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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.12.2006
Aktenzeichen: OVG 8 S 42.06
Rechtsgebiete: VwGO, EGV


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
EGV Art. 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 S 42.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Weber und den Richter am Verwaltungsgercht Kirkes am 29. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 383.291,88 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung des in Umsetzung eines gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Beihilferückforderungsverfahrens ergangenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2005 über die Zahlung von 1.533.167,52 Euro nebst Zinsen ab dem 1. Januar 1998.

Die Antragstellerin wurde 1994 mit dem Ziel der Übernahme von vier der zwölf Produktionslinien der Ilmenauer Glaswerke GmbH, die im Wege der Umwandlung ehemals volkseigener Betriebe entstanden war und deren Liquidierung die Treuhandanstalt als Eigentümerin beschlossen hatte, gegründet. Der Verkauf der Produktionslinien ("Wannen") an die Antragstellerin erfolgte im Rahmen zweier sog. Asset-deals, nämlich durch Vertrag vom 26. September 1994 mit einem Kaufpreis von 5,8 Mio DM und durch Vertrag vom 11. Dezember 1995 mit einem Kaufpreis von 50.000 DM. Der Kaufpreis des Asset-deals 1 sollte in drei Raten bis Ende 1999 gezahlt werden.

Die Antragstellerin befand sich seit 1994 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten; 1997 war ihre Liquidität nahezu erschöpft. Die Wiederherstellung der Rentabilität sollte durch eine im Februar 1998 beschlossene konzertierte Aktion der Verfahrensbeteiligten und des Landes Thüringen mit Hilfe eines auf den Zeitraum 1998 bis 2000 bezogenen Umstrukturierungsplans erzielt werden, welcher u.a. einen Verzicht der Antragsgegnerin i.H.v. 4 Mio DM auf die Zahlung des im Asset-deal 1 vereinbarten ursprünglichen Kaufpreises vorsah (Vertrag vom 9. Februar 1999).

Im Dezember 1998 notifizierte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Umstrukturierungsmaßnahmen zugunsten der Antragstellerin. In dem anschließend durchgeführten Beihilfeprüfverfahren stellte die Kommission mit an die Bundesrepublik Deutschland gerichteter Entscheidung vom 12. Juni 2001 (2002/185/EG; ABl. EG Nr. L 62 vom 5. März 2002, S. 30) fest, dass die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Antragstellerin in Form eines Verzichts auf 4 Mio DM des Kaufpreises im Rahmen des am 26. September 1994 geschlossenen Asset-deals 1 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei (Art. 1). Deutschland wurde angewiesen, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe zurückzufordern (Art. 2 Abs. 1); die Rückforderung solle unverzüglich nach den deutschen Verfahren erfolgen, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen, und nach im Einzelnen näher bestimmten Voraussetzungen Zinsen umfassen (Art. 2 Abs. 2). Nach Art. 3 hat Deutschland der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe der Entscheidung die Maßnahmen mitzuteilen, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Forderungsverzicht dem Verhalten eines privaten Gläubigers nicht entsprochen habe.

Gegen die Entscheidung erhob die Antragstellerin am 28. August 2001 Nichtigkeitsklage beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG), dessen Präsident durch Beschlüsse vom 4. April 2002 und 1. August 2003 den Vollzug von Art. 2 der Kommissionsentscheidung unter bestimmten Bedingungen, namentlich jeweils einer Zahlung der Antragstellerin i.H.v. 256 000 Euro an die Antragsgegnerin, zuletzt bis zum 17. Februar 2004 aussetzte (T-198/01 R [II]; ABl. EG Nr. C 289 vom 29. November 2003, S. 23); mit Beschluss vom 12. Mai 2004 (T-198/01 R [III], ABl. EG Nr. C 239 vom 25. September 2004, S. 22) verlängerte er die Aussetzung bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache. Den ihr vom EuG auferlegten Zahlungsverpflichtungen kam die Antragstellerin nach. Ihre Klage wies das EuG mit Urteil vom 8. Juli 2004 (T-198/01) ab. Die Antragstellerin legte hiergegen beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) am 22. September 2004 Rechtsmittel ein (Rs. C-404/04 P; ABl. EG Nr. C 273 vom 6. November 2004, S. 23), worüber bisher nicht entschieden wurde. Der Präsident des EuGH lehnte mit Beschluss vom 29. April 2005 (C-404/04 P-R) den erneuten Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Aussetzung des Vollzugs von Art. 2 der Kommissionsentscheidung vom 12. Juni 2001 ab.

Von der Umsetzung der der Antragstellerin am 19. Juni 2001 bekannt gewordenen Kommissionsentscheidung sah die Antragsgegnerin zunächst mit Blick auf Verhandlungen der Antragstellerin mit einem anderweitigen Investor ab; auf die entsprechende Mitteilung an die Kommission forderte diese die Antragsgegnerin im September 2001 zur umgehenden Durchsetzung der Kaufpreisforderung i.H.v. 4 Mio DM aus dem Asset-deal 1 auf. Daraufhin forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Oktober 2001 zur Zahlung der Gesamtforderung (einschließlich Zinsen) von 4.830.481,10 DM auf, sofern nicht auf den seinerzeit von der Antragstellerin angekündigten Antrag auf Aussetzung des Vollzugs durch das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Rechtsschutz gewährt werde.

Nach dem eine weitere Vollzugsaussetzung ablehnenden Beschluss vom 29. April 2005 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. Juni 2005 (unter Abzug der von dieser aufgrund der Beschlüsse des Präsidenten des EuG vom 4. April 2002 und 1. August 2003 geleisteten Zahlungen) die Rückzahlung der staatlichen Beihilfe i.H.v. 1.533.167,52 Euro nebst Zinsen i.H.v. 726.386,44 Euro, berechnet vom 1. Januar 1998 bis zum 3. Juni 2005, zuzüglich weiterer Tageszinsen von aktuell 173,75 Euro (Nr. 1) und ordnete die sofortige Vollziehung an (Nr. 2). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Rückforderungsverlangen beruhe auf Art. 88 Abs. 2 i.V.m. Art. 87 EGV, der Kommissionsentscheidung vom 12. Juni 2001 und dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Rückforderung sei mittels eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes als dem schnellsten Weg zur Durchsetzung des das innerstaatliche Recht überlagernden Gemeinschaftsrechts zulässig, wobei wegen der Anordnung der Rückforderung durch die Kommissionsentscheidung kein Ermessen mehr bestehe und es nicht darauf ankomme, in welcher Form die Beihilfe gewährt worden sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruhe auf § 80 Abs. 2 (Satz 1) Nr. 4 VwGO i.V.m. Art. 242 EGV; das besondere Vollzugsinteresse ergebe sich aus der für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Kommissionsentscheidung, deren Missachtung ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen würde. Aus demselben Grunde habe von einer Anhörung abgesehen werden können (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG).

Die Antragstellerin hat dagegen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Das Verwaltungsgericht hat es mit Beschluss vom 25. April 2006 abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 7. November 2005 (OVG 8 S 93.05) im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen seien, indes das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem auf eine drohende Insolvenz abhebenden Aussetzungsinteresse der Antragstellerin im Hinblick auf das vorrangige Gemeinschaftsrecht und ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Interessenabwägung überwiege.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt nicht zur Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2005 wiederherzustellen. Die von der Beschwerde hiergegen vorgebrachten Einwände hinsichtlich des im Eilrechtsschutzverfahren anzuwendenden Prüfungsmaßstabes (1.), der Rechtsgrundlage der umstrittenen Rückforderung und der Verwaltungsaktbefugnis der Antragsgegnerin (2), des Gegenstandes der beanspruchten Forderung (3.) und der vom Verwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung (4.) greifen nicht durch.

1. Die Beschwerde macht geltend, das Verwaltungsgericht habe die Frage der Notwendigkeit bzw. des Bestehens einer Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid nicht offen lassen dürfen. Der Anspruch auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erfordere die Feststellung einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Rechtsgrundlage, wenn - wie hier - im Falle der Vollziehung des Bescheides eine Existenzvernichtung in Folge eintretender Insolvenz drohe. Daher hätte das Verwaltungsgericht die sich im Zusammenhang mit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides stellenden Rechtsfragen intensiver als im Beschluss des Senats vom 7. November 2005 geschehen prüfen müssen. Daran fehle es hier. Stattdessen sei das Verwaltungsgericht sogleich zu einer Interessenabwägung übergegangen.

a) Die Beschwerde geht bereits fehl, wenn sie annimmt, das Verwaltungsgericht habe (ohne Rechtmäßigkeitsprüfung) nur eine Interessenabwägung vorgenommen. Es hat vielmehr unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 7. November 2005 (OVG 8 S 93.05; NVwZ 2006, 104 = EuZW 2006, 91) ausgeführt, es schließe sich der dortigen Rechtsauffassung insoweit an, als danach die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen seien. Nach dem zitierten Beschluss, der gleichfalls die Umsetzung einer Kommissionsentscheidung betraf, ist Rechtsgrundlage des Bescheides bei der gebotenen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, weil das Rechtsverhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten ungeachtet des der Vermögensverschiebung zugrunde liegenden privatrechtlichen Vertrages in Ansehung der das Verhältnis zur Antragstellerin unmittelbar gestaltenden Kommissionsentscheidung öffentlich-rechtlicher Natur sein dürfte. Auch ist es nach den in Bezug genommenen Ausführungen des Senats mit Blick auf den eine sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung erfordernden Art. 14 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 nicht offensichtlich, dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Ferner bilde die Kommissionsentscheidung unmittelbar die öffentlich-rechtliche Grundlage für die Zinsforderung. Diese die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides betreffenden Erwägungen hat das Verwaltungsgericht inhaltlich auf den vorliegenden Fall übertragen. Erst auf dieser Grundlage, nämlich der als offen bewerteten Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin, hat es eine Interessenabwägung vorgenommen.

b) Zu einer darüber hinausgehenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides war das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht verpflichtet.

Allerdings trifft es zu, dass nach der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 - , NJW 1985, 2395/2400 f.) die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage im Eilverfahren stärker zu berücksichtigen sind, wenn die Vollziehungsanordnung später praktisch nicht mehr rückgängig zu machen ist. Der in der Entscheidung erwähnte Prüfungsmaßstab beim "Offensichtlichkeitsurteil" ist dagegen hier nicht einschlägig, weil er asylrechtliche Verfahren betrifft.

Der Senat hat indes in dem vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) in einem parallel gelagerten Fall die Rechtmäßigkeit des Bescheides unter den auch hier maßgeblichen Aspekten beleuchtet und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erfolgsaussichten des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs offen sind. Eine intensivere Prüfung ist bei schwierigen Rechtsfragen auch bei Berücksichtigung der Vorgaben der Brokdorf-Entscheidung nicht zu verlangen. Insbesondere kann es nicht darum gehen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Klärung derartiger Rechtsfragen in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verlagern. Die geltend gemachte Gefahr der Insolvenz bleibt dennoch nicht unberücksichtigt. Sie ist ein in die Interessenabwägung einzustellender Gesichtspunkt. Die Beschwerde zeigt nicht auf, weshalb damit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht Rechnung getragen werden kann.

2. Auch die gegen die bisherige Rechtsprechung des Senats erhobenen Einwände der Antragstellerin verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.

a) Dies gilt zunächst, soweit sie geltend macht, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch komme mangels öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht.

Richtig ist allerdings, dass der Verzicht der Antragsgegnerin auf 4 Mio. DM aus dem Asset-Deal 1 privatrechtlich erfolgt ist und dass nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur privatrechtlich erbrachte Leistungen privatrechtlich zurückzufordern sind. Diese das nationale Recht betreffende Sichtweise vernachlässigt aber den gemeinschaftsrechtlichen Aspekt der Angelegenheit. Die Durchsetzung der Kommissionsentscheidung dient der Rückgängigmachung eines gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Wettbewerbsvorteils (vgl. Urteil des EuGH vom 5. Oktober 2006, RS C-232/05, Kommission/Frankreich, Rdn. 47). Zwar geschieht dies nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 (jetzt Art. 88) des EG-Vertrages (ABl. EG Nr. L 083 vom 27. März 1999) nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedsstaates. Dies gilt jedoch nur, wenn hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Ist das nicht der Fall, muss das nationale Recht unangewandt bleiben (vgl. EuGH, a.a.O., Rdn. 53). Auch nach der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27. Juni 2000, Rs. C-404/97, Kommission/Portugal; NVwZ 2001, 310, Rdn. 55, und Urteil vom 26. Juni 2003, Rs. C-404/00, Kommission/Spanien, Slg. I, 6695, Rdn. 2) richtet sich die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen nur grundsätzlich nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, vorausgesetzt, die gewählten Mittel beeinträchtigen nicht die Geltung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts.

Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass eine zivilrechtliche Durchsetzung der Kommissionsentscheidung deren "sofortige und tatsächliche Vollstreckung" ermöglicht. Die von ihr eingereichte Studie (Application of EC State Aid Law at National Level) beschreibt den deutschen Zivilrechtsweg über Landgericht/Ober-landesgericht/Bundesgerichtshof und verweist im Übrigen auf das einstweilige Verfügungsverfahren. Es fehlt an Ausführungen dazu, dass mit Hilfe des letztgenannten Verfahrens ein Rückzahlungsanspruch überhaupt und in gleich effektiver Weise wie durch einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid gesichert werden kann. Erst recht gilt dies für die Zinsforderung, deren Grundlage nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 7. November 2005, a.a.O.) die Kommissionsentscheidung ist. Es dürfte außer Frage stehen, dass diese Forderung nicht zivilrechtlicher Natur ist und nicht auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden kann. Dazu verhält sich die Beschwerde nicht.

b) Aus den vorstehenden Erwägungen hält der Senat auch an seiner in dem Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) geäußerten und begründeten Rechtsauffassung fest, dass es der gemeinschaftsrechtliche Bezug in Fällen der vorliegenden Art gebieten dürfte, von der nach nationalem Recht grundsätzlich erforderlichen Verwaltungsaktbefugnis ausnahmsweise abzusehen. Die Beschwerde zeigt keine Judikate auf, die in einer vergleichbaren Konstellation zu einem anderen Ergebnis gelangt wären. Die von ihr problematisierte methodische Herleitung der Senatsrechtsprechung bleibt - sofern es hierauf im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht ankommen sollte - der Entscheidung im Klageverfahren vorbehalten. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der von der Antragstellerin angeführte Erwägungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 den EuGH nicht gehindert hat, das nationale Recht für unanwendbar zu erklären, wenn es die Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung nicht erfüllt (vgl. Urteil vom 5. Oktober 2006, a.a.O., Rdn. 50 und 53).

3. Keinen Erfolg hat auch der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe nicht erkannt, dass der Bescheid vom 30. Juni 2005 nicht die Kommissionsentscheidung vom 12. Juni 2001 umsetze, weil er nicht die von der Kommission identifizierte Leistung zurückfordere, sondern ein aliud.

Die gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe besteht nach Auffassung der Kommission in dem Verzicht auf einen Teil des Kaufpreises aus dem Asset-deal 1 in Höhe von 4 Mio DM, den die Antragstellerin nicht entrichtet hat, sondern der in ihrem Vermögen verblieben ist. Der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht führt zu einem nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil der Antragstellerin, der durch die "Wiederherstellung der früheren Lage" (EuGH, Urteil vom 14. September 1994, Rs. C 278/92 f., Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Rdn. 75) beseitigt werden soll. Diesem Ziel dient die Forderung der Antragsgegnerin nach Rückzahlung der staatlichen Beihilfe. Ihm wird durch die von der Antragstellerin für ausreichend gehaltene verbindliche Feststellung der Antragsgegnerin, dass der Verzicht nichtig sei, ersichtlich nicht Rechnung getragen. Ebenso wenig genügt die in Rede stehende Feststellung der "sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung" der Kommissionsentscheidung. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, die Kommission habe nicht geprüft, ob eine Kaufpreisanpassung in geringerer Höhe, eine langfristige Stundung etc. in Betracht gekommen wäre (mit entsprechender Auswirkung auf die nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilende staatliche Beihilfe), ist unbehelflich, weil darüber nicht von den nationalen Gerichten zu entscheiden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006, a.a.O., Rdn. 60). Die Überprüfung der Kommissionsentscheidung obliegt vielmehr ausschließlich den Gemeinschaftsgerichten. Das Vorbringen der Antragstellerin, sie habe gegen die Forderung der Antragsgegnerin mit einer unbestrittenen Gegenforderung aufgerechnet, trifft ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2006 nicht zu. Unabhängig davon dürfte auch der die staatliche Beihilfe direkt betreffende Einwand der Aufrechnung nur im Verfahren gegen die Kommissionsentscheidung zu prüfen sein.

4. Erweist sich der angefochtene Bescheid mithin aus den von der Antragstellerin angeführten Gründen nicht als offensichtlich rechtswidrig, so dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 7. November 2005, a.a.O.), hängt die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz von der Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten ab. Insoweit hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid überwiegt.

Das private Interesse der Antragstellerin besteht in der Verhinderung der ihr durch den Vollzug des Bescheides drohenden Insolvenz. Diese hat sie nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit dem erstinstanzlich eingereichten Gutachten des Wirtschaftsprüfers Pfizenmayer vom 3. Februar 2006 dargelegt. Die drohende Insolvenz kann einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden begründen (vgl. Beschluss des Präsidenten des EuG vom 3. Dezember 2002, Rs. T-181/02 R - Neue Erba Lautex -, zitiert nach curia.europa.eu, Rdn. 88). Dies allein führt indes nach dem im Urteil des EuGH vom 21. Februar 1991 (Rs. C-143/88 und C-92/89 - Zuckerfabriken Süderdithmarschen AG u.a. -, EuZW 1991, 313) gemeinschaftsrechtlich vorgezeichneten Prüfungsmaßstab noch nicht zum Vorrang des Individualinteresses. Die Entscheidung betrifft zwar die Aussetzung der Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsaktes, während es hier um die Aussetzung der Vollziehung eines auf einer Kommissionsentscheidung beruhenden nationalen Verwaltungsaktes geht. Die Beschwerde stellt die entsprechende Anwendung der Rechtsprechung des EuGH auf einen Fall wie den vorliegenden aber nicht ernsthaft in Frage. Dagegen bestehen auch sonst keine Bedenken. Zu dem drohenden Schaden hinzu kommen müssen somit erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Gemeinschaftsverordnung (bzw. der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung), mit der sich der Gerichtshof (bzw. ein Gemeinschaftsgericht) noch nicht befasst hat. Ferner ist das Interesse der Gemeinschaft angemessen zu berücksichtigen (EuGH, a.a.O., Rdn. 33).

Hier fehlt es schon an den erforderlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung. Dagegen spricht, dass das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften die Nichtigkeitsklage der Antragstellerin mit Urteil vom 8. Juli 2004 abgewiesen und der Präsident des EuGH mit Beschluss vom 29. April 2005 den Antrag auf Anordnung der Aussetzung des Vollzugs von Art. 2 der Kommissionsentscheidung vom 12. Juni 2001 abgelehnt hat. Hinzu tritt das Gemeinschaftsinteresse an einem unverzerrten Wettbewerb, das im Falle eines von der Kommission festgestellten Beihilfeverstoßes nahezu immer Vorrang vor dem Interesse des Beihilfeempfängers hat, den Vollzug der Rückerstattung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern (vgl. Beschluss des Präsidenten des EuG vom 3. Dezember 2002, a.a.O., Rdn. 113 unter Hinweis auf den im Verfahren der Antragstellerin ergangenen Beschluss vom 4. April 2002, Rs. T-198/01 R). Auf die weiteren Einwände der Beschwerde gegen die Begründung der erstinstanzlichen Aussetzungsentscheidung kommt es mithin nicht an. Ebenso wenig besteht Anlass, die Sache dem EuGH vorzulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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