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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.05.2005
Aktenzeichen: OVG 4 N 78.04
Rechtsgebiete: VwGO, AbgG


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 74
VwGO § 59
VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 119 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
AbgG § 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 N 78.04

Berlin, den 2. Mai 2005

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. September 2004 zuzulassen, abgelehnt.

Gründe:

Der Rechtsbehelf, der jedenfalls nicht zu allen Aspekten dem Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) genügt, zieht nicht.

1. Die Berufung ist nicht wegen der behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht hat, gemessen an der Rechtsbehelfargumentation, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend entschieden, und zwar ohne dass einer der Aspekte in einem Berufungsverfahren überdacht werden müsste.

1.1 Die Bemerkungen des Rechtsbehelfs zum Vertrauensschutz gehen fehl (und zwar unabhängig von der [unzutreffenden] Version, das Urteil habe den Gesichtspunkt "vernachlässigt").

Der Senat muss nicht erörtern, ob schon Bestandskraft des die ältere Praxis beendenden Bescheides (vom 12. Juli 2001 [vgl. schon die Ankündigung vom 27. Juni 2001]) entgegensteht (§§ 74, 59, 58 Abs. 2 VwGO). Klage hatte der Kläger nach Erheben von "Widerspruch" und negativer Reaktion (Schreiben der Bundestagsverwaltung, 14. August 2001, nebst Rudimenten einer Rechtsmittelbelehrung) soweit ersichtlich nicht erhoben.

Jedenfalls geht das Postulat Vertrauensschutz an den Tatsachen vorbei. Die Beklagte hat keineswegs, wie der Rechtsbehelf lediglich unterstellt (ohne Substanz behauptet), "nunmehr" (mit dem jetzt angefochtenen Bescheid vom 5. Mai 2004) die "Bewilligungspraxis gegenüber dem Kläger (ge-)ändert", "Abkehr" vorgenommen etc. Vielmehr war die Praxis knapp zwei Jahre beendet als der Kläger nach Korrektur seines (und seiner Ehefrau) Aufenthaltsstatus in Schweden die Neubegründung, "Wiederaufnahme" der ehemaligen, obsoleten Unterstützung (§ 28 AbgG) begehrte.

Spezifische Aspekte, welche Vertrauen in Neubegründung der (generell revidierten Praxis) dem Kläger gegenüber hätten tragen können, bringt der Rechtsbehelf nicht bei.

1.2 Soweit der Zulassungsantrag sich der Norm als solcher (§ 28 AbgG), ihrer Interpretation durch das Verwaltungsgericht und Anwendung in concreto zuwendet, hat er nichts hinreichend Überzeugendes (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Der Rechtsbehelf versucht, den vom Verwaltungsgericht nur zu Beginn und am Ende seiner entsprechenden Erörterungen (Abdruck S. 5 f.) benutzten Terminus "Notlage" zu isolieren, zu verabsolutieren. Er vernachlässigt, dass das Verwaltungsgericht jenen mit "wirtschaftlichen Schwierigkeiten" gleichsetzt. Das Verwaltungsgericht stellt plausibel, materialgedeckt darauf ab, es müsse sich um besondere Härtefälle handeln (BT-Dr. 7/5531 S. 22 zu § 24 E [Kontext: BT-Dr. 7/5525]), die Vorschrift (§ 28 AbgG) diene (sinngemäß: nur) dazu, "soziale Härten" zu mildern (BVerwG Buchholz 120 Recht der Abgeordneten Nr. 2 [S. 11], ebenfalls zur Vorläufernorm). - Die Interpretation jedoch, soziale, Unterstützung (Ermessen) eventuell legitimierende (tatbestandsmäßige) Härte liege nicht vor, wenn dem Abgeordneten die Probleme zuzurechnen seien (a.a.O. S. 5), hat der Rechtsbehelf als Grundsatz, als Regelvorgabe nicht fraglich zu machen vermocht (vgl. in diesem Kontext Senatsbeschluss vom selben Tage in der den Kläger betreffenden Sache OVG 4 N 77.04 [1.3]).

Zu den Angriffen auf die Fallwertung sei vorausgeschickt, dass der Rechtsbehelf die Annahme, das Existenzminimum des Klägers und seiner Ehefrau sei angegriffen, ihre (bezifferten) Renten reichten nicht, weil Schwerbehinderte beträchtliche Mehraufwendungen hätten, nicht wie nötig substanziiert. Zwar liegt Mehrbelastung, beachtliche Mehrbelastung als solche auf der Hand, das erübrigt jedoch keine sachverhaltsbezogene Detaillierung. - Und vorausgeschickt sei zur schwe-dischen Volksrente, dass ihre etwaige Zahlung (die negative Rechtsbehauptung zum "EU-Recht" konkretisiert der Antrag nicht mit Vorschriften) vom Urteil keineswegs unterstellt, für relevant gehalten wird. Das Verwaltungsgericht referiert nur eine Angabe des Klägers in der Sitzung, er erstrebe zusätzliche Volksrente. Im Übrigen würde die Obliegenheit, Berichtigung unzutreffender Tatbestandsfeststellungen zu begehren (§ 119 Abs. 1 VwGO), auch hier, bei Feststellungen im Urteil, gelten (Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. 2003 § 119 Rdnr. 2 nebst Belegen).

Die dem Kern der Sache, den zwei Wohnsitzen des Klägers (Einzimmerwohnung in Berlin, Haus [ehemals, für viele Jahre, von ihm als Ferienhaus bezeichnet, genutzt] in Schweden) mit entsprechenden Kosten, seiner und seiner Ehefrau gesundheitlichen Bedürfnissen geltenden Ausführungen des Rechtsbehelfs gehen an der Sachlage vorbei. Es ist Obliegenheit des Klägers (ehemaliges, wenn auch kurzzeitiges Mitglied der Volkskammer) und jetzt seines Vertreters, darzutun, weshalb zwei Wohnsitze, ein Haus in Schweden notwendig sein sollen, ferner, die hiesigen Kosten zu beziffern, etc. "Ob der Wohnsitz in Schweden aus ärztlicher Sicht von Bedeutung" ist, ist irrelevant; es kommt darauf an, ob er unumgänglich, weshalb (Urteil S. 6) nicht Wohnsitz mit "Distanz zur Großstadt und ... Nähe zum Meer oder zu Naturschutzgebieten" z.B. auch in Deutschland zu finden ist. Welche "rechtlichen Konsequenzen ... sich aus der Aufgabe eines Wohnsitzes in Berlin insbesondere für die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers ergeben" könnten, tut der Antrag nicht dar. Die "Frage, warum der Wohnsitz denn ausgerechnet in Deutschland sein" solle, ist angesichts des Klagevortrags (S. 2 f. des Urteilsabdrucks) nicht nachvollziehbar gestellt. Die bloße Nebenbemerkung des Verwaltungsgerichts (a.a.O. S. 6) zur Wohnung der Mutter des Klägers in Berlin verkennt der Rechtsbehelf; es geht dem Urteil um "alternative Handlungemöglichkeiten", nicht speziell Wohnsitz bei der Mutter, und zwar (wie ohne weiteres aus dem Kontext der Klage ersichtlich ist) etwa vorübergehende Unterkunft (statt Hotel) bei den behauptetermaßen kurzzeitig nötigen hiesigen Aufenthalten (Klagevortrag, S. 3 des Tatbestandes); der Rechtsbehelf lässt im Übrigen auch hier die Angabe nur dem Kläger möglicher fallbezogener, konkreter Daten (Wohnung der Mutter pp.) vermissen.

2. Ebenso wenig zieht die Inanspruchnahme der Variante rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zur postulierten spezifischen Schwierigkeit im Tatsächlichen, das erstinstanzliche Material betreffend, bringt der Rechtsbehelf nichts.

Die Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs "besondere Fälle" aber hält sich im üblichen verwaltungsprozessualen Schwierigkeitsspektrum.

3. Die Berufung ist ferner nicht wegen Grundsätzlichkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Von vornherein unbeachtlich (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ist die Version, die inmitten stehende Vorschrift (§ 28 AbgG) werfe durch ihre "Unbestimmtheit eine Fülle von ... Fragen auf". Der Rechtsbehelf muss die Frage (wenigstens mittelbar) formulieren, Klärungsbedarf wie Klärungsfähigkeit substanziieren.

Soweit er für klärungsbedürftig hält, "was unter 'besonderen Fällen' zu verstehen ist", geht er nicht auf die im Urteil zitierte, auch aktuell relevante Judikatur des BVerwG zur Normregel ein (Gesichtspunkt eben: Klärungsbedarf), zeigt nicht auf, worin die Notwendigkeit fernerer Klärung zu sehen sein soll. Jedenfalls ergibt die Sache, auf die Falllösung bezogen, solchen Bedarf nicht her.

4. Letztlich Entsprechendes gilt zur Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Der Rechtsbehelf legt schon nicht dar (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), warum es nach dem insoweit (unstrittig, std. höchstrichterliche Judikatur) maßgebenden materiellen Maßstab des Urteils auf die Frage der "vormalige(n) Bewilligungspraxis" der Beklagten ankommen soll. - Die Version, die "gegenwärtige ... Bewilligungspraxis" hätte der Aufklärung bedurft, ist nicht nachvollziehbar; es geht um Einzelfallentscheidung (aktuelle Richtlinien existieren nach eigenem Rechtsbehelfvortrag nicht).

Im Weiteren verkennt der Rechtsbehelf offenbar die Darlegungsobliegenheit des rechtsschutzsuchenden Bürgers. Die Streitsache ist laut Protokoll des Verwaltungsgerichts mit dem Kläger erörtert worden. Dass er (ehemaliges Mitglied der Volkskammer) nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Wertungsaspekte zu verstehen, interessegerecht vorzutragen, etwa Kosten zu spezifizieren, ist nicht dargetan (angesichts des erstinstanzlichen Schriftsatzvorbringens auszuschließen). Das Verwaltungsgericht hatte nicht quasi ins Blaue hinein zu ermitteln (wobei nur angemerkt sei, dass auch der Rechtsbehelf nahezu durchweg konkretisierte Datenangaben vermissen lässt, die durch Aufklärung zu verifizieren sein könnten.

Von noch weiterer Erörterung sieht der Senat ab, nicht ohne auf den letzten Satz der Urteilsgründe (S. 7 Abs. 1 des Abdrucks am Ende) Bezug zu nehmen.

Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG n.F.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n.F.).

Ende der Entscheidung

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