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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: OVG 2 S 14.04
Rechtsgebiete: AuslG, SGB V, WoBindG, WoFG, BelBindG


Vorschriften:

AuslG § 17
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 2
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. Halbs.
AuslG § 17 Abs. 4
AuslG § 18 Abs. 1 Nr. 3
AuslG § 18 Abs. 2
SGB V § 8 Abs. 1 Nr. 1
SGB V § 8 Abs. 1 Nr. 2
SGB V § 10 Abs. 1
WoBindG § 5
WoFG § 27 Abs. 4
BelBindG § 7 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 14.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 4. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen (§§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 EUR festgesetzt (§§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG).

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Begehren des Antragstellers zielt auf eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, denn er erstrebt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks (Visums). Mit der dadurch erlangten schutzwürdigen aufenthaltsrechtlichen Position würde sich zugleich das nach Angaben des Antragstellers inzwischen erhobene Klageverfahren beim Verwaltungsgericht erledigen. Eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung ist mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) jedoch nur dann geboten, wenn ansonsten schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr nachträglich beseitigt werden könnten (vgl. BVerfGE 79, 69; OVG Berlin, Beschluss vom 19. Juli 2000 - OVG 8 SN 175.00 - InfAuslR 2001, 81). Zusätzlich muss schon nach der lediglich anzustellenden summarischen Prüfung ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Begehrens in der Hauptsache sprechen (vgl. zu dem anzulegenden strengen Maßstab BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999, NJW 2000, 160 ff.). Hier fehlt es bereits an einem diesen Anforderungen entsprechenden Anordnungsanspruch, sodass die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht verpflichtet werden kann, die Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks (Visum) zu erteilen.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers bilden §§ 18 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 AuslG. Danach ist die im Ermessen der Behörde stehende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug, wenn die Ehe - wie hier - nicht schon zum Zeitpunkt der Einreise des eine Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland besitzenden Ausländers bestanden hat, von der Erfüllung der in § 17 AuslG genannten Voraussetzungen abhängig.

Das Verwaltungsgericht hat die Zurückweisung des vorläufigen Rechtsschutzantrags - neben dem Versagungsgrund des nicht nachgewiesenen ausreichenden Wohnraums (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) - darauf gestützt, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. Halbsatz AuslG im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, weil der Lebensunterhalt des nachzugswilligen Familienangehörigen (Antragsteller) weder aus der eigenen Erwerbstätigkeit des schon in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Ausländers (Ehefrau) noch aus eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln gesichert sei.

Die auf den Lebensunterhalt bezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind zum Teil nicht zutreffend, zum Teil haben sich auch die Verhältnisse insoweit verändert, als die Ehefrau des Antragstellers nunmehr neben ihrem hauptberuflichen Beschäftigungsverhältnis, aus dem sie ca. 1 000 EUR netto bezieht, noch zusätzlich einen Minijob ausübt, für den sie 400,00 EUR monatlich erhält.

§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG setzt eine wirtschaftliche Existenzgrundlage der hier aus drei Personen bestehenden Familie zur Unterhaltssicherung voraus, die ihr ein Leben ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ermöglicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1996, NVwZ-RR 1997, 441). Dies ist durch einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs einerseits und des zur Verfügung stehenden Einkommens oder Vermögens sowie sonstiger Eigenmittel andererseits zu ermitteln. Maßstab für die Feststellung des Unterhaltsbedarfs der Familie ist nach der Rechtsprechung (OVG Bln, Urteil vom 24. September 2002 - OVG 8 B 3.02 -, InfAuslR 2003, 138) die Summe der auf die Familie entfallenden sozialhilferechtlichen Regelsätze (§ 22 Abs. 2 BSHG, § 1 ff. RegelsatzVO) zuzüglich einer Pauschale für unregelmäßig entstehenden Bedarf von 20 % sowie der Kosten für die Unterkunft (Miete, Heizkosten und sonstige umlagefähige Betriebskosten) und für die Kranken- und Pflegeversicherung der Familie.

Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall zutreffend einen an den sozialhilferechtlichen Regelsätzen orientierten Unterhaltsbedarf der dreiköpfigen Familie in Höhe von 1 280 EUR (296,00 + 237,00 + 192,00 EUR + 20 %) ermittelt, in dem die Mietkosten in Höhe von 411,00 EUR brutto-warm bereits enthalten sind.

Der Vorsorgesparvertrag bei der Berliner Sparkasse mit regelmäßigen Spar-beiträgen in Höhe von 150,00 EUR monatlich ist dagegen nicht auch noch bedarfserhöhend hinzuzurechnen, weil es sich hierbei um keine Schuldverpflichtung, wie eine Ratenabzahlung o.ä., sondern um eine freiwillige und - wie der Antragsteller glaubhaft vorträgt - jederzeit kündbare Leistung handelt, die immerhin noch ein zusätzliches, bereits angespartes Geldvermögen darstellt. Ebenso wenig können für den Fall des Nachzugs des Antragstellers noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bedarfserhöhend hinzugerechnet werden, weil die Ehefrau des Antragstellers in ihrem Hauptberuf als Köchin sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin ist, und der Antragsteller als Ehemann über sie gemäß § 10 Abs. 1 SGB V mitversichert wäre.

Diesem Unterhaltsbedarf der Familie in Höhe von 1 280 EUR steht ein Einkommen der Ehefrau von inzwischen 1 400 EUR gegenüber, das sich aus ihrer Tätigkeit als Köchin in einem Hotelbetrieb mit 1 000 EUR netto monatlich sowie weiteren 400,00 EUR zusammensetzt, die sie als regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt für den neben dem Hauptberuf ausgeübten "Minijob" bei einer Feinkostfirma erhält. Nach dem im Beschwerdeverfahren eingereichten Schreiben ihres Arbeitgebers vom 31. Dezember 2003 in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 2002 handelt es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Cateringmitarbeiterin mit 15 Stunden wöchentlich. Im Minijobsektor ist diese Tätigkeit damit dem Beschäftigungstyp der geringfügig entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV mit einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt, das 400,00 EUR nicht übersteigt, zuzuordnen, für die der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsabgaben, wie Krankenversicherung (11 %) und Rentenversicherung (12 %) zahlen muss (vgl. § 249 b SGB V, § 172 Abs. 3 SGB VI sowie Erläuterungen bei Aichberger, SGB, Stand: September 2003, 4/21 GeringfügigkeitsRL unter B.2, C 1.1 und 1.2 sowie Beispiel 10) und im vorliegenden Fall auch zahlt, wie der eingereichte Abrechnungsbogen für Januar 2004 ausweist. Dieser Minijob ist - im Gegensatz zu dem Beschäftigungstyp der nicht berufsmäßigen kurzfristigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, der nicht sozialversicherungspflichtige Saisontätigkeiten bis zu zwei Monaten oder 50 Arbeitstagen im Jahr betrifft und dadurch eher einer vorübergehenden Aushilfstätigkeit ähnelt (vgl. zur Aushilfstätigkeit OVG Bln, Urteil vom 24. September 2002 - OVG 8 B 3.02 -, InfAuslR 2003, 138) - zur Unterhaltssicherung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. Halbs. AuslG grundsätzlich geeignet.

Diesem Einkommen in Höhe von 1 400 EUR wäre noch das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR hinzuzurechnen, sodass von einem Gesamteinkommen von 1 554 EUR auszugehen ist, das den Lebensunterhalt der Familie im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG hinreichend sichert. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob noch zusätzlich das Schuldversprechen von Herrn K. vom 13. März 2003 in Höhe von 300,00 EUR monatlich bis einschließlich Dezember 2005 dem Einkommen als sonstige eigene Mittel im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG hinzuzurechnen wäre. Hiergegen spricht, dass der Lebensunterhalt einer Familie grundsätzlich nur durch dauerhaftes eigenes Einkommen als gesichert angesehen werden kann, so dass bei der Berechnung alle Einkünfte außer Betracht bleiben müssen, die einmalig oder vorübergehender Natur sind (Aushilfstätigkeit) oder die nicht auf der Grundlage eines Anspruchs (Unterstützung durch nicht Unterhaltspflichtige) erlangt werden (vgl. OVG Bln, a.a.O.). Denn aus dem Zweck der Norm, die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland eigenständig zu sichern (BVerwG, Beschluss vom 4. November 1996, NVwZ-RR 1997, 441) ergibt sich die Notwendigkeit einer gewissen Verlässlichkeit des Mittelzuflusses. Dies ist bei einem zeitlich befristeten Schuldversprechen nicht der Fall (vgl. Beschluss des Senats vom 12. Februar 2004 - OVG 2 S 2.04 -).

Im vorliegenden Fall ist jedoch das Erfordernis, dass für die Familie im Falle des Nachzugs weiterer Familienangehöriger ausreichender Wohnraum im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 AuslG zur Verfügung stehen muss, nicht erfüllt.

Der Wohnraum ist dann als ausreichend anzusehen, wenn er für die Unterbringung Wohnungssuchender in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügen würde, d.h., wenn er nach Anzahl der Räume und Wohnfläche dem Wohnraum entspricht, der der Familie nach den wohnungsrechtlichen Vorschriften überlassen werden dürfte (vgl. OVG Bln, Urteil vom 24. September 2002 - OVG 8 B 3.02 -, InfAuslR 2003, 138). Die aus zwei Zimmern, Küche, Bad, Abstellraum und Loggia bestehende, knapp 60 m² große Wohnung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, wieviel Quadratmeter die beiden Zimmer umfassen, die allein als Wohnraum zählen, denn für die Voraussetzung "ausreichend" ist gemäß § 17 Abs. 4 AuslG die Beschaffenheit und die Belegung, d.h. die Größe der Wohnung und die Zahl der Bewohner maßgebend (vgl. 17.4.1 AuslG-VwV). Anhaltspunkte für das Verhältnis dieser Faktoren zueinander ergeben sich aus § 5 WoBindG in Verbindung mit § 27 Abs. 4 WoFG und den landesrechtlichen Bestimmungen zur maßgeblichen Wohnungsgröße und der erforderlichen Raumzahl. Danach ist für die Erteilung einer Bescheinigung zur Erlangung einer für den Wohnberechtigten angemessenen Wohnungsgröße die Raumzahl und die Wohnfläche maßgebend. Die Wohnungsgröße ist gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 des Belegungsbindungsgesetzes - BelBindG - vom 10. Oktober 1995 (GVBl. S. 638) in der Regel angemessen, wenn sie es ermöglicht, dass auf jedes Familienmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt (s.a. Fischer-Dieskau/Pergande/ Schwender, Wohnungsbau-Recht, Stand: Juni 2001, § 5, S. 48; Renner, AuslR, 7. Aufl. 1999, § 17 Rdnr. 20). Dies ist bei einer Zweizimmerwohnung für drei Personen nicht der Fall, sodass hinsichtlich der ohnehin im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug (§ 18 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 AuslG) jedenfalls nicht von einem Anordnungsanspruch ausgegangen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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