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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: OVG 3 S 33.04
Rechtsgebiete: AuslG, VwVG


Vorschriften:

AuslG § 13 Abs. 2
AuslG § 42 Abs. 1
AuslG § 42 Abs. 2
AuslG § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AuslG § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AuslG § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
AuslG § 42 Abs. 3
AuslG § 44 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 49
AuslG § 50
AuslG § 50 Abs. 1 Satz 1
AuslG § 50 Abs. 1 Satz 2
AuslG § 50 Abs. 4
VwVG § 13 Abs. 2
VwVG § 13 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 3 S 33.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann sowie die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Merz und Silberkuhl am 28. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin verfügte auf Grund der Familienzusammenführung mit ihrem türkischen Ehemann seit dem 8. März 2002 über eine Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt am 3. Februar 2003 nach der Erklärung der Eheleute, gemeinsam im Hause S. zu wohnen, bis zum 2. Februar 2004 verlängert worden war. Nachdem das Landeseinwohneramt durch die Meldestelle die Mitteilung erhalten hatte, dass die Antragstellerin seit dem 28. Januar 2003 unbekannt verzogen sei, wies es sie mit Bescheid vom 3. Juni 2003 wegen unzutreffender Angaben zum Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft aus, setzte ihr eine Ausreisefrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides und drohte ihr die Abschiebung in die Türkei an. Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt. Unter dem 28. November 2003 erhielt das Landeseinwohneramt Kenntnis davon, dass die Antragstellerin rückwirkend wieder unter ihrer bisherigen Anschrift melderechtlich erfasst sei. Bei ihrer Vorsprache am 1. Dezember 2003 wurde der Antragstellerin der Bescheid vom 3. Juni 2003 ausgehändigt und seit dem 2. Dezember 2003 die Abschiebung der Antragstellerin vorbereitet.

Die Antragstellerin hat am 10. Dezember 2003 Klage gegen den Bescheid vom 3. Juni 2003 erhoben (VG 11 A 1204.03). Am selben Tage hat sie beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf ein Urteil des VGH Mannheim vom 29. April 2003 (InfAuslR 2003, 341) ausgeführt, die Abschiebungsandrohung sei voraussichtlich rechtmäßig. Dies gelte auch dann, wenn die Antragstellerin auf Grund rechtzeitiger Klageerhebung nicht vollziehbar ausreisepflichtig sein sollte, weil die Abschiebungsandrohung keine vollziehbare Ausreisepflicht voraussetze. Die Vollziehbarkeit müsse vielmehr, wie sich aus § 49 AuslG ergebe, erst bei der Abschiebung selbst vorliegen.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung setze die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraus. Das Verwaltungsgericht habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass die Ausweisung rechtswidrig sei. Als Vollstreckungsmaßnahme teile die Androhung deren rechtliches Schicksal.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Landeseinwohneramtes Berlin vom 3. Juni 2003 anzuordnen.

1. Entgegen der Ansicht der Beschwerde setzt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraus.

Die Antragstellerin ist durch die Ausweisung vom 3. Juni 2003 gemäß § 42 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtig geworden. Ausreisepflichtig ist, wer eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht oder nicht mehr besitzt. Die der Antragstellerin erteilte Aufenthaltserlaubnis ist gemäß §§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG durch die Ausweisung erloschen. Daran ändert auch die dagegen erhobene Klage nichts, weil die Ausweisung gemäß 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG wirksam ist. Die Antragstellerin ist aber nicht vollziehbar ausreisepflichtig geworden, weil das Landeseinwohneramt die Ausweisung nicht für sofort vollziehbar erklärt hat (§ 42 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AuslG) und kein Fall des § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AuslG vorlag. Dies hinderte aber den Erlass der Abschiebungsandrohung jedenfalls dann nicht, wenn es sich - wie hier - um eine sog. verbundene Abschiebungsandrohung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 2 AuslG handelt.

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 AuslG soll die Abschiebungsandrohung mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den der Ausländer nach § 42 Abs. 1 AuslG ausreisepflichtig wird. Die in § 42 Abs. 2 AuslG geregelte Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist danach nicht Voraussetzung für den Erlass einer verbundenen Abschiebungsandrohung (ebenso Funke-Kaiser, GK-AuslR, Stand: September 2004, § 50 Rdz. 13 ff., auf dessen Kommentierung das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Dezember 1997, InfAuslR 1998, 217, verweist, in dem es davon ausgeht, dass die Abschiebungsandrohung gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht voraussetze).

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen. Aus § 13 Abs. 2 VwVG ergibt sich, dass die Vollziehbarkeit des Grundverwaltungsakts nicht Voraussetzung für den Erlass der Zwangsmittelandrohung ist. Nach Satz 1 der Regelung kann die Androhung eines Zwangsmittels mit dem Verwaltungsakt, durch den eine Handlung aufgegeben wird, verbunden werden. Nur für den Fall, dass der sofortige Vollzug angeordnet oder den Rechtsmitteln keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist, schreibt § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVG die Verbindung der Zwangsmittelandrohung mit dem zu vollziehenden Verwaltungsakt als Sollvorschrift vor.

Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist aber Voraussetzung dafür, dass die gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG in der Abschiebungsandrohung zu setzende Ausreisefrist zu laufen beginnt. Dies ergibt sich aus § 42 Abs. 3 AuslG und insbesondere aus § 50 Abs. 4 AuslG, wonach die Ausreisefrist unterbrochen wird, wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht entfällt. Unterbrechung bedeutet, dass die Frist nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen beginnt (vgl. § 249 Abs. 1 ZPO; BVerwG, Beschluss vom 2. September 1996, Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 11). Damit ist sichergestellt, dass dem Ausländer ab Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die volle Ausreisefrist zur Verfügung steht. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ist ferner gemäß § 49 AuslG Voraussetzung für den Vollzug der Abschiebung.

2. Die Beschwerde kann auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass die mit der Abschiebungsandrohung verbundene Ausweisung rechtswidrig sei. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von der Antragstellerin zitierten Urteil vom 19. Mai 1981 (BVerwGE 62, 215, 223/224) eine mit einer rechtswidrigen Ausweisungsverfügung verbundene Abschiebungsandrohung mit der Begründung aufgehoben, sie teile als Vollstreckungsmaßnahme das rechtliche Schicksal der Ausweisung als Grundverwaltungsakt. Das Urteil ist allerdings zu § 13 Abs. 2 AuslG 1965 ergangen, eine gleich lautende Entscheidung zu dem im Hinblick auf den Erlass und den Bestand einer Abschiebungsandrohung wesentlich differenzierteren § 50 AuslG 1990 liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 21. September 1999, BVerwGE 109, 305, 313/314) hält eine asylverfahrensrechtliche Abschiebungsandrohung für erledigt, wenn dem Asylbewerber eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wird. Damit entfalle die Ausreisepflicht, deren Vollstreckung die Abschiebungsandrohung vorbereiten solle. Es spricht viel dafür, dass dasselbe bei Aufhebung einer Ausweisung gilt, die - wie oben unter 1. dargelegt - gemäß § 42 Abs. 1 AuslG die Ausreisepflicht begründet. Dies braucht hier indes nicht abschließend entschieden zu werden. Jedenfalls besteht auf Grund vorstehender Ausführungen im vorliegenden Verfahren kein Anlass, die Rechtmäßigkeit der nicht für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung zu prüfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG a.F.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.

Ende der Entscheidung

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