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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: OVG 9 A 77.05
Rechtsgebiete: GG, VwGO, KAG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 47
KAG § 2 Abs. 1 Satz 2
KAG § 6 Abs. 1
KAG § 6 Abs. 2 Satz 5
KAG § 6 Abs. 4
KAG § 8
BGB § 139
1. Entfällt bei einem am Nenndurchfluss der verwendeten Wasserzähler ausgerichteten Maßstab für die Grundgebühr der leitungsgebundenen Abwasserentsorgung die ganz überwiegende Zahl der Anschlüsse auf dieselbe Nenngröße (hier: max Qn 2,5), kann auf eine weiter gehende Differenzierung umso eher verzichtet werden, je niedriger der Anteil der umgelegten Vorhaltekosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten ist (Fortführung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 1. 12. 2005 - OVG 9 A 3.05-).

2. Ein gespaltener Gebührensatz bei der Umstellung einer Finanzierung kommunaler Einrichtungen durch Beiträge und Gebühren auf eine Finanzierung nur durch Gebühren ist zulässig, um so im Verhältnis zu den beitragsbelasteten Nutzern dem aus dem KAG zu entnehmenden Verbot einer Doppelbelastung und Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Dabei muss im Rahmen der Festsetzung des ermäßigten Gebührensatzes der von dem Einrichtungsträger durch die aufgebrachten Beiträge beim Investitionsaufwand erzielte Vorteil in vollem Umfang an die beitragsbelasteten Nutzer weitergegeben werden.

3. Nicht beitragsbelastete Nutzer die aufgrund Festsetzungsverjährung zu Beiträgen nicht herangezogen werden könnten, haben weder unter Vertrauensschutzgesichts-punkten noch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot einen Anspruch auf Einbeziehung in die Anwendung des ermäßigten Gebührensatzes.


OVG 9 A 77.05

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Normenkontrolle einer Gebührensatzung (Schmutzwasserbeseitigung)

hat der 9. Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube, den Richter am Finanzgericht Dr. Beck, den ehrenamtlichen Richter Dr. Otto und den ehrenamtlichen Richter Papp

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die §§ 1 bis 9 und 11 der Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Eberswalde vom 15. Dezember 2004 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 4. Mai 2005 nichtig sind.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung vom 15. Dezember 2004 in der Fassung der 1. Änderungssatzung zur Gebührenssatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung vom 4. Mai 2005 des Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Eberswalde.

Der Antragsteller ist Eigentümer des im Verbandsgebiet des Antragsgegners belegenen Grundstücks T_____, das an die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung des Antragsgegners angeschlossen ist. Am 15. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners die Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung (im Folgenden: Schmutzwassergebührensatzung - SGS -), die nach der Bekanntmachungsanordnung des Verbandsvorstehers vom 16. Dezember 2004 am 24. Dezember 2004 im "Oderland Blitz" und "Barnimer Blitz Ausgabe Eberswalde" bekannt gemacht wurde. Die Schmutzwassergebührensatzung enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 1

Allgemeines

(1)

Der Zweckverband betreibt die Schmutzwasserbeseitigung nach Maßgabe der Entwässerungssatzung - Schmutzwasser - in der jeweils geltenden Fassung als eine selbständige öffentliche Einrichtung zur leitungsgebundenen Schmutzwasserbeseitigung (nachfolgend öffentliche Schmutzwasseranlage genannt).

(2)

Der Zweckverband erhebt nach Maßgabe dieser Satzung Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Schmutzwasseranlage (Schmutzwassergebühren),

(3)

Die Schmutzwassergebühren gliedern sich in Grund- und Verbrauchsgebühren.

§ 2

Grundgebühren

(1)

Die Grundgebühr wird nach der Nennleistung der verwendeten Wasserzähler bemessen. Befinden sich auf dem Grundstück mehrere Wasserzähler, die nicht Unterzähler sind, so wird die Grundgebühr nach der Summe der Nennleistungen der einzelnen Wasserzähler bemessen.

(2)

Die Grundgebühr beträgt für den Zeitraum ab 01.01.2005 bei einem Nenndurchfluss von

max. Qn 2,5 = 15,00 € pro Monat

max. Qn 6,0 = 64,80 € pro Monat

max. Qn 10,0 = 108,00 € pro Monat

mehr als Qn 10,0 = 162,00 € pro Monat

§ 3

Verbrauchsgebühr

(1)

Die Verbrauchsgebühr wird nach der Schmutzwassermenge berechnet, die im Erhebungszeitraum in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt. Berechnungseinheit für die Gebühr ist ein Kubikmeter (m³) Schmutzwasser.

(2)

Als in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangte Schmutzwassermenge gilt die dem Grundstück aus fremden und eigenen Wasserversorgungsanlagen zugeführte Wassermenge. Der Bezug von Wasser, das nicht aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage stammt, ist gegenüber dem Zweckverband anzeigepflichtig und in seiner Menge nachzuweisen. Auf Verlangen des Zweckverbandes hat der Gebührenschuldner für die nicht aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bezogenen Wassermengen geeignete und geeichte Messeinrichtungen auf seine Kosten einzubauen, zu erneuern, zu verändern und zu unterhalten.

(3)

Werden Wassermengen der öffentlichen Schmutzwasseranlage nicht zugeführt, so kann der Gebührenpflichtige diese Mengen über geeignete und geeichte Messeinrichtungen, die vom Zweckverband genehmigt und verplombt werden, nachweisen und deren Absetzung beantragen. Der Einbau, die Erneuerung, die Veränderung und die Unterhaltung der entsprechenden Messeinrichtungen hat auf Kosten des Gebührenpflichtigen zu erfolgen.

(4)

In dem jeweiligen Erhebungszeitraum gilt als angefallene Schmutzwassermenge:

a) für die Wassermenge aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage die gemäß Abs. 8 ermittelte Verbrauchsmenge,

b) für die Wassermenge aus privaten Wasserversorgungsanlagen oder sonstigen Entnahmestellen die von der eingebauten Messeinrichtung angezeigte oder in anderer Weise nachgewiesene Wassermenge,

c) die zur Absetzung der Gebührenrechnung nachgewiesene Wassermenge entsprechend Abs. 3.

(5)

Soweit die als Bemessungsgrundlage dienende Wassermenge nicht ermittelt werden kann oder aus anderen Gründen nicht zur Verfügung steht, wird die Wassermenge unter Zugrundelegung der Menge des letzten Erhebungszeitraums und unter Berücksichtigung der begründeten Angaben des Gebührenpflichtigen geschätzt.

(6)

Bei Bestehen einer Schmutzwassermesseinrichtung, die den Bestimmungen des Eichgesetzes entspricht, ist die tatsächlich eingeleitete Schmutzwassermenge maßgeblich.

(7)

Die Verbrauchsgebühr beträgt für den Zeitraum ab 01.01.2005 3,85 €/m³ Schmutzwasser.

(8)

Die Messeinrichtungen werden von den Dienstkräften des Zweckverbandes oder durch von ihm Beauftragte oder auf Verlangen des Zweckverbandes vom Anschlussnehmer selbst gegen Ende des Erhebungszeitraums abgelesen. Aufgrund des hierbei festgestellten Zählerstandes wird die während des gesamten Erhebungszeitraums (Kalenderjahr) verbrauchte Trinkwassermenge vom Zweckverband durch Hochrechnung taggenau zum 31.12. des Kalenderjahres ermittelt, indem die abgelesene Trinkwasserverbrauchsmenge durch die Anzahl der Tage des Ablesezeitraums (01.01. eines Jahres bis einschließlich Ablesetag) dividiert und mit der Zahl der Tage des Erhebungszeitraums multipliziert wird. Der derart durch Hochrechnung ermittelte Zählerstand (Endwert) ist zugleich Anfangswert für die Verbrauchsabrechnung des folgenden Erhebungszeitraums.

§ 4

Ermäßigte Gebühr

Für die Beseitigung des Schmutzwassers von einem Grundstück, für das ein Beitrag zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasseranlage bestandskräftig vom ZWA Eberswalde festgesetzt worden ist, beträgt die Verbrauchsgebühr für den Zeitraum ab 01.01.2005 3,52 €/m³ Schmutzwasser. Dasselbe gilt, soweit über den Beitrag eine Ablösungsvereinbarung mit dem ZWA Eberswalde geschlossen wurde.

§ 5

Entstehen und Beendigung der Gebührenpflicht

(1)

Die Gebührenpflicht für die Grundgebühr entsteht mit der betriebsfertigen Herstellung des Anschlusses des Grundstückes an die öffentliche Schmutzwasseranlage (Herstellung der Grundstücksanschlussleitung und der haustechnischen Schmutzwasseranlagen).

(2)

Die Gebührenpflicht für das Einleiten von Schmutzwasser (Verbrauchsgebühr) entsteht mit dem Tag, an dem Schmutzwasser auf dem Grundstück anfällt und in die öffentliche Schmutzwasseranlage erstmals eingeleitet wird.

(3)

Die Gebührenpflicht endet, sobald der Anschluss des Grundstücks beseitigt wird oder die Zuführung von Schmutzwasser von dem Grundstück in die öffentliche Schmutzwasseranlage auf Dauer endet.

§ 6

Gebührenpflichtige

(1)

Gebührenpflichtig ist, wer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der öffentlichen Schmutzwasseranlage Eigentümer des Grundstücks ist. Ist für ein Grundstück ein Erbbaurecht bestellt, so tritt an die Stelle des Grundstückseigentümers der Erbbauberechtigte. Besteht für das Grundstück ein Nutzungsrecht, so tritt der Nutzer an die Stelle des Eigentümers. Nutzer sind die in § 9 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes vom 21.09.1994 (BGBl. I S. 2457) genannten natürlichen oder juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts. Die Gebührenpflicht dieses Personenkreises entsteht nur, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme das Wahlrecht über die Bestellung eines Erbbaurechts oder den Ankauf des Grundstücks gem. den §§ 15 und 16 des Sachrechtsbereinigungsgesetzes bereits ausgeübt und gegen den Anspruch des Nutzers keine der nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz statthaften Einreden und Einwendungen geltend gemacht worden sind. Mehrere Gebührenpflichtige haften als Gesamtschuldner.

(2)

Bei einem Wechsel des Gebührenpflichtigen geht die Gebührenpflicht mit Beginn des auf den Übergang folgenden Tages auf den neuen Pflichtigen über.

§ 7

Erhebungszeitraum

(1)

Der Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr.

(2)

Die Gebührenschuld entsteht mit Ablauf des Erhebungszeitraums. Endet ein Benutzungsverhältnis vor Ablauf des Erhebungszeitraums, entsteht die Gebührenschuld mit Ablauf des Tages, an dem das Nutzungsverhältnis endet.

§ 8

Vorauszahlungen und Fälligkeit

(1)

Die Gebühren werden durch Bescheid festgesetzt und einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheides fällig.

(2)

Auf die nach Ablauf des Erhebungszeitraums zu erwartende Gebühr sind anteilig zum 15.03., 15.05., 15.07., 15.09. und 15.11. des Kalenderjahres Vorauszahlungen von jeweils 16 % der voraussichtlichen Gebührenschuld fällig. Die Vorauszahlungen werden durch Bescheid auf der Grundlage der Berechnungsdaten des vorhergehenden Erhebungszeitraums festgesetzt. Fehlt es an solchen Berechnungsdaten, so setzt der Zweckverband die Höhe der Vorauszahlungen unter Schätzung der voraussichtlichen Gebührenschuld fest.

§ 9

Auskunfts-, Anzeige- und Duldungspflicht

Die Abgabenpflichtigen haben dem Zweckverband jede Auskunft zu erteilen, die für die Festsetzung und Erhebung der Abgaben nach dieser Gebührensatzung erforderlich ist. Jeder Wechsel der Rechtsverhältnisse am Grundstück ist dem Zweckverband sowohl vom Veräußerer als auch vom Erwerber innerhalb eines Monats schriftlich anzuzeigen. Sind auf dem Grundstück Anlagen vorhanden, die die Berechnung der Abgaben beeinflussen, so hat der Abgabenpflichtige dies unverzüglich dem Zweckverband schriftlich anzuzeigen; dieselbe Verpflichtung besteht für ihn, wenn solche Anlagen neu geschaffen, geändert oder beseitigt werden. Dienstkräften oder mit besonderem Berechtigungsnachweis versehenen Beauftragten des Zweckverbandes ist der Zutritt auf das Grundstück zu gewähren, um Bemessungsgrundlagen für die Abgabenerhebung festzustellen oder zu überprüfen. Die Abgabenpflichtigen haben das Betreten zu dulden.

...

§ 11

In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt am 01.01.2005 in Kraft.

Mit der gleichfalls am 15. Dezember 2004 von der Verbandsversammlung des Antragsgegners beschlossenen Satzung zur Aufhebung beitragsrechtlicher Vorschriften wurden § 1 Abs. 2 Nr. 1 und die §§ 2 bis 11 der Beitrags- und Gebührenordnung für die zentrale Abwasserbeseitigung des Antragsgegners vom 12. Februar 1996 rückwirkend zum 24. Februar 1996, die Beitragssatzung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung des Antragsgegners vom 26. Juni 1997 rückwirkend zum 1. Januar 1997 und die Beitragssatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung des Antragsgegners vom 30. Oktober 2002 rückwirkend zum 1. Januar 1997 aufgehoben.

Die an die Größe des jeweiligen Wasserzählers gekoppelten Grundgebühren dienten der teilweisen Deckung der prognostizierten verbrauchs- bzw. mengenunabhängigen Kosten in Höhe von 9 542 300,00 EUR (laut Betriebsabrechnungsbogen), wobei im Rahmen der Kalkulation von einem Grundgebührensatz von 15,00 EUR monatlich bei einem Nenndurchfluss von Qn 2,5 ausgegangen wurde.

Der nach der Kalkulation nicht durch allgemeine Erlöse (162 300,00 EUR) und Grundgebühren (2 464 100,00 EUR) gedeckte Anteil an den gesamten gebührenfähigen Kosten (11 208 300,00 EUR) war Grundlage für die Ermittlung der nach dem Frischwassermaßstab berechneten Mengengebühr, die bei für das Jahr 2005 im Verbandsgebiet erwarteten Maßstabseinheiten von 2 227 969 m³ (laut Mengenrechnung des Antragsgegners) mit 3,85 EUR/m³ veranschlagt wurde.

Um im Zusammenhang mit der Finanzierungsumstellung auf ein reines Gebührenfinanzierungsmodell dem Verbot der Doppelbelastung Rechnung zu tragen, wurde für die Grundstücke, für die Anschlussbeiträge entrichtet worden waren, ein gesonderter Gebührensatz ermittelt. Dieser ergab sich durch eine Berechnung der kalkulatorischen Kosten unter Berücksichtigung der Anschlussbeiträge in Höhe von 9 782 709,35 EUR als Abzugskapital, wodurch sich die kalkulatorischen Abschreibungen um 218 580,33 EUR und die kalkulatorischen Zinsen um 506 592,48 EUR reduzierten und sich die Mengengebühr für die beitragsbelasteten Grundstücke mittels Division des errechneten Gebührenminderbedarfs von 725 172,81 EUR durch die veranschlagten Maßstabseinheiten von 2 227 969 m³ um 0,33 EUR/m³ auf 3,52 EUR/m³ ermäßigte. Am 4. Mai 2005 beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners die 1. Änderungssatzung zur Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung (im Folgenden: 1. Schmutzwassergebührenänderungssatzung - 1. ÄndSSGS -), die nach der Bekanntmachungsanordnung des Verbandsvorstehers vom 9. Mai 2005 am 14. Mai 2005 im "Oderland Blitz" und "Barnimer Blitz Ausgabe Eberwalde" bekannt gemacht wurde. Die Satzung fasste mit ihrem Art. 1 rückwirkend zum 01.01.2005 § 6 der Schmutzwassergebührensatzung wie folgt neu:

§ 6

Gebührenpflichtige

(1)

Gebührenpflichtig ist, wer zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der öffentlichen Schmutzwasseranlage Eigentümer des Grundstücks ist. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht oder mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastet, so tritt der Erbbauberechtigte bzw. der dinglich zur Nutzung des Grundstücks Berechtigte an die Stelle des Eigentümers. (2)

Bei einem Wechsel des Gebührenpflichtigen geht die Gebührenpflicht mit Beginn des auf den Übergang folgenden Tages auf den neuen Pflichtigen über.

Zur Kontrolle der Höhe der Gebührensätze wurden vom Antragsgegner für 2006 und 2007 gesondert Gebührenkalkulationen durchgeführt, die zu keiner Änderung der Sätze führten.

Mit seinem am 13. Oktober 2005 erhobenen Normenkontrollantrag macht der Antragsteller neben formellen Fehlern im Zusammenhang mit dem Ablauf der Verbandsversammlung des Antragsgegners und deren Beschlussfassung sowie Kalkulationsfehlern bei der Ermittlung des Gebührensatzes im Wesentlichen geltend: Die Grundgebühr von 15,00 EUR monatlich bzw. 180,00 EUR jährlich bei einer Zählergröße von Qn 2,5 sei rechtswidrig, weil diese bei einer unterstellten jährlichen Verbrauchsgebührenbelastung eines 1-Personenhaushaltes von 80,00 EUR sowie eines 2-Personenhaushaltes von 160,00 EUR die Verbrauchsgebühr regelmäßig übersteige und im Ergebnis über die Grundgebühren ein Anteil von mehr als 50 v.H. am Gesamtgebührenaufkommen finanziert werde. Die Festlegung gespaltener Verbrauchsgebührensätze in der Satzung benachteilige unangemessen die Nutzer, die schon vor Aufhebung der beitragsrechtlichen Satzung aus rechtlichen Gründen (altangeschlossene Grundstücke oder Festsetzungsverjährung) nicht mehr zu einem Beitrag hätten herangezogen werden können und verstoße zudem gegen § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG, der zwingend vorschreibe, dass bei der Ermittlung sowohl der Abschreibungen als auch der Verzinsung des Eigenkapitals der aus Beiträgen aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht bleibe.

Der Antragsteller beantragt,

die Nichtigkeit der Gebührensatzung für die leitungsgebundene Schmutzwasserbeseitigung des Antragsgegners vom 15. Dezember 2004 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 4. Mai 2005 festzustellen mit Ausnahme des § 10 der Satzung.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner untersetzt seine Auffassung, dass die zur Überprüfung gestellte Satzung rechtmäßig sei, durch eingehende Erläuterungen zur Kalkulation der Gebührensätze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die von der Antragsgegnerin vorgelegten Satzungsunterlagen sowie den aus den Verfahren OVG 9 A 80.05 und OVG 9 A 5.06 zugezogenen Schriftsatz des Antragsgegners vom 27. April 2007 nebst vorausgegangener Verfügung des Berichterstatters des Senats vom 9. März 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag ist nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Der Antragsteller ist als Eigentümer des im Verbandsgebiet des Antragsgegners belegenen Grundstücks gemäß § 1 SGS i.V.m. § 6 der 1. ÄndSSGS Gebührenschuldner und damit antragsbefugt. Er verfügt auch über das erforderliche Interesse an der Prüfung der Vorschriften der umstrittenen Schmutzwassergebührensatzung, da diese bisher nicht außer Kraft getreten ist und zudem Grundlage für vom Antragsteller angefochtene Gebührenbescheide ist.

Der Antrag ist auch begründet. Die - mit Ausnahme der Regelung über Ordnungswidrigkeiten in § 10 SGS - zur Überprüfung gestellten Bestimmungen der Schmutzwassergebührensatzung in der Fassung der 1. Änderungssatzung sind nichtig.

Zwar bestehen - entgegen der Auffassung des Antragstellers - keine rechtlichen Bedenken gegen die in § 2 SGS geregelte Grundgebühr. Eine solche ist nach § 6 Abs. 4 Satz 3 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) zur Deckung der verbrauchsunabhängigen Kosten (Vorhaltekosten) neben der Verbrauchsgebühr zulässig. Mit der Grundgebühr werden die durch das Bereitstellen und Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (so genannte Fixkosten, invariable Kosten) ganz oder teilweise abgedeckt. Die Bemessung der Grundgebühr muss sich grundsätzlich nicht am Maßstab der Verbrauchsgebühr ausrichten. Verbrauchs- und Grundgebühr haben unterschiedliche Anknüpfpunkte für die abzugeltende Leistung. Während die Verbrauchgebühr nach einem am Maß der Inanspruchnahme der Leistung orientierten Wirklichkeits- bzw. Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen ist (§ 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 KAG), ist mit dem Wesen der Grundgebühr das Verständnis verbunden, dass sie allein für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft der öffentlichen Einrichtung und nicht für solche Kosten erhoben wird, die erst durch den Leistungsbezug als solchen entstehen. § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG stellt mit der Bindung der Grundgebühr an ihre "Angemessenheit" und die Feststellung, dass die Gebühr "unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme" sei, ferner klar, dass es grundsätzlich keiner Bemessung der Gebühr nach der Inanspruchnahme der Vorhaltleistung als solcher bedarf. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2005 - 9 A 3.05 - juris) ist zur Wahrung der Angemessenheit maßgeblich, dass die für den einzelnen Nutzer anfallende Grundgebühr nicht außer Verhältnis zu dem ihm gebotenen Vorteil, die Leistung der Einrichtung jederzeit in dem konkret benötigten Umfang abrufen zu können, stehen darf.

Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, dass der Einwand des Antragstellers, der in § 2 SGS geregelte Grundgebührensatz sei überhöht, weil damit die Grundgebühren regelmäßig die Verbrauchsgebühren bei einem 1- bzw. 2-Personenhaushalt übersteigen würden, schon im Ansatz fehl geht, da sich die Angemessenheit der Grundgebühr in erster Linie an dem gebotenen Vorteil und nicht an der tatsächlichen Inanspruchnahme orientiert. Zwar ergibt sich aus dem System des § 6 KAG, das Grund - und Verbrauchsgebühren nur als Teile eines einheitlichen Rechtsverhältnisses versteht, dass die Gebührenbemessung nach der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Anlage, wie sich nach § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG für Benutzungsgebühren bestimmend ist, in ihrem Wesensgehalt gewahrt bleiben muss. Es muss daher in der Gesamtschau der Erhebung von Grund- und Verbrauchsgebühren einer Differenzierung nach dem Maß der Inanspruchnahme hinreichend Rechnung getragen werden, nicht zuletzt auch, um verfassungskonform einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auszuschließen (vgl. Urteil des Senats vom 1. Dezember 2005, a.a.O.). Hieraus ergibt sich allerdings keine Begrenzung in der Weise, dass über die Grundgebühren - wie der Antragsteller meint - nur ein bestimmter prozentualer Anteil der Gesamtkosten umgelegt werden dürfte. § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG sieht nicht vor, dass der Anteil der Kostendeckung durch die Grundgebühr beschränkt wäre mit der Folge, dass ein Restanteil nicht umlegungsfähiger Vorhaltekosten zwingend über der Verbrauchsgebühr auf die Nutzer der Einrichtung umzulegen wäre. Dem Erfordernis des § 6 Abs. 4 KAG einer noch leistungsorientierten Gebührengestaltung ist vielmehr durch die Gestaltung des (Grund-)Gebührenmaßstabes Rechnung zu tragen (vgl. Urteil des Senats vom 1. Dezember 2005, a.a.O.). Je höher der Kostenanteil der Grundgebühr an den Gesamtkosten ist, umso eher muss für die Angemessenheit der Gebühr auf das Maß der Inanspruchnahme der Vorhalteleistungen abgestellt werden. Diesen Grundsätzen trägt der Grundgebührenmaßstab des § 2 SGS Rechnung. Der in § 2 Abs. 1 und 2 SGS enthaltene Maßstab für die Grundgebühr, der sich in Form einer Gebührenstaffelung auf die Größe des Nenndurchflusses des verwendeten Wasserzählers bezieht, ist im Bereich der zentralen Schmutzwasserbeseitigung grundsätzlich zulässig (vgl. Düwel in Becker/Benedens/Deppe/Düwel/Kluge/Liedke/Schmidt, KAG Bbg, Kommentar, Stand März 2007, § 6 Rn. 1005, mit Rechtsprechungsnachweisen; nach dem Urteil des OVG Brandenburg vom 22. August 2002 - 2 D 10/02.NE - ist ein solcher Maßstab jedenfalls "kein von vornherein ungeeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab"). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Nennleistung der Wasserzähler mit einem Durchfluss von max. Qn 2,5 - wie nach Darstellung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung auch im Verbandsgebiet - die ganz überwiegende Zahl der grundgebührenpflichtigen Grundstücke betreffen kann mit der Folge, dass die weitere Differenzierung nach einer höheren Nennleistung eine faktisch völlig untergeordnete, wenn nicht ganz zu vernachlässigende Rolle spielt. Der Maßstab wird dann gleichsam zu einem Einheitsmaßstab, wonach fraglich sein kann, ob der Anforderung der Angemessenheit des § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG noch genügt ist (vgl. zu allem auch das Urteil vom 1. Dezember 2005, a.a.O.). Nach den dargelegten Grundsätzen, dass auf eine weiter gehende Differenzierung nach dem Maß der Inanspruchnahme um so eher verzichtet werden kann, je niedriger der Anteil der umgelegten Vorhaltekosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten ist, bestehen an einer solchen Pauschalierung der Grundgebühr hier aber keine Bedenken, weil die Vorhaltekosten in Höhe von 9 542 300,00 EUR nur in Höhe von 2 464 100,00 EUR über Grundgebühren abgedeckt werden. Der Anteil an den Gesamtkosten der Einrichtung (11 208 300,00 EUR) beträgt damit lediglich 21,9846 v.H., so dass angesichts dieses nur relativen geringen Anteils des Grundgebührenaufkommens an den Gesamtkosten von einer noch hinreichend leistungsorientierten Gebührengestaltung ausgegangen werden kann.

Die zur Überprüfung gestellten Satzungsbestimmungen erweisen sich aber insgesamt deshalb als nichtig, weil die in § 4 SGS enthaltene Regelung des Satzes für die ermäßigte Verbrauchsgebühr nichtig ist. Die Nichtigkeit dieses Satzungsbestandteils führt zur Unwirksamkeit nicht nur des § 4 SGS, sondern zur Ungültigkeit der Satzung insgesamt.

Die Ermittlung der Höhe des Gebührensatzes für die ermäßigte Verbrauchsgebühr in § 4 SGS enthält einen Fehler, der zu einem Verstoß gegen das aus § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG zu entnehmende Verbot einer Doppelbelastung, den landesrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führt; damit verbunden ist ein beachtlicher Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG.

Die in § 4 SGS vorgesehene ermäßigte Verbrauchsgebühr für Grundstücke, für die ein Anschlussbeitrag vom Antragsgegner bestandskräftig festgesetzt worden ist oder für die hinsichtlich des Anschlussbeitrages eine Ablösungsvereinbarung mit dem Antragsgegner geschlossen worden ist, beruht auf einer Umstellung des Finanzierungssystems der von dem Antragsgegner betriebenen öffentlichen Einrichtung zur leitungsgebundenen Schmutzwasserbeseitigung i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG von einer sowohl von Anschlussbeiträgen als auch von Benutzungsgebühren getragenen Finanzierung der Herstellung der Einrichtung auf eine reine Gebührenfinanzierung. Nach der abgabenrechtlichen Systematik, die den §§ 6 und 8 KAG zu Grunde liegt, besteht grundsätzlich eine Wahlfreiheit des Einrichtungsträgers, ob er seine Investitionen über Anschlussbeiträge oder Gebühren finanziert. Kommunale öffentliche Einrichtungen, die - wie die vorliegende öffentliche Schmutzwasserentsorgung - überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dienen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG), sollen nach der dem KAG innewohnenden Konzeption der Gesamtfinanzierung nicht aus dem allgemeinen Haushalt, sondern durch den bevorteilten Personenkreis finanziert werden. In diesem gesetzlichen Rahmen eröffnet § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG die Möglichkeit, nach Ermessen Beiträge zu erheben (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 - juris). Macht der Zweckverband von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, sind die Anschaffungs- und Herstellungsaufwendungen über die kalkulatorischen Abschreibungen sowie die kalkulatorische Verzinsung des aufgewandten Kapitals gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG als Kostenposition in die Kalkulation der Benutzungsgebühren einzustellen, da insoweit das Kostendeckungsgebot nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG gilt, nach dem das veranschlagte Gebührenaufkommen die Kosten bei Einrichtungen der vorliegenden Art in der Regel "decken" soll. Werden Beiträge erhoben, lässt die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG die Verzahnung beider Finanzierungswege erkennen. Denn danach bleibt bei der Ermittlung der Abschreibungen und der Verzinsung der aus Beiträgen aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht, um zu vermeiden, dass es durch die Heranziehung zu Benutzungsgebühren zu einer mit der Einmaligkeit der Beitragserhebung unvereinbaren Doppelbelastung für Anteile am Gesamtaufwand kommt, die bereits mit der Beitragsleistung entgolten wurden. Ein und dieselbe Aufwandsposition darf nicht durch einen Beitrag umgelegt und zusätzlich nochmals als Kostenposition (kalkulatorische Abschreibung und Verzinsung des Eigenkapitals) in die Berechnung der Benutzungsgebühr eingestellt werden (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003, a.a.O.).

Eine Bindung des Zweckverbandes an eine einmal getroffene Entscheidung über die Form, in der Investitionen an beitragsfähigen Anlagen finanziert werden, lässt sich dem KAG nicht entnehmen. Dem Einrichtungsträger steht es insbesondere grundsätzlich frei, ein auf Beiträgen und Gebühren beruhendes Finanzierungssystem auf ein rein gebührenfinanziertes Modell umzustellen. Diese Wahlfreiheit wird jedoch durch das Finanzierungssystem des KAG und letztlich auch höherrangiges Recht beschränkt. Haben Nutzer bereits durch Beiträge zur Finanzierung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung beigetragen, verstößt die undifferenzierte Erhebung von Gebühren von diesen Nutzern ohne Berücksichtigung ihrer geleisteten Beiträge im Verhältnis zu den übrigen Nutzern gegen das insbesondere aus § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG zu entnehmende Verbot einer Doppelbelastung, den landesrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn erstere haben im Unterschied zu den übrigen Nutzern mit ihrer auf den Aufwand der Einrichtung bezogenen Leistung wirtschaftlich gesehen Anteile an den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage erbracht. Zahlt der Einrichtungsträger im Fall einer Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung die von den Nutzern geleisteten Beiträge nicht zurück, ergibt sich aus den dargestellten Grundsätzen die Pflicht, in der Satzung entsprechend unterschiedliche ("gespaltene") Gebührensätze festzusetzen oder den Ausgleich durch eine Billigkeitsregelung im Rahmen des Heranziehungsverfahrens (Gebührenerlass) vorzunehmen (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003, a.a.O.; ferner zum vergleichbaren Finanzierungssystem des KAG NW OVG NW, Urteile vom 17. September 1980 - 2 A 1653/79 - DVBl. 1981, 831, und vom 30. Mai 1989 - 2 A 2920/84 - NWVBL 1990, 99; vgl. zu den bundesrechtlichen Vorgaben auch BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007 - 10 BN 5.06 -; Urteil vom 16. September 1981 - 8 C 48/81 - DVBl 1982, 76).

Im Streitfall hat der Antragsgegner dem Verbot der Doppelbelastung im Ansatz in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dadurch entsprochen, dass er für solche Nutzer, die schon über Beiträge zum Ersatz des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes beigetragen haben, in § 4 SGS einen ermäßigten Gebührensatz vorgesehen hat (vgl. zum gespaltenen Gebührensatz OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003, a.a.O.). Auch hat der Antragsgegner den Kreis der beitragsbelasteten Nutzer ausreichend dadurch bestimmt, indem er die maßgeblichen Beitragssatzungen ersatzlos aufgehoben und den ermäßigten Gebührensatz auf diejenigen Grundstücke beschränkt hat, für die ein Anschlussbeitrag bestandskräftig festgesetzt oder für die bezüglich des Anschlussbeitrages eine Ablösungsvereinbarung mit dem Antragsgegner geschlossen worden ist. Soweit der Antragsteller gegen den Anwendungsbereich des ermäßigten Gebührensatzes einwendet, dass der ermäßigte Gebührensatz auch denjenigen Nutzern zugute kommen müsse, die aus rechtlichen Gründen, insbesondere wegen Verjährung, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen werden könnten, übersieht er, dass diese keine Leistungen auf den Investitionsaufwand erbracht haben und sich gerade hieraus die Rechtfertigung für die Differenzierung im Verhältnis zu den beitragsbelasteten Nutzern ergibt. Die von dem Antragsteller begehrte Gleichbehandlung lässt sich auch nicht - wie er meint - aus § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG herleiten. Der Antragsteller verkennt bereits die Bedeutung der vom Antragsgegner vorgenommenen Systemumstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung, die der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG einen unmittelbaren Anwendungsbereich nur noch insoweit eröffnet, als es um die Abwicklung der Finanzierungsphase geht, in der Beiträge und Gebühren erhoben wurden. Insoweit sind aber nur die schutzwürdig, die im Sinne der genannten Vorschrift das zur Finanzierung erforderliche Kapital (tatsächlich) durch Beitragszahlungen "aufgebracht" haben. Weder der Wortlaut noch der Regelungszweck des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG, der zur Vermeidung einer Doppelbelastung der beitragspflichtigen Nutzer lediglich an die tatsächlich gezahlten (= "aufgebracht") Beiträge anknüpft (vgl. insoweit zum inhaltsgleichen § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2007, § 6 Rn. 162), rechtfertigen eine andere Betrachtung. Auch ein etwaiges Vertrauen eines nicht beitragsbelasteten Nutzers darauf, zu einem Beitrag nicht mehr herangezogen werden zu können, rechtfertigt es nicht, diesen im Fall einer Umstellung des Finanzierungssystems gleich einem beitragsbelasteten Nutzer zu behandeln. Abgesehen davon, dass ein schutzwürdiges Vertrauen eine entsprechende Vermögensbetätigung voraussetzt, kann sich ein solches in die Beibehaltung eines einmal von dem Einrichtungsträger gewählten Finanzierungssystems angesichts dessen fortbestehender Entscheidungsfreiheit bei der Wahl des Finanzierungssystems grundsätzlich nicht bilden. Etwaige Ausnahmefälle erfordern keine Gleichbehandlung mit den beitragsbelasteten Nutzern, sondern können durch Billigkeitsausgleich im Einzelfall Beachtung finden. Der Antragsteller übersieht zudem, dass sich das von ihm in Abrede gestellte Erfordernis einer differenzierten Gebührenerhebung im vorliegenden Fall auch bei einer Beibehaltung des bisherigen Finanzierungssystems unter dem Blickwinkel des landesrechtlichen Gebotes der Abgabengerechtigkeit und des Gleichheitssatzes ergeben könnte, soweit die durch eine undifferenzierte Gebührenerhebung hervorgerufene Ungleichbehandlung zwischen den nicht beitragsbelasteten Nutzern einerseits und den beitragsbelasteten Nutzern andererseits eine nicht mehr durch die Grundsätze der Verwaltungspraktikabilität und der Typengerechtigkeit zu rechtfertigende Quantitätsgrenze überschreiten würde (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 22. März 2007, a.a.O; Urteil vom 16. September 1981, a.a.O.).

Trägt die Wahl eines gespaltenen Gebührensatzes somit im Ansatz dem Verbot der Doppelbelastung und dem im Verhältnis der Gebührenpflichtigen untereinander zu beachtenden Gebot einer gleichgewichtigen Kostenbelastung Rechnung, so gilt dies indessen nicht hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des ermäßigten Gebührensatzes für die beitragsbelasteten Nutzer. Will der Einrichtungsträger den genannten Grundsätzen durch einen ermäßigten Gebührensatz für beitragsbelastete Nutzer neben einem Gebührensatz für nicht beitragsbelastete Nutzer genügen, hat er bei der Ermittlung des ermäßigten Gebührensatzes zu berücksichtigen, dass das beitragsfinanzierte Kapital in der gebührenpflichtigen Einrichtung gebunden bleibt. Für den angestrebten Ausgleich der von den beitragsbelasteten Nutzern erbrachten wirtschaftlichen Anteile an den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bedeutet das, dass die durch die Beiträge erlangte Entlastung beim Investitionsaufwand im Rahmen der Kalkulation durch eine Reduzierung der kalkulatorischen Kosten, soweit nach § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG für ihre Ermittlung Beiträge als Abzugskapital von Bedeutung sind, zu erfassen und über die Festsetzung des ermäßigten Gebührensatzes in vollem Umfang an die beitragsbelasteten Nutzer weiterzugeben ist. Im Ergebnis darf die Gemeinde bzw. hier der Verband nicht besser stehen als bei einem einheitlichen Gebührensatz. Gelingt ein derartiger Ausgleich nicht, führt dies zu einer überhöhten Gebühr und wird die mit dem ermäßigten Gebührensatz zu verfolgende Zielsetzung nicht erreicht. Zugleich bedeutet dies einen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG.

Vorliegend hat der Antragsgegner im Rahmen der Kalkulation des ermäßigten Gebührensatzes einen geringeren Gebührenbedarf in Höhe von 725 172,81 EUR ermittelt, indem er die kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen und Verzinsung des aufgewandten Kapitals) unter Berücksichtigung der Anschlussbeiträge errechnet hat. Mag diese Ermittlung der durch die Beiträge erlangten wirtschaftlichen Vorteile des Antragsgegners im Grundsatz auch nicht zu beanstanden sein, so ergibt sich eine verbotene Überschreitung des Gebührensatzes jedenfalls daraus, dass die Zahl der Maßstabseinheiten (2 227 969 m³) als Divisor zu hoch angesetzt worden ist. Dadurch, dass der Antragsgegner die Zahl der Maßstabseinheiten für die Ermittlung des ermäßigten Gebührensatzes nicht auf den Kreis der beitragsbelasteten Nutzer beschränkt hat, vielmehr auch diejenigen Maßstabseinheiten in die Division einbezogen hat, die auf die nicht beitragsbelasteten Nutzer entfallen, ergibt sich eine zu geringe Ermäßigung mit der Folge, dass die mit den Beiträgen erlangten wirtschaftlichen Vorteile nicht vollständig an die beitragspflichtigen Nutzer weitergegeben worden, sondern teilweise beim Antragsgegner verblieben sind. In diesem Umfang werden die beitragsbelasteten Nutzer eben doch doppelt und im Verhältnis zu den nicht beitragspflichtigen Nutzern höher belastet, was die Nichtigkeit des Gebührensatzes zur Folge hat. Nach den eigenen Angaben des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung liegt die Zahl der Gebührenpflichtigen ohne bestandskräftigen Beitragsbescheid nicht unter 50 v.H. bzw. jedenfalls in einer Größenordnung, nach der davon auszugehen ist, dass sich die Zahl der auf sie entfallenden Maßstabseinheiten auf die Höhe des ermäßigten Gebührensatzes auswirkt.

Der vorliegende Fehler stellt - ungeachtet einer etwaigen Erheblichkeit der Kostenüberschreitung - im Hinblick darauf, dass er sachlich unter keinem Gesichtspunkt vertretbar ist und deshalb schlechterdings nicht mehr hingenommen werden kann, auch eine gröbliche Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG dar, die als solche zur Nichtigkeit der Regelung des Satzes für die ermäßigte Verbrauchsgebühr nach § 4 SGS führt (vgl. zur erheblichen oder gröblichen Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes OVG Brandenburg, Urteil vom 27. März 2002 - 2 D 46/99.NE - juris).

Die Nichtigkeit des § 4 SGS zieht die Ungültigkeit der Satzung insgesamt nach sich. Zwar würde der Wegfall des § 4 SGS als Ausnahmebestimmung zu § 3 Abs. 7 SGS nicht ohne weiteres schon gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG, wonach die Regelung des Abgabensatzes zu den Mindestanforderungen einer Abgabensatzung gehört, zur Ungültigkeit der gesamten Satzung führen, weil bei Wegfall des § 4 SGS der Gebührensatz des § 3 Abs. 7 SGS für alle Gebührenpflichtigen, einschließlich der beitragsbelasteten Nutzer, gelten würde. Die Unwirksamkeit der Satzung folgt aber daraus, dass zumindest unsicher ist, ob der Satzungsgeber bei Kenntnis der Unzulässigkeit der Berechnung des ermäßigten Gebührensatzes die Satzung ohne die Regelung einer ermäßigten Verbrauchsgebühr für beitragsbelastete Nutzer erlassen hätte. Die Teilbarkeit von Vorschriften einer Abgabensatzung nach dem KAG richtet sich landesrechtlich - vorbehaltlich hier nicht vorliegender bzw. einschlägiger spezieller Regelungen - nach dem in § 139 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, wonach der gültige Teil einer Satzung bzw. Satzungsbestimmung wirksam bleibt, sofern er auch ohne den fehlerhaften Teil eine selbständige Bedeutung behält und darüber hinaus feststeht, dass der Normgeber die Norm(en) auch mit dem insoweit eingeschränkten Inhalt beschlossen hätte (vgl. etwa Urteil des Senats vom 22. November 2006 - OVG 9 B 14.05 - juris; ferner BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 - 4 NB 30/96 - NVwZ 1997, 896). Letzteres kann nicht festgestellt werden, weil der Satzungsgeber mit der angefochtenen Satzung und dem darin neben dem ungekürzten Gebührensatz des § 3 Abs. 7 SGS enthaltenen ermäßigten Gebührensatz des § 4 SGS für beitragsbelastete Nutzer der dargestellten Umstellung des Finanzierungssystems Rechnung tragen wollte. Diese Zielrichtung würde bei Wegfall des § 4 SGS verfehlt. Zwar ist denkbar, dass der Satzungsgeber die vorliegende Satzung ohne § 4 SGS erneut beschließen und sich zur Verfolgung seiner Zielsetzung nunmehr für eine Rückzahlung der Beiträge oder einen Ausgleich durch Billigkeitsregelungen für den Einzelfall entscheiden könnte. Ob der Satzungsgeber bei Kenntnis der Ungültigkeit des § 4 SGS die Umstellung der Finanzierung des Anlagekapitals durch Beiträge und Gebühren auf eine reine Gebührenfinanzierung auf einem dieser anderen Wege verfolgt hätte, ist angesichts der vorliegenden Satzungsregelung aber jedenfalls ungewiss; zumindest gleichgewichtig bleibt die Möglichkeit, dass er an einer gebührenrechtlichen Lösung mit dem gespaltenen Gebührensatz hätte festhalten wollen. Es kann deshalb offen bleiben, ob - und ggf. welche - (zusätzliche) satzungsrechtliche oder sonstige Erfordernisse für ein Modell der Finanzierungsumstellung durch Beitragsrückzahlung oder Billigkeitsausgleich im Einzelfall bestehen könnten. Nach § 139 BGB analog scheidet ein Festhalten an der Satzung ohne einen Ausgleich für die beitragsbelasteten Nutzer von vornherein aus, da das - mit der Folge der Nichtigkeit der Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG wegen Nichtigkeit des § 3 SGS - schon deshalb wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG gesetzwidrig wäre, weil bei der Berechnung der kalkulatorischen Kosten für den Gebührensatz des § 3 Abs. 7 SGS kein Abzug für das beitragsfinanzierte Kapital gemacht worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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