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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 06.11.2009
Aktenzeichen: OVG 9 S 25.09
Rechtsgebiete: GG, VwGO, KAG, AO


Vorschriften:

GG Art 19 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KAG § 4 Abs. 2
KAG § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b)
AO § 121 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 9 S 25.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Leithoff und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Marenbach und Dr. Beck am 6. November 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 11. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 99,41 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung eines Gebührenbescheides, mit dem sie für das Jahr 2006 zu Abwassergebühren für die Grubenentsorgung herangezogen worden ist. Die Gebühren setzen sich aus Grundgebühren und Mengengebühren zusammen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Gebührenbescheid abgelehnt, da die Abgabenerhebung weder ernstlichen Zweifeln unterliege noch ersichtlich sei, dass die Vollziehung des angefochtenen Gebührenbescheides für die Antragstellerin ein über die Zahlung hinausgehende unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte zur Folge hätte. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung erst dann und nur insoweit im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstlich zweifelhaft sei, wenn eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Erfolg des Rechtsmittels in der Hauptsache wahrscheinlicher als seinen Misserfolg erscheinen lasse. Hierbei sei ein im Vergleich zum Hauptsacheverfahren reduzierter Prüfungsrahmen maßgeblich. Eine Klärung schwieriger Rechts- oder Tatsachenfragen könne regelmäßig nur im Hauptsacheverfahren erfolgen.

Der Beschluss ist der Antragstellerin am 13. Februar 2009 zugegangen. Sie hat am 26. Februar 2009 Beschwerde erhoben und diese am 11. März 2009 begründet.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Bei Beschwerden im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes untersucht das Oberverwaltungsgericht wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst nur, ob die Rügen in der fristgerecht eingereichten Beschwerdebegründung berechtigt sind. Nur wenn das der Fall ist, prüft es von Amts wegen weiter, ob nach allgemeinem Maßstab vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.

Danach ist die Beschwerde unbegründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist in Ansehung der Rügen aus der fristgerecht eingegangenen Beschwerdebegründung nicht zu beanstanden.

Die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung verneint, obwohl es selbst hinsichtlich der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Satzung schwierige Rechtsfragen erkannt und deren Beantwortung im Ergebnis offen gelassen habe, verkennt den erstinstanzlich gewählten Prüfungsmaßstab, wonach ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheides erst dann bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Dieser Prüfungsmaßstab entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -, juris). Abgabenbescheide sind nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar, damit schwebende Rechtsbehelfsverfahren die Finanzierung öffentlicher Aufgaben nicht gefährden. Diese grundsätzliche Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs immer schon dann anzuordnen ist, wenn der Fall eine im Eilverfahren nicht zu klärende Frage aufwirft. Vielmehr ist dem Bürger auch in diesem Fall zuzumuten, die Abgaben zunächst einmal zu zahlen. Das gilt umso mehr, als der Bürger sicher sein kann, gezahlte Abgaben zurückzuerhalten, falls sich die Abgabenerhebung in der Hauptsache als rechtswidrig erweist. Etwaigen, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbarenden unzumutbaren Ergebnissen für den Bürger, die sich durch die eingeschränkte Prüfung der Rechtmäßigkeit des Abgabenerhebung ergeben können, wird durch die Härteklausel des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorgebeugt. Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt es vorliegend für den Erfolg des Aussetzungsantrages nicht, dass wegen schwieriger, im gerichtlichen Eilverfahren nicht zu klärender Rechtsfragen die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht abschließend beurteilt werden können.

Entgegen der Beschwerde ist der angefochtene Gebührenbescheid nicht deshalb fehlerhaft, weil in ihm keine mit Paragrafen zitierte Ermächtigungsgrundlage angegeben ist. Zwar entspricht es einem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass der Bürger, in dessen Recht eingegriffen wird, einen Anspruch darauf hat, die Gründe dafür zu erfahren, weil er nur dadurch in die Lage versetzt wird, seine Rechte sachgerecht zu verteidigen. In einfachgesetzlicher Umsetzung dieses Gebots bestimmt § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) KAG i.V.m. § 121 Abs. 1 AO, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Die Begründungspflicht verlangt aber nicht, dass der Verwaltungsakt sämtliche Angaben enthält, die für die vollständige Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit in jeder tatsächlichen und rechtlichen Hinsicht nötig wären. Insbesondere ist für die Begründung des Bescheides eine ausdrückliche Angabe der Ermächtigungsgrundlage nicht erforderlich, soweit die tragenden Gründe für die Entscheidung des Antragsgegners aus dem Bescheid ersichtlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 C 56/82 -, BVerwGE 71, 354). Das ist hier der Fall, weil der angefochtene Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides erkennen lässt, dass Gebühren für die Abwasserbeseitigung vom Grundstück der Antragstellerin im Jahr 2006 auf satzungsrechtlicher Grundlage erhoben und zugleich die für die Gebührenbemessung maßgebenden Faktoren mitgeteilt werden.

Ob der Gebührenbescheid - wie die Beschwerde meint - fehlerhaft ist, weil von dem Antragsgegner im Jahr 2006 gar keine Entsorgungsleistung erbracht worden sein soll, ist angesichts der widersprechenden Behauptung des Antragsgegners, dass jedenfalls am 9. November 2006 vom Grundstück der Antragstellerin in seinem Auftrag eine Fäkalienmenge abgefahren worden sei, im Eilverfahren nicht klärbar und rechtfertigt nach dem geltenden Prüfungsmaßstab keine Aussetzung der Vollziehung. Soweit die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheides aus der fehlenden Bestandskraft des Fäkalienentsorgungsbescheides vom 17. Januar 2007 herzuleiten versucht, wird übersehen, dass Voraussetzung für die Erhebung einer Benutzungsgebühr in Form einer Mengen- oder Grundgebühr die Inanspruchnahme der Einrichtung ist. Damit kommt es für die Erfüllung des abstrakten Gebührentatbestandes nach § 4 Abs. 2 KAG maßgeblich auf die tatsächliche Inanspruchnahme (Benutzung) der öffentlichen Einrichtung, nicht jedoch auf einen gültigen Anschluss- und Benutzungszwang an. Im Übrigen vermag die Beschwerde ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides nicht schon dadurch zu begründen, dass sie die vom Antragsgegner geschätzte Entsorgungsmenge in Abrede stellt, ohne ihre Behauptung eines geringeren Abwasseranfalls auch nur ansatzweise glaubhaft zu machen.

Schließlich lässt sich dem Vorbringen der Beschwerde, dass die Antragstellerin Gebühren für Abwasserbeseitigung zahlen soll, obwohl sie auf ihrem Grundstück eine Kleinkläranlage für die Abwasserentsorgung gebaut habe, nicht entnehmen, dass durch die sofortige Vollziehung für die Antragstellerin über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer (wieder)gutzumachen sind und daher die Annahme einer unbilligen Härte rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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