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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.08.2005
Aktenzeichen: OVG 8 M 47.05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, AufenthG, BGB


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 121
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1360 a Abs. 4 Satz 1
BGB §§ 1601 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 8 M 47.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht und den Richtern am Oberverwaltungsgericht und am 19. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juni 2005 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und der zu seiner Vertretung bereite Rechtsanwalt G. D. beigeordnet.

Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers werden monatliche Raten in Höhe von 60 EUR ab 1. September 2005 festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat nach § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 und § 121 der Zivilprozessordnung - ZPO - einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Verfahren der ersten Instanz hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Familiennachzug zu seiner deutschen Ehefrau (§§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 27 Abs. 1 AufenthG) setzt voraus, dass der Ehegattennachzug zur Herstellung bzw. Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt. Beide Ehegatten behaupten, schon vor ihrer Eheschließung am 31. Mai 2002 und auch danach bis zur Ausreise des Klägers am 25. Februar 2004 in eheähnlicher bzw. ehelicher Lebensgemeinschaft in der Wohnung der Ehefrau zusammengelebt zu haben. Allein der erhebliche Altersunterschied zwischen den Eheleuten und der Umstand, dass nicht alle Fragen bei der getrennten Anhörung der Ehegatten im Visumsverfahren übereinstimmend beantwortet worden sind, rechtfertigen es nicht, in der gegenwärtigen Verfahrenslage das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zuverlässig zu verneinen. Es bedarf zur hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts der vom Kläger angebotenen zeugenschaftlichen Vernehmung seiner Ehefrau.

Der Umstand, dass der Kläger auch nach dem Erlass des Ausweisungsbescheides vom 12. Januar 1999, dessen Wirkungen mit der Verfügung vom 17. Oktober 2002 auf den Zeitpunkt von einer Woche ab nachgewiesener Ausreise, die am 25. Februar 2004 erfolgte, befristet wurden, Ausweisungsgründe durch weitere Straftaten (Geldstrafen von 50, 25 und 60 Tagessätzen wegen Beleidigung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, sowie zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 25. Februar 2003 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Sozialhilfebetruges) verwirklicht hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dem Klagebegehren fehle eine hinreichende Erfolgsaussicht. Zwar setzt gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Da der Kläger indessen mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, die nicht darauf verwiesen werden kann, die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihm im Ausland (wieder)herzustellen, kann wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes, den die eheliche Lebensgemeinschaft gemäß Art. 6 Abs. 1 GG genießt, ein Ausnahmefall gegeben sein, so dass die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Insoweit bleibt die weitere Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, wobei insbesondere das Gewicht der durch die weiteren Straftaten wie auch die falschen Angaben im Visumverfahren (zu bisherigen Vorstrafen) verwirklichten Ausweisungsgründe zu berücksichtigen sein wird. Ob dabei auch die der Ausweisung des Klägers zugrunde liegende Straftat der gemeinschaftlichen Vergewaltigung, die zur Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten geführt hat, nachteilig berücksichtigt werden kann, erscheint fraglich, denn diese Strafe wurde mit Wirkung vom 17. Juli 2000 erlassen und das Strafmaß beseitigt.

Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen allerdings in der Lage, die Kosten der Prozessführung in Raten aufzubringen, denn ihm steht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß §§ 1601 ff BGB i.V.m. § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB gegen seine Ehefrau zu, die als Friseuse arbeitet. Die Voraussetzungen des Vorschussanspruchs des § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB liegen vor, denn der Rechtsstreit betrifft eine persönliche Angelegenheit des Klägers, nämlich die (Fort-) Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau, und der Kostenvorschuss entspricht der Billigkeit. Diesen Anspruch hat der Kläger als Bestandteil seines Vermögens gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzusetzen. Der Ehefrau des Klägers könnte auf Grund ihres Einkommens Prozesskostenhilfe nur unter Auferlegung von Ratenzahlungen beanspruchen. In diesem Fall ist dem Unterhaltsberechtigten seinerseits Prozesskostenhilfe nur unter Auferlegung der für den Unterhaltsverpflichteten maßgebenden Raten zu bewilligen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 3. Februar 2003 - 9 WF 219.02 - FamRZ 2003, 1933).

Das Nettoeinkommen der Ehefrau beträgt 1.164,02 €. Davon sind gemäß § 115 Abs. 1 ZPO i.V.m. der dazu ergangenen Bekanntmachung vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 924) 380 € für den Kläger und seine Ehefrau, 173 € wegen der Erwerbstätigkeit der Ehefrau und 444,10 € für die Warmmiete der ehelichen Wohnung, also insgesamt 997,10 €, abzusetzen, so dass ein Überschuss vom 166,92 € verbleibt, der der Festsetzung der monatlichen Raten von 60 € (§ 115 Abs. 2 ZPO) zugrunde liegt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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