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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: OVG 5 N 78.04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 60 Abs. 2
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 N 78.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 14. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. September 2004 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf nicht mehr als 300,00 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 3, 52 GKG).

Gründe:

Mit dem am 16. September 2004 zugestellten Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Aufhebung eines Umsetzungsgebührenbescheides des Polizeipräsidenten in Berlin abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist am Montag, dem 18. Oktober 2004, beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt worden.

Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet worden ist. Die Antragsbegründung ist erst am Donnerstag, dem 18. November 2004, beim Oberverwaltungsgericht Berlin eingegangen.

Der nach gerichtlichem Hinweis vom 23. November 2004 am 8. Dezember 2004 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsbegründungsfrist hat keinen Erfolg. Der Kläger hat nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 60 Abs. 2 VwGO Tatsachen vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht, die den Schluss rechtfertigen, er sei ohne eigenes oder ohne Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) gehindert gewesen, die versäumte Frist einzuhalten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers macht unter eidesstattlicher Versicherung seiner Büroangestellten geltend, die geschulte und zuverlässige, regelmäßig überwachte Mitarbeiterin habe auf seine Anweisung die "Berufungsfristen" im Fristenkalender notiert. Die Überwachung von Notfristen sei im Büro so organisiert, dass der zuständige Rechtsanwalt vor Ausstellung des Empfangsbekenntnisses auf der Urteilsausfertigung die Rechtsmittelfrist vermerke und die zuständige Bürokraft die Frist mit einer einwöchigen Vorfrist im Fristenkalender eintrage und die Eintragung in den Handakten vermerke. Mit Ablauf der Vorfrist werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt die Sache vorgelegt. Da es sich bei dem 16. Oktober 2004 um einen Samstag gehandelt habe und demzufolge von der Mitarbeiterin die "Berufungsfrist" auf den 18. Oktober 2004 im Fristenkalender notiert worden sei, habe diese versehentlich die anschließende "Berufungsbegründungsfrist" vom 18. September 2004 an berechnet.

Damit ist eine unverschuldete Fristversäumung nicht schlüssig dargetan. Aus dem Wiedereinsetzungsvorbringen ergibt sich sinngemäß, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers zwar die Rechtsmittelfrist selbst berechnet und vermerkt, die Berechnung, Notierung und Überwachung der Rechtsmittelbegründungsfrist aber seiner Büromitarbeiterin überlassen hat. Die Wahrung prozessualer Fristen gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines Rechtsanwalts, der er besondere Sorgfalt widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung von Rechtsmittelfristen eigenverantwortlich überwacht. Allerdings darf er die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und deren Berechnung keine Schwierigkeiten bereitet, gut ausgebildetem und sorgfältig beaufsichtigtem Büropersonal überlassen (vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 390.94 - NJW 1995, 2122, 2123 m.w.N. und Beschluss vom 28. Februar 2002 - BVerwG 6 C 23.01 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 243). Zu diesen Fristen zählt jedoch die Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung regelmäßig nicht. Ihr Berechnungsmodus weicht vom übrigen Prozessrecht teilweise ab, kann - anders als die Berufungsbegründungsfrist - nicht verlängert werden und ist nicht zuletzt wegen der häufigen Änderungen der gesetzlichen Grundlagen besonders fehleranfällig (im Ergebnis wie hier OVG Koblenz, Beschluss vom 26. August 2002, NVwZ-RR 2003, 73; für die Begründungsfrist bei der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1998 - BVerwG 9 B 806.97 - zit. nach juris, und für die Revisionsbegründungsfrist gem. § 139 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz VwGO Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 1995, a.a.O., S. 2123; offen gelassen von OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. November 2003 - NVwZ-RR 2004, 227). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Übertragung dieser Fristberechnung auf das Büropersonal rechtfertigen könnten, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht vorgetragen. Somit steht bereits die Übertragung der Fristberechnung auf die Büromitarbeiterin einer Wiedereinsetzung entgegen.

Ungeachtet dessen hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedenfalls die Begründungsfrist eigenverantwortlich überprüfen müssen, als ihm die Akte zur Stellung des Berufungszulassungsantrags Mitte Oktober 2004 vorgelegt worden ist. Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass die Begründungsfrist nicht am 18., sondern am 16. November 2004 ablief und damit falsch berechnet und notiert worden war. Von dieser Pflicht zur eigenverantwortlichen Fristenkontrolle können Anweisungen an das Büropersonal bezüglich der Fristenwahrung nicht befreien (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 1995, a.a.O., S. 2123 m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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