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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: OVG 9 S 33.05
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KAG § 8 Abs. 7 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 9 S 33.05

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anordnung der aufschiebenden Wirkung für Klage gegen Duldungsbescheid;

hier: Beschwerde

hat der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht und dem Richter am Oberverwaltungsgericht und der Richterin am Oberverwaltungsgericht am 1. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Instanzen auf je 3.067,75 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist (vgl. OVG Bbg, u. a. Beschlüsse des Senats vom 29. April 2003 - 2 B 4/03 -, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - 2 B 265/03 -, veröffentl. in Juris m.w.N.), d. h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Nach diesen Grundsätzen bleibt das Rechtsmittel auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens erfolglos. Die Beschwerdebegründung erläutert nicht schlüssig, dass die unter Anwendung des zutreffenden Prüfungsmaßstabes entwickelte Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Duldungsbescheides deshalb ernstlich zweifelhaft sei, weil es an einer gültigen satzungsrechtlichen Grundlage fehle, die den hier maßgeblichen Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht abdeckt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zu tragen vermag.

Die Beanstandung, dass das Verwaltungsgericht für die Zeit vor dem 1. Februar 2004 hinsichtlich der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht die Bestimmung des § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz - KAG - in der bis dahin geltenden Fassung im Sinne der Auslegung, wie sie das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg vorgenommen hat (Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - LKV 2001, 132) angewendet und hiernach eine gültige Beitragssatzung verlangt habe, die den Zeitpunkt abdeckt, zu dem die Anschlussmöglichkeit für das betreffende Grundstück bestand (14. November 1994), geht von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz aus. Die Ansicht, der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht werde durch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG nur für Grundstücke geregelt, die bereits vor Erlass der Beitragssatzung über die Anschlussmöglichkeit verfügten, stimmt nicht mit der gesetzlichen Regelung überein. Vielmehr regelt die Bestimmung allgemein die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für den Anschlussbeitrag dahin, dass die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann. Da eine Abgabenpflicht ohne wirksame Abgabensatzung nicht entstehen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG), muss dieser Zeitpunkt durch eine gültige Abgabensatzung gedeckt sein. Für Grundstücke, die unter einer Beitragssatzung die Anschlussmöglichkeit erhalten haben, die sich als ungültig erweist, ist hiernach zwar die sachliche Beitragspflicht nicht entstanden, wohl aber der Zeitpunkt für deren Entstehung festgelegt worden mit der Folge, dass ein auf diesen Zeitpunkt rückwirkender Neubeschluss der Beitragssatzung erforderlich ist, um die sachliche Beitragspflicht zur Entstehung zu bringen. Aus der vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung in den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 8. Juni 2000 (a.a.O.), 5. Dezember 2001 (2 A 611/00 - MittStGB Bbg. 2002, 126) und vom 7. Dezember 2004 (2 A 168/02) folgt nichts anderes.

Anderes könnte nur gelten, wenn bei zuvor ungültigem Satzungsrecht die Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 in der Fassung des 2. Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294) Anwendung auch für die Zeit vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes Anwendung fände. Die diesbezügliche Rüge der Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Anwendung der Neufassung ist vom Verwaltungsgericht im Rahmen der summarischen Prüfung zutreffend verneint worden. Für die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG ist eine Rückwirkung nicht angeordnet worden; die nach der Gesetzesbegründung gewollte "Klarstellung" kann nicht ohne weiteres dahin interpretiert werden, dass sie auch in die Vergangenheit gerichtet ist. Jedenfalls gibt nicht schon die Geltung der Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Duldungsbescheides vom 18. November 2004 etwas dafür her, dass bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides die Frage der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Sinne der Neufassung zu entscheiden ist. Wie das Verwaltungsgericht unter wörtlichem Zitat des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 6 Mai 2004 - 2 A 178/02.Z - (KStZ 2004, 198) zutreffend ausgeführt hat, setzt der Erlass eines Duldungsbescheides u.a. die Entstehung des Beitrages als öffentliche Last auf dem betroffenen Grundstück voraus, so dass auf die für dieses Ereignis maßgebende Rechtslage abzustellen ist, wie es das Verwaltungsgericht auch getan hat.

Nach allem ist die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass im Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit für das betroffene Grundstück eine Beitragssatzung (vom 27. Januar 1994, bekannt gemacht am 15. März 1994) Geltung beanspruchte, die mangels Ausfertigungsnachweis schon aus formellen Gründen ungültig war, und die im Zeitpunkt des Heranziehungsbescheides gegenüber dem Voreigentümer vom 15. Januar 1998 Geltung beanspruchende, rückwirkend zum 1. Januar 1997 erlassene Beitragssatzung vom 26. Juni 2002 in zeitlicher Hinsicht die Schaffung der Anschlussmöglichkeit für das Grundstück nicht erfasst, nicht mit einer schlüssigen Gegenargumentation erschüttert, so dass es mit der Prüfung der dargelegten Gründe gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO sein Bewenden hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Wertfestsetzung hat der Senat von der ihm gemäß § 63 Abs. 3 GKG eingeräumten Änderungsbefugnis Gebrauch gemacht, weil die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Verdoppelung des Streitwerts bei einem gegen die Miteigentümer eines Grundstücks gerichteten Duldungsbescheid, der letztlich die Grundlage für die Zwangsvollstreckung in das Grundstück schafft, nicht angemessen erscheint. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller ist hiernach darauf gerichtet, entsprechend den jeweiligen Miteigentumsanteilen die Vollstreckung in ihr Grundstück abzuwehren, soweit auf ihm der Beitrag als öffentliche Last ruht. Dieses Interesse wird durch die Höhe des festgesetzten Beitrages begrenzt; wegen der Vorläufigkeit der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung verbundenen prozessualen Gestaltung ist der Streitwert mit einem Viertel der Beitragssumme zu bemessen (vgl. etwa OVG Bbg, Beschluss vom 16. Juni 2005 - 2 E 96/05 - S. 2 BA).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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