO gewährleistete Mitwirkungsbefugnis der Fraktionen bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Kreistag beinhaltet ersichtlich kein Recht auf einen bestimmten, auch aus Sicht der Minderheitsfraktion zustimmungsfähigen Wahlvorschlag. § 59 Abs. 1 LKrO sieht gerade keine einvernehmliche, von allen Kreistagsfraktionen getragene Bestellung der Beigeordneten vor, sondern ein alleiniges Vorschlagsrecht des Landrats (Satz 1) und ein bestimmtes Quorum bei der Wahl der Beigeordneten (Satz 3).

Soweit der Landesgesetzgeber danach auch für die Beigeordnetenwahl das Demokratieprinzip festgeschrieben hat, kann auch der einzelne Kreistagsabgeordnete nicht beanspruchen, von seinem Stimmrecht zustimmend Gebrauch machen zu können. Der wiederholte Hinweis der Antragsteller auf einen von dem vorschlagsberechtigten Antragsgegner in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Kreistages beabsichtigten bewussten Rechtsverstoß ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nach den ergänzenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen eines Anordnungsanspruchs die Frage eines (bewussten) Rechtsverstoßes durchaus unterschiedlichen Beurteilungen unterliegt, kann sich der Antragsteller zu 2. insoweit nicht mit Erfolg auf einen Eingriff in seine Rechtsstellung aus § 31 Abs. 1 Satz 1 LKrO berufen. Durch die ihm uneingeschränkt zustehende Möglichkeit, gegen einen vom Landrat vorgeschlagenen Kandidaten für die Position des Beigeordneten zu stimmen, ist gewährleistet, dass er sein Amt als Kreistagsabgeordneter, wie in § 31 Abs. 1 Satz 1 LKrO vorgesehen, nach dem Gesetz und seiner freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung ausüben kann. Dass er bei der Wahl angesichts seiner Minderheitenstellung (möglicherweise) von der Mehrheit des Kreistages überstimmt wird, macht seine Stimmabgabe weder "unbeachtlich" noch begründet dies für sich genommen eine Verletzung seines Mitwirkungsrechts. Die Möglichkeit einer nicht von allen Kreistagsabgeordneten getragenen Mehrheitsentscheidung ist letztlich Ausdruck des demokratischen Willensbildungsprozesses und vom Landesgesetzgeber für die Beigeordnetenwahl bereits in § 59 Abs. 1 Satz 3 LKrO angelegt.

Eine Erweiterung der kommunalverfassungsrechtlich abschließend ausgestalteten Rechte von Fraktionen und einzelnen Kreistagsabgeordneten lässt sich danach auch aus einem von den Antragstellern reklamierten "allgemeinen Minderheitenschutz" nicht herleiten. Auch eine überstimmte Minderheit kann im Wege des Kommunalverfassungsstreits lediglich die Verletzung eigener landesrechtlich eingeräumter Rechtspositionen geltend machen, nicht aber einen allgemeinen Anspruch auf rechtmäßige Entscheidungen der Mehrheit. Aus dem Umstand, dass sowohl der Antragsgegner als auch der Kreistag bei ihrer Tätigkeit an Gesetz und Recht gebunden sind und bei der Auswahl der Beigeordneten die in § 58 Abs. 3 LKrO normierten persönlichen und fachlichen Anforderungen zu beachten haben, ergibt sich weder für die Minderheitsfraktion noch das einzelne Kreistagsmitglied ein allgemeines, gerichtlich durchsetzbares Beanstandungsrecht. Dass sich die Wahl eines Beigeordneten damit, wie von den Antragstellern geltend gemacht, in einem völlig rechtsfreien Raum bewege, trifft nicht zu. Soweit die Wahlentscheidung des Kreistages wegen einer Verletzung der in § 58 Abs. 3 LKrO vorgesehenen Anforderungen an die Position des Beigeordneten rechtswidrig ist, ist es Aufgabe der staatlichen Kommunalaufsicht, nach Maßgabe der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften korrigierend einzugreifen (§ 67 Abs. 2 LKrO i.V.m. §§ 119 ff. GO). Der angeführte Minderheitenschutz vermag einen Eingriff in dieses vom Landesgesetzgeber vorgegebene kommunalverfassungsrechtliche Kompetenzgefüge nicht zu rechtfertigen. Lehnt die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde ein Einschreiten ab, wächst die Befugnis zur Beanstandung eines von der Kreistagsmehrheit getragenen Wahlergebnisses weder den Kreistagsabgeordneten einzeln noch gemeinschaftlich als Fraktion zu, vielmehr sind sie als unterlegene Minderheit mangels Verletzung eigener organschaftlicher Rechte darauf beschränkt, die vermeintlich fehlerhafte Beigeordnetenwahl politisch anzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1994, NVwZ-RR 1994, 352; Beschluss vom 9. Juli 1987 - 4 B 145/87 - juris).

Auf die weitergehenden Einwände der Antragsteller in der Sache kommt es danach nicht mehr an. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag selbständig tragend bereits als unzulässig abgelehnt. Diesen Begründungsteil haben die Antragsteller - wie dargelegt - nicht mit Erfolg angegriffen, so dass dahinstehen kann, ob ihr Beschwerdevorbringen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet, erfolgreich in Frage stellen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Für eine abweichende Verteilung der Verfahrenskosten ist kein Raum. Der von den Antragstellern hilfsweise für den Fall des Unterliegens gestellte Antrag, die Kosten des Verfahrens dem Landkreis Potsdam-Mittelmark aufzuerlegen, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieser am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist. Ob mangels Geltendmachung eigener organschaftlicher Rechte ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Landkreis überhaupt gegeben wäre, kann danach dahinstehen (vgl. zu den Grenzen der Kostentragungspflicht bei körperschaftsinternen Organstreitigkeiten: OVG Münster, Urteil vom 12. November 1991, NVwZ-RR 1993, 263; VGH Mannheim, Beschluss vom 17. September 1984, NVwZ 1985, 284).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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