Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: OVG 2 S 49.05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 4
VwGO § 161 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 49.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Brauner und Funk

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 ist mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung wirkungslos.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 242 612,63 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich sowohl mit ihrer Klage - VG 19 A 300.04 - gegen den Gebührenbescheid vom 17. November 2003 in Höhe von 930 50,53 Euro durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 als auch mit ihrem vorläufigen Rechtsschutzantrag - VG 19 A 168.04 - gegen den Gebührenbescheid vom 17. November 2003 durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 obsiegt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgenannten Entscheidungen Bezug genommen.

Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage in dem Beschluss vom 17. Dezember 2004. Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen die zusätzlich erfolgte Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des Gebührenbescheids vom 17. November 2003 nur gegen Sicherheitsleistung durch Stellung einer Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage durch ein Kreditinstitut, das im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt ist.

Nachdem der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 zu Protokoll erklärt hat, er werde die Vollziehung aus dem Gebührenbescheid gegenüber der Antragstellerin bis zur Rechtskraft des Urteils im Verfahren OVG 2 B 7.05 aussetzen, haben die Beteiligten den Rechtsstreit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, so dass das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO entsprechend) und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 damit - bis auf die Streitwertfestsetzung - wirkungslos ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

Nach der an den Erfolgsaussichten der Beschwerden zu orientierenden Prüfung entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil er sowohl hinsichtlich seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2004 als auch hinsichtlich der Beschwerde der Antragstellerin unterlegen gewesen wäre.

Die Beschwerde des Antragsgegners wäre aus den in dem Urteil vom 22. Juni 2005 - OVG 2 B 7.05 - genannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, zurückzuweisen gewesen, so dass die Kosten hierfür dem Antragsgegner aufzuerlegen sind. Der Beschwerde der Antragstellerin wäre dagegen stattzu-geben gewesen, so dass die Kosten auch insoweit - und damit insgesamt - dem Antragsgegner aufzuerlegen sind.

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO kann die Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden (vgl. Kopp/Schenke,VwGO, 13. Auflage 2003, § 80 Rdnr. 169). Hierbei handelt es sich um eine spezielle, auf die Zwecke des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens zugeschnittene Nebenbestimmung (vgl. VGH BW, Beschluss vom 9. Mai 1983, NJW 1984, 1369; BayVGH, Urteil vom 6. September 1990, NVwZ-RR 1991, 159), mit der ein Interessenausgleich zwischen dem zu gewährleistenden effektiven Rechtsschutz einerseits und dem staatlichen Vollzugsinteresse andererseits hergestellt werden soll. Die Beschwer der Antragstellerin ergibt sich daraus, dass durch die verlangte Beibringung einer Bankbürgschaft eine Eventualverbindlichkeit der Bank (Aval) entsteht, die diese sich mit Avalzinsen vergüten lässt.

Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO war jedoch kein Raum. Fiskalische Gesichtspunkte greifen vor dem Hintergrund der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, wonach der Zahlungspflichtige in der Regel erst einmal vorleisten und sich im Übrigen auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen muss, nur, solange nicht schon bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Die Antragstellerin hatte jedoch schon in erster Instanz sowohl im Hauptsacheverfahren VG 19 A 300.04 als auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG 19 A 168.04 aufgrund der vom Gericht festgestellten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Gebührenbescheids obsiegt.

Selbst wenn die - nicht weiter begründete - Anordnung einer Sicherheitsleistung im Hinblick auf die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren divergierenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Februar 2003 - VG 19 A 204.03 - und des Oberverwaltungsgericht Berlin vom 3. Juni 2004 - OVG 2 S 18.04 - (NVwZ-RR 2005,304) und das seinerzeit noch ausstehende Berufungsverfahren ergangen sein sollte, genügt dies nicht. Allein der Umstand, dass die Antragstellerin in der Zwischenzeit nicht gehindert sein würde, über den zurückgezahlten Gebührenbetrag frei zu verfügen und die Realisierung eines möglichen Obsiegens des Antragsgegners in zweiter Instanz damit risikobehaftet sein würde, rechtfertigt eine solche Anordnung nicht. Bei der gegebenen rechtlichen Konstellation stellt das Verlangen nach einer Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft eine Übersicherung zu Lasten der Antragstellerin dar, denn Sicherheitsleistungen dienen vollstreckungsrechtlich entweder der Durchführung einer Vollstreckung aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen zusprechenden Urteils durch den Gläubiger (vgl. § 709 ZPO) oder der Abwendung einer Vollstreckung durch den Schuldner (vgl. § 711 ZPO), nicht aber der vorsorglichen zusätzlichen Sicherung eines ungewissen zukünftigen Anspruchs einer Partei.

Die in Befolgung der Auflage der Antragstellerin möglicherweise entstandenen Aufwendungen für Avalzinsen sind Kosten für ein Verfahren über die Anordnung der sofortigen Vollziehung, die zu Lasten des im Beschwerdeverfahren Unterliegenden gehen, in dessen Interesse sie veranlasst worden sind (vgl. BayVGH, Urteil vom 6. September 1990, NVwZ-RR 1991, 159).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs.1 Satz 1, § 53 Abs.3 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG a.F., wobei der Senat für die Beschwerde des Antragsgegners 1/4 des Gebührenbetrags angesetzt hat und für die Beschwerde der Antragstellerin die voraussichtlich bei Annahme eines Avalzinses von ca. 2 % auf den Gebührenbetrag von 930 450,53 Euro in der Zeit seit der Anordnung der Sicherheitsleistung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 angefallenen Kosten von ca. 10 000 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück