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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: OVG 2 N 22.04
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
AuslG § 17
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. Halbsatz
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz, 2. Alternative
AuslG § 18 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 30 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 22.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 19. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Mai 2003 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt die Klägerin, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 4 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 4 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Mai 2003 hat keinen Erfolg, weil der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannte Zulassungsgrund, auf den sich die Klägerin beruft, nicht vorliegt.

Der Zulassungstatbestand des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nur dann erfüllt, wenn Umstände oder rechtliche Gesichtspunkte dargelegt werden, die den Schluss rechtfertigen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird. Hierbei muss sich der Antrag mit den entscheidungstragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander setzen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die vom Gericht für seine Entscheidung angeführten Gründe zutreffen. Die Zweifel müssen sich auf die Richtigkeit des Ergebnisses beziehen (vgl. OVG Bln, Beschluss vom 5. März 1998, NVwZ 1998, S. 650 m.w.N., Beschluss des Senats vom 2. März 2000, LKV 2000, S. 452 = BRS 63 Nr. 170). Insoweit muss im Einzelnen substanziiert dargelegt werden, aus welchen Gründen das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen (vgl. OVG Sachs.-A., Beschluss vom 7. Juni 2001, NVwZ-RR 2002, S.74; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30. April 1997, DVBl. 1997, S. 1343).

Danach sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 2003 entspricht der maßgeblichen Sach- und Rechtslage.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 18 Abs. 1 Nr. 1 AuslG. Danach ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug von der Erfüllung der in § 17 AuslG genannten Voraussetzungen abhängig. Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG weder nach dem 1. Halbsatz noch nach dem 2. Halbsatz, 2. Alternative, dieser Vorschrift gegeben sind, weil weder der Lebensunterhalt der nachzugswilligen Klägerin aus dem Einkommen des sich rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Ausländers sowie aus eigenem Vermögen oder sonst aus eigenen Mitteln (1. Halbsatz) noch der Lebensunterhalt der gesamten Familie (des Ehemannes und der Klägerin selbst) durch einen unterhaltspflichtigen Familienangehörigen gesichert sei (2. Halbsatz). Auf Härtegesichtspunkte komme es deshalb nicht an.

Diese entscheidungstragende Feststellung ist zutreffend und von dem Vorbringen der Klägerin in dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht erschüttert worden.

Eine Unterhaltssicherung der Klägerin durch ihren Ehemann kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser auf Grund seiner Krankheit nicht erwerbsfähig ist und selbst Sozialhilfe, Pflegegeld und Wohngeld bezieht. Damit scheidet die Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. Halbsatz AuslG aus. Auch eine geeignete Drittmittelsicherung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz, 2. Alternative, AuslG liegt nicht vor, denn diese setzt eine Sicherung des Lebensunterhalts der Familie durch einen unterhaltspflichtigen Familienangehörigen voraus. Bei dem unterhaltspflichtigen Familienangehörigen im Sinne dieser Vorschrift kann es sich nur um Verwandte handeln, die gegenüber dem bereits in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer oder dem nachzugswilligen Familienangehörigen nach deutschem Recht zum Unterhalt verpflichtet sind. Als solche kommen nur Verwandte in gerader Linie in Betracht (vgl. Jakober/Welte, AktAR, Stand: 1/2004, § 17 Rdnr. 46). Aus diesem Grunde scheidet die mit Schriftsatz vom 4. August 2003 angebotene Bürgschafts- und Verpflichtungserklärung von "engen Freunden" schon von vornherein aus. Der Schwiegervater der Klägerin ist zwar gegenüber seinem Sohn, dem Ehemann der Klägerin, zum Unterhalt verpflichtet, die Angaben im Schriftsatz vom 4. August 2003 zu dessen eigener finanzieller Situation und die in den Akten befindlichen Rentenbescheide der Schwiegereltern machen jedoch deutlich, dass sie zur Absicherung des Lebensunterhalts der Familie, d.h. der Klägerin und ihres Ehemannes, ohne dass diese auf die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel angewiesen wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1996, NVwZ-RR 1997, 441), nicht in der Lage sein würden und deshalb als Gewährspersonen nicht in Betracht kommen. Danach verfügen die Schwiegereltern der Klägerin über eine Rente von zusammen 954,00 EUR (nach den in den Akten befindlichen Rentenbescheiden aus dem Jahre 2001 noch 907,00 EUR). Ein Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs der Familie einerseits und des zur Verfügung stehenden Einkommens andererseits zeigt jedoch eine erhebliche Deckungslücke auf. Maßstab für die Feststellung des Unterhaltsbedarfs ist nach der Rechtsprechung (OVG Bln, Urteil vom 24. September 2002 - OVG 8 B 3.02 -, InfAuslR 2003, 138) die Summe der in Frage kommenden sozialhilferechtlichen Regelsätze (§ 22 Abs. 2 BSHG, § 1 ff. RegelsatzVO) zuzüglich einer Pauschale für unregelmäßig entstehenden Bedarf von 20 % sowie der Kosten für die Unterkunft (Miete, Heizkosten und sonstige umlagefähige Betriebskosten) und für die Kranken- und Pflegeversicherung. Danach ergibt sich ein Unterhaltsbedarf für die Klägerin und ihren Ehemann von 296,00 EUR + 237,00 EUR = 533,00 EUR + 20 % (107,00 EUR) = 640,00 EUR + 217,00 EUR Miete = 857,00 EUR, wobei die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung noch nicht berücksichtigt sind. Dass dieser Bedarf von den Renten der Schwiegereltern (954,00 EUR) nicht zu decken ist, liegt auf der Hand. Der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin Sozialhilfe, Pflegegeld und Wohngeld bezieht, lässt dessen Ausklammerung bei dieser Vergleichsrechnung und eine isolierte Ermittlung des Bedarfs nur der nachzugswilligen Klägerin nicht zu, weil der Gesetzgeber bewusst - im Gegensatz zu der Fallkonstellation des 1. Halbsatzes des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG, wonach es nur auf den zu sichernden Lebensunterhalt des nachzugswilligen Familienangehörigen ankommt - im 2. Halbsatz, 2. Alternative, auf den zu sichernden Lebensunterhalt der Familie abgestellt hat. Bezugspunkt der zweiten Alternative der Vorschrift ist nach dem eindeutigen Regelungsgehalt der Norm der Unterhalt der gesamten Familie. Dies schließt den bereits rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer ein, weil der Gesetzgeber den Familiennachzug nur zulassen will, wenn der Lebensunterhalt der gesamten Familie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Abstriche von diesen Anforderungen sind auch unter Härtegesichtspunkten nicht zu machen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. Januar 2001, InfAuslR 2001, 330 m.w.N.). Für diese ist vielmehr erst Raum, wenn der Lebensunterhalt der Familie in der vorgesehenen Art und Weise gesichert ist. Auf die Frage, ob der Schwiegervater der Klägerin seine Verpflichtungserklärung zum Unterhalt auch auf beide Eheleute erstrecken würde, kommt es nicht an, weil für eine solche Erklärung die erforderliche tragfähige wirtschaftliche Substanz fehlt. Ebenso ist es unerheblich, ob die Klägerin und ihr Ehemann - wie im Schriftsatz vom 4. August 2003 vorgetragen - sehr sparsam leben können und auch leben, denn der maßgebende Unterhaltsbedarf orientiert sich an objektiven Erfahrungswerten, wie sie in die sozialhilferechtlichen Regelsätze jährlich aktualisiert einfließen. Sie sind deshalb als geeigneter Maßstab für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs heranzuziehen.

Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 1 AuslG als einen befristeten Aufenthaltstitel ist schon nicht Gegenstand der Klage, weil im vorliegenden Fall mit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein Daueraufenthalt mit dem Ziel der Familienzusammenführung bezweckt wird. Unabhängig davon, dass die Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 1 AuslG generell nur subsidiären Charakter und eine verfassungsrechtlich determinierte Ausgleichsfunktion im Einzelfall hat, wären auch hier jedoch etwaige finanzielle Belastungen der öffentlichen Hand durch den Nachzug als gewichtiger entgegenstehender Belang in Betracht zu ziehen. Die Norm eignet sich deshalb nicht als allgemeine Auffangnorm, wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einer der in §§ 17 ff. AuslG normierten Voraussetzungen scheitert. Schließlich sollen über eine Anwendung des § 30 Abs. 1 AuslG nicht die für den Familiennachzug geltenden Vorschriften des Ausländergesetzes unterlaufen werden (OVG NW, Urteil vom 24. Februar 1999, InfAuslR 1999, 345, 349).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 14 Abs. 3 und 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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