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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.03.2004
Aktenzeichen: OVG 1 N 2.03
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, TPrG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 60 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 4 Satz 5
VwGO § 124 a Abs. 1
VwGO § 124 a Abs. 4
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 5
VwGO § 124 b Abs. 1 Satz 5
VwGO § 147 Abs. 2
VwGO § 173
ZPO § 85 Abs. 2
TPrG § 3
TPrG § 3 Abs. 1
TPrG § 3 Abs. 1 Satz 1
TPrG § 3 Abs. 5 Satz 1
TPrG § 4
TPrG § 4 Abs. 1 Satz 1
TPrG § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 N 2.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé und die Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und Fieting am 5. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juni 2002 wird verworfen.

Dem Kläger werden die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens einschließlich der außgerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 2 045,17 € (4 000 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Tarifkunde der Beigeladenen. Mit seiner bei dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat er beantragt, die Bescheide der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie vom 17. Dezember 1999, 16. Mai 2000, 20. Juni 2000 und 18. Dezember 2000 hinsichtlich der Genehmigung des Wassertarifs und des Schmutzwassertarifs der Beigeladenen für die Jahre 2000 und 2001 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 3. Juni 2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger nicht geltend machen könne, durch die Tarifgenehmigungen in eigenen Rechten verletzt zu sein. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag ist unzulässig, denn er ist nicht fristgerecht begründet worden. Gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Diese Begründung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO bei dem Verwaltungsgericht einzureichen. Das ist hier nicht geschehen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. Juni 2002 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 20. Juni 2002 zugestellt worden. Der Kläger hat seinen Antrag auf Zulassung der Berufung durch anwaltlichen Schriftsatz vom 22. Juli 2002 begründet. Dieser Schriftsatz ist an das Oberverwaltungsgericht gerichtet gewesen und dort am 24. Juli 2002 eingegangen. Bei dem Verwaltungsgericht ist innerhalb der am 19. August 2002 abgelaufenen gesetzlichen Frist keine Begründung des Zulassungsantrags eingereicht worden.

Mit dem Eingang der Antragsbegründung beim Oberverwaltungsgericht Berlin kann die Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht eingehalten werden. § 147 Abs. 2 VwGO, wonach die Beschwerdefrist auch dann gewahrt ist, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht entsprechend anzuwenden, denn § 124 Abs. 4 Satz 5 VwGO lässt für eine Analogie keinen Raum. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 14. März 2003 - OVG 1 N 37.02 - (bei Juris) ausgeführt:

"Bei dem auch nach Auffassung des Klägers eindeutigen Wortlaut des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO handelt es sich nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Zwar findet sich in den Materialien zum Rechtsmittelbereinigungsgesetz keine ausdrückliche Begründung für die Regelung, die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung neuen Rechts bei dem Verwaltungsgericht einzureichen. Vielmehr führt die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BR-Drs. 405/01 = BT-Drs. 14/6393) lediglich aus, dass § 124 a Abs. 4 (im damaligen Stand des Gesetzgebungsverfahrens § 124 b Abs. 1) von dem bis dahin geltenden § 124 a Abs. 1 VwGO ausgehe, jedoch die Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung auf zwei Monate erweitere. Insbesondere in komplizierten Fällen, z.B. wenn für eine sachgerechte Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung die Akten eingesehen werden müssten, sei die Monatsfrist des (bis dahin) geltenden Rechts zu kurz.

Allerdings findet die Regelung des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO (n.F.) noch an anderer Stelle in den Gesetzesmaterialien Erwähnung. Denn im Gesetzgebungsverfahren wurde die Frage erörtert, bei welchem Gericht die Begründung einer (bereits) vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung einzureichen ist. Hierzu hatte der Bundesrat (BT-Drs. 14/6854, S. 5, Nr. 13) vorgeschlagen, dass die Begründung bei dem Verwaltungsgericht einzureichen sei, und dazu ausgeführt: Diese Änderung diene der Anpassung an die (oben genannte) Regelung in § 124 b Abs. 1 Satz 5 VwGO-Entwurf, nach der die Begründung des Zulassungsantrags bei dem Verwaltungsgericht einzureichen sei. Es erscheine sinnvoll, mit der Aktenübersendung von der ersten in die zweite Instanz bis zum Ablauf auch der Berufungsbegründungsfrist zu warten, da es regelmäßig problemloser sei, den Beteiligten eine etwa zur Vorbereitung der Begründung erforderliche Akteneinsicht bei dem ortsnahen erstinstanzlichen Gericht zu gewähren. Während dieser Vorschlag aus anderweitigen Gründen nicht übernommen wurde (vgl. BT-Drs. 14/6854, S. 9 Nr. 13), ist § 124 b Abs. 1 Satz 5 VwGO-Entwurf als § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO n.F. geltendes Recht geworden. Daraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber auf Grund der Erwägung, in geeigneten Fällen ortsnahe Akteneinsicht zu ermöglichen, generell fordert, die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung stets bei dem Verwaltungsgericht einzureichen. Das verbietet es danach zu differenzieren, ob sich erst- und zweitinstanzliches Gericht am selben Ort oder an unterschiedlichen Orten befinden, und ob das Verwaltungsgericht die Akten vorerst behalten oder bereits an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet hat. Ebenso verbietet sich die Annahme, § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO sei eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung rechtlich ohne Folgen bleibe (vgl. dazu im Übrigen § 147 Abs. 2 VwGO, der die Möglichkeit alternativer Fristwahrung ausdrücklich regelt)."

§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. März 2003 - 1 BvR 310/03 -, NVwZ 2003, 728; vgl. auch Senatsbeschluss vom 14. März 2003 - OVG 1 N 37.02, a.a.O.).

Ferner ist die fehlerhafte Adressierung nicht deshalb unschädlich, weil das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin eine gemeinsame Briefannahmestelle unterhalten. Denn durch den Eingang des Begründungsschriftsatzes bei dieser Stelle wird keine gemeinsame Verfügungsgewalt beider Gerichte an dem Schriftstück begründet. Verfügungsgewalt erlangt vielmehr nur der jeweilige Adressat des Schriftstücks (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2003 - OVG 1 N 7.03 -; OVG Hamburg, NJW 1998, 696 [697]; Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a RdNr. 37).

Schließlich kann dem Kläger nicht die von ihm beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Zwar ist innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 VwGO der Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt worden. Es fehlt aber an einem unverschuldeten Fristversäumnis im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO. Der anwaltlich vertretene Kläger muss sich das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Ein solches Verschulden ist hier anzunehmen, denn die Prozessbevollmächtigten des Klägers konnten sowohl dem Wortlaut des § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO als auch der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils zweifelsfrei entnehmen, dass die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung bei dem Verwaltungsgericht einzureichen gewesen ist. Die Eingangsbestätigung des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2002, mit der den Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt worden war, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung vorgelegt habe und dieser hier unter einem bestimmten Aktenzeichen geführt werde, enthielt keinen Hinweis darauf, dass die Begründung des Zulassungsantrags entgegen der gesetzlichen Regelung und den Angaben der Rechtsmittelbelehrung bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen sei. Die an den Kläger gerichtete Aufforderung des damaligen Berichterstatters, zur Antragserwiderung der Beigeladenen Stellung zu nehmen, erfolgte lange nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO und konnte für die Überschreitung dieser Frist schon nicht mehr ursächlich werden.

Das Fristversäumnis ist auch nicht deshalb unverschuldet, weil das Oberverwaltungsgericht den Begründungsschriftsatz noch vor Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist an das Verwaltungsgericht hätte weiterleiten können. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20. Juni 1995 - 1 BvR 166/93 -, BVerfGE 93, 99) entschieden, dass ein Gericht, bei dem das Verfahren anhängig gewesen ist, verpflichtet sei, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Sei ein solcher Schriftsatz so zeitig eingereicht worden, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden könne, sei der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Schriftsatz nicht rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht gelange.

Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht übertragen. Zwar mag die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts, bei dem ein Rechtsmittel anhängig ist, nicht geringer sein, als die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene nachwirkende Fürsorgepflicht desjenigen Gerichts, das zuvor mit dem Verfahren befasst gewesen ist. Kennzeichnend für den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalt, der im Übrigen einen Fall ohne Rechtsmittelbelehrung betraf, war jedoch, dass der Schriftsatz, dessen Weiterleitung das Bundesverfassungsgericht verlangt hat, nach dem erkennbaren Willen des Absenders für ein anderes Gericht bestimmt und ausdrücklich an dieses adressiert war (so auch im Sachverhalt des Bundesverwaltungsgerichts, Beschluss vom 15. Juli 2003 - 4 B 83/02 -, NVwZ-RR 2003, 901). Das war hier nicht der Fall. Da der Begründungsschriftsatz nicht an das Verwaltungsgericht, sondern ausdrücklich an das Oberverwaltungsgericht adressiert war, bestand für das Oberverwaltungsgericht weder Verpflichtung noch Anlass, diesen Schriftsatz an das Verwaltungsgericht weiterzuleiten (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss des 3. Senats vom 27. Mai 2003 - OVG 3 N 73.02 -, Beschluss des 8. Senats vom 17. Juli 2003 - OVG 8 N 20.03 -; VGH Kassel, Beschluss vom 14. Juni 1996 - 12 UZ 1657/96.A -, Ausländer- und Asylrecht 1996, 232; OVG Greifswald, Beschluss vom 29. Oktober 1998 - 3 M 118/98 -, NVwZ 1999, 201; a.A. VGH München, Beschluss vom 23. Januar 2003 - 20 ZB 02. 1325 -, NVwZ-RR 2003, 531). Eine gleichwohl erfolgte Weiterleitung hätte auch nicht bewirkt, dass die Begründung des Berufungszulassungsantrags nunmehr bei dem Verwaltungsgericht eingereicht worden wäre, denn für dieses Gericht war der Begründungsschriftsatz nach dem erkennbaren Willen des Rechtsmittelführers nicht bestimmt. Soweit der den Senat nicht bindende (vgl. BVerfGE 92, 91, 107) Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2003 (a.a.O.) gleichwohl dahingehende Überlegungen - ohne Auseinandersetzung mit den vorstehenden Bedenken - erkennen lässt, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Zwar hätte für das Oberverwaltungsgericht objektiv die Möglichkeit bestanden, die Prozessbevollmächtigten des Klägers frühzeitig auf den Fehler hinzuweisen und damit die Nachholung der bis dahin versäumten Rechtshandlung noch innerhalb der gesetzlichen Frist zu ermöglichen. Zu derartigen Hinweisen ist das Gericht, falls es überhaupt vor Fristablauf die drohende Unzulässigkeit des Rechtsmittels erkennt, aber nicht aus Gründen der prozessualen Fürsorge verpflichtet (vgl. auch VGH München, a.a.O.; VGH Kassel, a.a.O.; BVerwG, a.a.O.). Erfolgen sie dennoch, so sind sie nur als "nobile officium" anzusehen und dürfen im Einzelfall nicht die Neutralitätspflicht des Gerichts zu Lasten des Rechtsmittelgegners verletzen. Jedenfalls kann das Unterlassen eines solchen Hinweises nicht zur Exkulpation des Rechtsmittelführers führen, der anwaltlich vertreten ist, sich einer eindeutigen gesetzlichen Regelung gegenübersieht und zudem entsprechend vom Verwaltungsgericht belehrt worden ist.

III.

Im Übrigen wäre der Antrag auf Zulassung der Berufung auch unbegründet.

Mit den von ihm vorgetragenen und hier allein zu prüfenden Gründen hat der Kläger den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht aufgezeigt. Die Darlegung rechtsgrundsätzlicher Bedeutung erfordert die Formulierung einer Rechtsfrage, von deren Beantwortung die angefochtene Entscheidung abhängig gewesen ist, die sich auch im Berufungsverfahren stellen würde, der obergerichtlichen Klärung bedarf, ihr zugänglich ist und die über den Einzelfall hinausragende Bedeutung hat. Der Kläger hält die Frage für rechtsgrundsätzlich, auf welchem Rechtsweg die Kunden der Beigeladenen eine rechtliche Nachprüfung der Tarifgenehmigung und damit der von der Beigeladenen erhobenen Tarife erreichen können. Bezogen auf die Begründung des angefochtenen Urteils möchte er obergerichtlich geklärt wissen, ob ein Tarifkunde der Beigeladenen nach § 42 Abs. 2 VwGO befugt ist, gegen die vom Beklagten ausgesprochene Genehmigung der Wasserversorgungs- und Wasserentsorgungstarife der Beigeladenen vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit eingehender Begründung verneint. Gemessen hieran zeigt der Rechtsbehelf Bedarf für eine obergerichtliche Klärung nicht auf.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, durch die angefochtenen Tarifgenehmigungen, die nicht an den Kläger gerichtet seien und auch nicht an ihn hätten gerichtet werden müssen, werde das zwischen ihm und der Beigeladenen, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, bestehende Rechtsverhältnis nicht geregelt. Regelungsgegenstand der Tarifgenehmigungen nach § 4 des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vom 17. Mai 1999 (GVBl. S. 183) - TPrG - sei allein der von der Beigeladenen erstellte Unternehmens-tarif, der als gesetzlich vorgeschriebene Entgeltordnung die maßgebliche Bemessungsgrundlage für die nach den einzelnen konkreten Versorgungsverträgen zu erhebenden Entgelte bilde, nicht aber sein Vertragsverhältnis mit der Beigeladenen. Denn die Festsetzung der Wasser- und Entwässerungstarife werde nicht schon mit ihrer Genehmigung, sondern erst mit ihrer zivilrechtlichen Umsetzung durch öffentliche Bekanntmachung wirksam. Daran ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil die Beigeladene innerhalb ihres Versorgungsgebietes eine Monopolstellung innehabe und die Berliner Tarifkunden dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlägen. Die Beigeladene werde durch die Tarifgenehmigung nicht verpflichtet, den genehmigten Tarif durch öffentliche Bekanntmachung zivilrechtlich umzusetzen. Der Genehmigungsvorbehalt erschöpfe sich vielmehr darin, dass die Beigeladene nur genehmigte Tarife mit ihren Kunden vereinbaren dürfe.

Hiergegen trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe zum Beleg seiner Argumentation auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Genehmigung von Stromtarifen (BVerwGE 95, 133) abgestellt, jedoch vernachlässigt, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung zur Genehmigung von Krankenhauspflegesätzen (BVerwGE 100, 230) diese Akte als unmittelbar privatrechtsgestaltend und daher mit der verwaltungsgerichtlichen Klage anfechtbar eingestuft habe.

Hierbei lässt der Kläger außer Acht, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung (BVerwGE 100, 230) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegt hat, die - im Übrigen rückwirkend - genehmigten Krankenhauspflegesätze würden in einem privatrechtlichen Krankenhausbenutzungsverhältnis "unmittelbar und zwingend kraft Gesetzes" gelten. Es bedürfe weder eines Umsetzungsaktes des Krankenhausträgers noch bestehe irgend ein Gestaltungsspielraum der Parteien des Behandlungsvertrages. Hieraus rechtfertige sich die Abweichung von der sonstigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das in zahlreichen Entscheidungen zur behördlichen Genehmigung von Benutzungsentgelten dem Benutzer der jeweiligen Einrichtung die Klagebefugnis für die Anfechtung der Tarifgenehmigung mit der Begründung verweigere, es sei jeweils noch eine Umsetzung notwendig oder die Genehmigung berechtige den Adressaten zwar zur Erhebung des erhöhten Entgeltes, verpflichte ihn aber nicht dazu. Eben diese Grundsätze und nicht die Besonderheiten des Ausnahmefalles kennzeichnen auch den vorliegenden Sachverhalt. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass die Berliner Wassertarife der öffentlichen Bekanntgabe durch den Beigeladenen bedürfen, um in Kraft zu treten. Dass es sich dabei um einen Formalakt handele, zu dem die Beigeladene ohne jeden Entscheidungsspielraum gesetzlich verpflichtet sei, hat der Kläger nicht dargetan. Denn aus § 3 Abs. 5 Satz 1 TPrG, wonach die Beigeladene die Tarife so anzupassen hat, dass sie ab dem 1. Januar 2000 den Regelungen des Teilprivatisierungsgesetzes genügen, und aus § 4 Abs. 1 Satz 1 TPrG, wonach die Tarife ab der mit dem 1. Januar 2000 beginnenden Kalkulationsperiode durch die für die Ver- und Entsorgungsbetriebe zuständige Senatsverwaltung zu genehmigen sind, folgt lediglich, dass das Gesetz der Beigeladenen bei der Gestaltung der Wassertarife Grenzen setzt, nicht jedoch, dass ihr von vornherein jeder Gestaltungsspielraum genommen wäre. Im Übrigen benennt auch die Begründung zu § 3 TPrG (Abghs.-Drs. 13/3367, Seite 7) die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich als "Grenze der Tarifgestaltung der BWB". Demgemäß hat der Beklagte gemäß § 4 Abs. 2 TPrG bei der Genehmigung lediglich die Einhaltung der in § 3 TPrG genannten Maßgaben, also die Rechtmäßigkeit der Tarifgestaltung zu überprüfen, nicht aber deren Zweckmäßigkeit. Diese eingeschränkten Kontrollbefugnisse entsprechen der gesetzlichen Konzeption des Berliner Betriebegesetzes, der Beigeladenen als Anstalt öffentlichen Rechts weitgehende wirtschaftliche Selbständigkeit zu verleihen. Der Anschluss- und Benutzungszwang führt lediglich zu einer Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeit der Tarifkunden, nicht aber der Beigeladenen.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dem Genehmigungsvorbehalt des § 4 TPrG komme keine drittschützende Wirkung zu. Der Genehmigungsvorbehalt diene allein dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsgerechten Ausgestaltung der Tarife und damit insbesondere der Gewährleistung der Wasserversorgung und Entwässerung durch die Beigeladene als Anstalt des öffentlichen Rechts und Betreiberin einer öffentlichen Einrichtung. Soweit die Tarife gemäß § 3 Abs. 1 TPrG den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit genügen müssten, wolle der Gesetzgeber mit dieser Regelung lediglich die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Geltung wesentlicher öffentlich-rechtlicher Prinzipien bei einer privatrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses einer Anstalt des öffentlichen Rechts zum Ausdruck bringen.

Hiergegen macht der Kläger geltend: Das Interesse der Kunden sei völlig gleichartig darauf gerichtet, jederzeit die für die jeweilige Nutzung des Grundstücks notwendige Ver- und Entsorgung zu möglichst niedrigen Tarifen zu erhalten. Dem entspreche § 3 Abs. 1 Satz 1 TPrG, wonach die Tarife den Grundsätzen der Gleichbehandlung genügen müssten. Hinzu komme, dass die Beigeladene eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, der die öffentlichen Aufgaben der Wasserversorgung und der Entwässerung übertragen seien. Da das Kostendeckungsprinzip gelte, entspreche die Tarifgenehmigung im Ergebnis dem Erlass einer Gebühren- und Beitragssatzung. Die Rechtswidrigkeit von Gebühren in solchen Satzungen wegen Nichtbeachtung des Kostendeckungsprinzips könne der Bürger mit der Anfechtungsklage gegen einen Gebührenbescheid geltend machen. Ferner stehe dem Drittschutz entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die große Zahl der Tarifunterworfenen entgegen. Das ergebe sich ohne weiteres aus der Rechtsprechung etwa zum Immissionsschutzrecht, wo jeder potenziell von Immissionen einer Anlage Betroffene Verwaltungsrechtsschutz beanspruchen könne, auch wenn es sich dabei um eine unbestimmte Vielzahl von Personen handele.

Auch mit diesen Einwendungen legt der Kläger obergerichtlichen Klärungsbedarf nicht dar. Soweit das Gesetz auf das Interesse der Tarifkunden der Beigeladenen an einer möglichst preisgünstigen Tarifgestaltung Bedacht nimmt, schützt es die Gesamtheit aller dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden Tarifkunden, mithin die Allgemeinheit, lässt aber gerade nicht erkennen, dass hierbei auf die Interessen individueller Tarifkunden Rücksicht zu nehmen wäre. Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung erlegt der Beigeladenen allenfalls eine typisierende, nicht aber eine individualisierende Betrachtung auf. Soweit der Kläger vergleichend darauf abstellt, dass sich der Bürger gegen einen ihn betreffenden Gebührenbescheid mit der Anfechtungsklage wenden könne, vernachlässigt er, dass Gegenstand der Klage hier nicht die individuelle Entgelterhebung durch die Beigeladene, sondern die generalsierende Tarifgenehmigung durch den Beklagten ist. Soweit er ferner pauschal darauf hinweist, dass im Immissionsschutzrecht jeder potenziell von Immissionen einer Anlage Betroffene Verwaltungsrechtsschutz beanspruchen könne, auch wenn es sich dabei um eine unbestimmte Vielzahl von Personen handele, ändert dies prinzipiell nichts an der in jedem Einzelfall bestehenden prozessualen Forderung, dass zumindest die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen subjektiven Rechten besteht.

Schließlich macht der Kläger ohne Erfolg geltend, seine Klagebefugnis leite sich aus der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG her. Das Verwaltungsgericht weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger prinzipiell die Möglichkeit hat, die Entgelterhebung aufgrund der genehmigte Tarife zivilgerichtlich überprüfen zu lassen. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass die erteilte Genehmigung die inhaltliche Kontrolle der Tariferhöhung im Zivilrechtsweg nicht ausschließt. Das ordentliche Gericht sei an die Genehmigung nur insoweit gebunden, als es sie als solche hinnehmen müsse. Eine inhaltliche Prüfung des umgesetzten Tarifs sei dem ordentlichen Gericht hingegen nicht untersagt (vgl. BVerwGE 75, 147, 154, speziell hinsichtlich des Einwandes einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Juli 1989 - 1 BvR 290/87 -, NJW 1990, 2249; BVerwGE 95, 133, 138; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98 -, DVBl. 2000, 556). Dass die verwaltungsgerichtliche Überprüfung aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes dem Kläger ein geringeres Maß an Darlegung abverlangt, als er dies gegenüber dem Zivilgericht zu leisten hätte, rechtfertigt nicht die Annahme, er könne durch die Tarifgenehmigung entgegen den vorgenannten Gründen möglicherweise doch in eigenen Rechten verletzt sein.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des zweitinstanzlichen Streitwertes ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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